Читать книгу DAS GESCHÄFT - TEIL 1 - Christoph Hoenings - Страница 4
Kapitel 2
Оглавление2. Roxana
Graf hatte Roxana in den Arm genommen, sobald sich die Aufzugtüren hinter ihnen geschlossen hatte. Sie hatte ihn, nicht er sie, geküsst. Im Zimmer hatte er ihren Kuss genauso erwidert wie im Aufzug.
Graf öffnete, während sie sich küssten, den Reißverschluss am Rücken ihres Kleides. Seine Hände streichelten Roxanas Rücken. Sie fühlte Wärme zwischen ihren Beinen.
Während Roxana im Badezimmer beschäftigt war, versteckte Graf seine Brieftasche und stellte das verschlossene Zahlenschloss seines Aktenkoffers auf eine Kombination, an die er sich am nächsten Tag erinnern würde.
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Montag
"Sie haben den Nerv, Señor Fernandez, mir Geld anzubieten, mir und dem Präsidenten der Republik, um ein Vorhaben zu unterstützen, das die Beschaffung unsinniger Kriegsschiffe für Ihren Freund Chavez vorsieht!? Wenn nicht meine Frau mit Ihrer Schwägerin befreundet wäre, würde ich Sie auf der Stelle verhaften lassen! Das ist der Versuch der Bestechung! Sind Sie noch bei Sinnen, Mann?! Ich muss Sie bitten, sofort zu gehen! Gehen Sie, gehen Sie, bevor ich die Polizei rufe!"
Carlos Bustamante hatte einen hochroten Kopf und war außer sich. Er zündete sich eine Zigarette an, und während der letzten Worte wedelte er mit der Hand, als wollte er eine lästige Mücke verscheuchen.
Walter Fernandez war wie vor den Kopf geschlagen. Liliana hatte das Treffen noch in der gestrigen Nacht über ihre Schwägerin Sofia arrangieren können, für heute früh halb acht am Flughafen.
Das Gespräch hatte gut angefangen! Als er die VIP-Lounge betreten hatte, war Carlos Bustamante schon dort und hatte bei seinem Hereinkommen seine Leibwächter weggeschickt. Bustamante schien die Notwendigkeit neuer Schiffe für die Marine einzusehen, schließlich hatte er ja selbst den Chef der Marine gerügt wegen der Raubfischerei in den peruanischen Gewässern. Walter hatte erläutert, dass es Sinn mache, gleich richtige Marineschiffe zu beschaffen, Bustamante fand den Gedanken nicht schlecht. Walter hatte das Design aus Deutschland erwähnt, von einer Werft des Rhein-Ruhr-Stahlkonzerns, das eine spätere Nachrüstung mit Waffen erlaubte, so dass nicht alle Kosten auf einmal anfielen. Der für den Verkauf zuständige Manager des Unternehmens sei zur Zeit in Lima. Walter hatte darauf hingewiesen, dass, um Widerstände im Kabinett zu verhindern, es sinnvoll wäre, aus dem Kaufpreis der Schiffe einen Betrag an die Regierungspartei zurückfließen zu lassen, mit dem der nächste Wahlkampf unterstützt werden könne. Dafür müsse aber auch der Präsident das Vorhaben gutheißen. Diesen Rückfluss hatte er mit einem Prozent beziffert, also immerhin so um die fünf Millionen Dollar, US-Dollar, nicht in Landeswährung.
Da bekam Bustamante seinen Wutausbruch!
Walter Fernandez stand auf, dankte für das Gespräch und machte Anstalten, sich zu verabschieden.
"Gehen Sie, gehen Sie!" rief Bustamante ihm nach.
Walter hatte weiche Knie und konnte kaum zu seinem Auto laufen.
Sobald sich die Tür hinter Walter Fernandez geschlossen hatte, tippte Minister Carlos Bustamante die Speichernummer Eins in sein Mobilphon. Er lauschte auf die Geräusche aus dem Hörer und auf das Freizeichen am anderen Ende.
Nach mehrmaligem Klingeln wurde abgehoben, und eine verschlafene Stimme meldete sich.
Bustamante sagte:
"Wir haben eine glänzende Gelegenheit, ein paar Millionen Dollar zu verdienen. Sobald ich aus Chimbote zurück bin, würde ich dich gerne sehen. Geht das heute Abend noch? Gut, um zehn bei Anamaria. Bis dann!"
