Читать книгу DAS GESCHÄFT - TEIL 1 - Christoph Hoenings - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеDas Geschäft
Teil 1
Dass diese Affäre Menschenleben fordern würde, hätte niemand ahnen können! Die Opfer starben durch Mord oder Selbstmord, bei Unfällen, eines aus purem Versehen. Unter den Toten waren hohe Militärs, kleine Angestellte, Terroristen, angesehene Geschäftsleute, eine Prostituierte, ein Staatsoberhaupt. Eine der Hauptpersonen wurde direkt vor meinen Augen erschossen. Es war Zufall, dass es nicht zu noch mehr Toten gekommen ist.
Diese Menschen kamen zu Tode, weil sie in die hier geschilderten Geschehnisse verwickelt waren.
Dass ich überhaupt hier hinein geriet, verdanke ich dem für Außen- und Außenwirtschaftspolitik zuständigen Redakteur des mich beschäftigenden Magazins, Peter Paul Winter.
Ich hatte die Nachrichten über ein geplantes riesiges Waffengeschäft mit Peru nicht ernst genommen. Peru war pleite. Trotzdem flüsterten mir meine Quellen in Berlin immer wieder zu, da sei etwas im Gange.
In Deutschland hatten wegen Korruptionsvorwürfen gegen eine Reihe namhafter Unternehmen staatsanwaltliche Ermittlungen und lebhafte mediale Berichte eingesetzt. Als auf einmal der Name meines früheren peruanischen Ehemannes in die Schlagzeilen der Presse geriet, wurde die Sache für mich spannend.
Ohne die Mitarbeiterin der Policía de Inteligencia Peruana, Señora Eriberta, die ich in Lima kennenlernen sollte, wäre die Story nicht an die Öffentlichkeit gekommen. Mein alter Freund Michael Wolters brachte mich in Lima mit Personen zusammen, die mir ihre Versionen der Ereignisse offenbarten. Dies taten sie nicht immer freiwillig. In manchen Fällen musste ich sie erst mit dem konfrontieren, was ich bereits über sie in Erfahrung gebracht hatte, um sie zu bewegen, zuzugeben, welche Rolle sie gespielt hatten. Dies taten sie oft nur um der Chance willen, sich in besseres Licht zu rücken. Ich gebe zu, in manchen Fällen habe ich das Mittel der Bestechung angewandt, um den Einen oder Anderen zum Reden zu bringen.
Alles von dem, was ich niedergeschrieben habe, beruht auf Aussagen der Personen, die ich habe befragen können. Ich habe beschlossen, die Affäre in Form eines Romans zusammenzufassen, da das mich beauftragende Magazin meinen Report letztlich aus Furcht vor Rechtsstreitigkeiten nicht veröffentlichen wollte, auch, weil sich - zugegebenermaßen - nicht alles lückenlos aufklären ließ.
Von dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, habe ich nichts weggelassen oder beschönigt. Was ich an Ausschmückungen beigetragen habe, ist marginal und soll der besseren Nachvollziehbarkeit der Umstände und der Verständlichkeit der Abläufe dienen.
Den Protagonisten Rupert Graf habe ich beschrieben, wie er mir von denen, die mit ihm direkt zu tun hatten, geschildert worden ist. Ich bin überzeugt, dass die Geschichte sich so abgespielt hat und dass ich ein objektives Bild der Hintergründe gezeichnet habe.
Starnberg, den 16. 10. 2012
Dorothee A. Nonim
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1 . Kontakte
In Lima war es Nachmittag, in Deutschland fortgeschrittener Abend. Das Gespräch war recht kurz:
Angerufener: „Graf.“
Anrufer: „Rupert, ich bin´s, Lutz.“
Angerufener: „Na, wie geht’s da drüben?“
Anrufer: „Danke. Hör mal: Die hiesigen Wassermänner sind auf der Suche nach neuen Einheiten. Mittelgroß, leichte Bewaffnung. Kannst du mal herkommen?“
Angerufener: „Pleite, wie die sind?! Das ist doch vergebliche Liebesmüh!“
Anrufer: „Nein, Rupert! Über meinen Freund Fernandez habe ich direkten Zugang zum obersten Wassermann. Einen Teilbetrag haben sie. Ein Teil muss finanziert werden.“
Angerufener: „Lutz, wer soll denen denn was leihen? Die sind doch völlig überschuldet!“
Anrufer: „Kannst du nicht trotzdem mal herkommen? Ein privates Treffen, offene Sprache. Hör es dir an! Die wollen die Dampfer! Und die Handsalben.“
Angerufener: „Das ist nichts fürs Telefon! Ich guck mal in meinen Terminkalender und melde mich morgen.“
Es folgte eine kurze Verabschiedung.
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Im 4. Stockwerk des graubraun verputzten Bürogebäudes an der Avenida Arequipa in Lima, dem Hauptquartier der Policía de Inteligencia Peruana, kurz PIP, legte Enrique Pato seinen Kopfhörer aus der Hand. Pato war darauf angesetzt, Telefonate mit Deutschland zu überwachen. Er hatte den Kopfhörer aufgesetzt, als sein Computer anfing, zu piepsen, was bei dem Wort „Bewaffnung“ geschehen war. Pato war in Deutschland aufgewachsen, liebte dieses Land aber nicht. Die deutsche Sprache beherrschte er perfekt. Als sein Vater im Generalkonsulat in Hamburg arbeitete, war er dort zur Schule gegangen, wegen seines leicht indianischen Aussehens aber von den Mitschülern häufig als der Inka gehänselt worden. Dass er Pato hieß, und Pato auf Deutsch Ente bedeutet, hatte erheblich zur Belustigung seiner Mitschüler beigetragen. Er war froh, als er mit achtzehn Jahren nach Lima zurückkehren konnte. Nach seinem Studium an der Universidad Catolica, wo er Wirtschaftswissenschaften, Politologie und, sinnigerweise, Deutsch studiert hatte, wurde er von einem Freund seines Vaters, Maximo Nasini, zur PIP verpflichtet. Nasini bekleidete damals schon einen Posten im Generalsrang und hatte die Arbeit in schillerndsten Farben geschildert. Im Übrigen ersparte die Arbeit bei der PIP Enrique Pato den Wehrdienst.
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Das Gespräch war geführt worden aus dem lokalen Vertretungsbüro der Deutschen Rhein-Ruhr-Stahlwerke an der Avenida Venezuela.
Das Büro hatte, wie Pato von seinem Rechner erfuhr, etliche peruanische Mitarbeiter, nur der Leiter, Ludwig Kinzel, war Deutscher. Pato kannte die DRRS als einen großen Industriekonzern mit Aktivitäten im internationalen Kraftwerks- und Anlagenbau. Und als Hersteller von Rüstungsgütern.
Er beschloss, sich Kinzel anzusehen.
Das war für ihn einfach.
Er rief die Datei der in Lima registrierten deutschen Anwohner auf. Ludwig Kinzel zu finden, war kein Problem. Das Bild eines dicklichen Mannes, Kinzels Lebenslauf, Adresse in Miraflores, einem von Ausländern und reichen Limensern bevorzugten Stadtteil, Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung, Details über seine Familie, Angaben über soziale und geschäftliche Kontakte, all das erschien auf Mausklick auf Patos Bildschirm. Sogar Kinzels Fingerabdrücke waren abgebildet. Kinzel hatte Abdrücke aller zehn Fingern machen lassen müssen, als er seine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hatte.
