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Оглавление2 Aktueller Forschungsstand
2.1 Positionen zum Thema Gebet in der Systematischen Theologie
2.1.1 Der aktuelle Stand der Diskussion in geschichtlicher Verortung
In seiner Dissertation23 „Theologie des Gebetes – Forschungsbericht und systematisch-theologischer Ausblick“ stellte Ulrich Wüst-Lückel im Jahre 2007 fest, dass Monographien in systematisch-theologischer, problemgeschichtlicher oder religionsphilosophischer Perspektive zum Thema Gebet im Fachbereich der Systematischen Theologie „spärlich“ seien24. Dieses Defizit nimmt der Autor wahr im Vergleich mit den zahlreichen Büchern, die Gebetstexte, -anweisungen, -ermutigungen oder esoterische Literatur anbieten, die sich großer Nachfrage erfreuen.
Dieser Entwicklung gingen dem Autor zufolge Akzentverschiebungen in den vergangenen Jahrzehnten voraus. Nach einer in den sechziger Jahren des 20. Jhd. anhebenden grundlegenden Diskussion mit Fokus auf der Frage nach dem Sinn des Gebets insgesamt, habe in den Siebzigerjahren und der darauf folgenden Dekade das Thema Gebet in der Systematischen Theologie zwar zunehmend Erwähnung gefunden. Das lasse sich an der steigenden Anzahl von Veröffentlichungen, Aufsätzen und anderen Publikationsformen erkennen.25 Als Zusammenfassung hält er jedoch fest: „Es wurde deutlich, dass in der theologischen Diskussion des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts die Fragen nach dem Was und dem Warum des Gebets diejenigen nach dem Wie zu ergänzen begonnen haben. Es fand eine Akzentverschiebung statt, die die Bedeutung des Gebetes in der systematisch-theologischen Diskussion neu zu beurteilen begann. Ein Blick in die Dogmatiken und Handbücher der letzten Jahre zeigt jedoch, dass das Gebet im Bereich der Gesamtdarstellungen nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird. Oftmals wird es, wenn es dennoch zur Sprache kommt, nicht als ein Kernthema eingebettet, sondern höchstens anhand einer Einzelfrage diskutiert.“26 Diesem Befund ist der Tendenz nach, allerdings abgeschwächt, auch weiterhin zuzustimmen, wenn auch in jüngerer Zeit wiederholt Monographien und Sammelbände zum Thema erschienen sind, die mehr als nur Einzelaspekte des betenden Geschehens ins Zentrum rücken. So legt Michael Schneider SJ eine theologische Begründung des christlichen Gebets vor, das nach dessen Spezifika fragt.27 Diese Spezifika werden vor dem Hintergrund der neuzeitlichen Gebetskritik und der dogmatischen Perspektive der Teilhabe am Leben des dreifaltigen Gottes entfaltet. Michael Rosenberger erhellt aus moraltheologischer Perspektive das Gebet als Geschehen, bei dem der Mensch sich im Geheimnis geborgen erfährt.28 Der Linzer Moraltheologe sucht nach interreligiösen Perspektiven der Begründung und Vermittlung des Betens, die er mit frömmigkeitsgeschichtlichen und biblischen Zugängen zum Thema verbindet. Ein Sammelband von Ingolf U. Dalferth und Simon Peng-Keller sucht nach neuen Zugängen zu einer Hermeneutik des Gebets.29 In dieser Publikation finden die Dimensionen Sinnlichkeit, Leiblichkeit und das Spannungsfeld von persönlichem und gemeinschaftlichem Wesen des Gebets in religionsphilosophischer und dogmatischer Perspektive Beachtung. Akzentsetzungen aus reformierter und freikirchlicher Tradition werden ebenso aufgegriffen wie ostkirchliche Sichtweisen auf das Gebet. Ein Zitat von Viktor Frankel aufgreifend, erhellt der Sammelband der Trierer Autoren Johannes Brantl, Hans Georg Gradel, Mirijam Schaeidt und Werner Schüßler das Gebet als „die Intimität der Transzendenz“.30 Moraltheologische, exegetische, philosophische und spirituelle Zugänge finden darin Beachtung. Dem Thema Bittgebet wendet sich ein von Magnus Striet herausgegebener Sammelband zu und lässt darin kontroverse Positionen zu Wort kommen.31
Ebenfalls jüngeren Erscheinungsdatums ist der im Jahr 2016 von Matthias Arnold und Philipp Thull herausgegebene Sammelband „Theologie und Spiritualität des Betens: Handbuch Gebet“.32 Dort sind unter den Überschriften „Das Gebet in der Heiligen Schrift“, „Das Gebet in der Theologie“ sowie „Formen des Gebets“, „Das Gebet in der Praxis“, „Das Gebet in der christlichen Ökumene“ und „Multidimensionale Zugänge zum Gebet“ insgesamt 35 Beiträge namhafter Autoren aus der akademischen und monastischen Welt vertreten. Eine detailliertere Sichtung dieser Veröffentlichung kann im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Breite der wissenschaftlichen Zugänge zum Gebetsgeschehen insgesamt ein zunehmendes Interesse der akademischen Theologie und ihrer verschiedenen Disziplinen am Thema erkennen lässt.
Einen Literaturüberblick über einige jüngste Veröffentlichungen zum Thema Gebet aus dem Bereich der Systematischen Theologie oder zumindest mit betontem Einbezug dieser theologischen Disziplin findet sich Anfang 2017 in einem Beitrag von Hilda Steinhauer. Sie fragt „Was ist Beten?“33 und sichtet dazu neben den oben schon thematisierten Arbeiten von M. Scheider und J. Brantl die Veröffentlichungen von A. Hunziker und S. Keller34, H. Schalk35, M. Schlosser36 und T. Keller.37 Neben den genannten Beiträgen finden auch jene von M. Egli38 und W. Eisele39 Erwähnung. Steinhauer kommt – ähnlich wie bereits Wüst-Lückl eine Dekade zuvor – zu der Auffassung, dass „auf Seiten der wissenschaftlichen Theologie eine meist nur implizite Wahrnehmung des Gebets als eines zentralen und spezifischen Ortes der theologischen Erkenntnis“ zu verzeichnen sei.40 Steinhauer zufolge weisen die von ihr gesichteten Publikationen vier gemeinsame Merkmale auf: „Gemeinsame, explizit angesprochene oder implizit vorausgesetzte Kernpunkte sind die biblische Fundierung des Betens, die Orientierung am Beten Jesu, die trinitarische Verankerung und die Betonung der Geschenkhaftigkeit.“41 Steinhauer bemerkt, dass dem Bittgebet eher weniger Beachtung geschenkt werde.42 Ans Ende ihres Überblicks über die aktuelle Literatur zum Thema stellt die Autorin ein Desiderat: „Das Gebet als eine Dimension der gesamten Wirklichkeit auszufalten, wäre aus systematischer Perspektive eine lohnende Aufgabe.“43
Vor dem skizzierten Hintergrund der angeführten aktuellen Publikationen zum Gebet konzentriert sich meine Darstellung auf zwei für unsere Fragestellung besonders bedeutsame religionsphilosophische Positionen des 20. Jahrhunderts und deren Anliegen. Diese sind die Beiträge von Berhard Welte und Bernhard Casper. Nach Sichtung dieser Zugänge, die einer deskriptiven Entfaltung des betenden Ereignisses Raum geben, und dem Schweigen und dem Gebet der Stille in systematischer Perspektive Beachtung schenken, kann das eigene Interesse anschließend dargelegt und eigene methodische Schritte begründet werden. Es mag sich erweisen, dass die beiden Zugänge zum Gebet einen hermeneutischen und methodischen Horizont ausspannen, in dem das Beten der Edith Stein angemessen gesichtet und verstanden werden kann.
2.1.2 Zugänge zum betenden Geschehen bei Bernhard Welte und Bernhard Casper
Die systematisch-theologischen Zugänge zum Geschehen des Gebets bei Bernhard Welte und Bernhard Casper können die Frage nach dem Beten der Edith Stein wertvolle Hinweise liefern. Die Auswahl dieser beiden Theologen geschah mit Blick auf die inhaltliche und methodische Affinität zum Werk Edith Steins. In gleicher Weise entscheidend für die Auswahl waren bisherige Forschungen zur Religionsphilosophie Edith Steins und zur spirituellen (Gebets-)Theologie, die im Arbeitsbereich Christliche Religionsphilosophie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau von Bernhard Casper begleitet wurden.
Sowohl Bernhard Welte als auch Bernhard Casper stellen als ehemalige Inhaber des Freiburger Lehrstuhls für Christliche Religionsphilosophie Vertreter einer Tradition theologischen Denkens dar, die sich vom phänomenologischen Weltzugang und von der phänomenologischen Haltung maßgeblich hat beeinflussen lassen. Bei ihrem Anliegen, den christlichen Glauben in die Gegenwart hinein zu begründen und zu vermitteln, lieferten phänomenologisch ausgerichtete Denkansätze wertvolle Anregungen und wichtige methodische Hilfen. Insofern gibt es bei Bernhard Welte und Bernhard Casper methodisch und inhaltlich eine deutliche Entsprechung zu Edith Stein, wo diese sich in durchgängig phänomenologischer Manier unter Einbezug von Erkenntnisquellen der christlichen Offenbarung theologischen Themen widmet.
Bernhard Casper hat des Weiteren eigens ein Promotionsvorhaben seines damaligen Schülers Andreas Uwe Müller zur Religionsphilosophie Edith Steins betreut. Darin wird Edith Steins Position betont vor dem Hintergrund der Husserlschen Philosophie konturiert und die innovativen Momente der Steinschen Auffassung in ihrer Aufnahme von Beiträgen Schelers, Reinachs und Heideggers detailliert dargestellt.44 Außerdem ist bei Bernhard Casper ein betontes Verständnis für die zeitliche Verfasstheit und Erstreckung des Gebetsgeschehens als Einbruch von Diachronie entfaltet, was eine Lesehilfe für die geistlichen Gebetstexte der Edith Stein darstellen kann.
Bernhard Welte wird von Klaus Hemmerle ausdrücklich mit Edith Stein in einer Fluchtlinie gesehen, was ihr zentrales Anliegen betrifft, in dem sie übereinkommen: „Es sei verwiesen auf die andere Vermählung zwischen Phänomenologie und Denken des Thomas, auf die andere Wahrung und Reflexion des Verhältnisses von Philosophie und Theologie, auf die andere Weise der Nachbarschaft von phänomenologischer Ursprünglichkeit und interpretativem Mitgehen mit anderen Gedanken, die sich bei Bernhard Welte ausformulieren.“45 Insofern bietet es sich an, das Geschehen des Gebets bei Edith Stein unter Einbezug der gebetstheologischen Überlegungen Weltes zu sichten.
Was die beiden Freiburger Religionsphilosophen zur Theologie des Gebets erarbeitet haben, wird im Folgenden als Zugangsweise zum betenden Geschehen bei Edith Stein herangezogen. Den Ausgangspunkt dieser hermeneutischen Orientierung bildet die Theologie und geistliche Besinnung auf das Thema Gebet, wie sie bei Bernhard Welte begegnet.
2.1.2.1 Das Gebet bei Bernhard Welte
Bernhard Welte (1909–1983) war von 1958 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1973 Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Religionsphilosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Das wissenschaftliche Interesse Weltes galt von seinen frühen Werken an den Fragen der Glaubensbegründung, die mit Blick auf die scholastische Tradition und existenzphilosophische Positionen unter Einbezug der Phänomenologie angegangen wurden. Schon seine Habilitationsschrift46 von 1946 fragte nach der Möglichkeit einer Deutung philosophischen Glaubens bei Karl Jaspers durch die thomistische Philosophie. Stephanie Dietrich formuliert als „Grundanliegen“ Weltes: „Auf dem Hintergrund und in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Philosophie, für Welte besonders der Philosophie Heideggers und Jaspers, sollten die traditionellen theologischen Quellen der Tradition neu beleuchtet und ohne jedes apologetische Interesse verständlich gemacht werden.“47 Bernhard Casper sieht in gleicher Weise in der Konvergenz von Thomasrezeption, Existenzphilosophie und Phänomenologie ein Grundanliegen Weltes: von Heideggers dessen „hermeneutische Phänomenologie“ und von Jaspers dessen „Existenzdenken […] aufnehmend, interpretiert W. die thoman. Zugänge zu der Frage nach Gott neu.“48 Dabei leite den Vorgänger Bernhard Caspers auf dem Freiburger Lehrstuhl für Christliche Religionsphilosophie das Anliegen, die „Möglichkeitsbedingungen des menschlichen Glaubens an Offenbarung darzustellen.“49
Bernhard Welte formuliert seinen religionsphilosophischen Ansatz50 betont ausgehend vom Menschen.51 Dieser sucht im Widerfahrnis sowohl von schmerzlichen wie zum Staunen einladenden Lebenserfahrungen nach Möglichkeiten zu Glauben. In dieser Konfrontation ist er unausweichlich in die Dimensionen Zeit52, Geschichte53, Sprache54, Begegnung55 und Gemeinschaft56 gestellt, die jeweils auf einander verweisen. Die genannten Dimensionen des Existenzvollzugs finden Ausdruck in den Titeln der bedeutendsten Werke Bernhard Weltes.57 Vom Umfang her kleinere Publikationen – z. B. seine Predigten und geistlichen Schriften58 – illustrieren deutlich Weltes seelsorgliches Anliegen, das ihn durchgehend in seinem Denken prägt. Es fällt auf, dass es ihm dabei stets um „eine Verbindung von Religionsphilosophie und gelebtem Glauben, Theorie und Praxis, Leben und Lehre“59 ging.