Dann wählte er Speichernummer Zwei. Es meldete sich sein persönlicher Referent.
Bustamante sagte:
"Wenn ich in Trujillo lande, erwarte ich ein Dossier über das deutsche Unternehmen Rhein-Ruhr-Stahl, ebenso wie Namen und Anschrift ihrer Vertretung in Lima. Finden Sie heraus, wer da der verantwortliche Mann ist!"
Eine Stewardess kam, um zu sagen:
"Señor Ministro, der Flug nach Trujillo ist für Sie bereit zum Einsteigen. Alle anderen Passagiere sind bereits an Bord."
Auf dem Weg zum Flugzeug dachte Carlos Bustamante darüber nach, wie sinnvoll es gewesen war, auf der Universität in einer Gruppe mitzumachen, die Theaterspiele aufführte.
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Bevor sie am Abend zu Bett gegangen waren, hatte Graf in seinem Gepäck gekramt und ein Päckchen Kondome auf den Nachttisch gelegt.
"Sind die auf euren Maschinen hergestellt worden?" hatte Roxana gefragt.
"Na klar," hatte er gesagt und gegrinst.
"Darf ich fragen, wie du wirklich heißt? Der Kellner hat dich mit einem anderen Namen angesprochen."
"Ja ja, das war mir peinlich," hatte Graf gesagt, ohne im geringsten in Verlegenheit zu kommen. "Da ich nicht wusste, wer oder was du bist, wollte ich vorsichtig sein."
"Du hast gedacht, ich wäre ein Freudenmädchen!"
"Weißt du, wer so viel herumreist wie ich, kann in die seltsamsten Situationen geraten."
"Wegen deiner Frau zuhause?"
"Nein, ich bin geschieden. Trotzdem bin ich vorsichtig. Einem Freund ist passiert, dass ein Mädchen in den Geschäften in der Hotelhalle einkaufte und die Rechnungen an sein Zimmer schicken ließ. Die hatte sich neu eingekleidet. Wenn du ein Freudenmädchen wärst, hättest du noch in der Bar angefangen, über den Preis zu verhandeln. Du hättest mich auch nicht geküsst."
"Und wie darf ich dich jetzt nennen?"
"Rupert, der Name ist echt."
Bevor sie sich vereinigten, hatte Graf sich ein Präservativ vom Nachttisch gefischt und es übergezogen.
Als sie, auf ihm sitzend, den Höhepunkt erreichte, hatte sie ihm ins Ohr geflüstert:
"Das war das schönste, was mir je passiert ist.“
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Als sie jetzt gelöst neben ihm lag, wurde an die Tür geklopft.
"Unser Frühstück!" sagte Graf und stieg aus dem Bett. Er zog sich einen Bademantel über und öffnete.
Ein Zimmerkellner schob einen Tischwagen herein mit Kaffee, Grapefruitsaft, einem Korb Obst, einem Korb Toast, einer Tageszeitung. Als er die Chromdeckel von den zwei Tellern abhob, roch es nach gebratenen Eiern und Speck.
Graf gab dem Kellner ein Trinkgeld und schloss die Tür.
Dann drehte er sich zu Roxana um und sagte:
"Señorita Roxana, ich freue mich aufrichtig, dass Sie zum Frühstück bleiben konnten."
Dabei hatte er wieder dieses Lächeln im Gesicht.
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Auf der Heimfahrt überlegte Walter Fernandez, was Bustamante unternehmen würde. Anzeigen würde er ihn nicht, immerhin.
Fernandez war überrascht und betroffen von der Reaktion Bustamantes. Der Fischereiminister stand wahrhaftig nicht in dem Ruf, ein Ausbund an Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit zu sein! Er könnte Chavez zu sich rufen und auffordern, das Projekt fallenzulassen. Er könnte Chavez auffordern, einen anderen Lieferanten zu suchen und sich von den Deutschen fernzuhalten. Er könnte Präsident Eugenio Scaloni anrufen und Chavez´ Karriere beenden.
Immerhin, Walter hatte mit keinem Wort gesagt, dass das Treffen mit Chavez abgestimmt sei. Auf alle Fälle müsste er Rogerio warnen. Das konnte er im Laufe des heutigen Treffens tun.
