Читать книгу Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch - Christoph Hülsmann - Страница 16
3.2 Informationsstruktur und Prosodie
ОглавлениеDass prosodische Analysen auch für pragmatisch orientierte Studien unabdingbar sind, gilt heute als selbstverständlich: „Si la pragmática tiene como objetivo identificar los principios generales que determinan el funcionamiento de la interacción verbal, uno de sus cometidos ha de ser el de explicar de qué modo la prosodia interviene en la interpretación.“ (Escandell-Vidal 2011, 194) Die Methoden, die zur Erforschung der Schnittstelle eingesetzt werden, sind äußerst heterogen und reichen von Produktionsexperimenten (cf. Selkirk 2002) und Korpusanalysen (cf. Frascarelli/Hinterhölzl 2007) über Sprecherurteile zur Akzeptabilität von konkret realisierten Konturen und Akzenten in bestimmten Kontexten (cf. Bartels/Kingston 1994) bis hin zu eye tracking-Studien (cf. Watson et al. 2006).
Relative Einigkeit herrscht heute darüber, dass die diversen Strategien, über die Sprecher zur Markierung der Informationsstruktur verfügen, stets Auswirkungen auf die Prosodie haben. So weisen Foki meist eine prosodische Prominenz auf, während dies für gegebene Information in der Regel nicht zutrifft. Topiks tendieren dazu, eine separate prosodische Phrase zu bilden, und sind in diesem Sinne ebenfalls prominent.1 (cf. Féry/Krifka 2008, 7)
Féry und Krifka (2008) zufolge sind es universale Prinzipien, nach denen Informationsstruktur kodiert wird. Die Tendenz, dass eine Prominenz bei fokalisierten, nicht aber bei gegebenen Elementen zu beobachten ist, kann durch den effort code erklärt werden. Höherer oder niedriger prosodischer Aufwand reflektiert demnach die Relevanz von Konstituenten (bzw. deren Referenten) für die Kommunikation.2 (cf. Féry/Krifka 2008, 12) Dem entspricht auch Givóns code quantity principle: „The less predictable/accessible a referent is, the more phonological material will be used to code it.“ (Givón 1988, 249) Dass sich auch Topiks prosodisch vom restlichen Teil der Äußerung abheben (und an erster Position stehen), kann auf die Optimierung des Informationsflusses zurückgeführt werden. (cf. Féry/Krifka 2008, 12) Neben der Markierung des Satzmodus bzw. der Sprechakte sowie der Einstellungen der Sprecher erfüllt die Prosodie aus informationsstruktureller Sicht damit zwei zentrale Funktionen. Zum einen liefert sie dem Hörer Indizien, die ihm die Segmentierung der sprachlichen Einheiten erleichtern, zum anderen kann sie einzelne, besonders wichtige Elemente einer Äußerung durch eine Akzentuierung salient machen. (cf. Lacheret 2013, 230–231)
Nicht zu vernachlässigen sind jedoch Unterschiede zwischen den Sprachen bei der Markierung der Informationsstruktur. (cf. Féry/Krifka 2008, 12) So kann in einigen Sprachen, wie beispielsweise im Englischen, jedes Element unabhängig von seiner Position prosodisch fokalisiert werden. In Satz (9) wird etwa das initiale Subjekt als Fokus markiert. Andere Sprachen, wie das Spanische, greifen bevorzugt auf eine syntaktische Umstellung zurück und realisieren den Fokus in finaler Position (10). (cf. Casielles-Suárez 1999, 357–359)
(9) | en. | (Who followed Ralph into the bedroom?) – LAURIE followed Ralph into the bedroom. (Casielles-Suárez 1999, 357) |
(10) | sp. | (¿Quién llamó a los niños?) – A los niños los llamó JUAN. (Casielles-Suárez 1999, 359) |
Um zu einem besseren Verständnis des Zusammenspiels von Informationsstruktur und Prosodie zu gelangen, ist es zunächst erforderlich einige grundlegende Termini der suprasegmentalen Ebene zu klären.