Das für meine Studie bedeutsame Thema des Betens60 wird Welte als seelsorglich denkendem Philosophen daher sowohl im religionsphilosophischem Diskurs zum Thema,61 als auch in der Predigt und der geistlichen Besinnung. Der dabei betont vom Menschen und seinen Daseinserfahrungen ausgehende Zugang zum Thema Glaube und Gebet geschieht bei Welte unter Einbezug der Phänomenologie. Diese versteht er als das „Freilegen und Bergen des sich selbst Zeigenden“.62 Bei der Frage nach einer „Phänomenologie der Liebe“ formuliert Welte in ähnlicher Weise. Dort ergänzt er aber, dass das sich Zeigende schon im Verborgenen anwesend war, bevor der interessierte Blick des Menschen ihm begegnet: „Wir wollen durch die Bemühung des Denkens das zum offenen Sichselberzeigen bringen, was schon im Verborgenen gegenwärtig ist.“63
Die phänomenologische Methode verwendet Welte, um beschreibend die „anthropologischen Grundstrukturen aufzudecken, die dem Menschen einen Zugang zum Heiligen, zum Glauben ermöglichen.“64 Dabei legt Welte einen „Hauptakzent“ auf die „im Spielfeld von Endlichkeit und Unendlichkeit“65 erfahrene „Faktizität des Daseins und seiner Endlichkeit, der Erfahrung des Nichts, der Grenze, der Angst.“66 Angesichts der sich radikal zu Wort meldenden Frage nach dem „Sinn“67 seiner Existenz, besonders angesichts des unbedingten Nichts des Scheiterns und des Todes, der alle gleichermaßen angeht, rührt der Mensch an die Möglichkeit eines unbedingten Sinnes.
Der Mensch erfährt sich dabei auf zweierlei Weise mit der Frage nach dem Sinn konfrontiert. Zum einen stellt sich ihm diese in einer „tranzendierenden Seinsverwunderung“68 und in einem Staunen darüber, dass „überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts“. Zum anderen erfährt er sich in Tod und Schuld mit dem radikalen, unbedingten „Nichts“ konfrontiert, das ihm jedoch die Möglichkeit eines ebenso unbedingten Sinns ins Denken hebt und die Idee eines alles Sein bergenden Grundes. Die Alternative des „nichtenden Nichts“, das radikal alles verschlingt und Sein fundamental negiert, bleibt dabei unhintergehbar bestehen, so dass die Begegnung mit dem Nichts zweideutig bleibt. Die solcherart ambivalente Erfahrung des Nichts wird aber im menschlichen Postulat69 nach einem absoluten und den Menschen begründend-bewahrenden und tragenden Sinn transzendiert.
Der alles begründende Grund, auf den der Mensch sich in seinem Postulat nach Sinn hinwendet und transzendiert, erscheint als abgründiges „Geheimnis“. Das damit Gemeinte beschreibt Welte als „das verborgene Warum, die verschwiegene Herkunft, der unbedingte Grund.“70 Dieses Geheimnis ist unsagbar. Es übersteigt die sprachlichen Zugangsmöglichkeiten. Daher ist der Begegnung mit diesem Geheimnis das Schweigen angemessen, in dem der Mensch seine Grundanlage des Hörens aktualisiert und zugleich damit offen ist für das Gesamte des Seins. Schweigend geschieht dem Menschen so eine „Sammlung“71 seiner Zerstreuung in das Umgetriebensein von vielen Einzeldingen. Zugleich mit der Sammlung widerfährt ihm eine vertiefte Begegnung mit allem, was ist und darin mit dem, was alles „gewährt“ und alles dem Menschen „gönnt“.72 Das schweigende Beten ist Welte zufolge somit: „Nichts umzutreiben und von nichts umgetrieben werden. Nichts bereden und sich nicht mehr in die Bewegung des Redens treiben lassen. […] Schweigend wird der Mensch also alles ‚etwas‘, d. h. Dinge und alle Anliegen loslassen aus dem Begriff des Begreifens oder des Begreifenwollens. […] Dieses Schweigen […] ist wie reines Hören, das zwar kein ‚Etwas‘ hört, aber offen und bereit ist, alles zu hören. Oder es ist wie die reine Helle des Schauens, das zwar an keinem ‚Etwas‘ mehr hängt, aber Offenheit ist für alles.“73
Dabei wird dem Freiburger Priester das Gebet des Schweigens74 ausgehend von der Sammlung und der darin anhebenden Andacht zur grundlegenden Weise der Begegnung mit dem verborgenen Geheimnis im Raum der Sprache. „Sammlung“ ist für Welte Ausdruck einer Transzendenzbewegung über das Ganze des Seins hinaus, wie er im Beitrag „Zeit und Gebet“ ausführt: „Die Sammlung des Schweigens ist aber mehr als Sammlung bloß der inneren und äußeren Welt. Sie ist die reine Freiheit und Offenheit, die zwar alle Welt umfängt, aber zugleich und vor allem auch alle Welt übersteigt. Das, worin die Welt versammelt wird, ist größer als alle Welt. Es ist die abgründige Weite der Unendlichkeit des Geheimnisses, das alles trägt und alles gewährt und auf alles wartet.“75 Bei dieser Transzendenzbewegung bezeichnet „Andacht“76 die Richtung, in der sich der menschliche Grundimpuls entfaltet. Im selben Beitrag „Zeit und Gebet“ kennzeichnet Welte Andacht als Ausrichtung des menschlichen Denkens: „Andacht bezeichnet eine Richtung des Denkens. Die Silbe ‚an‘ gibt die Richtung an, die Silbe ‚dacht‘ das Denken. Denken darf aber in unserem Zusammenhang genommen werden für das ganze lebendige und nun ins Schweigen versammelte Dasein des Menschen. Das Wort Andacht soll also im Ganzen die Richtung oder Transitivität des ins Schweigen versammelten Daseins bezeichnen. […] In der Transitivität des lebendigen Weggehens von sich und des Übergehens zum Ewigen liegt für die Andacht das Ganze und das Höchste.“77 Das in Worten artikulierte Gebet78 gründet in dieser schweigenden Begegnung und wächst aus ihr hervor.
Mit Blick auf die Zeiterfahrung des Menschen im Geschehen des Gebets erweist sich betendes Schweigen als Ort, wo der sonst häufig im Alltag bestimmende Grundzug des betriebsamen „Ausmessens“79 der Zeit unterbrochen wird. Statt der funktionalisierenden Vernutzung von Zeiteinheiten begegnet eine „ursprüngliche Zeit“. Sie zeigt sich von sich selbst her dem, der inne hält: „Wird es wohl gelingen, uns einmal aus dem Betrieb zu lösen, diesen hinter uns zu lassen und auch das Messen der Zeit mit der Uhr für eine Weile aufzugeben: um auf den stillen Gang der Zeit selber zu achten, der ursprünglichen Zeit sozusagen, wie sie sich anfänglich von sich selber her zeigt? […] In der Tat, sofern uns dieser Schritt zurück in die Ursprünge einigermaßen gelingt, dann können die Stunden sich verwandeln. Sie können die gewährte Weile werden, etwas Freies und Freigebendes, das sich uns öffnet und uns einen Raum des Atmens und des Lebens einräumt.“80 Unverzweckte Zeit erscheint in ursprünglicher Form als „gewährte Weile“. Dazu schreibt Welte: „Wir wollen diese Weise der Zeitlichkeit Weile nennen, weil sie nicht etwa ein bloßer geometrischer Punkt des Umschlags ist, sondern etwas Weilendes, ein freier Spielraum, sich darin umzusehen und handelnd sich darin zu bewegen. Und wir nennen diese Weile eine gewährte, weil sie sich von sich her öffnet, ohne daß wir sie selber machen könnten. Sie gewährt sie je und je aus ihrem eigenen Ursprung. Wer ist der Gewährende? Keines Menschen Hand kann es machen. Es bleibt Geheimnis. Das sich so Gewährende ist auch ein Gönnendes. Es ist etwas wie eine stille Einladung: Atme und lebe in mir! Und dann haben wir auf einmal Zeit. Nicht freilich durch unsere Kraft und unseren Willen, sondern weil sie sich selber uns gewährte aus ihrem eigenen, geheimnisvollen Ursprung“81 und durch ihre „Einmaligkeit und Vergänglichkeit“, in der zugleich ihre „gönnende Kostbarkeit“82 gegründet ist. Bernhard Welte charakterisiert diese verdichtete Erfahrung von Zeit: „Die gewährte Weile trägt das Zeichen der Einmaligkeit an sich und damit das der Vergänglichkeit. Beides gehört zusammen. Die Weile ist das Kostbare, weil sie einmal sich öffnet und schenkt und dann niemals wiederkehrt. Diese Vergänglichkeit, dieses Niemals-Wiederkehren ist gerade das Siegel ihrer gönnenden Kostbarkeit. […] Wer gönnt und gewährt sie? Wohin geht sie, in welches Niemals? Wer wüsste es zu sagen? Ihre Herkunft und ihr Hingang sind voller Geheimnis.“83 Die biographische Zeitspanne als Prozess ist dem Mensch von „Morgen der Geburt bis zum Abend des Sterbens“ geschenkt. Welte schreibt: „Die gewährte Weile eines Augenblicks gehört in die größere gewährte Weile unseres ganzen Lebens vom Morgen der Geburt bis zum Abend des Sterbens. […] Die gewährte Weile ist wirklich voll von Geheimnis, in ihrem gewährenden Sich-Öffnen, in ihrem verweilenden Verlauf, in ihrer gestimmten Gliederung, in ihrer einmaligen Kostbarkeit, in ihrem Weggang und Heimgang. Voll von einem Geheimnis, das uns herausfordert und einlädt, nicht nur es geschäftig zu vernutzen, was wir freilich bisweilen müssen, sondern mehr noch werden wir eingeladen, bisweilen des Geheimnisses selbst zu gedenken, ja ihm Antwort zu geben, dem Geheimnis, das sich uns öffnet in der Zeit als gewährten Weile.“84 Diesem Geheimnis und „Zuspruch“ antwortet der Mensch im Gebet der Sprache, wo er dazu gelangt, dem Geheimnis, das ihn anspricht, responsorisch zu entsprechen. Welte führt dazu aus: „Darum ist es der Sache angemessen, dem Gewährenden der gewährten Weile und dem Geheimnis, das in ihm spricht, Antwort zu geben: durch das Gebet. Das gewährende Geheimnis also zu nennen und anzurufen: Mein Herr und mein Gott!“.85
Das Gebet ist Welte zufolge daher begründet in einer spezifischen Zeiterfahrung, bei der das Geheimnis Gottes als gewährende Weile der Zeit und als personaler Zuspruch erfahren wird: „Das Gebet erwächst so aus der Erfahrung der Zeit als die lebendige Antwort des sterblichen Menschen auf das sich in der gewährten Weile neu eröffnende Geheimnis Gottes, und indem es auf den Rhythmus der sich gewährenden Zeit eingeht und aus ihm seine eigene Ordnung gewinnt, geht es ein auf die Weise des in der Zeit sich gewährenden Zuspruch Gottes.“86 Gebet und Zeiterfahrung sind somit bei Bernhard Welte zuinnerst verbunden. Ein Nexus, der auch bei Edith Stein begegnen wird, wo ihre geistlichen Texte in den Blick rücken.