Enrique Pato stellte sicher, dass jeder telefonische Kontakt, den Kinzel im Büro oder zuhause vorläufig hätte, mitgeschnitten werden würde.
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Auch Oberst Carlos Garcia Alvarez nahm den Kopfhörer ab. Garcias Aufgabe in der Inteligencia Militar, dem militärischen Geheimdienst war, Ferngespräche und E-Mail-Austausch deutscher Geschäftsleute mit dem Heimatland zu überwachen und auszuwerten. Da es für die deutsche Sprache nur wenige Experten gab, war sein Rang für diese Aufgabe relativ hoch. Dies lag auch daran, dass er vor zwei Jahren hatte wertvolle Tipps geben können, als der Kauf von Schützenpanzerwagen anstand und die Deutschen ungeniert am Telefon mit der Unternehmensleitung zuhause über die Preiskalkulation konferierten. Er hatte herausgefunden, dass sein Land fünf Millionen Dollar würde sparen können.
Ludwig Kinzel hatte er persönlich nie gesehen. Trotzdem kannte Garcia Kinzels Stimme. Das brachte es mit sich, wenn man Telefonate mithörte oder Tonbänder mitgeschnittener Gespräche auswertete.
Garcia war froh, dass er das Telefongespräch Kinzels mit dem Teilnehmer in Deutschland zeitgleich mitgehört hatte. Nachdenklich betrachtete er das Tonband, das mitgelaufen war.
Dann schaltete er seine Geräte so, dass ab sofort jedes Telefonat und jede e-mail von oder zu Kinzel mitgeschnitten würde.
Der Name Fernandez sagte ihm nichts. Fernandez´gab es Lima zu Hunderten.
Den Mitschnitt des Gespräches speicherte er auf einem USB-Stick, um anschließend das Band zu löschen. Den Datenträger steckte er sorgfältig weg.
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Am folgenden Nachmittag ließ Rupert Graf seine Sekretärin eine E-Mail an Kinzel senden.
Graf war ein Mann in der zweiten Hälfte der Fünfziger, mittelgroß, schlank und fast kahlköpfig. Die verbliebenen Haare rasierte er sich weg, weil er fand, dass ihn ein kahler Schädel jünger aussehen ließ als ein Kopf mit grauem Haarkranz.
„Wenn Du kurzfristig den Termin arrangieren kannst, komme ich am Wochenende. Sobald Du bestätigst, wird meine Sekretärin die Flugdaten durchgeben."
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Kinzel rief seinen Freund Walter Fernandez an.
Nach dem Austausch von Höflichkeiten, wechselseitigen Fragen nach dem Wohlbefinden der Familie - Kinzel hasste diese Vergeudung von Zeit und diese Scheinheiligkeit, weil diese Prozedur durchgemacht werden musste, selbst wenn man sich noch drei Stunden zuvor gesehen hatte - sagte Kinzel:
"Mein Freund aus Deutschland kann am Wochenende kommen."
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In den Büros von Oberst Carlos Garcia und von Enrique Pato schalteten die Computer ab. Sie hatten die E-Mail und das anschließende Telefonat aufgenommen. Sie hatten weiterhin anhand des Wahltons die von Kinzel angewählte Rufnummer analysiert und warfen soeben den Namen Walter Fernandez Semenario und dessen Anschrift im Stadtteil Miraflores aus.
Oberst Garcia war schon früh im Büro und hatte die Telefonate Kinzels mitgehört. Die E-Mails hatte er mitgelesen. Sobald er die Anschrift von Walter Fernandez ausgedruckt bekam, stand er auf und führte aus dem Nebenzimmer ein Telefonat.
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Vize Admiral Rogerio Homer Chavez Vicario saß am Schreibtisch seines Arbeitszimmers. Er hatte eine Reihe seiner Offiziere um sich, die über eine Übungsfahrt mit einem der zwei noch halbwegs intakten U-Boote berichteten. Es hatte Probleme mit den überalterten Batterien gegeben, die dringend des Austausches bedurften. Angesichts der aktuellen politischen Lage waren jedoch im Moment Überwasserschiffe wichtiger, damit sein Land in der 200-Meilenzone vor einer zweitausend Kilometer langen Küste Präsenz zeigen konnte. Der bissige Anruf des Ministers für Fischereiwesen vor zwei Wochen, warum sich das Land den Luxus einer Marine leistete, wenn japanische und russische Fangflotten das Meer vor der peruanischen Küste in Seelenruhe leerfischten, hatte ihn geärgert.
"Exzellenz," hatte er gesagt, "Geben Sie mir endlich Mittel, die Marine zu modernisieren! Wir brauchen dringend neue Schiffe! Wenn wir selbst in der Lage sind, den geraubten Fisch zu vermarkten, machen sich neue Schiffe schnell bezahlt."
Der Minister hatte ihn aufgefordert, eine Vorlage zu erarbeiten, in der er diese Aussage belegte.
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Eines der Telefone auf Admiral Chavez´ Schreibtisch klingelte.
Sein Privatanschluss.
Er hob ab. Eine Stimme sagte:
"Es geht um Maria. Können wir Montag bei mir zuhause mit ihr zu Mittag essen?"
Walter hatte es offenbar geschafft, die Deutschen zu interessieren.
Chavez antwortete:
"Montag passt."
Die Stimme sagte: "Danke!" Die Leitung war unterbrochen.
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Enrique Pato ärgerte sich über die Colectivos. Colectivos sind Sammeltaxen, die auf der Avenida Arequipa an jedem Block halten. Passagiere mit ähnlichen Fahrtzielen teilen sich Taxen, so dass die Taxifahrt für den Einzelnen kaum teurer wird als eine Busfahrt. Die Avenida Arequipa ist eine vierspurige Straße, in der Mitte mit einem Grünstreifen mit hohen Bäumen, die angenehmen Schatten spenden. Außerdem ist die Avenida Arequipa lang. Sie zieht sich schnurgerade vom Zentrum Limas bis in den Vorort Miraflores über eine Entfernung von gut zehn Kilometern.
Die rechte Fahrspur, egal in welche Richtung, ist immer verstopft durch die Colectivos, die alle paar Ecken anhalten, um Passagiere ein- oder aussteigen zu lassen.
Jeder Limenser weiß das und fährt deshalb links. Damit ist die linke Fahrspur auch verstopft.
Pato brauchte mehr als dreißig Minuten, um bei der Anschrift von Fernandez anzukommen. Die dortigen Gegebenheiten wollte er sich ansehen.
Oberst Garcia hatte einen Freund bei der PIP angerufen. Auch wenn Garcia im militärischen Geheimdienst arbeitete, unterhielt er Kontakte zu dem konkurrierenden Dienst.
Das hatte sich als hilfreich erwiesen bei der Verfolgung von Drogendelikten, für die zwar die PIP zuständig war, in die aber manchmal ausländische Militärs verwickelt waren.
Garcia schaute in sein elektronisches Postfach. Sein Freund Leon war fündig geworden, genau wie er vermutet hatte.
"Fernandez, Walter Cristobal Claudio, geb. 3.5.1959 in Lima,
Vater: Jorge Ramon Fernandez Castillo, Fabrikant, + 1967
Mutter: Ana Maria Isabel Semenario, + 1972
Ehefrau: Liliana Carla Chavez Lafuente, geb. 14.9.1984"
"So ein geiler alter Sack", murmelte Garcia.
Verheiratet seit 7.10.2004, keine Kinder.