Die drei wichtigsten Dimensionen der Prosodie umfassen die Zeit, die Frequenz und die Intensität.3 (cf. Rossi 1999, 7) Die akustischen Merkmale bestimmen jeweils die auditiven Merkmale, auch wenn – wie folgendes Schema von Rabanus illustriert – immer auch gegenseitige Wechselwirkungen angenommen werden müssen.4 (cf. Moroni 2010, 64–65)
Abb. 11: Artikulatorischer Zusammenhang (Rabanus 2001, 6)
Der Ton ist eine phonologische Kategorie, die sich auf Variationen der Grundfrequenz (F0) bezieht.5 In Tonsprachen dient er dazu, lexikalische und grammatikalische Bedeutungen zu unterscheiden. (cf. Hartmann 2007, 222) Zur Markierung der Informationsstruktur setzen diese Sprachen vor allem syntaktische und morphologische Strategien ein. (cf. Hartmann 2007, 233) Intonationssprachen hingegen, zu denen auch die in dieser Arbeit untersuchten romanischen Sprachen zählen, verwenden den Ton als einen der „suprasegmental phonetic features to convey ‚postlexical‘ or sentence-level pragmatic meanings in a linguistically structured way“.6 (Ladd 1996, 6)
In der nicht-linearen Phonologie, die heute als gängigster Ansatz innerhalb der Intonationsforschung gelten kann7, werden in der Regel zwei Arten von Tönen unterschieden. Level tones zeichnen sich durch eine konstante Höhe aus. Innerhalb der level tones werden wiederum zwei Töne differenziert, ein Hoch- (H für high) und ein Tiefton (L für low).8 Contour tones sind Kombinationen aus level tones. Steigende Töne kombinieren L und H, fallende Töne H und L. (cf. Hartmann 2007, 222) Der Tonhöhenverlauf wird als Intonation bezeichnet.9 (cf. Peters 2014, 1) Intonationskonturen sind all jene Tonhöhenverläufe, „die in einer gegebenen Sprache die gleichen sprachlichen Funktionen erfüllen“.10 (Peters 2014, 2) Aus rein prosodischer Sicht kann ein Satz dementsprechend durch das Vorhandensein einer (einzelnen) terminalen Intonationskontur definiert werden.11 (cf. Wunderli 1990, 41)
Der Ton wird zur suprasegmentalen Ebene der Sprache gerechnet, die grundsätzlich als von der segmentalen Ebene unabhängig gesehen wird, aber insofern mit ihr in Verbindung steht, als der Ton mit einem Silbenkern, d.h. mit Vokalen oder silbischen Konsonanten, assoziiert.12 (cf. Hartmann 2007, 223) Voraussetzung für die Verbindung der prosodischen mit der segmentalen Ebene ist die Eruierung von metrisch starken Silben in der jeweils zu analysierenden Sprache. Im Spanischen und Italienischen etwa sind die metrisch starken Silben durch das Lexikon (Wortakzent) vorgegeben. (cf. Gabriel 2007, 179)
Töne, die einen Akzent markieren, werden Akzenttöne (oder Pitch-Akzente) genannt und in autosegmentalen Zugängen mithilfe eines Sterns (*) markiert. (cf. Peters 2014, 29) Akzenttöne assoziieren mit den metrisch starken Silben nun entweder in monotonaler (L*, H*) oder in bitonaler (L*H, LH*, H*L, HL*) Form.13 (cf. Gabriel 2007, 179) Im Gegensatz zu Akzent ist stress ein abstrakter Begriff, der sich auf eine relative Prominenz bezieht und der starken Silbe eines prosodischen Fußes zugeordnet wird.14 Auf phonetischer Ebene manifestiert sich stress oft durch größere Dauer, Lautstärke oder Tonbewegungen.15 (cf. Hartmann 2007, 224)
Unbedingt von der Assoziierung zu unterscheiden ist die Alignierung von Tönen. In den Beispielsätzen (11)–(12) etwa assoziieren die Akzenttöne jeweils mit der metrisch starken Silbe von María. Dass sie eine unterschiedliche Alignierung aufweisen, zeigt Abbildung 12. (cf. Gabriel 2007, 179)
(11) | (Was ist los?) – sp. MaRÍa le da el diario a su herMAno. |
(12) | (Julia gibt ihrem Bruder die Zeitung, nicht wahr?) – sp. MaRÍa le da el diario a su hermano. |
Abb. 12: Unterschiedliche Alignierung (Gabriel 2007, 179)