2.1.2.2 Das Gebet bei Bernhard Casper
Der 1999 emeritierte Freiburger Professor für Christliche Religionsphilosophie legt in „Das Ereignis des Betens – Grundlinien einer Hermeneutik des religiösen Geschehens“87 eine Zusammenfassung seiner Überlegungen zum Gebet vor.88 Der Schüler und wissenschaftliche Assistent Bernhard Weltes (1956–1959) hat die Rezeption Husserls und Heideggers besonders in der französischen Religionsphilosophie untersucht89 und sich fortgesetzt um die Begegnung mit der jüdischen Religionsphilosophie Franz Rosenzweigs, Martin Bubers und Emmanuel Levinas verdient gemacht.90
Im Beten ist für Bernhard Casper „der Ernstfall dessen gegeben, worauf das mit Religion Gemeinte zurück geführt werden muß.“91 Die in seiner Monographie vorgetragenen Überlegungen suchen „das Geschehen des Gebetes als das zugänglich zu machen, worin sich das Verhältnis der Transzendenz ereignet“.92 Dazu analysiert und beschreibt er zunächst phänomenologisch das Geschehen der „Aufmerksamkeit“ in seiner zeitlichen Verfasstheit. Dabei ist bedeutsam, dass eine Bewegung des „Sich-selbst-überschreitens“ auf das ursprünglich andere meiner selbst geschieht, das mir als Neues, Wunderbares und Staunenswertes aufgeht. Dieses zeigt sich jedoch nur von sich selbst her und lässt sich nicht als von mir intentional herstellbares Geschehen bewerkstelligen: „Die Aktivität des Sichselbst-überschreitens findet sich also im ursprünglichen Geschehen der Aufmerksamkeit begründet von der Passivität des Angegangenwerdens vom dem, was von sich her ist. […] es geschieht als eine Leistung und Anstrengung von uns selbst, aber als eine negative Anstrengung“, insofern es nur im Modus des Wartens auf „das Andere als das Unverfügbare“ erlangt werden kann.93 Das „andere, worauf ich aufmerksam bin, ist als solches immer das Überraschende, das bislang Unerhörte, das in keiner Weise Vorwegzunehmende, und insofern die Gleichzeitigkeit meiner zunächst scheinbar grenzenlosen Welt Zerbrechende. […] Es bringt Zeit jenseits der mir zunächst möglichen Zeit mit sich: diachron.“94 Durch diesen Einbruch von Diachronie als der Begegnung von zwei Zeitabläufen eröffnen sich dem betenden Menschen neue Lebensräume: „Ich gerate in eine von mir zuvor nicht vermochte Zukunft, die sich mir schenkt: Möglichkeit jenseits meiner Möglichkeiten“.95 Aufmerksamkeit führt so zur Erkenntnis der Wirklichkeit als Gabe, die sich mir unvordenklich schenkt. Die Frage kommt auf: „Was oder wer gibt, daß es die Gabe gibt, und daß es mich gibt, dem sich die Gabe gibt?“. Mit Bezug auf Emmanuel Levinas wird das Gebet von Casper im Zuge dieser Überlegungen als reine Aufmerksamkeit verstanden. Gebet ist ihm daher Ausrichtung auf die geschenkhafte Dimension von begegnender Wirklichkeit: „Denn es zeigt sich als der reine Akt der Aufmerksamkeit auf das, was sich nur geben kann.“96
In den „Grund- und Grenzsituationen“97 des menschlichen Daseins, in denen die eigene Endlichkeit und die Sorge besonders um den geliebten anderen Menschen virulent werden, vertieft sich diese Aufmerksamkeit. Zugleich damit rückt die Prekarität der menschlichen Verfasstheit als „Versuchtsein und Verfallenheit“98 in den Blick. Es kommen Tendenzen zur „Flucht“99 auf als Ausweichmanöver vor der Frage nach der eigenen Identität und des in eine schon vorfindliche Geschichte gestellte „etwas-mit-sich-anfangen-müssens“. Zu Letzterem schreibt Casper: „Indem ich nun aber auf das Wunder meines eigenen Daseins aufmerksam werde und zugleich auf meine Sterblichkeit, werde ich auch darauf aufmerksam, daß ich mit mir selbst in meiner endlichen Zeit, in der ich da bin, etwas anfangen muss. […] Ich bin mir aufgegeben. Und niemand kann mich mir abnehmen. In diese Not finde ich mich. Es ist dies die Not des sterblichen Sichzeitigen-müssens selbst. Und wenn es eine Grund-Not gibt, die beten lehrt, dann ist es diese. […] Diese Grund- und Grenzeinsicht, daß ich als Sterblicher mir selbst aufgeben bin und mich hier niemand vertreten kann.“100
Der andere Mensch, der in der sozialen Begegnung unweigerlich nahe kommt, wird dem Subjekt in seiner Situation, etwas mit sich anfangen zu müssen, zum Ort, an dem ein unbedingter Anspruch begegnet. Beten heißt, dieses Anspruchs eingedenk und inne zu sein: „Unser Aufmerksamsein, das ein Zeit-haben inmitten unseres Unszeitigens bedeutet, hat nun aber eine merkwürdige Gestalt. Es findet sich herausgefordert durch den Anspruch, der unvordenklich und unausdenklich ist. Beten bedeutet so, Zeithaben für das, was in keine Zeit eintritt und doch all unser Zeithaben richtet. Beten bedeutet Zeithaben für jenen unvordenklichen Anspruch, der mich im Daß der Dinge und mehr noch im Dasein des anderen Menschen angeht oder vielmehr mich immer schon anging. Beten bedeutet, dieses Anspruchs eingedenk zu sein, der mich in jeder mitmenschlichen Begegnung und in jeder Verwunderung über das Daß der Dinge schon getroffen hat.“101 Dieser fundamentale Anspruch weist nochmals über den je anderen Mitmenschen unendlich und unabschließbar hinaus, was diesen aber gerade nicht relativiert, sondern einsetzt in eine besondere Bedeutung. Der Mitmensch der sozialen Begegnung wird zum Erfahrungsort und zur Stelle, in der das Berührt- und Betroffenwerden von Tranzendenz geschichtlich einmalig und je neu geschieht. Der betende Mensch gerät nach Casper, wo er dieser Bedeutung ansichtig wird, in Aufnahme der Diktion von Emmanuel Levinas in die „Spur der ‚Herrlichkeit des Unendlichen‘ “. Es ist eine Spur, die je neu anlockt, dabei aber immer uneinholbar voraus bleibt: „Was dieses Sprechen von der ‚Herrlichkeit des Unendlichen‘ anzeigt, wird zugänglich allerdings nur, wenn wir uns von einem gegenständlich vorstellenden Denken lösen und ganz aus dem Geschehen der Zeitigung des Daseins selbst heraus denken. In dieser Zeitigung, in der ich mir ständig vorweg bin, bezeugt sich der unvordenkliche und unausdenkliche kategorische Anspruch als der, der mein Mich-zeitigen richtend in Gang hält. Und Richten geschieht hier aber zugleich als ein Orientieren und Aufrichten. Der Anspruch erweist sich derart als Ermöglichung des Gehens meines Weges, insofern dieser ein sterblicher menschlicher Weg ist. Im Gehen des Weges selbst bezeugt sich der unendliche Anspruch als solcher, der in dem Augenblick, in welchem wir ihn zu fassen suchen, sich uns schon entzogen hat. Aber er hat in seinem für uns unfaßbaren Vorübergang seine Spuren in uns hinterlassen. Deren Wirkmächtigkeit erweist sich darin, daß wir auf unserem Weg des nach Menschlichkeit suchenden Etwas-mit-uns-selbst-beginnens weitergelockt werden; und darin, daß zugleich richtendes Licht auf unser Uns-gezeigtigt-haben fällt. Derart finden wir in unserem Uns-zeitigen selbst die Spuren der Herrlichkeit des Unendlichen.“102
Im Rahmen dieses Verständnisses sucht Bernhard Casper zunächst danach, das betende Geschehen hinsichtlich seiner Sprache103 zu erhellen. Er weist in diesem Zusammenhang auf die Begründung der gesamten Sprache im Gebetsgeschehen hin. Dazu führt er aus, dass sich „die Sprache selbst in ihrer Wurzel als Beten erwies. Insofern die Sprache ursprünglich nämlich zwischen dem Anderen und mir geschieht und wir uns derart hoffend zeitigen, geschieht sie ursprünglich als vertrauend-bittendes Sichselbstüberschreiten meiner selbst.“104. Sprache des Gebets ist für Bernhard Casper je persönliche, individuelle Sprache und Ausdruck der Transzendenzfähigkeit des Menschen: „Man darf sagen, daß Menschen nirgendwo so als sie selbst sprechen wie dort, wo sie beten. […] Dieses Selbst-sprechen geschieht […] als ein Sich-zur-Sprache-bringen jener Zeitigungssituation selbst […].“105 Das Verstummen als gefülltes Schweigen ist für Casper die Weise, dem unergründlichen Grund zu entsprechen: „Da unsere Sprachhandlungen, in denen wir uns etwas zu verstehen geben, zunächst aber immer welteinräumende, benennende Sprachhandlungen sind, kann das Sprechen, welches hier ent-spricht, zunächst nur in einem Verstummen bestehen, in einem beredten Schweigen. Wozu ich hier in das Verhältnis gerate, das entzieht sich jeder repräsentierenden Vergegenwärtigung. Es sprengt jede transzendentale Apperzeption.“106 Casper weist auf die Grenze hin, an die die Sprache des Gebets unweigerlich stößt: „In der Sprachhandlung des Betens gebe ich mich selbst frei an den unvordenklichen und deshalb auch von keiner Sprache einzuholenden Abgrund, für den alle Sprache nur eine Metapher sein kann, – den Abgrund, der sich […] in allem von der Sprache Bedeuteten ebenso meldet wie in dem Anspruch der Leibbürgschaft für den anderen.“107.
Nach der Sichtung der sprachlichen Merkmale, die das Beten erkennen lässt, wendet sich Casper der zeitlichen Ereignisstruktur dieses Geschehens zu.108 Schon mit Blick auf den einzelnen zeigt sich das betende Geschehen als besondere, aus dem Strom der verstreichenden Zeit (Chronos) ausgegrenzte Zeit: „Beten beginnt damit und wurzelt darin, daß wir inmitten unseres Uns-zeitigens uns den Freiraum eines eigenen Zeithabens-für nehmen, – und sei dies nur der Freiraum eines Augenblicks.“109 Im sozialen Kontext entspricht dem das Fest. „Derart erweisen sich die Festtage als die Tage des von dem unendlichen Sinn, der alle Geschichte in Atem hält, geschenkten Miteinanderzeithabens. Die Festtage erweisen sich als ‚Tage des Eingedenkens‘, die ‚nicht im Verband der übrigen‘ Tage stehen, sondern ‚sich vielmehr aus der Zeit‘ herausheben. Sie erweisen sich als ‚Ausnahmetage‘: als in Verleiblichung des Miteinander gelebte Steigerung jenes geschenkten Sich-überschreitens, das für den einzelnen in jedem Beten geschieht.“110 Im Anschluss werden vom Freiburger Religionsphilosophen Überlegungen zur Gemeinschaftlichkeit111, zum festlichen Charakter des Gebets112 und zu Verfallsformen des religiösen Geschehens113 formuliert.
In seiner phänomenologischen Deskription versteht Berhard Casper das Geschehen des Gebets als „Gelassenheit“114 in einer „nichtintentionalen Intentionalität“115. Casper versteht das Ereignis des Gebets insgesamt als die verdankte, aus dem Alltäglichen und dem undifferenzierten Fluss der Zeit ausgesonderte ‚Ausnahmezeit‘, die eine neue, nur zu erwartende Zukunft berührt. Mit Blick auf die alltagsprägende Kraft der Gebetszeit hält er fest: „Das ernsthaft vollzogene Beten […] gibt sich in die Ausnahmezeit des Eingedenkens hinein ausdrücklich frei. Dadurch wird das grenzenlose ‚wie gehabt‘ des Alltäglichen als die hoffnungs- weil zukunftslose Zeit aufgebrochen. Es fällt in die Zukunft ein als eine andere Zukunft.“116 Beten ist „das Geschehen des reinen Harrens. Die Aufmerksamkeit gelangt hier in die höchste Weise des Wartens. […] Im Sich-loslösen von jedem erwartbaren intentum geschieht das Gebet […] als Beten ohne zu bitten, d. h. als Beten ohne die Geste des ‚etwas Verlangens‘. Denn das Eingedenken geschieht ja gerade als ein Harren, in welchem ich mich im Verhältnis zu dem mich zuäußerst Angehenwollenden halte, das nie repräsentierbar ist, in keine Gegenwart eingeholt werden kann. Es trägt sich zu als ein Harren, in welchem ich harre ‚mehr als die Wächter auf das Morgenrot‘, d. h. auf das, was mich über alle möglichen endlichen intenta hinaus angeht.“117
Beten erscheint so als sinnerfülltes, den betenden Menschen tragendes und orientierendes Ereignis: „Nichts weniger geschieht im Zeithaben des Gebets als dies, daß durch das Sich-zutragen des Harrens selbst das Verhältnis zu der ‚Herrlichkeit des Unendlichen‘ sich als das mich in meinem Dasein tragende erweist. Ich erfahre Trost in der Bedrängnis, die mit meiner geschichtlichen Freiheit notwendig gegeben ist. Ich erfahre Zuversicht auf dem Weg, der mein Weg ist. Ich finde mich gestärkt in der Hoffnung. Die ‚Vermehrung der Hoffnung‘ erweist sich denn überhaupt als der Geschehenssinn des Gebets“.118 Casper weist darauf hin, dass auch bei Thomas von Aquin der Zusammenhang von Gebet und Hoffnung begegnet. Er behandelt das Gebet im Compendium theologiae im Rahmen der Frage nach der Hoffnung, während es in der Summa theologiae im Rahmen der Tugend der Gerechtigkeit zum Thema wird.119
2.1.3 Ertrag und Bedeutung für die Fragestellung der Studie
Mit Blick auf die Fragestellung der vorliegenden Studie können die von Bernhard Welte und Bernhard Casper geleisteten Forschungsansätze und methodischen Zugänge zum Gebet wichtige Anregungen liefern. Diese seien nachfolgend zusammenfassend benannt.