Es folgten Angaben über Vermögensverhältnisse, über Hobbies, über Bekanntschaften, über Auslandsreisen, über gesellschaftliche Aktivitäten, über einen Zwischenfall mit einem Freudenmädchen in einem Stundenhotel.
Das Mädchen war gestürzt und hatte sich verletzt, so die Aussage von Fernandez.
Er habe sie geprügelt, so die Aussage des Mädchens.
Die Anzeige war niedergeschlagen worden, weil Fernandez einen guten Leumund besaß und ein Marineoffizier zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, ein Verwandter der späteren Frau von Fernandez, Liliana C. Chavez.
Der damalige Fregattenkapitän Rogerio Homer Chavez Vicario, der als Jugendlicher mit Walter Fernandez die Schulbank gedrückt hatte, war heute Chef der Armada Peruana, und seine Nichte war mit Fernandez verheiratet.
"Daher also weht der Wind!" murmelte Garcia.
Oberst Garcia nahm sämtliche Computerausdrucke, überspielte die heutigen Gespräche aus dem Büro von Kinzel wiederum auf seinen USB, löschte das Band und verließ sein Büro, um zu Mittag zu essen.
Der Vormittag erschien ihm ausgesprochen vielversprechend.
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Kinzel setzte eine E-Mail nach Deutschland ab: „Treffen bei WF Montag 13 h.“ Kurz darauf erhielt er Grafs Reisedaten.
Während seine Sekretärin für Graf ein Hotelzimmer reservierte, sann auch Ludwig Kinzel darüber nach, dass dies ein ausgesprochen erfreulicher Vormittag war.
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Enrique Pato ordnete nach Durchsicht der letzten Computerdaten zweierlei an:
Noch am Nachmittag würde ein Beamter der Peruanischen Post bei Walter Fernandez unter dem Vorwand, eine Störung im Haustelefonnetz beheben zu müssen, Mikrofone in den Telefonen installieren, um sämtliche Geräusche aus der Wohnung nach draußen zu senden. Hierbei war egal, ob telefoniert würde oder nicht.
Zum zweiten würde die PIP das Zimmer von Rupert Graf im Sheraton Hotel mit einer Abhöranlage ausstatten.
Dann ging auch Enrique Pato zum Mittagessen.
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Sonntag
Da Rupert Graf in der ersten Klasse zu reisen pflegte und immer einen Gangplatz belegte, war er einer der ersten Passagiere, die das Flugzeug verließen.
Obwohl nach der Ankunft Grafs, der nur Handgepäck bei sich trug, zunächst keine weiteren Passagiere folgten, fiel es Kinzel, der Graf erwartet hatte, nicht auf, dass sich zwei weitere Personen aus der Schar der wartenden Abholer in Richtung Parkplatz auf den Weg machten. Garcia und Pato beeilten sich, zu ihren Autos zu kommen.
Alle drei Fahrzeuge fuhren hintereinander an der Zahlstelle des Parkplatzes vor. Beide, Garcia und Pato, hatten Gelegenheit, sich das Gesicht Grafs einzuprägen. Dank seines kahlen Kopfes war er nicht zu verkennen.
Die drei Wagen überquerten nach wenigen Augenblicken die Brücke über den Rio Rimac und bogen kurz darauf nach links in die Avenida Argentina Richtung Stadtzentrum.
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Rupert Graf lehnte sich in seinem Sitz zurück und zog die Luft ein.
„Es riecht immer noch so widerlich wie beim letzten Mal," sagte er. Das Geruchsgemisch von Abgasen, schwelenden Müllhaufen, von Fäkalien und der nahegelegenen Fischmehlfabrik ist typisch für Lima, insbesondere in der Nähe des Flughafens. Gerade hier um den Fluss herum gibt es eine Reihe von Pueblos Jovenes, "jungen Ortschaften", wo die Ärmsten der Armen in Hütten aus Pappkartons oder Bastmatten leben, zwischen Müll und ihren eigenen Abwässern, die im Boden versickern. Das triste Bild wird nur aufgelockert durch die farbenfrohen peruanischen Flaggen, die über jeder Behausung wehen. War die Fahne erst hochgezogen, durfte der Erbauer des Hauses nicht mehr vertrieben werden. So wollte es irgendein Gesetz.
Graf ließ sich von Kinzel das Programm für den Aufenthalt erklären. Kinzel legte besonderen Wert darauf, den guten Kontakt zur Marineführung zu erläutern.
"Du wirst sehen, Rupert, Chavez will die Schiffe. Und der Kontakt stimmt. Walter ist mit Chavez ganz eng."
„Die Marine kann doch hier nichts entscheiden! Das wird ein finanzielles Problem. Der Finanzminister muss mitmachen, der Präsident, das Parlament, auch wenn das hier wohl nicht sehr ernst genommen werden muss. Wie will Chavez, selbst als Chef der Marine, sicherstellen, dass die alle mitspielen?"
"Über Freundlichkeiten. Darüber haben Walter und Chavez sich Gedanken gemacht, sonst hätten wir dich nicht einfliegen lassen."
„Dir ist bewußt, dass bei uns die Gewährung von Freundlichkeiten im Ausland inzwischen bestraft wird,“ sagte Graf. „Das kann dich nicht nur den Job kosten, sondern dich in den Knast bringen.“
„Da werdet ihr doch wohl Mittel und Wege finden.....“ antwortete Kinzel gelassen. „Ohne Schmiergeld läuft hier im Lande doch nichts. Nada! Kein Dokument einer Behörde, kein Ausweis, keine Dienstleistung! Das weißt du doch selbst!“
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:
„Und alle unsere Konkurrenten wissen das auch!“
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Kinzel wohnte, wie Enrique Pato sah, in einem der schöneren Teile von Miraflores, in einer ruhigen Seitenstraße mit gepflegten Rasenflächen vor hohen weißen Mauern, die die Grundstücke umgeben. Hier warfen großgewachsene Eukalyptusbäume Schatten, und über die Mauern ragten die Spitzen von Bananenpflanzen und Avocadobäumen. All diese Pflanzen müssen täglich begossen werden, da es in Lima so gut wie niemals regnet. Jeden Tag machen sich Heerscharen von Gärtnern auf in diese Gegenden der Stadt, in denen die Reichen wohnen, Geschäftsleute, Politiker, hohe Verwaltungsbeamte und Militärs. Die Gärtner kommen von weither, aus den Armenvierteln, sie kommen auf Fahrrädern, hinter denen sie auf einem kleinen Anhänger ihre Gerätschaften transportieren, Hacke, Spaten, einen Rechen, einen Handrasenmäher. Aber die Gärtner haben zumindest Arbeit, und sie verdienen nebenbei Geld durch den Verkauf von Gartenpflanzen.
Auf der Mauereinfassung des Grundstücks blinkten Glasscherben.
Zu Patos Leidwesen hatte Graf schlichtweg abgelehnt, das für ihn vorbereitete Zimmer im Hotel zu beziehen. Er hatte strikt darauf bestanden, ein Zimmer in einem der unteren Geschosse zu bekommen.
Pato, der aus seinem Auto heraus die Vorfahrt des Ehepaares Fernandez beobachtete, sah sich um. Er dachte darüber nach, wie er Kinzels Haus mit einer Abhöranlage ausstatten lassen könnte. Zu viel Wirbel würde Aufsehen erregen. Außerdem musste er erst mal sehen, wie sich das Ganze entwickelte.