Die Position des Asterisks gibt hier an, „ob der Tonhöhengipfel im ‚zeitlichen Rahmen‘ der Silbe erreicht wird (LH*, early rise) oder ob er sich aus dem durch die Dauer der Silbe vorgegebenen Zeitfenster heraus nach rechts verschiebt (L*H, late rise)“.16 (Gabriel 2007, 178) Phrasen- und Grenztöne (H-, L- bzw. H%, L%) assoziieren mit den Grenzen hierarchisch höherer prosodischer Ebenen, ihre Alignierung bezieht sich „jedoch auf die mit der betreffenden Grenze adjazente(n) Silbe(n) […], da jede phonetische Materialisierung von Tönen notwendigerweise lautliches Material voraussetzt“.17 (Gabriel 2007, 183)
Die Position von Pitch-Akzenten erklärt man sich heute unter anderem durch pragmatische, d.h. informationsstrukturelle Faktoren.18 Das Topik weist für Hetland und Molnár (2001, 624) eine große prosodische Variation auf, und zwar nicht nur sprachenübergreifend, sondern auch innerhalb einer Sprache. Moroni (2010, 32–33) zufolge wird es nur dann akzentuiert, wenn seine Erkennbarkeit erleichtert werden soll.19 Fokus hingegen markieren die meisten Sprachen mit dem fallenden Pitch-Akzent H*L. Umgekehrt bedeutet dies jedoch nicht, dass auch jede H*L-Kontur Fokus markiert.20 (cf. Hartmann 2007, 225–226) Der Pitch-Akzent, der Fokus markiert und demnach auch als Fokusakzent bezeichnet wird21, kombiniert die fallende Tonhöhe zusätzlich meist mit einer Dehnung. Er wird einer Silbe zugeordnet, die einen Wortakzent trägt.22 Diese Silbe wird in der Literatur meist Fokusexponent genannt.23 (cf. Musan 2010, 46) Andere Silben sind deutlich weniger dazu geeignet, den Fokusakzent zu tragen. Dazu zählen insbesondere Reduktionssilben, d.h. Silben, die ein Schwa enthalten. (cf. Musan 2010, 47)
Die Fokuskonstituente kann nun gleich groß wie der Fokusexponent (FE) sein und damit – wie in (13) – nur aus einer Silbe bestehen. (cf. Musan 2010, 46) Der Akzent kann jedoch seine Funktion ausgehend vom Fokusexponenten auch über weitere Silben projizieren (14). Welche das sind, ist vor allem für den Hörer relevant. Mit einer adäquaten Platzierung des Fokusakzents ermöglicht der Sprecher dem Hörer folglich eine optimale Dekodierung seiner Äußerung.24 (cf. Musan 2010, 47)
(13) | dt. | Wen will Moritz treffen? – Moritz will [MAX]F=FE treffen. |
(14) | dt. | Wen will Moritz treffen? – Moritz will [Maxi [MI]FE lian]F treffen. (Musan 2010, 46–47) |
Bei einem engen Fokus umfasst der Fokus das akzentuierte Wort.25 (cf. Musan 2010, 49) Eine sehr weite Fokusprojektion ist im Deutschen etwa dann möglich, wenn der Fokusakzent auf einem internen Argument des Verbs liegt, vorausgesetzt, dieses Argument wurde – wie im folgenden Beispiel (15) – nicht aus seiner ursprünglichen Position wegbewegt. (cf. Musan 2010, 49–50) Der Fokusakzent auf Buch kann hier folglich je nach den Kontexten (16)–(20) mehr oder weniger (neue Information kodierende) Konstituenten als Fokus markieren. (cf. Höhle 1982, 91–92)
(15) | dt. | Karl hat dem Kind das BUCH geschenkt. |
(16) | dt. | Was hat Karl dem Kind geschenkt? |
(17) | dt. | Was hat Karl hinsichtlich des Kindes getan? |
(18) | dt. | Was hat Karl getan? |
(19) | dt. | Was hat das Kind erlebt? |
(20) | dt. | Was ist geschehen? (Höhle 1982, 91–92) |
Die Möglichkeit der Fokusprojektion impliziert jedoch nicht, dass die prosodische Realisierung des Satzes (15) auch tatsächlich in jedem der Kontexte (16)–(20) völlig identisch ist. So wird etwa ein eng fokalisiertes Objekt einer SVO-Konstruktion – vgl. Kontext (16) – im Englischen Bishop (2012, 240) zufolge mit einer größeren akustischen Prominenz im Vergleich zum pränuklearen Material realisiert als das bei einem all focus-Satz – vgl. Kontext (20) – der Fall ist. Vergleicht man hingegen all focus-Sätze wie jenen in (21) mit Äußerungen, in denen der Fokus die Verbalphrase umfasst (22), lässt sich nach Primus (1993, 888) im Englischen und im Deutschen kein relevanter Unterschied in der prosodischen Realisierung beobachten. Bei schneller Sprechweise und ohne Kontexteinbettung seien die Antworten der jeweiligen Beispielsätze dementsprechend ambig.