Beten kommt im Verständnis von Berhard Welte und Bernhard Casper als existentieller Grundvollzug menschlicher Freiheit in den Blick, in dem der Mensch seine Transzendenzfähigkeit aktualisiert erfährt. Der Ereignischarakter des Betens und damit dessen zeitliche Verfasstheit erfahren besondere Beachtung. Das ist für die angestrebte Erkundung des Betens der Edith Stein insofern bedeutsam, als eine betonte Sensibilität für die Dimension der Zeitlichkeit des menschlichen Daseinsvollzugs in Denken und Glauben und damit auch im Beten in entsprechender Weise bei Edith Stein aufgewiesen werden kann.120
Bernhard Welte und Bernhard Casper kommen hinsichtlich des Gebetsgeschehens auch darin überein, dass sie eine phänomenologische Beschreibung des Betens anstreben. Diesen Zugang wählen sie statt einer abschließenden Definition, die dem Ereignischarakter eines prinzipiell uneinholbaren, sich im Vollzugsganzen erstreckenden Geschehens ihres Erachtens nicht gerecht wird.121 Im Fokussieren auf eine deskriptive Explikation des Betens als einem Prozess und Fluss von Ereignismomenten ist eine Konsequenz der Rücksichtnahme auf die Dimension der „Zeit“ zu sehen. Insofern kann man sagen, dass sich in dem Maße, wie die Dimension der zeitlichen Erstreckung und das Moment der fundamentalen Offenheit des als Freiheitsgeschehen sich zeigenden Gebetsverhältnisses zu Gesicht kommen, ein phänomenologisches Herangehen nahelegt. Denn wo ein Geschehen fundamental von Unabschließbarem und immer neu radikal Unvordenklichem geprägt ist, das sich je und je von sich her erscheinend offenbart, dort muss eine vorwegnehmende Definition versagen, die das Geschehen im Vorhinein umfassend einholen und spekulativ eruieren wollte.122
Sowohl Bernhard Welte als auch Bernhard Casper wählen einen Zugang zum Gebet, bei dem sie es betont im Horizont der Besinnung auf die menschliche Sprache situieren. Durch die Beachtung der sprachlichen Prägung des Betens wird möglich, diesen existentiellen Grundakt von vorne herein als geschichtlichen und sozialen zu verstehen, dessen fundierende Bedingung und zugleich radikale Verdichtung das Geschehen des Schweigens ist. Dem Phänomen des schweigenden Betens geben beide Autoren entsprechend in unterschiedlicher Akzentsetzung Raum, wobei verbindend bleibt, dass Schweigen nicht als Deprivationsform des Sprachgeschehens angesehen wir. Vielmehr sehen beide Autoren das Schweigen als Grenzfall der Sprache an und als Anzeiger für die alle Intentionalität begründende Qualität des religiösen Verhältnisses, das sich im Schweigen nicht verliert, sondern auf grundlegende Weise zu sich kommt.
Wie in der zwischenmenschlichen Wirklichkeit Sprache als je dialogische und in ihrer Intersubjektivität und geschichtlichen Vorfindlichkeit unhintergehbare Größe beschrieben werden kann, so auch – in analoger Weise, und als Grenzfall – auch im religiösen Verhältnis. Welte und Casper verbindet somit, wo Gebet im Horizont der Sprache situiert wird, die Einschätzung einer grundlegenden Analogizität des zwischenmenschlichen Verhältnisses mit dem religiösen Verhältnis. Diesen Gedanken einer analogia entis findet man auch in nahezu allen Werken der Edith Stein, die dahingehend wesentlich von E. Przywara SJ beeinflusst wurde.123 Edith Stein kommt schon im Vorwort zu ihrem religionsphilosophischen Hauptwerk „Endliches und ewiges Sein“ auf den diesbezüglichen Einfluss des Jesuiten auf die Bedeutung des Analogiedenkens zu sprechen. Mit Blick auf die erste Fassung ihrer Studie schreibt sie von sich als Verfasserin: „Die erste Fassung ihres Buches und die endgültige Fassung der ‚Analogia entis‘ sind etwa gleichzeitig geschrieben, aber sie durfte die früheren Entwürfe der ‚Analogia entis‘ einsehen und hat überhaupt in den Jahren 1925–31 in lebhaftem Gedankenaustausch mit E. Przywara gestanden. Dieser Austausch hat wohl auf seine wie auf ihre Fragestellung bestimmend eingewirkt“.124 Mit Blick auf Überschneidungen zwischen ihrer Studie und dem Werk Przywaras bemerkt sie: „Eine gewisse Überschneidung liegt aber doch vor, da auf der einen Seite die Analogie als das Grundgesetz aufgewiesen wird, das alles Seiende beherrscht und darum auch für das Verfahren maßgebend sein muss, auf der anderen Seite die sachliche Untersuchung des Seienden auf den Sinn des Seins hin zur Aufdeckung desselben Grundgesetzes führt.“125
Den Jesuiten, durch den sie zum vertieften Studium und zur Aneignung von thomasischen Positionen gelangen wird, lernte Edith Stein Mitte der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhundert in ihrer Speyrer Zeit kennen. Przywara lud sie zu dieser Zeit ein, die quaestiones disputatae de veritate des Thomas von Aquin ins Deutsche zu übertragen. Diese neben ihrer Tätigkeit als Lehrkraft entstandene Studie126 zeigt klar das hohe Maß an sprachlichem und denkerischem Einfühlungsvermögen, mit dem sich Edith Stein einem theologischen Denker nähert, dessen scholastische Begrifflichkeit ihr nicht durch ein akademisches Theologiestudium vertraut war. Sie rezipiert den Aquinaten gleichwohl auf der Basis dieser Übersetzungen später mit großer Eigenständigkeit im Rahmen ihres philosophischen Werkes „Endliches und ewiges Sein“, bei dem sie allerdings mit Blick auf die menschliche Person stärker Augustinus folgt.127 Steins Anliegen, scholastische Philosophie mit Denkwegen und Methoden der zeitgenössischen Philosophie zu erschließen und für die Gegenwart fruchtbar zu machen, trifft sich mit dem Grundanliegen Bernhard Weltes, worauf bereits hingewiesen wurde.128 Somit kann für meine Studie festgehalten werden, dass sowohl eine hohe thematische als auch methodische Affinität zwischen dem 18 Jahre jüngeren Religionsphilosophen Bernhard Welte und Edith Stein ins Auge fällt. Ein Hinweg zum Werk Steins unter Einbezug der Positionen Weltes scheint somit von der Sache her angemessen.
Als Ertrag aus der Sichtung der zwei vorgestellten Positionen zum Ereignis des Betens ergeben sich somit mehrere Anregungen für den Umgang mit Phänomenen des Gebetes im Werk und Leben der Edith Stein. Von einem betonten Augenmerk auf die Dimensionen Zeit, Schweigen und Dialogizität war bereits die Rede. Den Gebetsvollzug in einer durch die phänomenologische Blickperspektive sensibilisierten Optik wahrzunehmen und Beten in einer davon angeregten Weise zu beschreiben, zählt ebenfalls zum Ertrag, den für die vorliegende Studie aus der Werken der Freiburger Religionsphilosophen gewonnen wurde.
2.2 Das Thema Gebet in der Edith Stein Forschung
In der gegenwärtigen Edith-Stein-Forschung greifen Studien und Beiträge zur Biographie, zum literarischen Werk und zur Wirkungsgeschichte verschiedene Aspekte und Stationen ihres Lebens auf und beleuchten diese in ihrem Zusammenhang oder hinsichtlich ihrer Einzelheiten und situativ-geistesgeschichtlichen Verortung. Eine umfangreiche Literaturübersicht mit Monographien, Aufsätzen und anderen Publikationsformen jüngeren und älteren Datums seit 1942 bietet eine entsprechende Sonderausgabe des „Edith-Stein-Jahrbuchs“ von Francesco Alfieri aus dem Jahre 2012.129
Untersuchungen, die ausdrücklich und systematisch das Thema Gebet bei Edith Stein in den Blick rücken, fehlen bisher in der Edith-Stein-Forschung. Weder eine umfassende Sichtung der einzelnen Aspekte ihres Betens noch eine zusammenschauende Betrachtung ihrer Gebetsmanifestationen liegen vor. Studien zu den geistlichen Texten unserer Autorin sind ebenfalls nicht erstellt worden. Vom Umfang her kleinere Beiträge wenden sich entweder lediglich einzelnen Aspekten des geistlichen Lebens unserer Autorin zu oder sichten das gesamte Leben Edith Steins global unter bestimmten Gesichtspunkten, die eine rückblickende Einteilung in biographische Phasen der spirituellen Entwicklung ermöglichen.
So skizziert in knapper Form Terrence C. Wright im Jahre 2005 den Zusammenhang zwischen Steins phänomenologischem Ansatz, ihrer Sicht von Innerlichkeit in Verbindung mit der Verwobenheit hin zur äußeren, sozialen Welt und ihrem Gebetsverständnis.130 In der Thematisierung des abgeschiedenen privaten Betens, dem „solitary prayer“131, in philosophischer Perspektive und in der Erkundung des von Stein eingenommenen religionsphilosophischen Verständnisses der psychischen Struktur des Menschen liegt ein Verdienst dieses Beitrags. Wright hält fest: „For Stein prayer is one of the interior cognitive activities of the soul that makes possible its self-knowledge and fulfillment“.132 Das Gebet führt gleichermaßen nach innen und in ein relationales Verhältnis zu Gott: „Prayer, for Stein, is an activity that places us at the center of ourselves and simultaneously in relation to God.“133 Im Inneren der Seele geschieht eine Antwort auf dem Ruf Gottes: „And this response is, in ist first manifestation, prayer.“134 Eine Weitung der Perspektive auf das für Stein bedeutsame gemeinschaftliche und liturgische Gebet findet in diesem Beitrag nicht statt. Das gilt auch für eine umfassende, das Steinsche Beten in seinen vielfältigen biographischen und theologischen Bezügen systematisch erhellende Darstellung, die neben dem Gemeinschaftsaspekt des Vollzuges noch weitere zentrale Dimensionen des Betens beachtet (biblische, liturgische, frömmigkeitsgeschichtliche, geschlechtsbezogene Aspekte usw.). Das kann der Beitrag von Wright aufgrund seiner begrenzten Fragestellung nicht leisten.
Dem Gebet bei Edith Stein widmet sich schon zwei Jahrzehnte zuvor die Darstellung von Veronika Schmitt OCD, die das Steinsche Gebet als „Lebensprozeß“ in den Blick nimmt.135 Die Karmelitin arbeitet im Jahre 1982 insgesamt sieben136 biographische Entwicklungsphasen heraus, die der Autorin schließlich retrospektiv als „Kreuzwegstationen“137 erkennbar werden. Zwischen diesen Stationen geschieht nicht nur jeweils nach außen hin eine biographische Wandlung, auch innerlich setzen sich Entwicklungsvorgänge durch. Diesen führen als „innerer Weg“138 durch Nacht- und Kreuzerfahrungen schließlich zum Licht und zur Teilhabe an der Auferstehung Jesu Christi.139 Der Beitrag dieser Studie zum Verständnis des Betens bei Edith Stein besteht darin, dass die großen Linien ihrer geistigen Existenz in knapper und prägnanter Form gezeichnet und in ihrem Fluchtpunkt der Kreuzesberufung und – nachfolge Edith Steins gebündelt dargestellt werden. Desgleichen kann die Untersuchung Schmitts dafür sensibilisieren, wie Individuationsprozesse und biographische Entwicklungen Edith Stein sukzessive in eine vertiefte geistliche Existenz führten.