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"Was darf ich zu trinken bringen, Señora? Ihnen, Walter?" fragte Kinzel seine Gäste. Kinzel war hocherfreut über die Pünktlichkeit von Fernandez. Auch wenn "hora alemana", "deutsche Zeit", ausgemacht worden war und dieser Begriff in Peru wirkliche Pünktlichkeit bedeutete, war man nie sicher, ob Gäste nicht mit ein bis zwei Stunden Verspätung erscheinen würden. Das Dienstmädchen servierte Getränke, chilenischen Champagner für die Damen, Whisky für Fernandez und Kinzel, ein Glas Weißwein für Graf.
Graf machte Liliana de Fernandez ein paar artige Komplimente, die diese wiederum ausgesprochen angenehm empfand. Dass Graf ihr zur Begrüßung die Hand geküsst hatte, hatte sie charmant gefunden.
Nach einer Weile standen die drei Herren auf und gingen in die neben dem Wohnraum liegende Bibliothek.
Diese Bezeichnung mochte übertrieben sein für einen großzügigen Raum, auf dem an einer Seite wandhohe Bücherregale aus Teakholz eingelassen waren. Weicheres Holz als Teak würde sofort von Ameisen zerfressen. Der Raum war mit einer Sitzgruppe ausgestattet, mit einem Schreibtisch unterm Fenster und mit einem Fernsehgerät mit DVD-Recorder.
In den Regalen standen mehr DVDs als Bücher.
Graf bat Kinzel, als sie sich setzten, den Fernseher anzuschalten und auf Zimmerlautstärke einzustellen.
Dann wandte er sich an Fernande z.
"Ihre Marine will Korvetten, Señor Fernandez?"
"Ja, Señor Graf. Lutz wird Ihnen gesagt haben, dass ich verwandtschaftlich verbunden und eng befreundet bin mit dem Oberkommandierenden der Marine, Admiral Rogerio Chavez. Chavez steht unter Druck, weil unsere Gewässer überfischt werden. Es wurden in großer Anzahl Fischereischiffe aus Japan und Russland ausgemacht. Selbst spanische Schiffe fahren bei uns herum.“
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, bevor er fortfuhr:
„Ich spreche nicht von einer Handvoll von Trawlern. Die kommen mit zwanzig, dreißig und mehr Schiffen, darunter Fabrikschiffe, auf denen der Fang sofort verarbeitet wird. Die peruanische Flotte ist zu klein und überaltert, um reagieren zu können. Chavez liegen Berichte vor, nach denen beim Erscheinen seiner Marine die Fischereischiffe sich über den Horizont und aus unserer Zweihundertmeilenzone davonmachen. Die sind schneller als unsere Marineeinheiten."
"Señor Fernandez, hierfür käme man auch mit Fischereischutzbooten aus. Solch einfache Schiffe sind preiswerter und leichter zu beschaffen. Wenn wir allein über Fischereischutz sprechen, ist der Wunsch nach Korvetten überzogen. Bei Korvetten reden wir selbst bei nur leichter Bewaffnung über Schiffe mit einem Stückpreis von mindestens hundert bis hundert fünfzig Millionen Dollar."
„Señor Graf, das ist Chavez bewusst. Der Druck auf Chavez kommt nicht nur aus dem Fischereiministerium. Peru ist von der Fläche her ein großes Land, aber wirtschaftlich ein Zwerg. Wir haben enorme Probleme, was Armut in weiten Teilen der Bevölkerung angeht. Die Fischerei ist wesentlicher Bestandteil unserer Wirtschaft. Wir stehen unter Druck der USA, mehr zur Bekämpfung des Drogenschmuggels zu tun. Unser Nachbar Chile hat sich wirtschaftlich erholt und baut eine eigene Rüstungsindustrie auf. Ecuador im Norden macht Ärger. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass wir ungeklärte Grenzverläufe im Amazonasgebiet haben. Auch wenn im Moment das Verhältnis zu beiden Ländern friedlich ist, es ist keinesfalls freundschaftlich. Chavez sieht die Chance, jetzt ein solches Projekt durchzubringen. Neue Schiffe braucht er ohnehin. Verteidigungsminister General Urraca hat ihm Unterstützung zugesagt. Nur, wenn wir dieses Vorhaben offiziell angefragt hätten, hätten Sie wahrscheinlich eine Absage erteilt. Ich kann angesichts der Lage unseres Landes und unserer Auslandsverschuldung Ihre Skepsis verstehen.“
Graf sah Fernandez mit ausdruckslosem Gesicht an, sagte aber nichts.
„Insofern ist Rogerio Chavez dankbar, dass Sie sich der Mühe der Reise hierher unterzogen haben. Die deutsche Industrie hat genügend oft bewiesen, dass sie auch für ärmere Länder Finanzierungskonzepte hat finden können. Deshalb hat Chavez mich gebeten, Kontakt zu Ihnen zu suchen. Er sieht jetzt eine Chance, seine Marine mit modernen und schlagkräftigen Schiffen auszurüsten."
"Señor Fernandez, die Ausarbeitung eines Angebotes für militärische Schiffe und die Verfolgung eines Projektes bis zum Vertragsschluss kostet mehrere Millionen Dollar. Da möchte ich sicher sein, dass wir über eine seriöse Sache sprechen, bevor wir soviel Geld ausgeben. An der Ernsthaftigkeit des Interesses von Admiral Chavez habe ich keinen Zweifel. Aber wie stellt sich Ihre Regierung dazu? Was sagt Ihr Finanzminister, Ihr Parlament? Außerdem sehe ich nicht, wie ein Projekt dieser Größe von Kabinett und Parlament genehmigt werden soll, wenn nicht auch Ihr Präsident dies eindeutig befürwortet.“
Graf nahm noch einen Schluck Wein.
"Señor Graf," auch Walter Fernandez trank einen Schluck aus seinem Glas, bevor er fortfuhr, "Wir haben uns hierüber Gedanken gemacht. Was Wege ebnen wird, werden die uns aus dem Geschäft zufließenden Mittel sein, die wir hierfür einsetzen können."
Fernandez nahm einen weiteren Schluck.
Aha, dachte Graf, ich hab mich schon gefragt, wann er damit herauskommt.
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Oberst Carlos Garcia Alvarez pfiff vergnügt zur Melodie aus dem Autoradio. Er war gut gelaunt. Er hatte zugesehen, wie Graf sich im Sheraton Hotel registrierte. Danach
war er über die Via Expresa in den Stadtteil San Isidro gefahren und hatte in der Nähe des Einkaufszentrums vor einem der kleineren Häuser geparkt, in denen ein Teil des Mittelstandes von Lima wohnt, Lehrer, Beamte, Angestellte.
Roxana wusste von seiner Familie. Sie wusste Namen und Geburtstage seiner vier Kinder. Roxana arbeitete für Garcia, nicht als seine Sekretärin, aber für seine Abteilung. Dass sie kein Wort Deutsch verstand, machte nichts. Sie wusste, dass sie ihren Job ihm zu verdanken hatte, ebenso wie die für ihre Tätigkeit unangemessen hohe Bezahlung. Garcia war stolz auf dieses Arrangement, das ihm ermöglichte, sich eine Geliebte auf Kosten des peruanischen Staates zu halten. Das war das Schöne beim Geheimdienst: Es wurden keine Fragen gestellt.
