Читать книгу Der andere Jesus - Christine Kolbe - Страница 5

Оглавление

Vorwort

Es war ein Winterabend im Jahr 1987, als ich meinen ersten Versuch unternahm, automatisch zu schreiben. Ich hatte davon gelesen und glaubte nicht ernsthaft, eine automatische Handschrift verfassen zu können. Zu meiner großen Überraschung begann meine Hand selbständig Linien und Kurven zu zeichnen, bevor die ersten Worte in einer mir untypischen Handschrift auftauchten. Der erste Satz lautete: „Am anderen Ufer ist alles anders.“ Es folgte ein kurzer Text über das „Leben“ in einer anderen Dimension, und diese erste Durchgabe wurde von meiner Großmutter Elisabeth unterschrieben. Ich war beeindruckt. Diese, 1926 schon jung verstorbene Großmutter war in meinem Denken so gar nicht präsent. Sie starb, als mein Vater elf Jahre alt war, und es gibt so gut wie keine Details oder Erinnerungen aus ihrem Leben.

In der Folge schrieb meine Großmutter Elisabeth in fest vereinbarten Schreibsitzungen auf über 1500 dicht beschriebenen Seiten über das jenseitige Leben, aber auch über unser physisches und psychisches Sein, unser Unterbewusstsein, unsere Seele und Reinkarnation. Eine ihrer Kernaussagen lautet: „Nichts geschieht zufällig. Allem Geschehen liegt ein tieferer Sinn zugrunde, und wir Menschen sind ewige Wesen.“

Ich betrachte es als meine persönliche spirituelle Ausbildung und oftmals griff sie meine aktuelle Lebenssituation auf, um mir ihre Sicht auf die Dinge zu vermitteln. Eine kostbare Quelle intensiver Informationen über unser zuweilen unübersichtliches physisches Leben.

Ende der Neunzigerjahre änderte sich diese Art der Durchgaben, und ich wurde mit der Frage konfrontiert, ob ich fortlaufende Texte zu einem bestimmten Thema verfassen möchte. Zum ersten Mal richteten sich die Durchgaben nicht mehr an mich persönlich, sondern begannen eine Geschichte zu erzählen, die thematisch und in ihrem zeitlichen Kontext mit meinem Leben gar nichts zu tun hatte. Es sollte eine Geschichte über Jesus, sein Leben, Wirken und seinen vermeintlichen Tod werden.

Meine Überraschung und meine Neugier waren groß, und ich begann, Schreibsitzungen für die Durchgabe dieser Geschichte abzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt war ich nicht sehr vertraut mit dem Neuen Testament und dem Leben von Jesus von Nazareth, der in dieser Geschichte „Jeheshua“ genannt wird. Angetrieben davon, den Fortgang der Geschichte zu erfahren, wuchs das Material, und mit jeder neuen Durchgabe wurde die Brisanz der Geschichte deutlich: Er starb nicht am Kreuz!

Vielleicht war genau das der Grund, warum das Material, das in Etappen über einen Zeitraum von zwölf Jahren entstand, nach seiner Fertigstellung in einer Schublade meines Schreibtisches verschwand.

Mir wurde offenbar, dass dieses Material in die Welt gebracht werden musste, aber genau davor schreckte ich zurück. Wie würde es aufgenommen werden, und was würde mit mir als Mittlerin geschehen? Wohl wissend, dass die Durchgaben eine wichtige Aufgabe bedeuteten, konnte ich mich nicht dazu durchringen, sie zu veröffentlichen. Sie lasteten auf mir wie ein unlösbares Problem.

Und beinahe hätte mich auch jetzt, nachdem ich mich endlich entschlossen hatte, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, mein ganzer Mut wieder verlassen, als sich beim Lektorat die Geschichte als teilweise unlogisch, unzusammenhängend und langatmig erwies.

In der Tat sind die Durchgaben an manchen Stellen widersprüchlich und unübersichtlich, und mir ist mein Unvermögen als Vermittlerin durchaus bewusst. Aber ich habe mich dennoch entschieden, die Texte nicht zu verändern und so authentisch wie möglich zu erhalten. Es wurden nur marginale Korrekturen vorgenommen, und es ist dem Leser anheimgestellt, sich selbst ein Urteil zu bilden. Es schien mir unzulässig, Texte zu verändern, deren Verfasserin ich nicht bin. Gleichwohl ist es in gewisser Weise mein Werk, denn ich musste das Empfangene in Worte übersetzen, die in ihrer Sprache und in ihrem Ausdruck für mich altmodisch und ungewöhnlich waren. Gewiss ist es mir oft nicht gelungen, und ich vermute, dass die Ungereimtheiten und Entstellungen genau darauf zurückzuführen sind. Ganz besonders schwierig war es für mich, Namen von Personen und Orten zutreffend zu erfassen. Maria Magdalena wird zuweilen „Miriam“ genannt. An anderer Stelle konnte ich gar nichts auffangen, und so befinden sich dort Leerstellen im Text, die durch eckige Klammern gekennzeichnet wurden.

Aber in ihrem Kern scheinen mir die Durchgaben gelungen zu sein und im Wesentlichen das zu erfassen, was gesagt werden sollte.

Und erst in diesem Jahr wurde mir bewusst, dass mit den Durchgaben ein wirklich wichtiger Auftrag verbunden war und ich die Texte nicht länger für mich behalten kann. Viele meiner Kunstwerke als Malerin haben etwas mit dieser Geschichte zu tun, auch wenn es mir lange Zeit so schien, als wäre das Thema weit entfernt von mir.

Zurückblickend erscheint es mir heute als Teil meiner Lebensaufgabe und zentraler Aspekt meiner kreativen Arbeit.

Christine Kolbe

Im Juni 2020

Der andere Jesus

Подняться наверх