(21) | dt. | (Was gibt es Neues?) – [HANS hat MARIA ÄPFEL gegeben]F26 |
(22) | dt. | (Was hat Hans gemacht?) – Hans [hat MARIA ÄPFEL gegeben]F (Primus 1993, 888) |
Ob – und wenn ja, wie – man die genaue Position des (Fokus-)Akzents bei einem weiten Fokus vorhersagen kann, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Manche Modelle nehmen grammatisch-syntaktische Faktoren als ausschlaggebend für die Akzentuierung an. So wurde für das Deutsche und Englische festgestellt, dass bei einem weitem Fokus wie in (23) der Akzent tendenziell eher auf ein Argument als auf ein prädikatives Element fällt. (cf. Baumann 2006a, 165)
(23) | en. | Why did you miss the party? – My MOther got sick.27 (Terken/Hirschberg 1994, 126) |
In pragmatischeren Zugängen wird auch die konkrete Position des Akzents auf informationsstrukturelle Faktoren zurückgeführt. Die Beobachtung, dass innerhalb einer Verbalphrase eher einer Nominalphrase oder einer Präpositionalphrase als dem Verb selbst die Prominenz zugewiesen wird, erklärt Lambrecht folgendermaßen: „The existence of this rule is based on the […] fact that the pragmatic status of a verb tends to be more neutral or at least less important than the status of an argument constituent.“ (Lambrecht 1986, 188)28 Ocampo (1995, 433) erklärt sich Lambrechts Regel mit der „subjective opinion of the speaker who decides, and indicates – by primary stress placement – what is the most important, crucial, piece of the information asserted“. Ähnlich argumentiert Krifka (2007). Er führt die Akzentuierung auch auf den Informationsstatus der Konstituenten zurück. Argumente werden deswegen akzentuiert, weil sie referenziell sind und dadurch für den Sprecher die Notwendigkeit größer wird auszudrücken, ob die Argumente gegeben sind oder nicht. (cf. Krifka 2007, 40)
Nach Bolinger (1972) hängt die Akzentuierung eines Elements mit dessen semantischem „Gewicht“ zusammen. Ihm zufolge werden in erster Linie jene Einheiten akzentuiert, die in einer Äußerung für den Hörer schwierig vorherzusehen sind. In Fügungen wie clothes to wear, books to write, work to do und topics to cover betrifft dies die Substantive (Kleidung wird für gewöhnlich getragen, Bücher geschrieben etc.). Ist das Verb nicht vorhersehbar, kann auch dieses den Akzent erhalten, wie der Vergleich der beiden Sequenzen (24)–(25) zeigt. (cf. Bolinger 1972, 634)
(24) | en. | I can’t finish in an hour – there are simply too many TOPICS to cover. |
(25) | en. | I can’t finish in an hour – there are simply too many topics to ELUCIDATE. (Bolinger 1972, 633–634) |
Um das relative semantische Gewicht von Konstituenten zu ermitteln, ist es folglich nötig, den Kontext von Äußerungen zu berücksichtigen. Dass semantisch reichere Formen wiederum mit längeren Lexemen korrelieren, ist für Bolinger zwar statistisch korrekt, für die Akzentuierung jedoch nicht entscheidend.29 (cf. Bolinger 1972, 634–635)
Durchaus legitim – und zwar sowohl in Sätzen mit engem als auch in Fällen von weitem Fokus – ist die Frage, ob Satzakzente tatsächlich Fokus oder nicht doch in erster Linie neue Information markieren. So ist die Konstituente, auf der der Satzakzent in Beispiel (26) liegt, nicht nur Fokus, sondern gleichzeitig neue Information. Satz (27) zeigt, dass eine Akzentuierung der gegebenen Information nicht zulässig ist. (cf. Musan 2010, 19)