Roxana war eine schöne Frau, mit heller Haut, aber fast schwarzen, mandelförmigen Augen. Ihr langes schwarzes Haar trug sie jetzt offen, normalerweise war es zu einem Knoten am Hinterkopf aufgesteckt. Sie wusste sich geschmackvoll zu kleiden. Ein paar Mal hatte er sie zu Empfängen bei ausländischen Botschaften mitgenommen, zu denen er eingeladen wurde. Er hatte sie aber stets als Mitarbeiterin, nie als Freundin vorgestellt, Gottseidank, als ihn jemand in Gegenwart seiner Frau auf die attraktive Begleitung ansprach, mit der er gesehen worden war.
Garcia selbst war unscheinbar, wenn er keine Uniform trug. Mit seinen sechsundvierzig Jahren litt er darunter, dass von seinem früher vollen Schopf nur noch ein spärlicher Haarkranz übrig war. Dies versuchte er zu kaschieren, indem er sich das Haar von der Seite quer über den Schädel kämmte und mit Pomade festklebte. Er war nicht groß, neigte aber zur Körperfülle.
"Ich muss dich um etwas bitten. Dienstlich."
Roxana hatte sich zunächst verwundert gezeigt.
"Heute früh ist ein Geschäftsmann aus Deutschland angekommen, dem ich auf die Finger sehen will. Er heißt Graf, Rupert Graf. Ich möchte, dass du versuchst, mit ihm bekannt zu werden und ihn aushorchst. Er wohnt im Sheraton. Ich bin sicher, dass, wenn er vom Abendessen zurückkommt, er in der Hotelbar noch einen Drink nimmt. Ich will wissen, was er hier tut."
"Wie soll ich ihn kennen lernen?"
"Du setzt dich in die Bar und wirfst ihm schmachtende Blicke zu. Das sollte genügen."
"Und dann?"
"Sprich mit ihm. Männer sind geschwätzig, wenn sie mit einer Frau zusammensitzen. Sie sind froh, von sich zu erzählen, und dankbar, wenn ihnen jemand zuhört."
„Bist du auch dort?“
„Nein, ich habe ein Essen in der Familie. Ich will wissen, warum er hier ist, wen er trifft, was er bespricht. Sein Aufenthalt hat mit einem Regierungsgeschäft zu tun."
"Spricht er Spanisch?"
"Keine Ahnung. Aber du kannst dein Englisch an ihm ausprobieren. Schließlich lernst du das auf Kosten unserer Behörde."
"Wie erkenne ich ihn?"
"Ich weiß, wo und wann er zu Abend essen wird. Wir fahren bei dem Restaurant vorbei. Ich zeige ihn dir. Er ist groß, schlank und völlig kahl. Die Deutschen essen immer früh. Setz dich später am Abend in die Hotelbar und warte. Vor elf Uhr brauchst du nicht dort zu sein."
"Warum interessierst du dich für den Mann?"
"Das überlass mir!“
Garcia hatte Roxana diese Aufgabe nicht gerne übertragen.
Aber wenn die Geschichte lief, wie er sich das dachte, würde eine Menge Geld für ihn drinstecken. So blöd wie bei den Schützenpanzerwagen würde er nicht nochmal sein. Damals hatte er sein Wissen gemeldet. Die Deutschen hatten den Preis nachgelassen, aber längst nicht in der Größenordnung, die er der peruanischen Seite vorgegeben hatte. Jemand hatte die Differenz eingestrichen.
Diesmal wollte Oberst Carlos Garcia Alvarez an sich denken.
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"An welche Größenordnung denken Sie, Señor Fernandez?" fragte Graf. Ludwig Kinzel war gerade dabei, Getränke nachzuschenken. Das Hausmädchen wurde jetzt nicht gebraucht.
"Señor Graf, Rogerio und ich haben uns lange beraten. Fünfzehn Prozent."
Walter Fernandez griff nach seinem Whiskyglas.
Graf verzog keine Miene. Bei einem Auftragswert von 500 Millionen Dollar, wenn er von vier einigermaßen ausgerüsteten Korvetten ausging, wollte dieser Mann 75 Millionen!
„Sie wissen, dass in Europa mittlerweile das Zahlen von Schmiergeldern an Amtsträger auch im Ausland verboten ist?“ fragte Graf.
„Es ist kein Schmiergeld, Señor Graf. Ich bin kein Amtsträger. Ich spreche von meiner Provision. Was ich damit mache, ist meine Sache!“
„Nicht ganz, Señor Fernandez. Ich muss gegenüber den deutschen Behörden offenlegen, weshalb ich eine Provision bezahle. Sie muss begründbar sein. Durch Leistungen unterlegt.“
„Ich bringe Ihnen den Auftrag. Das ist doch wohl Leistung genug!“
„Für die deutschen Behörden nicht. Die untersuchen solche Zahlungen unter strafrechtlichen Gesichtspunkten. Allein die von Ihnen gewünschte Höhe würde zu Untersuchungen führen.“
"Ich werde aber soviel Geld brauchen, Señor Graf.“ Walter Fernandez nahm wieder einen Schluck Whisky. „Wir müssen der Regierungspartei einen namhaften Betrag zur Verfügung stellen. Dann müssen, wie Sie schon sagten, einzelne Mitglieder des Kabinetts das Vorhaben unterstützen."
„Das will und darf ich nicht wissen, Señor Fernandez. Aber in dieser Größenordnung wird mit meinem Unternehmen nichts laufen.“
„Ihre Wettbewerber sind da nicht so kleinlich, Señor Graf. Frankreich, Italien, Spanien... .“
Das wusste Graf selbstverständlich auch! Diese Länder mit staatlichen oder halbstaatlichen Rüstungsindustrien benannten solche Freundlichkeiten einfach in „militärische Geheimnisse“ um und sorgten dafür, dass kein Staatsanwalt Einsicht in die Akten nehmen durfte! Sehr zum Leidwesen der deutschen Industrie, die mit ausgeklügelten Compliance-Regeln gefesselt war, weil die deutschen Beamten sich päpstlicher als der Papst gebärdeten.
"Señor Fernandez. Bleiben wir sachlich: Um dieses Vorhaben finanzierbar zu machen, sollte es einen Budgetwert von 600 Millionen Dollar nicht übersteigen. Um Ihre fünfzehn Prozent zahlen zu können, müsste ich den Preis um 90 bis 100 Millionen erhöhen. Wenn das Projekt mit solchen Nebenkosten behaftet sein soll, schlage ich vor, wir gehen gemeinsam mit den Damen zum Abendessen und freuen uns, einander kennengelernt zu haben, und ich reise morgen wieder nach Hause. Ich will Ihnen erklären, warum:
Das Projekt wird zu teuer! Peru ist verschuldet. Solche Mittel kann Peru nicht aufbringen, ohne andere Gläubigerländer auf den Plan zu rufen, die vor dieser Ausgabe ihre überfälligen Kredite zurückgezahlt haben wollen. Ihr Land steht beim Internationalen Währungsfond tief in der Kreide. Die Bedingungen der von dort umgeschuldeten Kredite besagen, dass Peru sich bereits Ausgaben geringerer Größenordnungen genehmigen lassen muss.
Zudem, wenn das Projekt ein bestimmtes Volumen übersteigt, wird es unweigerlich hohen internationalen Bekanntheitsgrad erhalten. Die Regierungen unserer Wettbewerbsländer werden eine internationale Ausschreibung fordern. Dann ist Chavez erst mal drei Jahre beschäftigt, ohne seinen Schiffen einen einzigen Schritt näher gekommen zu sein.“
Jetzt nahm Graf einen Schluck aus seinem Glas.