Phasen der religiös-geistlichen Entwicklung werden auch in biographischen Übersichten zum Thema, die sich in Studien von Felix Maria Schandel OCarm140 und Francisco Javier Sancho Fermín OCD141 finden. Bei Schandel geschieht dies jedoch ohne explizit auf einzelne Gebetsformen einzugehen.142 Fermín greift das Gebet Edith Steins ausdrücklich in knapper Form vor allem auf in Rahmen seiner Betrachtung über den „Karmel als konkreter Rahmen des Seinsvollzugs“143. Dort lenkt er den Blick auf die „Mystik des Alltags – Gebet, Meditation, Kontemplation“144 und die Aspekte „Arbeit der Selbstüberwindung“145, „Gemeinschaftsleben“146 und „Das Schweigen“147. Schon zuvor kommt er einschlussweise auf das Gebet zu sprechen im Rahmen seiner breiten Darstellung des Steinschen Weges „Von der Philosophie zur Mystik“.148 In der Entfaltung der historischen und der damaligen zeitgenössischen karmelitischen Tradition, in deren Rahmen die geistliche Entwicklung Edith Steins zu situieren ist, und in der Darstellung der „Grundinhalte der mystischen Philosophie“149, die Fermín mit einer Darstellung der „Karmelitischen Grundzüge der mystischen Philosophie Edith Steins“150 verbindet, liegt der Beitrag dieser Studie zur Frage nach dem Gebet bei Edith Stein. Auf den Beitrag von Maria Amata Neyer OCD151 zum geistlichen Text „Das Gebet der Kirche“ braucht an dieser Stelle der vorliegenden Studie nicht ausführlicher eingegangen werden, da dies noch im Rahmen der Besprechung des genannten geistlichen Textes geschehen wird.152 Neyer beleuchtet Einflüsse der zeitgenössischen Reformbewegungen und stellt biblische Bezüge heraus, die sich im Beitrag Steins als einem aus jüdischer Tradition und Frömmigkeit herkünftigem Menschen aufweisen lassen.
Über die genannten Studien hinaus sind bisher drei Abhandlungen erschienen, die das geistliche Leben bei Edith Stein in systematischer Perspektive sichten und dabei dem Thema Gebet das Interesse zuwenden. Diese Beiträge illustrieren biographische oder themengeschichtliche Zusammenhänge und konturieren Schwerpunkte der Spiritualität Edith Steins. Alle drei Studien lassen instruktive Ansätze erkennen, die in der Zusammenschau wichtige Akzente am betenden Geschehen bei Edith Stein vor Augen stellen. Eine summarische Sichtung dieser Forschungszugänge soll den Ausgangspunkt markieren, von dem aus eigene methodische Überlegungen angestellt werden.
2.2.1 Forschungsbeiträge von Josephine Koeppel OCD, Joanne Mosley und Dianne Marie Traflet
Einen zusammenschauenden Blick auf das geistliche Leben der Edith Stein und in diesem Zusammenhang auf ihr Beten ermöglicht eine 1990 in den USA erschienene Studie von Josephine Koeppel OCD. Die Monographie trägt den Titel „Edith Stein – Philosopher and Mystic“.153 Koeppels Beitrag legt den Akzent auf die biographischen Fügungen, die Edith Stein ermöglichen, ihr religiöses Leben in allen Wechselfällen immer stärker aus der Begegnung mit dem göttlichen Gegenüber heraus zu leben. Dazu geht die Autorin aus vom geistesgeschichtlichen Hintergrund Sr. Teresia Benedictas als unbeschuhter Karmelitin und von ihrem täglichen Leben im Alltag des Klosters. Einfühlsam und differenziert dargelegte Momente von Irritation, Enttäuschung und Trauer, von Neuaufbrüchen nach Erschöpfendem in Beruf und privatem Leben werden von Josephine Koeppel rückblickend als Prozesse der Wandlung und Weitung des religiösen Verhältnisses gesehen. Dem Leser der Studie wird wiederholt die posthume Perspektive verdeutlicht, in der eine rückblickende Schau mehr und noch anderes zu sehen imstande ist, als jenes, das Edith Stein im jeweiligen Moment ihrer Biographie möglich war. In der hohen Sensibilität für das Illustrieren der verschiedenen Perspektiven, in denen das gelebte Leben der Edith Stein ihr selbst und dem nachträglichen Betrachter in ganz verschiedener Weise vor Augen tritt, liegt ein bedeutendes Verdienst der genannten Abhandlung. Sie lädt den Leser immer neu ein, in den biographischen Wechselfällen eine vorsehende Fügung am Werke zu sehen. Weil das auf werbende statt auf apodiktische Weise geschieht, vermag der Leser diesem Duktus in der Weise zu folgen, dass die menschliche Verletzbarkeit und zugleich die Fähigkeit zum Gottvertrauen bei Edith Stein Kontur gewinnen. Der geistesgeschichtliche Kontext ihrer Lebensweise als Ordensfrau im Karmel wird umfassend gewürdigt und als hermeneutischer Schlüssel für ihre geistliche Existenz herangezogen. Das findet u. a. darin Ausdruck, dass einige Kapitel der Studie mit Abschnitten der Karmelregel eingeleitet werden154 oder Zitate aus den ordenseigenen Konstitutionen den Ausführungen vorabgestellt sind.155 Dieser Zugang zum betenden Geschehen der Edith Stein ist sehr instruktiv. Denn es wird bei der Lektüre der größere Zusammenhang des gottgeführten Weges sichtbar, auf dem Koeppel zufolge Edith Stein schließlich in den Karmel geführt wurde. Eine retrospektive Sichtung der Biographie Edith Steins, bei der betont und durchgängig von der Warte ihrer späteren Karmelexistenz auf ihre gesamte Biographie geschaut wird, bleibt allerdings vom Ansatz her anfällig für engführende Perspektiven. Denn im Verlauf ihres geistlichen Lebens war keinesfalls schon jederzeit ausgemacht, dass unsere Autorin in den Karmel gelangen sollte. Vielmehr waren immer neu große Offenheit und Unbestimmheit das Signum ihrer Biographie. Durch diese Unbestimmtheit konnte für Edith Stein jedoch auch die Dimension der Freiheit von Entscheidungen und diejenige des radikalen Vertrauens auf Gottes Fügungen an Bedeutung gewinnen, auch und gerade in prekären biographischen Momenten. Eine engführende Perspektive auf das Beten der Edith Stein, das nur noch vom geistlichen Leben der Karmelitin Sr. Teresia Benedicta her in den Blick käme, wird allerdings von Koeppel in allen Teilen ihrer Studie vermieden. Was die Autorin zum Gebet bei Edith Stein ausführt, erlaubt vielmehr tiefen Einblick in das je neue Zusammenwirken von biographischen Fügungen und mutigen Entscheidungen seitens der späteren Ordensfrau, die in der Darstellung Koeppels als geistlicher Mensch prägnante Kontur gewinnt.
Vierzehn Jahre nach dem Beitrag Koeppels erschien im Jahre 2004 eine Abhandlung von Joanne Mosley aus Großbritannien. Dieser Beitrag führt das Thema Gebet direkt und instruktiv im Titel: „Edith Stein – Woman of Prayer“.156 Bereits im Vorwort kommt die Autorin auf die zentrale Bedeutung des Gebets für das Verständnis von Edith Stein zu sprechen: „But to my mind, there is one label that holds all the others together, that I feel is the essence of Edith Stein: she was, first and foremost, a woman of prayer.“157 Edith Stein als Frau des Gebets kommt bei Mosley auf zweifache Weise in den Blick, was sich im Aufbau ihrer Monographie spiegelt. Der erste Teil „Ideals in Edith’s Life“158 gliedert sich in vier Kapitel, die programmatisch betitelt sind mit „The Search for the truth“, „The Truth of the Cross“, „Blessed by the Cross“ und „The Ultimate Sacrifice“. Ausgehend von der grundlegenden Affinität Edith Steins zu Wahrheit, die sie schließlich zur Wahrheit in Person führt, und zwar zu Jesus Christus, wird die karmelitanische Verbindung von Gebet und hingebender Opferbereitschaft konturiert. Diese vom Gebet orientierte Opferbereitschaft führt Edith Stein schließlich zur Lebenshingabe für andere, und zwar aus der innigen Verbindung mit Jesus Christus. Im zweiten Teil ihrer Studie geht Mosley – stärker als die Darstellung von Josephine Koeppel – von den biblischen Gestalten und Heiligen des Karmelordens aus, die das Beten der Edith Stein als ideale Leitsterne und Vorbilder orientierten und prägten. Dem entsprechend lautet die Überschrift des zweiten Teils „Ideal Figures in Edith’s Prayer“.159 Die biblischen und monastischen Gestalten werden in den vier Kapitel „Jesus: Empathy in Prayer“, „Mary: Our Model and Mother“, „Queen Esther: Intercession and the Jewish People“ sowie „The Saints of Carmel: Sanctity for All“ dargestellt. Ausgehend von der einfühlenden Begegnung Edith Steins mit der Gestalt Jesu Christi, die ihr in der Eucharistiefeier, im stillen Gebet und der Heiligen Schrift widerfährt, erlangt die altbundliche biblische Gestalt der Esther für Edith Stein Bedeutung, bis Maria an der Schnittstelle von Altem und Neuem Testament in den Blick der Untersuchung rückt. Von den Heiligen des Karmel stellt Mosley als für Edith Stein bedeutsam prägende Figuren zunächst Elia vor, dann Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz sowie schließlich Therese von Lisieux. Die Studie von Joanne Mosley ist die bisher einzige ausdrücklich dem Beten gewidmete Abhandlung über Edith Stein. Mosleys Beitrag erhellt in übersichtlicher und eingängiger Form, wie die Personen der alt- und neubundlichen Verheißung sowie Heiligengestalten Edith Stein innerlich nahe kommen und ihr Beten orientieren. In dieser personalen Sicht auf das Gebet der Edith Stein, bei der auch ihr tiefes Leben aus der Begegnung mit der Heiligen Schrift facettenreich aufgewiesen wird, liegt ein wertvoller Verdienst dieses Forschungsbeitrags. Die innige Verbundenheit Edith Steins mit dem in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn und mit der Gestalt Mariens als Gottesmutter und als wegbegleitender Schwester wird in gleichermaßen informativer wie geistlich instruktiver Weise dargestellt. So wird im Beitrag Mosleys insgesamt der Nexus von Wahrheitsliebe und Empathiefähigkeit in Begegnungen als hermeneutlischer Schlüssel erkennbar, der Zugang zu Edith Steins geistlicher Existenz ermöglicht.
Im Jahre 2008 blickt Dianne Marie Traflet in pastoraltheologischer Perspektive und mit dem Anliegen der Erkundung spiritueller Theologie auf die geistliche Vita Edith Steins. Ihr Beitrag „Edith Stein. A Spiritual Portrait“160 zeichnet das geistliche Leben Edith Steins unter vier wesentlichen Gesichtspunkten nach. Dazu lässt sie eine breite Anzahl von Belegstellen aus Steins Schriften und Briefen sowie Aussagen von Zeitzeugen im klösterlichen Lebenskontext der Karmelitin zu Wort kommen. Die Autorin konturiert zunächst unter Einbezug dieser Quellen, wie die Suche nach Wahrheit für Edith Stein zur geistlichen Frage wird („Searching for the Truth: Edith Stein’s Spiritual Quest“161), bevor die Bedeutung die Eucharistie in den Blick rückt („Loving with His Love: The Importance of the Eucharist“162). Das Vorbild der Gottesmutter Maria („Carrying Divine Life: The Example of Mary“163) und schließlich Steins Berufung zur Kreuzesnachfolge („Carrying the Cross into a World of Flames“164) werden von Traflet als die beständig wirksamen geistlichen Quellen aufgewiesen, die Stein innerlich vitalisieren und ihren Lebensweg ausrichten. Dass die Autorin sich auf wenige Kristallisationspunkte der Spiritualität Edith Steins konzentriert, erlaubt der Lektüre, in kurzer Zeit vier bedeutsame Merkmale der geistlichen Biographie zu erfassen. Vor allem die Innigkeit, mit der Edith Stein die Suche nach Wahrheit, die Nähe zu Jesus Christus in Eucharistie und Kreuzesnachfolge sowie die Bezogenheit auf Maria lebte, gewinnt in der Darstellung Traflets plastische Gestalt. Wie Steins tiefer Glaube beständig ihren Alltag orientiert und wie ihre Frömmigkeit auf andere ausstrahlt, erlangt in Traflets Darstellung ebenfalls große Anschaulichkeit. Ihre Sicht auf Edith Stein wird schließlich von Überlegungen abgerundet, welche Botschaft Edith Stein für heute nahe bringt. Das geistliche Portrait, das dieser Beitrag zeichnet, kann daher als gleichermaßen facettenreich wie prägnant bezeichnet werden. Es ist um aktualisierende Aneignung der geistlichen Gestalt Edith Steins bemüht und verdichtet daher längere Suchprozesse und Entwicklungen in geraffter Darstellung und pointierter Skizzierung. Angesichts der reduzierten Kürze des Beitrags kann nicht erstaunen, dass die philosophische Prägung des Steinschen Betens nicht entfaltet wird und ihr jüdisches Erbe nur en passant Erwähnung findet. Gleiches gilt für die prägenden Einflüsse, die neben Teresa von Ávila von anderen Heiligen des Karmel auf Edith Stein ausgingen. Das Anliegen einer geistlichen Mystagogie, das Edith Stein und ihr Gebetsleben werbend als Modell und Vorbild für eine eucharistisch-marianisch geprägte Frömmigkeit vor Augen stellt, ist der Monographie Traflets anzumerken. Darin darf sich Traflet dem verbunden wissen, was Edith Stein bei ihrer öffentlichen Wirksamkeit stets als Ziel ihrer Ausführungen vor Augen hatte, und zwar wie man es anstellen kann, an der Hand Gottes zu leben.