(26) | dt. | (Wo bemerkte Solvejg die Spinne?) – Solvejg bemerkte die Spinne in einer dunklen SCHRANKecke. |
(27) | dt. | (Wo bemerkte Solvejg die Spinne?) – #Solvejg bemerkte die SPINne in einer dunklen Schrankecke. (Musan 2010, 19) |
Für eine gewichtige Rolle der Gegebenheit spricht die Tatsache, dass bei der Fokalisierung eines längeren Ausdrucks jene Konstituente, die eigentlich den Akzent hätte, deakzentuiert werden kann, wodurch einer anderen, nicht vorerwähnten Konstituente innerhalb des Fokus die Möglichkeit zukommt, den Hauptakzent zu erhalten. Dementsprechend wird in der Antwort in (28) nicht – wie bei einem Verbalphrasen-Fokus üblich – das Argument, sondern das Verb selbst akzentuiert.30 (cf. Krifka 2007, 39–40)
(28) | en. | I know that John stole a cookie. What did he do then? – He [reTURNED [the cookie]geg]F (Krifka 2007, 40) |
Auch das Beispiel (29) illustriert den Einfluss der Gegebenheit auf die Akzentuierung von Sätzen. Für Umbach (2009, 152) wird hier die additive Partikel noch nicht aufgrund ihres fokalen Charakters akzentuiert, sondern alleine deshalb, weil alle anderen Elemente gegeben sind.
(29) | dt. | (Otto hat nach dem Essen einen Schnaps getrunken, und du glaubst es nicht:) Otto hat NOCH einen Schnaps getrunken. (Umbach 2009, 152) |
Die folgende englische Sequenz (30) zeigt, dass die Korrelation zwischen Gegebenheit und Deakzentuierung offensichtlich so stark ist, dass ein gegebener Ausdruck selbst dann nicht akzentuiert werden kann, wenn er nicht koreferenziell mit der zuvor realisierten Konstituente ist. (cf. Baumann/Riester 2012, 133)
(30) | en. | On my way home, a dog barked at me. It made me think of ANna’s dog. (*Anna’s DOG) (Baumann/Riester 2012, 131) |
Ist eine gegebene Konstituente mit einer vorhergehenden koreferent, besteht wie in (31) aber aus einem anderen lexikalischen Material, ist eine Akzentuierung ebenso wenig zulässig.31 (cf. Baumann/Riester 2012, 130)
(31) | en. | [Ole]i was a brilliant athlete. The local press had nothing but PRAISE for [the tennis player]i.32 (Baumann/Riester 2012, 130) |
In der Antwort in (32) schließlich wird mit der finalen Nominalphrase jene Konstituente deakzentuiert, die neue Information kodiert, (Teil des) Fokus ist und keine Koreferenz mit dem zuvor erwähnten, jedoch formgleichen Ausdruck aufweist. (cf. Baumann/Riester 2012, 120)
(32) | en. | Why do you study Italian? – I’m MArried to an Italian. (Baumann/Riester 2012, 120) |
Aufgrund dieser zwischen Gegebenheit und (De-)Akzentuierung zu beobachtenden Korrelationen wurde für das Deutsche und Englische folgende Skala zum Zusammenspiel zwischen Aktivierungsgrad, Akzenttyp und Akzentstärke vorgeschlagen. (cf. Baumann 2006a, 163)
Abb. 13: Relation between activation degree, accent type and accent strength in German and English (Baumann 2006a, 163)
Baumann und Riester (2012) differenzieren die referenzielle Gegebenheit (r-given), die sich durch die Präsenz entsprechender koreferenter Antezedenzien auszeichnet, von der Gegebenheit lexikalischen Materials (l-given). Die drei folgenden Hypothesen zur Deakzentuierung von Konstituenten überprüften die Autoren anhand eines kleinen deutschen Korpus von gesprochener und gelesener Sprache. (cf. Baumann/Riester 2012, 146–147)
1 Gegebene Referenten (r-given), die mit gegebenem lexikalischem Material (l-given) enkodiert werden, werden deakzentuiert.