„Aber wie ich schon sagte: Die von Ihnen gewünschte Provisionshöhe würde sofort den Staatsanwalt auf den Plan rufen. Ich würde mich und mein Unternehmen unweigerlich der Strafverfolgung aussetzen, wenn ich einem derartigen Honorar zustimmte.“
„Aber andere Länder haben mit so etwas kein Problem,“ insistierte Walter.
„Das mag sein,“ sagte Graf. „Alle europäischen Regierungen haben dieses Gesetz unterschrieben, aber nicht alle halten sich daran. Es steht Ihnen frei, sich an einen dieser Wettbewerber zu halten.“
Graf sah Fernandez ernst an.
"Ich sage Ihnen, Señor Fernandez, unter welchen Umständen ich bereit bin, mich mit dem Projekt zu beschäftigen. In dem Gespräch mit Admiral Chavez morgen werde ich vorschlagen, Schiffe zu beschaffen, die einfach und robust und schnell sind und die die notwendigen Überwachungsaufgaben erfüllen. Mit leichter Bewaffnung. Diese Schiffe sind konzipiert, dass sie ohne großen technischen Aufwand zu einem späteren Zeitpunkt nachgerüstet werden können. Ich bin sicher, Admiral Chavez kennt das Konzept. Die zusätzlichen Waffen muss sich die Marine unabhängig von uns beschaffen oder aus vorhandenen Schiffen nehmen. Bei Einbau und Integration werden wir helfen. Dadurch können wir den Preis auf vielleicht hundertzwanzig, hundert dreißig Millionen Dollar pro Schiff drücken. Gehen wir also von fünfhundert bis fünfhundert fünfzig Millionen aus. Für Leistungen, Señor Fernandez, die Sie erbringen wollen, können wir einen Gesamtbetrag von zwanzig Millionen ansetzen. Das ist weit weniger als die gewünschten 15 Prozent, aber damit müssen Sie auskommen. Was Sie damit tun, will ich nicht wissen. Ich hätte allerdings, bevor ich mir den Kopf zerbreche, wie derartige Beträge zur Auszahlung kommen können, gerne ein Signal von ganz oben, dass das Projekt aktiv unterstützt wird. Ich darf noch einmal daran erinnern, Ihre Regierung muss sich mit dem Internationalen Währungsfond abstimmen. Lutz, gibst du mir bitte noch ein Gläschen Wein?"
Walter Fernandez zog das Seidentüchlein aus der Brusttasche seines Blazers und tupfte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn.
„Das ist zu wenig!“
„Dann wünsche ich Ihnen woanders mehr Glück! Ich werde nicht gegen die Interessen meines Unternehmens verstoßen!“
Walter betupfte immer noch seine Stirn.
"Ich muss das besprechen. Was meinen Sie mit `Signal von oben`, Señor Graf?"
"Ich hätte gern ein Gespräch mit Ihrem Präsidenten. In dem Gespräch möchte ich den Hinweis bekommen, dass er das Projekt unterstützt. Das Gespräch muss nicht bei meinem jetzigen Aufenthalt stattfinden. Wenn Sie meinen Bedingungen zustimmen und glauben, es ließe sich im Laufe der nächsten Wochen machen, würde ich hier sein."
Walter Fernandez tupfte sich erneut die Stirn.
"Ich muss das mit Chavez besprechen, Señor Graf. Falls er zustimmt, werden wir versuchen, das gewünschte Gespräch so bald wie möglich herbeizuführen."
"Vielen Dank, Señor Fernandez. Lutz, wo gehen wir Abendessen?"
Ludwig Kinzel machte das erste Mal bei diesem Gespräch den Mund auf:
"Ich habe unten am Strand in der Tortuga Loca einen Tisch reserviert. Wenn die Damen bereit sind, können wir aufbrechen."
Beim Verlassen des Raumes knipste Graf den Fernsehapparat aus.
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"Mein Gott, Rupert, mit dem bist nicht zimperlich umgegangen," sagte Kinzel zu Graf, sobald sie im Auto saßen. „Hast du gesehen, wie Walter in Schweiß geriet?"
"Lutz, ich lasse mich nicht auf mehr als die zwanzig Millionen für ihn und seinen Freund ein! Da werden ohnehin noch ein paar mehr kommen und die Hand aufhalten! Und entweder ist der Präsident im Boot, oder es geht nichts," sagte Graf aus dem Fond.
"Was war denn los?" wollte Karin Kinzel wissen.
"Rupert hat Walter aufgefordert, ein Gespräch bei Präsident Eugenio Scaloni zu besorgen, sonst nimmt er das Projekt nicht auf."
"Oh," sagte Karin Kinzel und beschäftigte sich mit dem Schloss ihres Sicherheitsgurtes.
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"Das ist aber ein netter Mann!" sagte Liliana Chavez de Fernandez zu Walter, sobald er sich auf dem Fahrersitz niederließ. Graf hatte Liliana zum Auto begleitet und ihr beim Einsteigen die Tür aufgehalten, bevor er zu Kinzels in den Wagen stieg.
"Das mag sein, aber er ist sehr schwierig," antwortete Walter.
"Macht er mit?"
"Nur, wenn ich ihn vorher zum Präsidenten der Republik bringe."
"Oh," sagte Liliana Chavez de Fernandez. "Und was will er da?"
"Hören, dass Präsident Scaloni Schmiergeld annimmt."
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Oberst Garcia setzte sich auf einen Hocker an der Bar des Restaurants Tortuga Loca. Fast alle Tische waren noch leer. Die eigentliche Essenszeit würde erst gegen zehn Uhr abends beginnen. An einem Tisch hatten sich gerade Graf und die Ehepaare Kinzel und Fernandez niedergelassen.
Draußen, auf dem noch leeren Parkplatz, hatten er und Roxana aus deren altem VW Käfer heraus die Vorfahrt der beiden Limousinen beobachtet, und er hatte ihr Graf gezeigt. Kaum war die Gesellschaft im Restaurant verschwunden, war er ausgestiegen, und Roxana war nach Hause gefahren.
Er beobachtete, wie Kinzel die Getränkebestellung beim Sommelier aufgab. Ein Kellner breitete Servietten auf den Schössen der Gäste aus, ein weiterer verteilte Brot auf die Seitenteller, ein dritter servierte aus einer Karaffe eisgekühltes Wasser.
Einer brachte die Aperitifs.
Der Ober verteilte riesige, in Leder eingebundene Speisekarten. Garcia war sicher, dass nur auf der Karte, die Kinzel in den Händen hielt, Preise verzeichnet sein würden.
Sie prosteten sich zu, Graf sagte etwas, und alle lachten.
Oberst Garcia zahlte beim Barkeeper seinen Whisky-Sour und machte sich auf den Heimweg.
Ein solches Leben würde er auch bald führen!
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Roxana Torreblanca erkannte Graf in dem Moment wieder, in dem er die Bar betrat.
Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
Er war in Begleitung des Paares, mit dem sie ihn vor dem Restaurant gesehen hatte. Alle drei setzten sich an einen Tisch in Roxanas Nähe.
Seit sie Graf auf dem Parkplatz vor der Tortuga Loca gesehen hatte, war sie nervös. Sie war nervös gewesen auf der Heimfahrt, sie war nervös gewesen, während sie sich zuhause zurecht gemacht hatte. Sie war nervös gewesen, als sie zum Hotel gefahren war und nervös, seit sie hier in der Bar wartete. Sie hatte dreimal Pipi machen müssen. Roxana fand Graf nicht schön! Aber sie fand ihn attraktiv.