Rogerio war alles andere als glücklich gewesen, als er hörte, welchen Betrag Graf maximal bereit war, als Honorar zu zahlen.
Walter Fernandez überlegte, wie nach diesem Fiasko die Forderung Grafs auf ein Treffen mit Scaloni erfüllt werden könnte. Er müsste versuchen, dies auf die lange Bank zu schieben. Graf sollte erst mal mit Chavez zusammentreffen, vielleicht überzeugte ihn Chavez von der Ernsthaftigkeit des Projektes. Vielleicht war es auch besser, einen anderen, weniger schwierigen Partner zu suchen als die Deutschen.
Zuhause angekommen, fragte ihn Liliana:
"Wie ist es gelaufen?"
"Nicht wie gewünscht! Er hat rundweg abgelehnt, die Sache zu unterstützen!"
"Und nun? Was macht ihr?"
"Ich weiß es nicht. Etwas wird uns schon einfallen. Bitte sag´ Sofia noch mal meinen besten Dank. Und bitte Felicitas, mir einen Kaffee zu bringen."
Walter Fernandez nahm seine Morgenzeitung und überflog die Überschriften. Auf die Inhalte der Artikel konnte er sich nicht sehr konzentrieren.
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Minister Carlos Bustamante saß entspannt in der ersten Reihe des Flugzeugs. Er hatte ein paar Akten auf dem Schoss, las aber nicht darin. Stattdessen sah er rechts aus dem Fenster. In der Ferne sah er die Kette der Anden. Unter ihm zog die peruanische Küstenlandschaft vorbei, gelbbraune Wüste, gegen die die Wogen des Pazifischen Ozeans anrannten. Ab und zu sah er etwas Grün in der Wüste, immer dann, wenn ein Wasserlauf es aus den Anden bis hierunter geschafft hatte. Dann war dort eine Ortschaft, ein Dorf, manchmal ein kleiner Hafen. Dort unten lebten die Leute, die auf die Ergebnisse des Fischfangs angewiesen waren. Leute, die mit ihren kleinen Trawlern hinausfuhren, manchmal tagelang, um Anchovis zu fangen, einst eines der Hauptexportprodukte seines Landes. Peru war einmal der größte Lieferant der Welt für Anchovis gewesen. Heute waren die peruanischen Gewässer praktisch leer. Modernere Schiffe aus anderen Ländern fischten hier, mit Fangmethoden, mit denen die peruanischen Fischer nicht mithalten konnten. Mit Netzen, so eng, dass selbst kleinste Fische festgehalten wurden und somit der ganze Nachwuchs. Und die Marine fuhr mit U-Booten herum und blieb untätig gegenüber diesem Raub des Volksvermögens! Er hatte Admiral Chavez neulich ganz schön angefaucht. Chavez hatte wahrscheinlich recht damit, dass die vorhandene Flotte zu alt war und zu baufällig, um noch auf lange Patrouillenfahrten zu gehen. Bustamante musste zugestehen, dass die Marine in den letzten Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt worden war. Das Verteidigungsbudget war in erster Linie zur Modernisierung der Luftwaffe draufgegangen, das wusste Bustamante aus zahlreichen hitzigen Diskussionen im Kabinett.
Immerhin, Chavez zeigte Initiative.
Bustamante dachte auch daran, dass sich durch die reduzierten Fischfangzahlen auch seine eigenen Einkünfte verringert hatten. Als er Fischereiminister geworden war, hatte er mit dem Chef der Exportbehörde ein langes Gespräch unter vier Augen geführt, mit dem Ergebnis, dass ein Neffe seiner Frau eine Gesellschaft eröffnete, die für die Vermittlung von Exporten von Fischereiprodukten eine Provision erhielt. Mit jeder Tonne exportierten Fischmehls füllten sich Bustamantes Taschen. Nur, sie füllten sich bei weitem nicht mehr so zügig wie früher!
Dass die Fischer und ihre Familien, die Arbeiter in den Fischmehlfabriken, immer weniger Arbeit hatten, störte Bustamante natürlich auch. Nicht, dass er besonderes Mitgefühl für diese Menschen aufgebracht hätte. Aber immer öfter musste er auf Veranstaltungen der Fischereigewerkschaft auftreten und Besserung versprechen. Manchmal wurde er sogar persönlich beschimpft. Das war unangenehm und lästig! Heute in Chimbote erwartete ihn wieder so eine unerfreuliche Aufgabe, ein Treffen mit Bürgermeister, Stadtrat und einer Delegation der Fischereigenossenschaft. Wieder würde er sich von allen drei Seiten lange Klagen anhören müssen. Die lokale Presse würde über ihn herziehen, als ob er Schuld daran hätte, dass weniger Fisch gefangen würde!