2.2.2 Gründe für die geringe Anzahl an Forschungsbeiträgen
Es bleibt trotz der oben erwähnten Studien festzuhalten, dass das Thema Gebet in der Edith-Stein-Forschung mit Blick auf vorliegende Veröffentlichungen keine bedeutende Rolle spielt. Dies kann insofern erstaunen, als doch gerade das gemeinschaftliche und persönliche Gebet für die Frömmigkeit einer Karmelitin zentrale Bedeutung hat: sie soll beständig aus diesem religiösen Vollzug heraus leben.165 Dass Untersuchungen ausgerechnet zu dem Themenkomplex, der im Alltagsleben der Ordensfrau so eminent bedeutsam gewesen war, in bemerkenswerter Weise fehlen, lässt die Frage aufkommen, weshalb dem so ist. Mir scheinen dafür mehrere Gründe ausschlaggebend zu sein.
Für die sehr geringe Anzahl von Gesamtdarstellungen zum Gebet bei Edith Stein in der Sekundärliteratur mag zunächst eine Rolle spielen, dass Stein (neben einzelnen schriftlichen Äußerungen und einem Aufsatz zum „Gebet der Kirche“166) das Thema nicht ausdrücklich und systematisierend aufgegriffen hat. Jedenfalls gibt es von ihr keine Publikation in Form von ausdrücklichen Erläuterungen oder gar einer grundlegenden, theologisch-systematisierenden Zusammenschau von Einzelaspekten des betenden Geschehens, wie es etwas bei Teresa von Ávila ganz im Gegenteil der Fall ist. Zwar erwähnt Edith Stein die Worte „Beten“ und „Gebet’ “ sowie direkt davon abgeleitete thematisch relevante Worte häufig in ihren Briefen.167 Erwähnung findet das entsprechende Wortfeld auch in Nebensätzen bei ihren Studien und Aufsätze, die sie kontinuierlich verfasst. Eine zusammenschauende Gebetsystematik findet sich jedoch nirgends. Von daher ist einerseits lediglich eine schmale Textbasis an das Thema ausführenden Belegstellen vorhanden, die für aufgestellte Thesen zum Gebetsverständnis bei Edith Stein herangezogen werden können. Darin mag einer der Gründe liegen, wieso bisher kaum Forschungen zu diesen Fragen stattgefunden haben.
Beachtet man allerdings andererseits, wie frühzeitig und kontinuierlich sie liturgische Texte (also kirchliche Gebete) vom Lateinischen ins Deutsche überträgt,168 und schon seit 1924 eigene meditative geistliche Texte, Gebete, Gedichte und später Theaterstücke verfasst,169 dann wird erkennbar, wie stark ihr geistlich-literarisches Werk zuinnerst vom Leben aus dem Gebet geprägt war. Der unentwegt sich manifestierende literarische Kraftimpuls lässt erahnen und illustriert, wie stark sie täglich aus diesem Geschehen heraus lebte. Er zeigt in diversen Gattungen170 und literarischen Facetten, wie beständig virulent das innere Erleben gewesen sein musste, das nach Ausdruck suchte. Auch findet das Thema Gebet in ihren Aufsätzen, etwa den Schriften zu den Heiligengestalten des Karmel,171 durchgängig Erwähnung und ist insofern stets anwesend. Es kann vor diesem Hintergrund die Frage aufkommen: Wieso ist Edith Stein so zurückhaltend mit einer größeren172 Darstellung, wo sie doch als Phänomenologin gewohnt und umfassend darin geübt war, die Dinge in ihrem Zusammenhang zu sehen, ihr Wesen zu erforschen und dieses dann darzulegen?
Eine beachtenswerte Rolle für die Zurückhaltung Edith Steins bezüglich einer ausdrücklichen und systematisch entfalteten Gebetstheologie mag darin gründen, dass sie nie eine akademisch-theologische Ausbildung erfahren hat und von daher zurückhaltend gewesen war, was die Selbsteinschätzung ihrer theologischen Kompetenz betrifft. Bei der Übersetzung von Werken des Aquinaten wird ihr jedenfalls das Fehlen einer profunden (neu-)scholastisch-theologischen Ausbildung schmerzlich bewusst, wie sie später gegenüber einer wissenschaftlichen Autorität auf dem Gebiet der Thomasforschung in einem ihrer Briefe bemerkt: „Daß andere zu dieser Arbeit berufener gewesen wären als ich, davon kann niemand mehr überzeugt sein als ich. […] Ich bin ja als Neuling in der Scholastik (wenn auch nicht in der Philosophie) daran gegangen, um mit Thomas vertraut zu werden. […] Für weitergehende Erklärungen, wie ich sie gab, hätte mir die Kompetenz gefehlt. Vielleicht hat so ein ahnungsloser kleiner David dem Goliath zu Leibe rücken müssen, um den schwergerüsteten Kriegern einen Ansporn zu geben. Wenn ich 15 oder 20 Jahre jünger wäre und frei zu tun, was mir das Beste schiene, dann würde ich noch einmal von unten herauf mit dem Studium der Philosophie und Theologie anfangen. Aber ich bin in dem Alter, wo das, was man hat, Früchte tragen muss und nur nebenher, so gut es eben noch geht, nachgeholt werden muss, was fehlt.“173 Zu ihrer begrenzten theologischen Vorbildung kam hinzu, dass der Karmelitin mit Blick auf das zur Verfügung stehende Zeitbudget für eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten stets sehr enge Grenzen gesetzt waren. Sie war während ihrer gesamten Zeit im Karmel durchgängig sehr stark zeitlich beansprucht von einem vorkonziliaren Ablauf des gemeinschaftlichen Lebens, das zahlreiche Riten und hunderte gemeinschaftsinterne spezielle Gebräuche kannte.174 In dieses für sie im Äußeren des Klosteralltags neue Leben musste sie zu Beginn mühsam hineinwachsen, zumindest was die ritualisierten Gepflogenheiten und Umgangsweisen im Konvent betraf. Der klösterliche Tagesablauf erlaubte ihr nur jeweils eine kurze, wenige Stunden währende Arbeitsphase ohne Unterbrechungen. In der Zeit als Ordensfrau war sie zudem kontinuierlich von Auftragsarbeiten und Gelegenheitsschriften zu Jubiläen, Geburtstagen, klösterlichen Festlichkeiten usw. beansprucht.175 So kann das Fehlen von systematisierenden Überlegungen zum Gebet bei ihr auch darin gründen, dass sie schlicht keine Zeit dafür fand. Dass Edith Stein zum Thema Gebet nicht umfangreicher wissenschaftlich publiziert hat, das liegt somit u. a. auch an ihrer monastischen Existenz als Ordensfrau in einem eng reglementierten Tagesablauf vor der Ordensreform im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Des Weiteren war die Möglichkeit zur Forschung für eine Karmelitin damals nicht üblich, schon gar nicht für eine Ordensfrau am Anfang ihres Weges in ein klösterliches Leben. Vielmehr war wissenschaftliche Forschung für eine Novizin ausgeschlossen, zumal im Orden der unbeschuhten Karmelitinnen mit seinen betont eremitischen Elementen und einer rein kontemplativen Ausrichtung, die im damaligen Verständnis kaum Raum für wissenschaftliche Betätigung lies. Ohne die hellsichtige Initiative und die ausdrückliche Erlaubnis des damaligen Provinzials wäre für Edith Stein überhaupt nicht denkbar gewesen, dass sie über längere Zeiträume hindurch wochentags statt an der Rekreation teilzunehmen weiter ihre Studien betrieb und entsprechende Materialien zur Verfügung hatte, ja dass sie sogar bisweilen nicht verpflichtet war, an allen Gebetszeiten und Rekreationen der Gemeinschaft teilzunehmen. Eine eindringlich darauf abzielende Initiative Sr. Teresia Benedictas hat daran zwar mitgewirkt, wäre allein aber keineswegs erfolgreich gewesen, hätten die Verantwortlichen dem nicht nachgegeben.
Am aufschlussreichsten für die Frage, weshalb sie zum Gebet als dem zentralen Thema ihrer monastischen Berufung nicht mehr ausdrücklich in systematisierender Form verfasst hat, scheint mir jedoch die Auffassung von Koeppel zu sein. Ihr zufolge habe Edith Stein fortwährend vom Thema Beten gehandelt und dafür geworben, allerdings in impliziter Weise, nämlich wie Gebet nicht in Worten, sondern in Taten sich ereigne als „an der Hand Gottes gehen“. Koeppel bermerkt dazu: „What she felt called upon to make known at every opportunity was ‚how to live at God’s hand‘, and this is the perfect form of prayer expressed in actions, not in words. Her prayer, then, can be deduced from her behavior, her demeanor. […] For many who had observed her at prayer in Speyer, in the Abbey of Beuron, or in Carmel, Edith was prayer personified.“176 Für diese Auffassung, und damit indirekt für die zentrale Bedeutung des Themas „Gebet“, spricht, dass Edith Stein selbst mit einer ähnlichen Formulierung angibt, was ihr zentrales Anliegen bei allen Vorträgen und öffentlichen Auftritten ist. Dabei spricht unsere Autorin jedoch nicht von vom Gehen an der Hand „Gottes“, sondern an der Hand des „Herrn“. In einem Brief vom 28. 4. 1931 an Adelgundis Jaegerschmid OSB bemerkt sie dazu: „Es ist im Grunde nur eine kleine, einfache Wahrheit, die ich zu sagen habe: wie man es anfangen kann, an der Hand des Herrn zu leben. Wenn die Leute dann etwas anderes von mir verlangen und mir geistreiche Themen stellen, die mir sehr fernliegen, dann kann ich sie nur als Einleitung nehmen, um schließlich auf mein Ceterum censeo zu kommen.“177
Wenn man „an der Hand des Herrn gehen“ mit Koeppel als „prayer in action, not in words“ versteht, dann hätte Edith Stein tatsächlich einer praktischen Gebetstheologie und Gebetshermeneutik fortwährend erste Priorität eingeräumt – und zwar als dem Kern ihrer gesamten öffentlichen Präsenz bei Vorträgen im In- und Ausland. Zu dieser Auffassung passt, dass Edith Stein im Beitrag „Freiheit und Gnade“178 vom Glauben spricht und dabei das Bild von der Hand verwendet: „Ergreife ich die Hand, die mich anrührt, dann finde ich den absoluten Halt und die absolute Geborgenheit.“179 Sie fährt fort: „Gottes Hand fassen und halten – das ist die Tat, die den Glauben mitkonstituiert.“180 Diese Hand erfährt Edith Stein als rettende, wie sie gegenüber Roman Ingarden am 13. 12. 1925 schreibt. Sie schaut auf ihre innere Krisenzeit zurück und findet dafür einen bildhaften Vergleich, in dem der rettende Arm bedeutsam wird: „Mir ist dann etwa so wie einem, der in Gefahr war zu ertrinken, und dem lange nachher im hellen, warmen Zimmer, wo er ganz geborgen ist in Sicherheit und rings umgeben von Liebe und Fürsorge und hilfreichen Händen, auf einmal das Bild des dunklen, kalten Wellengrabes vor der Seele steht. Was soll man dann anders fühlen als Schauder und dazu eine grenzenlose Dankbarkeit gegen den starken Arm, der einen wunderbar ergriffen und ans sicherer Land getragen hat?“.181 Wäre nun ‚an der Hand gehen‘ inhaltlich synonym für Beten zu verwenden, dann wäre das Thema Gebet zwar nur zeitweilig ausdrücklich ins Wort gekommen und insofern selten ins Blickfeld des Sichtbaren getreten, thematisch und atmosphärisch jedoch wäre es dann durchgängig präsent geblieben. Als innerer Antrieb und Wurzelgrund ihrer Anliegen wäre es dann hintergründig fortwährend maßgebend gewesen. Wo eine Annäherung an das Beten Edith Steins angestrebt ist, dort wäre somit zu berücksichtigen, dass das Thema Beten fortwährend bei ihr virulent ist, es mithin eine Grundhaltung der Karmelitin bildet, die es ihr zur Lebensform werden lässt.182
Vor dem dargelegten Hintergrund versucht die hier angestrebte Untersuchung zu erhellen, in welcher Form sich betendes Geschehen im Leben der Edith Stein zugetragen hat, welche Einflüsse spiritueller und geistesgeschichtlicher Art dabei wirksam geworden sind, welche ekklesiologischen Implikationen sich darin finden und welche mariologischen Positionen bei ihr aufweisbar sind. Die nachstehenden Ausführungen zum handlungsleitenden Interesse konturieren diese Anliegen und geben einen Ausblick darauf, wie dieses Interesse in methodische Schritte überführt werden können.