Roxana hörte, wie Graf und das Paar sich unterhielten. Es klang wie auf den Tonbändern, die Carlos Garcia im Büro abhörte.
Sie sah zu, wie der Kellner Getränke servierte, für den Mann einen Whisky, für die Dame einen Cocktail und Weißwein für Graf. Sie prosteten einander zu.
Roxana sah sich um. Der Mann an der Bar, der sie vorhin schon angegrinst hatte, schielte immer noch zu ihr herüber, unterhielt sich jetzt aber laut auf Englisch mit dem Barkeeper. Ansonsten waren noch drei Paare in der Bar sowie eine Vierergruppe, die sich angeregt unterhielt.
Roxana wusste, sie sah gut aus in ihrem enganliegenden schwarzen Kleidchen mit Minirock. Trotz der sommerlichen Wärme draußen trug sie schwarze Strumpfhosen, und sie war froh, diese angezogen zu haben. Die Bar war stark klimatisiert. Es war kühl hier, und sie fröstelte mit ihren kurzen Ärmeln. Roxana trug ihr Haar offen. Sie wusste, sie hatte wunderschönes Haar, dick und pechschwarz.
Sie sah, dass Graf zu ihr herüberblickte, und sie wich seinem Blick nicht aus. Er schaute ihr einen Moment lang über zwei Tische hinweg direkt in die Augen. Dann verzog sich sein Mund zu einem ganz winzigen Lächeln.
Roxana atmete tief durch. Na also.
Sie musterte Graf weiterhin. Er war kahl, wie Garcia ihr gesagt hatte, aber sie konnte erkennen, dass er seine Haare wegrasiert hatte. Er hatte, fand sie, einen schönen Kopf. Außerdem schien er witzig zu sein. An dem Tisch wurde reichlich gelacht. Graf hatte etwas schalkhaftes in seinen Augen, die manchmal belustigt blitzten. Dabei war sein Gesicht fast die ganze Zeit ernst.
Roxana fand ihn sehr elegant, mit grauer Hose und dunkelblauem Blazer. Dazu trug er ein hellblaues Hemd und eine einfarbige dunkelblaue Krawatte.
Als der Kellner kam, bestellte Roxana noch einen Planter´s Punch.
Graf blickte zu ihr herüber. Wieder das gleiche Spiel, Blickkontakt für zwei, drei Sekunden und dann das fast unmerkliche Lächeln.
Roxana fragte sich, ob Graf ein guter Liebhaber sei. Garcia rammelte immer nur hastig und kam schnell zum Höhepunkt. Wenn sie sich nach den Beischläfen Garcias nicht noch selbst streichelte, wäre das Ganze unerträglich. Aber Garcia hatte ihr den Job beim Dienst verschafft, hatte dafür gesorgt, dass sie gut bezahlt wurde, besser als viele Angestellte in der Behörde. Sie konnte von ihrem Einkommen ihr Häuschen bezahlen, sogar ein Auto hatte sie. Sie war sicher, wenn ihr Verhältnis mit Garcia endete, würde er dafür sorgen, dass ihr gekündigt würde. Als ihre Eltern verhaftet worden waren, war Roxana nach Lima gebracht worden, nur mit einem Koffer mit ihren Habseligkeiten. Damals war sie sechzehn. Ein Verwandter ihres Vaters hatte sie nach ihrer Ausbildung als Sekretärin im Gesundheitsministerium untergebracht. Dort hatte sie fünf Jahre später, als er wegen einer persönlichen Angelegenheit vorsprach, Garcias Aufmerksamkeit erregt. Garcia hatte sie eingeladen, in seine Abteilung ins Verteidigungsministerium zu kommen und ihr gleich klargemacht, was er außerdienstlich von ihr wollte.
Es hatte Roxana ausgesprochen überrascht, als Garcia ihr die Aufgabe für den heutigen Abend beschrieb. Sonst war er eifersüchtig bis dort hinaus und stellte sich an, wenn sie mit Freundinnen ausging oder über das Wochenende wegfuhr! Und jetzt forderte er sie auf, einen wildfremden Mann anzusprechen! Es musste ihm viel daran liegen, Señor Graf auszuhorchen. Für solche Aufgaben gab es geschulte Leute. Aber er hatte sie hinzugezogen! Sie wunderte sich vor allem, dass er trotz seiner Eifersucht nicht dabei war heute Abend. Wahrscheinlich hatte er seiner Frau versprechen müssen, zeitig zuhause zu sein. Vor seiner Frau, das wusste Roxana, hatte Garcia Heidenangst. Aber seit sie am Abend Graf auf dem Parkplatz gesehen hatte, auch wenn es nur für wenige Augenblicke war, als alle in das Restaurant gingen, hatte Roxana inständig gehofft, Gelegenheit zu bekommen, diesen Mann kennenzulernen.
Wieder ein Blick von Graf, wieder dieses kleine Lächeln.
Plötzlich schreckte sie auf, weil sie angesprochen wurde. Vor ihr stand, mit einem Glas Whisky in der einen und einem Glas Planter´s Punch in der anderen Hand der Mann, der an der Bar gesessen hatte, und fragte:
"Miss, kann ich Sie zu einem Drink einladen?"
Im selben Moment standen Graf und das Paar vom Tisch auf und gingen zum Ausgang. Graf drückte im Rausgehen dem Kellner einen Geldschein in die Hand, blickte zu Roxana herüber und lächelte sie kurz und amüsiert an.
Dann verließen alle drei die Bar.
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"Was hast du überlegt?" fragte Liliana ihren Mann, während sie im Auto nach Hause fuhren. „Beim Abendessen sah es so aus, als ob du die ganze Zeit gegrübelt hättest."
"Habe ich auch. Ich habe überlegt, wie ich ein Gespräch zwischen Präsident Scaloni und Graf auf die Reihe bringe. Graf will zu Scaloni, bevor er überhaupt etwas tut. Er will hören, dass Scaloni das Projekt unterstützt. Wir kennen zwar die Scalonis, aber nicht gut genug. Ich brauche jemanden, der offen mit Scaloni sprechen kann und dem er vertraut. Schließlich muss er sicher sein können, dass alles im engsten Kreise bleibt. Am liebsten wäre mir Carlos Bustamante. Er ist Scalonis Weggefährte. Sie waren gemeinsam auf der Universität und haben zusammengeklebt wie Pech und Schwefel. Als Scaloni Bürgermeister von Lima war, hat er Bustamante Aufträge zugeschanzt, irgendwas mit Telekommunikation und Straßenbau. Bustamante hat im Gegenzug Scalonis Wahlkampf bezahlt. Scaloni hat Bustamante, kaum, dass er seinen Amtseid als Präsident abgelegt hatte, zum Minister für Fischereiwesen gemacht, eines der wichtigsten Ressorts. Bustamante wäre der Richtige, aber ich weiß nicht, wie ich an ihn herankomme."
Liliana blickte Walter an.
"Sofia?"
"Deine Schwägerin?"
"Sofia ist mit der Frau von Bustamante, Patricia, gut befreundet. Sie spielen Bridge und Tennis, und neulich waren sie zusammen in Miami zum Einkaufen. Ich rufe sie gleich an, wenn du einverstanden bist."