2 Gegebene Referenten (r-given), die mit neuem lexikalischem Material (l-new) enkodiert werden, werden deakzentuiert.
3 Neue Referenten (r-new), die mit gegebenem lexikalischem Material (l-given) enkodiert werden, werden deakzentuiert.
Hypothese (i) ließ sich für die gelesene Sprache bestätigen (71 % der Konstituenten erhielten keinen Pitch-Akzent, nur 5 % einen Nuklearakzent), während in spontan gesprochener Sprache nur 17 % der betreffenden Konstituenten deakzentuiert wurden. Hypothese (ii) ließ sich weder für die gelesene noch für die gesprochene Sprache bestätigen. Hier wurden nur 24 % bzw. 18 % der referenziell gegebenen und lexikalisch neuen Konstituenten deakzentuiert.33 Auch Hypothese (iii) konnte nicht verifiziert werden. Nur 10 % bzw. 31 % der Konstituenten, die als r-new und l-given klassifiziert werden können, wurden deakzentuiert. Mit 100 % bzw. 96 % bestätigt wurde in erster Linie die Akzentuierung von Konstituenten, die sowohl referenziell als auch lexikalisch neu sind. (cf. Baumann/Riester 2012, 149–150) Die Autoren ziehen das Fazit, dass eine grundlegende Subkategorisierung der Dimension der Gegebenheit von Information in referenzielle und lexikalische (Nicht-)Gegebenheit zwar notwendig ist, dass für die Analyse der konkreten Distribution von Akzenten jedoch auch weitere Kategorien wie Fokus unverzichtbar sind.34 (cf. Baumann/Riester 2012, 152)
Dies wird vor allem in Beispielen von Typ (33) deutlich, in denen der Fokus als auf die W-Frage antwortendes Element auch dann den Akzent trägt, wenn er auf eine bereits aktivierte Entität verweist. Zulässig ist an dieser Stelle die Frage, ob die Konstituente Mary in (33) den Akzent tatsächlich aufgrund ihres fokalen Status erhält oder ob die Kontrastivität, die durch die zuvor erfolgte explizite Nennung der Alternative Anne bedingt ist, dafür verantwortlich ist. Denn auch in den weiteren Beispielsätzen, die in der Literatur zu finden sind, weisen die akzentuierten gegebenen Fokuskonstituenten in der Regel einen kontrastiven Wert auf, wie etwa jene in (34).35
(33) | en. | Did you call Mary or Anne? – I called MAry. (Baumann 2006b, 89) |
(34) | en. | John called Mary a Republican and then SHE insulted HIM. (cf. Baumann 2006a, 164) |
Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass offensichtlich folgende zwei Prinzipien hinsichtlich der Akzentuierung von Konstituenten konkurrieren:
1 Fokus wird akzentuiert
2 Gegebenes wird deakzentuiert36
Bei Äußerungen mit weitem Fokus ergibt sich meist insofern keine Konkurrenzsituation zwischen den beiden Prinzipien, als der Satz entweder ausschließlich aus neuen Konstituenten (all new-Satz) oder aus einer Kombination aus gegebenen und neuen Elementen besteht, sodass in letzterem Fall (eine) jene(r) Konstituente(n) akzentuiert werden kann, die nicht gegeben ist (sind). Sätze mit engem Fokus, in denen nur eine Fokuskonstituente zur Verfügung steht, sind dann „problematisch“, wenn diese Konstituente gleichzeitig gegeben ist. Dies ist offensichtlich vor allem in kontrastiven Kontexten zutreffend. Dass in diesen Fällen die Fokuskonstituente akzentuiert wird, kann durch die höhere Wertigkeit von Prinzip (i) gegenüber Prinzip (ii) erklärt werden.37 Andere Akzentuierungen in Äußerungen mit engem Fokus, wie etwa die Akzentuierung einer gegebenen Konstituente des Hintergrunds, würden nicht nur eines der Prinzipien, sondern beide verletzen. Dieser Ansicht ist auch Baumann (2006), dessen Erklärung für die Akzentuierung von Fokus wie folgt lautet:
The main property of focus accents is that they can be assigned to virtually every constituent in an utterance irrespective of its degree of activation, since their assignment only depends on the intentions of the speaker. In other words, focus prosody ‚overrides‘ activation prosody. (Baumann 2006a, 164)
Ungeachtet der Auswirkungen der (Nicht-)Gegebenheit auf die Akzentuierung von Konstituenten wird dementsprechend heutzutage bei Sprachen mit Pitch-Akzenten davon ausgegangen, dass diese tatsächlich auch zur Markierung von Topiks und Foki genutzt werden. (cf. Féry/Krifka 2008, 10) Vor allem die Verbindung zwischen Fokus und Nuklearakzent ist für viele Autoren, wie etwa für Dahl (1974, 2), eindeutig: „[…] I have so far not seen any language which would be an exception to the rule that the focus of a sentence is normally the carrier of the main sentential stress.“38
Manche Autoren sprechen sich jedoch gegen die Annahme eines stabilen Zusammenhangs zwischen Fokus und (Satz-)Akzent aus.39 Féry und Krifka (2008) führen Beispielsätze an, in denen Fokus und Akzent nicht gemeinsam auftreten. Den Autoren zufolge betrifft das zum einen Sätze von Typ (35), in denen ein eigentlich obligatorisch akzentuierter (und fokaler) intensifier (herself) nicht akzentuiert wird, um die unmittelbare Abfolge zweier Akzente (en. stress clash) zu vermeiden. Eine fehlende Korrelation zwischen Akzent und Fokus postulieren die Autoren auch bei einem bereits vorerwähnten Fokus (en. second occurrence focus, SOF) wie jenem in (36). (cf. Féry/Krifka 2008, 9–10)
(35) | en. | Marie-Louise even grows RICE herself. |
(36) | en. | (Everyone already knew that Mary only eats [vegetables]F.) If even [Paul]F knew that Mary only eats [vegetables]SOF, then he should have suggested a different restaurant. (Féry/Krifka 2008, 10) |
Beaver und Velleman (2011) hingegen stellen sehr wohl einen Akzent auf dem SOF fest. Die Nuklearakzente in (36) befinden sich ihnen zufolge auf Paul bzw. auf restaurant. Als bereits gegebener Fokus weist vegetables im Vergleich dazu einen sekundären Akzent auf. Diese Akzentuierung erklären die Autoren mit einem Punktesystem. Paul ist nicht nur neue, unvorhersehbare Information (1 Punkt), sondern auch kontrastiv (1 Punkt), während vegetables als alte und vorhersehbare Information „nur“ aufgrund der Präsenz der fokussensitiven Partikel only von Relevanz für eine prosodische Markierung ist (1 Punkt). Da sich beide Konstituenten innerhalb ein- und derselben Intonationsphrase befinden, konkurrieren sie um die Akzentuierung. Paul setzt sich mit 2 Punkten gegen vegetables (1 Punkt) durch. (cf. Beaver/Velleman 2011, 1675) Auch beim SOF kann demnach die Nicht-Realisierung des Satzakzents unter anderem durch den Einfluss der Gegebenheit erklärt werden.40
Zweifellos sind die beiden Beispiele (35) und (36) wegen der Präsenz von fokussensitiven Operatoren (even, only) bzw. eines intensifier (herself) als Spezialfälle zu werten, die einer eigenen, eingehenderen Analyse bedürfen. Für Féry (2010a, 12) liefern die Sätze dennoch ausreichende Evidenz gegen eine „enge und notwendige Verbindung zwischen Fokus und Akzent oder Topik und Akzent“. Die Autorin sieht andere, vor allem syntaktische Kriterien als ausschlaggebend für die Akzentuierung an.
Die Frage, inwieweit tatsächlich von einer (direkten) Verbindung zwischen der Prosodie und der Syntax ausgegangen werden kann, soll im nächsten Kapitel diskutiert werden.