23 Wüst-Lückel, U.: Theologie des Gebetes. Forschungsbericht und systematischtheologischer Ausblick, Fribourg 2007.
24 Ebd. S. 21.
25 Einen Abriss der Chronologie der Publikationen, der oben skizzierten Entwicklung sowie der jeweiligen Grundanliegen und Akzente der Autoren stellt Wüst-Lückel zusammen, ebd. S. 21 ff.
26 Ebd. S. 53.
27 Vgl. Schneider, M.: Theologie des christlichen Gebets, Würzburg 2015.
28 Vgl. Rosenberger, M.: Im Geheimnis geborgen. Einführung in die Theologie des Gebets, Würzburg 2012.
29 Vgl. Dalferth, I. U./Peng-Keller, S. (Hg.): Beten als verleiblichtes Verstehen. Neue Zugänge zu einer Hermeneutik des Gebets, Freiburg 2016.
30 Vgl. Brantl, J./Gradel, H.-G./Schaeidt, M./Schüßler, W.: Das Gebet „die Intimität der Transzendenz“, Würzburg 2014.
31 Striet, M. (Hg.): Hilft Beten? Schwierigkeiten mit dem Bittgebet, Freiburg 2010.
32 Thull, P./ Arnold, M. (Hg.): Theologie und Spiritualität des Betens: Handbuch Gebet, Paderborn 2016.
33 Steinhauer, H.: Was ist Beten?, in: GuL 90 (2017) S. 100–106.
34 Hunziker, A. /Peng-Keller, S.: Beten, in: Hermeneutische Blätter 2 (2014).
35 Schalk, H.: Beten – Beziehung zum ganze Anderen, Spiritualität und Seelsorge, Bd. 7, Innsbruck 2014.
36 Schlosser, M.: Erhebung des Herzens. Theologie des Gebets, Kompendium Theologie der Spiritualität, Bd. 2, St. Ottilien 2015
37 Keller, T.: Beten. Dem heiligen Gott nahe kommen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von F. Lux, Gießen 2016.
38 Egli, M.: Beten aus Gewohnheit? Einwendungen gegen eine Verwendung von Merleau-Pontys Leibbegriff zur Bestimmung des Gebetsphänomens, in: Hermeneutische Hefte 2 (2014) S. 173–191.
39 Eisele, W. (Hg.).: Gott bitten? Theologische Zugänge zum Bittgebet, QD 256, Freiburg 2013.
40 Steinhauer, Was ist Beten, S. 100.
41 Ebd. S. 106.
42 Ebd.
43 Ebd.
44 Müller, A. U.: Grundzüge der Religionsphilosophie Edith Steins, Freiburg 1993.
45 Hemmerle, K.: Die geistige Größe Edith Steins, in: Elders, L.: Edith Stein: Leben – Philosophie – Vollendung, Abhandlungen des internationalen Edith-Stein-Symposiums Rolduc, 2.–4. November 1990, Würzburg 1991, S. 275–289, hier S. 284.
46 Der philosophische Glaube bei Karl Jaspers und die Möglichkeit seiner Deutung durch die thomistische Philosophie, in: Symposion. Jahrbuch für Philosophie, hg. Von H. Conrad-Martius u. a., Bd. 2, Freiburg 1949, S. 1–190.
47 Dietrich, S.: Das schweigende Gebet. Zur Grundlage des Verständnisses von schweigendem Gebet in ökumenischem Blickwinkel, Leipzig 2000, S. 196. Vgl. zu Weltes Perspektive auf das betende Geschehen sowie der darin einbeschlossenen Anthropologie und Gotteslehre ebd. S. 196–237.
48 Casper, B.: Artikel „Welte“ in LThK, 3. Auflage, Bd. 10, Freiburg 2001, Sp. 1072 f., hier Sp. 1072.
49 Dietrich, S.: Das schweigende Gebet, S. 200.
50 Vgl. dazu die Einleitung zur „Religionsphilosophie“ von Klaus Kienzler, in: Welte, B.: Religionsphilosophie, 5. Auflage, Freiburg 1997, S. 13–42.
51 Vgl. Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 222.
52 Vgl. dazu seine Beiträge „Zeit und Gebet. Für Georg Picht“ sowie „Meditation über die Zeit“, in: Bernhard Welte. Gesammelte Schriften. Bd. V/1. Geistliche Schriften. Herausgegeben von Bernhard Casper, bearbeitet und eingeleitet von Peter Hofer, zweite Auflage, Freiburg 2011, S. 228–236, sowie S. 222–224.
53 „In zunehmendem Maße tritt dabei für Welte die Geschichtlichkeit der Seinserschließung und damit deren Epochalität in den Mittelpunkt des Interesses.“ (Casper, Artikel „Welte“, Sp. 1072).
54 Vgl. Welte, B.: Religionsphilosophie, Freiburg 1978, dort „§ 13. Das Gebet des Schweigens“ (S. 183–187)„ und “§ 14. Das Gebet als Sprache„ (S. 188–206). In der Anrede an Gott spricht der Mensch “sich selbst aus und bringt sich ins Spiel„ (Ebd. S. 199): “Das Ganze, das Totale, alles was ich bin und in mir ist, soll sich in der Sprache des Gebets eröffnen auf Gott hin.“ (Ebd. S. 201).
55 Mit Blick auf das Gebet unterscheidet Welte eine Weise der Begegnung mit dem unsagbaren Geheimnis auf die Weise des sich zurücknehmenden Schweigens und eine Weise, bei der der Gott der Offenbarung als Du angeredet wird. „Sowohl das Gebet der Sprache als auch das Gebet des Schweigens sind notwendige Korrelate zur Erfahrung Gottes als unergründliches Geheimnis und als offenbarendes Du der Begegnung.“ (Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 222).
56 Vgl. zum gemeinschaftlichen Gebet und der sich darin zeigenden Struktur des Betens als Akt der Gemeinschaft „§ 15. Das Gebet als Kult. Gemeinde, Verkündigung und Gemeindegebet.“ (Welte, Religionsphilosophie, S. 207–223).
57 Diese sind die drei Sammelbände „Auf der Spur des Ewigen“ (1965), „Zeit und Geheimnis“ (1975), „Zwischen Zeit und Ewigkeit“ (1982), die frühen Schriften „Über das Böse“ (1959), „Heilsverständnis“ (1966) und schließlich als religionsphilosophisches Hauptwerk „Religionsphilosophie“ (1978). In diesem Zusammenhang verdient auch die Studie „Meister Eckhart. Gedanken zu seinen Gedanken“ (1979) Erwähnung.
58 Vgl. dazu Welte, Gesammelte Schriften. Bd. V/1. Geistliche Schriften.
59 Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 197.
60 Vgl. Bernhard Welte. Gesammelte Schriften. Gesamtregister zu den Abteilungen I bis V. Herausgegeben von Bernhard Casper in Zusammenarbeit mit den für die Bearbeitung der Einzelbände Verantwortlichen, Freiburg 2011, S. 101. Hier finden sich sämtliche Stellen, an denen Welte auf das Gebet zu sprechen kommt.
61 Vor allem im umfangsreichsten 3. Teil der „Religionsphilosophie“ wird das Gebet des Menschen zum Gegenstand der Untersuchung. Der Mensch als der „Vollbringer der Religion“ vollzieht das Gebet als Schweigen, als Sprache und als Kult. Vgl. Welte, B.: Religionsphilosophie, Freiburg 1978, S. 182–239.
62 Welte, B.: Meister Eckhart. Gedanken zu seinen Gedanken, Freiburg 1979, S. 25.
63 Welte, B.: Zur Phänomenologie der Liebe, in: Bernhard Welte. Gesammelte Schriften. Bd. V/1. Geistliche Schriften. Herausgegeben von Bernhard Casper, bearbeitet und eingeleitet von Peter Hofer, zweite Auflage, Freiburg 2011.
64 Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 196.
65 So der Titel einer Veröffentlichung, vgl. Welte. B.: Im Spielfeld von Endlichkeit und Unendlichkeit. Gedanken zur Deutung des menschlichen Daseins, Frankfurt 1967.
66 Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 196.
67 „Auch in der Religionsphilosophie (Welte 1985) geht Welte von der Daseinserfahrung des Menschen aus, der sich in seiner Zeitlichkeit vom Nichts bedroht sieht und deshalb mit der Sinnfrage sich konfrontiert sieht.“ Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 197.
68 Dietrich, Das schweigende Gebet, S. 222.
69 Vgl. Casper, Artikel „Welte“, Sp. 1072.
70 Welte, Religionsphilosophie, S. 92.
71 Vgl. Welte, Religionsphilosophie, S. 241–246.
72 Vgl. dazu auch Welte, Zeit und Gebet, S. 228–236. Welte kommt dort in verdichteter Form und mit betontem Augenmerk auf die Dimension der Zeitlichkeit auf das Thema zu sprechen.
73 Welte, Das Gebet des Schweigens, S. 237–240.
74 Vgl. Welte, Religionsphilosophie, S. 241 f.
75 ebd. S. 238.
76 Vgl. Welte, Religionsphilosophie, S. 245 f.
77 Welte, Zeit und Gebet, S. 239.
78 Vgl. Welte, Religionsphilosophie, S. 247–268.
79 „Denn was ist uns heute die Zeit? Sie ist das Maß, das wir durch eine Zahl ausdrücken, eines rastlosen Umtriebs, der nicht nur die Unruhe der Arbeitszeit umfaßt, vielmehr ebenso auch den Betrieb der Freizeit. Wir messen die Maße dieses Umtriebs mit den Zahlen der Uhr aus. Diese Zahlen sind ihrerseits gleichgültig gegenüber dem, was in ihrem Spielraum umgetrieben wird, sie teilen ihn nur mechanisch ab. Doch haben sie die Tendenz, den Betrieb zu einem lückenlosen Ablauf zusammenzufassen.“ Welte, Zeit und Gebet, S. 229.
80 Ebd.
81 Ebd., S. 230.
82 Ebd.
83 Ebd.
84 Ebd. S. 232.
85 Ebd. S. 232.
86 Ebd. S. 233.
87 Casper, B.: Das Ereignis des Betens – Grundlinien einer Hermeneutik des religiösen Geschehens, Freiburg 1997.
88 Vgl. mit Blick auf die Betonung der Geschichtlichkeit und des Verdanktseins des religiösen Verhältnisses, in dem der Mensch sich im Ereignis der Begegnung mit Welt und Gott als zur Freiheit berufener erfährt, Casper, B.: Theo-logie als Geschehen des Gebetes. Eine Anleitung, Franz Rosenzweigs „Stern der Erlösung“ zu lesen, in: Raffelt, A. (Hg.): Weg und Weite. Für Karl Lehmann, Freiburg 2001, S. 343–351.
89 Bernhard Casper ist seit 2004 Ehrenmitglied der Franz-Rosenzweig-Gesellschaft. Unter seiner Herausgeberschaft sind die „Gesammelten Schriften“ Franz Rosenzweigs erschienen (2006–2011). Seit 1978 bis zu seiner Emeritierung fanden häufig Forschungskolloquien, u. a. gemeinsam mit Emmanuel Levinas und Paul Ricoeur statt. In der Folgezeit blieb er der zeitgenössischen französischen Religionsphilosophie weiterhin eng verbunden.
90 Vgl. schon seine Habilitationsschrift, die entsprechendes Forschungsinteresse erkennen lässt: Casper, B.: Das Dialogische Denken. Eine Untersuchung der religionsphilosophischen Bedeutung Franz Rosenzweigs, Ferdinand Ebners und Martin Bubers, Freiburg 1957.