"Das könnte die Lösung sein! Sie soll mir einen Termin mit Bustamante machen. Aber sei vorsichtig am Telefon! Ich fahre noch mal eben bei Rogerio vorbei, um von dem Gespräch mit Graf zu berichten. "
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Graf verabschiedete sich vor dem Hotelportal von Karin und Ludwig Kinzel, wartete aber, bis der Page das Auto vorgefahren hatte. Dann ging er zurück in die Bar. Die junge schwarzhaarige Frau saß noch auf ihrem Platz, immer noch allein. Sie war beschäftigt mit ihrem Mobiltelefon. Den Amerikaner hatte sie offenbar abblitzen lassen.
Graf trat auf sie zu und sagte:
"Señorita, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie anspreche! Ich will keineswegs aufdringlich sein. Ich hatte eingehend Gelegenheit, Sie anzuschauen und wollte nicht zu Bett gehen, ohne Ihnen gesagt zu haben, dass Sie eine bemerkenswert anziehende junge Frau sind. Gestatten Sie mir, Ihnen eine gute Nacht zu wünschen.“
Roxana war verblüfft, aber erleichtert über das flüssige Spanisch, das Graf sprach.
"Muchas Gracias, Señor, fürIhr nettes Kompliment. Ich war mit einer Freundin verabredet, die gerade abgesagt hat. Und wie Sie vielleicht gesehen haben", sagte Roxana mit unschuldigem Augenaufschlag, „ist es nicht leicht, als Frau alleine hier zu sitzen, ohne belästigt zu werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir noch auf einen Drink Gesellschaft leisten.“
Sie spürte ihr Herz klopfen.
"Eine so charmante Aufforderung werde ich nicht ausschlagen."
Er winkte dem Kellner und fragte Roxana:
"Noch einen Planters Punch oder lieber ein Glas Champagner?"
Roxana wollte gerne Champagner. Gleichzeitig freute sie sich, dass er sie genügend beobachtet hatte, um zu wissen, was sie getrunken hatte.
Graf bestellte ein Glas Louis Roederer und für sich einen trockenen Weißwein.
"Ich bin erst heute früh angekommen und betrachte es als Glücksfall, gleich am ersten Abend die Bekanntschaft einer so reizenden jungen Dame zu machen. Bitte erlauben Sie, mich vorzustellen. Meier, Alfons Meier. Wie darf ich Sie ansprechen?"
"Roxana Torreblanca. Ihr Name klingt deutsch. Sind Sie aus Deutschland?"
Dieser Filou, dachte Roxana, stellt sich unter falschem Namen vor! Wahrscheinlich hält er die Geschichte von der Freundin für eine Ausrede, und mich hält er für ein Freudenmädchen.
"Ja, Señorita, ich bin geschäftlich hier. Sprechen Sie Deutsch?“
„Leider kein Wort!“
„Sind Sie aus Lima?"
"Ich bin aus Arequipa, wohne aber schon lange in Lima. Und Sie? Was machen Sie hier?"
„Geschäfte.“
„Darf ich fragen, was für Geschäfte?“
"Ach, wissen Sie, ich spreche ungern darüber, insbesondere gegenüber einer jungen Dame. Sie könnten in Verlegenheit geraten. Es ist, wie sagt man, etwas anrüchig."
Er sah sie mit harmlosem Blick an.
Das interessierte Roxana!
"Oh, bitte Señor Meier, ich bin erwachsen! Oder darf ich Alfons sagen? Sie wissen vielleicht, hier nennen wir uns gern beim Vornamen."
"Natürlich, Señorita Roxana."
Immerhin. Ihren Vornamen hatte er sich gemerkt!
"Und was tun Sie nun?"
"Ja, wie gesagt, ich erwähne das ungern in Gesellschaft von Damen. Aber wenn Sie es wissen wollen, ich bin Verkaufsmanager einer Gesellschaft, die Maschinen zur Produktion von Präservativen herstellt. Und dank der zunehmenden Verbreitung von AIDS sehen wir hier einen interessanten Markt."
Graf prostete ihr zu. Wieder hatte er dieses Lächeln in den Mundwinkeln. Er schaute ihr direkt in die Augen.
"Und was tun Sie, Señorita Roxana?"
"Ich arbeite in einer Sozialbehörde und kümmere mich um benachteiligte Frauen. Da gibt es eine Menge zu tun."
Was der konnte, konnte sie auch! "Es geht darum, Frauen zu helfen, die von ihren Männern verlassen wurden und völlig mittellos auf der Straße sitzen. Wir verhelfen ihnen zu Unterkünften und versuchen, sie in Arbeitsstellen zu vermitteln. Es ist eine von der katholischen Kirche getragene Institution."
Jetzt ritt sie der Teufel:
"Insofern finde ich Ihre Aufgabe hochinteressant! Ihre Produkte schützen vor dieser verhängnisvollen Krankheit und könnten dazu dienen, dass die Frauen nicht ein Kind nach dem andern in die Welt setzen. Bedauerlicherweise lässt der Vatikan den Gebrauch von Präservativen nicht zu. Sie wissen sicherlich, welchen Einfluss die katholische Kirche in unserem Lande hat!"
Diesmal schaute Roxana Graf direkt in die Augen und hielt seinem Blick stand.
Graf war verblüfft. Sollte er sich dermaßen getäuscht haben? Er war sicher gewesen, dass diese junge Frau ihn in kürzester Zeit fragen würde, ob sie mit in sein Hotelzimmer kommen könnte, um hundert Dollar für ihre Dienstleistung zu fordern, und er überlegte noch, ob er sie dann loswerden wollte oder nicht.
"Ja, der Vatikan macht uns in unserem Geschäft gerade hier in Südamerika viele Probleme. Leider Gottes! Wenn man daran denkt, wie viel Elend verhindert werden könnte, wenn es Geburtenkontrolle gäbe! Dann hätten Sie wahrscheinlich viel weniger zu tun!"
Er prostete ihr zu.
"Señorita Roxana, lassen Sie mich für diese Unterhaltung danken. Ich habe eine lange Reise hinter mir und möchte in mein Bett. Nach deutscher Zeit ist jetzt immerhin sechs Uhr morgens.Wäre ich nicht so hundemüde, würde ich fragen, ob Sie mir in meinem Zimmer noch etwas Gesellschaft leisten wollen."
Er hielt sie also wirklich für eine Prostituierte!
„Das würde ich wirklich gerne, Alfons,“ antwortete sie und sah ihm tief in die Augen.
„Wie sind die Bedingungen?“ fragte Graf sachlich.
„Was für Bedingungen?“ fragte Roxana, verunsichert.
„Preis. Dauer. Service,“ antwortete Graf.
„Es hätte keine Bedingungen gegeben, Alfons. Es wäre aus Sympathie geschehen,“ sagte Roxana. „Schade, dass Sie so müde sind.“
Graf war sichtlich perplex. Er zögerte. Sie sah, wie er sie verblüfft musterte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Er räusperte sich, bevor er sagte:
"Ich bitte Sie sehr um Entschuldigung! Es wäre mir eine Freude, Roxana, wenn Sie mitkämen."
In diesem Moment kam der Kellner und sagte:
"Ihre Rechnung, Señor Graf."
Graf zeichnete die Rechnung ab, diesmal, ohne Roxana in die Augen zu schauen. Dann nahm er sie am Arm, und sie verließen die Bar.
Als sie an dem Amerikaner vorbeigingen, der immer noch an der Theke saß, raunte dieser Graf zu:
"You´ve made it, man!"