Читать книгу Monikas Reifenpanne - Christine Jörg - Страница 3
Kapitel 1
Оглавление„So eine Scheiße!“, ruft Monika laut. Kraftausdrücke gehören normalerweise nicht zu ihrem Repertoire. „Mist aber auch!“
Ratholz hat sie gerade hinter sich gelassen. Da, paff, ein platter Reifen! Am Großen Alpsee, in der Höhe des Parkplatzes zum Badeplatz beim Kiosk hält sie in Fahrtrichtung Immenstadt in einer Parkbucht an.
Im Sommer ist hier alles zugeparkt. In der Regel findet man keinen Stellplatz mehr. Aber heute, Samstagnachmittag, Anfang März, ist keine Menschenseele zu sehen. Noch dazu bei diesem Wetter!
Zunächst bleibt Monika im Auto sitzen und kramt ihr Handy aus dem Rucksack. Jetzt muss sie Konrad, ihrem Bruder, Bescheid geben, dass sie nicht rechtzeitig zum Kaffee erscheint.
Inzwischen hat es zu nieseln begonnen. Monika kramt ihre hellblaue Jacke vom Rücksitz hervor und zieht sie an. Dann steigt sie schweren Herzens aus. Langsam geht sie um das Auto herum. Ja, die Vermutung war richtig. Der Rechte hinten, der ist platt.
Sie friert. Die Jacke ist nicht dazu gedacht, hier und jetzt Autoreifen zu wechseln. Sie hat sich nur fein gemacht um mit ihren Eltern und dem Bruder in Oberstdorf-Rubi Geburtstag zu feiern. Die feuchte Kälte dringt jetzt schon durch den dünnen Stoff der Jacke.
‚Klasse‘, sagt sie sich, ‚das habe ich mir immer schon gewünscht. Im Regen Reifen zu wechseln. Gut gemacht, altes Haus!‘
Tja, wie wechselt man ein Rad? Gute Frage. Gehen wir doch gleich zur Nächsten über. Wo sind Wagenheber, Schraubenschlüssel oder wie das Ding sonst noch heißt und vor allem, wo ist das Reserverad?
Monika öffnet den Kofferraumdeckel ihres Opels Corsa. Mensch, was liegt da nur für Mist drin. In den Regen möchte sie das Zeug nicht stellen, also öffnet sie die hintere Türe und hievt die Utensilien auf den Rücksitz.
Aus den Augenwinkeln sieht sie wie ein Sportwagen an ihr vorbeizischt. Idiot! Hättest ja mal anhalten können.
Wieder wendet sie sich dem, nun leer geräumten, Kofferraum zu. OK, irgendwo da drunter könnte das Reserverad liegen. Sie sucht nach einer Möglichkeit, den Kofferraumboden zu öffnen, als ein schnittiger Sportwagen langsam in Gegenrichtung vorbeifährt.
‚War das derjenige, der soeben flott vorbeigebraust ist?‘, fragt sich Monika und achtet nicht weiter darauf.
So, der zweite Boden des Kofferraums ist offen. Volltreffer, das Reserverad liegt unversehrt da. Sieht so aus, als wären das die anderen Utensilien, die auch noch zum Radwechsel benötigt werden.
„Kann ich Ihnen helfen?“, hört sie eine männliche Stimme hinter sich.
Sie hebt den Kopf. Rums! Na ja, eine Beule mehr oder weniger macht jetzt auch nichts mehr. Ihr Kopf hat Bekanntschaft mit dem Kofferraumdeckel gemacht.
Instinktiv hebt sie die Hand und reibt sich die Stelle der zukünftigen Beule. Jetzt hebt sie den Kopf hoch, sehr hoch, und schaut zu einem Hünen empor. ‚Gleich bekomme ich Genickstarre‘, denkt sie sich. „Na ja, ich habe einen Platten.“ Sie zeigt auf das rechte Hinterrad.
„Der Kandidat hat hundert Punkte“, lacht der Mann. „Das haben Sie gut erkannt. Gratuliere.“
So ein Idiot. Weshalb hat er angehalten, wenn er sich jetzt nur lustig macht?
„Sehen Sie den Parkplatz da drüben?“, der Riese zeigt auf den großen Parkplatz genau gegenüber. Artig nickt sie. „Gut, dort fahren Sie jetzt rein. Da haben wir allen Platz der Welt um das Rad zu wechseln.“ Damit senkt er den zweiten Kofferraumboden, knallt den Kofferraum zu und dreht sich zu seinem Auto, besagten Mercedes-Sportwagen, um.
Auch Monika besteigt ihr mickriges Gefährt und fährt langsam zur Einfahrt des Parkplatzes. Ihr Helfer erwartet sie bereits. Nur noch in Hemd. Das Jackett hat er im Auto zurück gelassen. Aus seinem Auto hat er Handschuhe, Wagenheber und Schraubenschlüssel geholt. Es fehlen nur Monikas Auto und das Reserverad.
Monika ist noch nicht richtig ausgestiegen, als der rasierte Glatzkopf schon den Kofferraum geöffnet hat und sich am Boden zu schaffen macht.
„Haben Sie schon mal ein Rad gewechselt?“, will der Fremde wissen.