91 Casper, Das Ereignis des Betens, S. 9.
92 Ebd. S. 10.
93 Ebd. S. 23 f. und S. 25.
94 Ebd. S. 25.
95 Ebd. S. 26.
96 Ebd. S. 30.
97 „Die faktischen Lebenssituationen, in denen uns diese unsere Endlichkeit bewußt wird, etwa angesichts des Todes eines anderen und vielleicht von uns geliebten Menschen oder im Dasein neuen menschlichen Lebens, zeigen sich deshalb in allen Religionen auch als die Anlässe für das Begehen des Kultes und des sichöffnen im Geschehen des Gebets.“ Ebd. S. 32.
98 Ebd. S. 52.
99 Diese Fluchtbewegungen vor der Rätselhaftigkeit und gleichzeitigen Aufgegebenheit des eigenen Daseins sieht Bernhard Casper in zielloser Mobilität, grenzenlosem Interagieren in fiktionalen Welten und in Ideologien gegeben. Ebd. S. 55.
100 Ebd. S. 32.
101 Ebd. S. 61.
102 Ebd. S. 47.
103 Ebd. S. 74 ff.
104 Ebd. S. 74.
105 Ebd. S. 76.
106 Ebd. S. 84.
107 Ebd. S. 78.
108 Vgl. Ebd. S. 73–87.
109 Ebd. S. 60.
110 Ebd. S. 107 f.
111 Vgl. Ebd. S. 96–104.
112 Vgl. Ebd. S. 106–113.
113 Vgl. Ebd. S. 137–151.
114 Ebd. S. 62.
115 Ebd. S. 126.
116 Ebd.
117 Ebd. S. 63.
118 Ebd. S. 63.
119 Vgl. ebd. S. 64, Fußnote 93.
120 Vgl. zur Thematisierung der Zeitlichkeit im philosophischen Denken Edith Steins Gerl-Falkovitz, H.-B.: Unerbittliches Licht – Versuche zur Philosophie und Mystik Edith Steins, Dresden 2015. Besonders die Abschnitte „‚Das unentrinnbar Nahe‘: das endliche Ich“ (S. 127–133), „Zeitlichkeit und Endlichkeit“ (S. 133–136) sowie „Form und Stoff, Zeit und Raum: das Werden“ (S. 136–140) sind instruktiv und ermöglichen einen Einblick in die Bedeutung und systematische Verortung der Dimension Zeit im philosophischen Gedankengang Edith Steins. Ein besonderes Zeiterleben färbt neben Steins Philosophie auch durchgängig ihre geistlichen Texte, d. h. ihre ganz persönliche Gebetserfahrung. Das zeigt sich deutlich z.B. in „Tabernaculum dei cum hominibus“ (ESGA 20, S. 42–44), einer von apokalyptischem Zeiterleben geprägten Meditation anlässlich des Fronleichnamsfestes. Vgl. dazu Heizler, C.: Dem guten Hirten folgen – Das Hirtenmotiv als Moment an der geistlichen Berufung der Edith Stein, in: Edith-Stein-Jahrbuch 20 (2014) S. 207–233, hier S. 228.
121 Es ist bemerkenswert, dass Bernhard Welte bei der Frage nach einer Phänomenologie der Liebe eine Definition derselben klar ablehnt. Welte begründet das damit, dass Ursprüngliches nicht auf Begriffe zurückgeführt, sondern nur deskriptiv dargestellt werden kann, wie es sich aus sich selbst heraus offenbart. Welte, Phänomenologie der Liebe, S. 79 f.
122 Welte formuliert dem entsprechend seine methodische Einstellung im § 1 seiner „Religionsphilosophie“, vgl. ebd. S. 44 f.
123 Vgl. zum Einfluss E. Przywaras auf Edith Stein den Beitrag von Wiesemann, K.-H.: Edith Stein im Spiegel des Denkweges Erich Przywaras, in: Beckmann-Zöller, B./Gerl-Falkovitz, H.-B. (Hg.): Edith Stein. Themen – Kontexte – Materialien, Dresden 2015, S. 193–204.
124 Edith Stein Gesamtausgabe Bd. 11/12. Edith Stein. Endliches und ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins. Anhang: Martin Heideggers Existenzphilosophie – Die Seelenburg. Eingeführt und Bearbeitet von A. U. Müller, Freiburg im Breisgau 2006, S. 5.
125 Ebd.
126 Edith Stein Gesamtausgabe Bd. 23. Edith Stein. Übersetzung: Des Hl. Thomas von Aquino Untersuchungen über die Wahrheit. Quaestiones disputatae de veritate 1. Eingeführt und bearbeitet von A. Speer und F. V. Tommasi, Freiburg im Breisgau 2003 sowie Edith Stein Gesamtausgabe Bd. 24. Edith Stein. Übersetzung: Des Hl. Thomas von Aquino Untersuchungen über die Wahrheit. Quaestiones disputatae de veritate 2. Eingeführt und bearbeitet von A. Speer und F. V. Tommasi, Freiburg im Breisgau 2008.
127 Vgl. dazu Gerl-Falkovitz, H.-B.: Der Mensch als Abbild der Dreifaltigkeit, in: Teresianum (Hg.): Simposio Internazionale. Edith Stein (Teresia Benedicta a Cruce, O. C.D.). Testimone di oggi Profeta per domani. Teresianum – Roma Ottobre 1998 Roma, Roma 1999, S. 257–276. Gerl-Falkovitz weist darauf hin, dass Edith Stein in ihrem Hauptwerk „Endliches und ewiges Sein“ den Gedankengang des Aquinaten dort nicht weiter verfolge, wo sie eine „Wende von Thomas zu Augustin, von der Philosophie zur Theologie“ vollziehe (ebd. 259). Diese Neuausrichtung offenbart ein zentrales Anliegen Steins: „Die Lehre vom Sein mündet entschieden in eine Lehre von der Person – jenes Thema, in dem Edith Stein das zeitgenössische Philosophieren ebenso wie Thomas eigenständig verlässt“ (ebd. 262).
128 Vgl. Abschnitt 2.1.3. dieser Studie.
129 Alfieri, F.: Die Rezeption Edith Steins. Internationale Edith Stein Bibliographie 1942–2012, Würzburg 2012.
130 Wright, T. C.: Edith Stein: Prayer and Interiority, in: Benson, B. E./Wirzba, N. (Hg.): The Phenomenology of Prayer, Fordham 2005, S. 134–141.
131 Ebd. S. 136.
132 Ebd. S. 138.
133 Ebd. S. 140.
134 Ebd.
135 Schmitt, V. E.: Gebet als Lebensprozeß. Teresa von Ávila – Edith Stein, München 1982, S. 71–113.
136 Schmitt unterscheidet eine erste, mit „Aufbruch“ betitelte Phase der Kindheit mit verschiedenen Grunderfahrungen, etwas dem Zug zur Verinnerlichung (Ebd. S. 71–74), der eine zweite Phase der „Selbstwerdung“ folgt, bei der die Individuation und die Ablösung von Elternhaus und von überkommener Tradition bestimmend sind sowie eine Betonung des Intellektuellen (S. 74–77). Als dritte Phase benennt Schmitt die „Sehnsucht nach Wahrheit“, die von der Entdeckung der Außenwelt geprägt ist und Edith Stein die Dimension des Glaubens, des Geistes und der zwischenmenschlichen Beziehungen eröffnet (Ebd. S. 78– 80). Dem schließt sich viertens die „Begegnung mit der Welt des Glaubens“ an (S. 81–84), die einen Durchbruch in eine ausdrückliche Glaubensexistenz einleitet und schließlich zur fünftens zur „Ausrichtung auf den Karmel“ führt, was im Zeitraum seit Steins Taufe 1922 bis zum Ordenseintritt 1933 situiert werden kann (S. 84–90). Eine sechste Phase der „Selbsthingabe“ umfasst Sr. Teresia Benedictas Zeit im Karmel und bringt ihre Kreuzberufung zur Vollgestalt, bis sich siebtens ihr gewaltsamer Tod als „Erfülltes Kreuz“ offenbart, in dem Steins Berufung zur Kreuzesnachfolge ans Ziel gelangt und ihre sühnende Ganzhingabe sich vollzieht (S. 96–98).
137 Ebd. S. 98.
138 Ebd. S. 100–113.
139 Ebd. S. 109 f.
140 Vgl. Schandel, F. M.: ‚Ich sah aus meinem Volk die Kirche wachsen!‘ Jüdische Bezüge und Strukturen im Leben und Werk Edith Steins (1891–1942), Sinzig-Westum 1990, S. 3–71.
141 Vgl. Fermín, F. J. S.: Loslassen – Edith Steins Weg von der Philosophie zur karmelitischen Mystik. Eine historische Untersuchung, Stuttgart 2007, S. 56–115.
142 Steins Verständnis von Liturgie und diesbezüglichen Einflüssen, die von ihrer jüdischen Herkunft ausgehen, wendet sich Schandels Studie jedoch zu, vgl. Schandel, Ich sah aus meinem Volk die Kirche wachsen, S. 107 f. und S. 238 f.
143 Vgl. Fermín, Loslassen, S. 176–181.
144 Ebd. S. 176–178.
145 Ebd. S. 178 f.
146 Ebd. S. 179.
147 Ebd. S. 179 f.
148 Vgl. ebd. S. 56–115.
149 Vgl. ebd. S. 116–156.
150 Vgl. ebd. S. 157–181.
151 Neyer, M. A.: Edith Stein und das Beten der Kirche. Gedanken zu ihrer Seligsprechung am 1. Mai 1987, in: Kaffanke, J. /Oost, K.: „Wie der Vorhof des Himmels“. Edith Stein und Beuron, Tagungsberichte der Beuroner Tage für Spiritualität und Mystik, Erzabtei St. Martin Beuron, 2. ergänzte und erweiterte Auflage, Beuron 2009, S. 130–150.
152 Vgl. dazu den Abschnitt 6.2.5.4.2.
153 Koeppel, J.: Edith Stein. Philosopher and Mystic, Collegeville 1990.
154 Ebd. S. 96 und S. 109.
155 Ebd. S. 103 und S. 137.
156 Mosley, J.: Edith Stein. Woman of Prayer, Herfordshire 2004.
157 Ebd. S. VII.
158 Ebd. S. 1–57.
159 Ebd. S. 59–147.
160 Traflet, D. M.: Edith Stein. A Spiritual Portrait, Boston 2008.
161 Ebd. S. 31–56.
162 Ebd. S. 57–88.
163 Ebd. S. 89–112.
164 Ebd. S. 113–144.
165 Vgl. Schmitt, V. E.: Karmelregel – Lebensregel. Leben aus der Ursprungsvision des Karmel heute, München 2010.
166 ESGA 19, S. 44–59.
167 Vgl. dazu die Ausführungen über die Themen und Anliegen ihres Betens im Abschnitt 5.4. dieser Studie.
168 Vgl. ESGA 20, S. 264–388.
169 Vgl. ebd. S. 216–257.
170 Vgl. zu den im Karmel typischen Weisen der Verschriftlichung Fermín, Loslassen, S. 182–226.
171 Vgl. ESGA 19, S. 60–188.
172 Der Beitrag „Das Gebet der Kirche“ wird im Abschnitt 6.2.5. ausführlich besprochen und kann daher an dieser Stelle meiner Studie zurückgestellt werden.
173 Brief an den Professor für Philosophie an Hochschule der Benediktiner in Maria Laach, Pater Petrus Wintrath OSB vom 12. 6. 1932. ESGA 2, S. 223 ff., hier S. 223.
174 Vgl. dazu Fermín, Loslassen, S. 101 ff.
175 Eine Übersicht findet sich bei Fermín, Loslassen, S. 225.
176 Koeppel, Edith Stein, S. 122.
177 Edith Stein Gesamtausgabe 2. Edith Stein. Selbstbildnis in Briefen. Erster Teil, 1916–1933. Einleitung von H. B. Gerl-Falkovitz, Bearbeitung und Anmerkungen von M. A. Neyer, Revidiert von H. B. Gerl-Falkovitz, 2. Auflage, Freiburg 2005, S. 167.
178 Edith Stein Gesamtausgabe Bd. 9. Edith Stein. „Freiheit und Gnade“ und weitere Beiträge zu Phänomenologie und Ontologie (1917–1937), bearbeitet und eingeführt von Beate Beckmann-Zöller und Hans Rainer Sepp, Freiburg 2014, S. 8–72.
179 Ebd. S. 66.
180 Ebd. S. 66 f.
181 Edith Stein Gesamtausgabe Bd 4. Edith Stein. Selbstbildnis in Briefen. Briefe an Roman Ingarden. Einleitung von H. B. Gerl-Falkovitz, Bearbeitung und Anmerkungen von M. A. Neyer, Fußnoten mitbearbeitet von E. Avé-Lallemant, 3., durchgesehene Auflage, Freiburg 2001, S. 168.
182 Vgl. dazu Schmitt, Gebet als Lebensprozeß, S. 71–113.