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4. Unterschiede zwischen pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln

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Synthetische Arzneimittel enthalten meistens nur einen Inhaltsstoff. Der Markenname Voltaren® ist ein Arzneimittel gegen Schmerzen und Entzündungen. Der Inhaltsstoff von Voltaren® ist Diclofenac. Synthetische Arzneimittel können auch zwei, selten drei Inhaltsstoffe bzw. Wirkstoffe enthalten. Jeder Wirkstoff eines synthetischen Arzneimittels hat eine definierte, zumeist genau bekannte Wirkung. Enthält ein Arzneimittel zwei Wirkstoffe, entfalten diese sehr oft eine synergistische Wirkung, steigern also zusammen die Wirksamkeit und können auch beide tiefer dosiert werden. Dies vermindert wiederum das Auftreten von Nebenwirkungen.

Ganz anders verhält es sich bei einem pflanzlichen Arzneimittel. Eine Arzneipflanze enthält immer eine Vielfalt an chemisch ähnlichen, aber auch unterschiedlichen Inhaltsstoffen. Es gibt Arzneipflanzen, in denen Hunderte verschiedener Inhaltsstoffe identifiziert wurden. Gemäß Definition der modernen Phytotherapie stellt die Gesamtheit dieser Inhaltsstoffe den Wirkstoff dar. Anders ausgedrückt: Pflanzliche Arzneimittel haben nicht eine, zwei oder maximal drei definierte Substanzen als Wirkstoff, sondern alle in der Arzneipflanze vorhandenen Inhaltsstoffe sind der Wirkstoff. Es spielt dabei keine Rolle, ob einzelne oder mehrere Inhaltsstoffe dieser Arzneipflanze besonders zur Wirksamkeit beitragen oder ob man darüber noch nichts weiß. Die Gesamtheit der Inhaltstoffe ist das Orchester, das eine harmonische Musik, sprich eine therapeutische Wirksamkeit hervorruft.

Bei der Arzneipflanze Ginkgo biloba, welche die Gehirndurchblutung fördert, hat die Wissenschaft herausgefunden, welche Inhaltsstoffe besonders für die Wirksamkeit verantwortlich sind: dies sind einerseits gewisse Flavonolglykoside, andererseits Terpenlactone. Es gibt aber auch sehr häufig verwendete Arzneipflanzen wie beispielsweise den Baldrian (Valeriana officinalis) oder das Johanniskraut (Hypericum perforatum), bei denen die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe trotz unzähliger Studien – noch – nicht bekannt sind. Ich persönlich bin der (vielleicht etwas gewagten) Überzeugung, dass dies für viele Arzneipflanzen gilt und auch noch lange gelten wird.

Die Suche nach dem einen Wirkstoff entspricht der Denkweise der modernen Pharmakologie, der Wissenschaft, welche die Wirkung von Arzneistoffen untersucht, aber vielleicht nicht der Dualität Mensch–Pflanze. Der Mensch hat, wie oben beschrieben, im Verlaufe seiner Entwicklung gelernt, die Vielfalt der Pflanzen zu nutzen, und er erlebte diese als Ganzes, nicht aufgeschlüsselt nach Hunderten von Inhaltsstoffen. Der Mensch isst auch Getreide und Kartoffeln, nicht einzelne Kohlenhydrate, er ernährt sich von Früchten und nicht von einzelnen der vielen Zuckerverbindungen. Die Mehrheit der Menschen isst auch Fleisch und nicht einzelne Proteine. Und so könnte es sein, dass die Vielstoffgemische, die Arzneipflanzen darstellen, dem Menschen eher entsprechen als Einzelwirkstoffe.

Zwei Tatsachen sprechen dafür: Beim Vergleich von pflanzlichen Arzneimitteln mit synthetischen Präparaten, welche für dieselbe Indikation (Beschwerde) eingesetzt werden, schneiden die pflanzlichen Präparate in Bezug auf die Nebenwirkungen meistens besser ab als ihre synthetischen Konkurrenten. Es gibt viele klinische Studien, welche diese Tatsache bestätigen (2,3). Außerdem besitzen die meisten pflanzlichen Arzneimittel eine viel größere therapeutische Breite als synthetische Präparate. Unter therapeutischer Breite versteht man den Konzentrationsbereich vom Beginn einer therapeutischen bis zum Beginn einer toxischen Wirkung.

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