Monika schüttelt den Kopf. Als der Mann den Kopf hebt und sie fragend anschaut, sagt sie: „Nein, noch nie.“
„Dann wird es aber Zeit!“ Er grinst sie mit herausforderndem Blick an.
‚Was soll das denn? Ich dachte, der hält an und erledigt das jetzt‘, sagt sich Monika. Und dann zaghaft: „Ja.“
Zu Monikas Erleichterung macht er sich mit dem Wagenheber am Auto zu schaffen. Sie steht tatenlos daneben und interessiert schaut zu.
Nächstes Mal, wenn die Verkehrswacht ein Frauentraining anbietet, bin ich dabei, das schwört sie sich.
„Jedes Auto hat bestimmte Stellen, an denen man den Wagenheber ansetzen darf“, hört sie die Erklärung ihres Retters. „Wenn Sie nicht wissen wo, dann können Sie es in der Betriebsanleitung nachlesen.“
„Danke.“
„Ihren Drehkreuzschlüssel können Sie vergessen, der taugt nichts. Als Frau können Sie mit dem keine Schraubenmutter öffnen. Sie brauchen so einen.“ Er streckt ihr ein Schlaginstrument entgegen, bei dem man den Hebel verlängern kann. War da nicht was mit Hebelwirkung und so? Der Physikunterricht ist schon so lange her. Hört sich doch logisch an. Das muss sie zugeben.
Kraftvoll macht er sich an den Schraubenmuttern zu schaffen. „Sie dürfen nicht eine Mutter vollkommen lösen. Lockern sie alle nach und nach.“ Fein säuberlich legt er die abgenommenen Muttern auf den Asphalt. Dann hebt er das defekte Rad ab und legt es auf den Boden. Nun holt er das Reserverad aus seinem Versteck und steckt es auf die Schrauben.
„Jetzt müssen Sie diese beiden Muttern zuerst ein wenig anschrauben.“ Er zeigt es ihr. „So.“ Er hat in Monika wirklich eine aufmerksame Beobachterin gefunden.
‚Der hat Glück‘, Monika lächelt in sich hinein. ‚Mit der Glatze bekommt er bei dem Regen wenigstens keine nassen Haare‘.
Ich hasse Männer, die nicht zu ihrer angehenden Glatze stehen. Früher haben sie sich die Haare quer über den Kopf gelegt um kahle Stellen abzudecken. Oder sie haben ein Toupet draufgelegt. Wie schrecklich! Der Trend heute neigt zur Rasur. Auch nicht der Renner, aber besser als drei Haare über den Kopf ziehen. ‚Wie oft rasiert man die Glatze. Also, mir wäre das zu blöd‘, sagt sie sich.
„Sie sollten an der nächsten Tankstellen den Druck auf dem Rad kontrollieren“, schreckt sie die Männerstimme aus ihren Gedanken auf. Er stößt mit der Schuhspitze gegen das angeschraubte Rad. „Und nicht vergessen, nach fünfzig Kilometern das Reserverad nachziehen.“
Etwas verwirrt antwortet sie stotternd: „Ja, gut. Wie viel muss denn da rein.“
„Das steht irgendwo geschrieben.“ Der Fremde öffnet den Tankdeckel. „Das ist bei jedem Auto anders. Haben sie noch nie die Luft geprüft?“ Ungläubig starrt er Monika an. „Hier steht, wie viel sie brauchen. Überhaupt kein Problem.“
„Doch“, entfährt es ihr, „das heißt nein.“ Der Fremde hebt fragend den Kopf und schaut sie verwundert an.
Oh, diese Augen, stellt sie jetzt fest. Verwirrt erklärt sie: „Das macht immer mein Bruder.“
„Aha“, dabei hievt er das gewechselte Rad in den Kofferraum. „Das“, er deutet auf das kaputte Rad, „sollten Sie so schnell wie möglich reparieren lassen.“
„Ja, danke.“
‚Nun‘, sagt sie sich,‘ der Mann, wie bringt er nur seine Hände wieder sauber.‘ Schwarze Flecken haben sich auch auf dem Hemd breit gemacht. Sie bekommt Schuldgefühle. Irgendetwas muss ich ihm anbieten. Aber was?
Sie kann ihm schlecht vorschlagen, das Hemd mitzunehmen und zu waschen.
Der Unbekannte begibt sich zu seinem Auto und räumt sein Werkzeug ein. An einem Papiertaschentuch reibt er sich die Hände ab. Alle verschmierten Stellen verschwinden natürlich nicht.
Monika folgt ihm rasch. „Entschuldigung. Sie haben sich schmutzig gemacht. Ich möchte für die Reinigung aufkommen.“
Der Mann lächelt sie mitleidig an. „Schon in Ordnung. Eine Waschmaschine habe ich gerade noch. Schönen Tag noch.“ Bevor sie sich versieht, sitzt er in seinem Sportwagen und fährt los.
„Danke noch“, murmelt Monika leise vor sich hin. Dann dreht sie sich zu ihrem Auto um. Die Sachen aus dem Kofferraum lässt sie auf dem Rücksitz liegen. Schließlich muss sie den Reifen zum Reparieren herausholen.
Nachdenklich und feucht vom Regen fährt sie zum Geburtstagskaffee. Was hat sie einmal mehr falsch gemacht? Weshalb hat sie sich nicht ordentlich bedankt. Wie peinlich sie doch immer auffällt.