Im nächsten Jahr waren Wahlen. Auch wenn die Regierung von Eugenio Scaloni fest im Sattel saß, die Sozialisten wurden immer stärker. In verschiedenen Provinzen stellten sie bereits Bezirksregierungen. Das machte die Regierungsarbeit in Lima schwieriger. Es würde Geld kosten, den Wahlsieg sicherzustellen.
Diese Idee war eigentlich nicht schlecht: Er, Bustamante, könnte einige Lorbeeren in der Öffentlichkeit einheimsen, und außerdem, da war er sicher, könnte er an der Beschaffung mitverdienen. Walter Fernandez hatte völlig recht. Man müsste die Spitzenpersonen einbinden, Scaloni auf alle Fälle, ihn selbst natürlich auch.
Gut, dass Eugenio Scaloni dem Treffen heute Abend zugestimmt hatte. Gemeinsam würde ihnen etwas einfallen.
Bustamante hatte bereits einige festumrissene Ideen.
Eine Stewardess kam und bat ihn, seinen Sitzgurt für die Landung wieder festzuziehen. In seinen Gedanken hatte er die Lautsprecherdurchsage völlig überhört.
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Enrique Pato fuhr zu dem angemieteten Apartment und hörte das dort aufgebaute Tonbandgerät im Schnelldurchlauf ab. Die Unterhaltungen der Eheleute Fernandez waren nicht sehr ergiebig. Lediglich die Telefongespräche Lilianas mit ihrer Schwägerin ließen ihn grübeln.
Was für eine Unterstützung erwartete Fernandez vom Minister für Fischerei?
Er beschloss, zu seinem Büro zu fahren. Rechtzeitig zum Eintreffen des Mittagsessensgastes bei Fernandez wollte er im Apartment zurück sein.
Enrique Pato war gespannt, was diese Gesprächsrunde ergeben würde. Er hatte gerade sein Büro erreicht, als sein Telefon klingelte:
"Sanchez hier aus dem Sheraton Hotel. Der Deutsche auf 243 hatte über Nacht eine Frau in seinem Zimmer. Ich weiß nicht, ob das für Sie von Interesse ist."
„Wissen Sie, wer sie ist?"
"Nein, aber sie ist noch oben. Einer meiner Kellner hat gerade Frühstück serviert."
Pato schaute auf seine Armbanduhr. Zum Sheraton Hotel brauchte er fünf Minuten. Er bestellte seinen Wagen.
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Oberst Garcia war bereits in seinem Büro. Auch er hatte die Telefonate zwischen Liliana de Fernandez und der Dame namens Sofia abgehört. Sein Computer errechnete, dass der Anschluss der Familie Alfonso Chavez Lafuente gehörte. Dr. Alfonso Chavez war Partner in einer Anwaltskanzlei. Garcia fragte sich ebenfalls, was Fernandez von dem Fischereiminister wollen könnte.
Was ihn aber mehr beschäftigte, war, dass Roxana noch nicht zur Arbeit erschienen war. Auf ihrem Handy antwortete immer nur die Mailbox. Dort hatte er schon fünf Nachrichten hinterlassen.
Dass sie sich nicht meldete, machte ihn wütend und ratlos.
Garcia beschloss, noch eine halbe Stunde zu warten. Wenn sie bis dahin nicht gekommen wäre, würde er zu ihrem Haus fahren und nach ihr sehen.
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Während Roxana duschte, dachte sie nach. Ob Rupert tatsächlich Maschinen zur Herstellung von Präservativen verkaufte? Er hatte das mit so ernstem Gesicht gesagt. Andererseits war er genauso ernst gewesen, als er den falschen Namen genannt hatte. Wenn es um Präservativmaschinen ginge, würde Garcia nicht so interessiert an Rupert sein! Es musste schon um etwas größeres gehen! Carlos Garcia! Wenn der herausfände, dass sie die Nacht mit Rupert verbracht hatte! Sie mochte sich die Folgen gar nicht vorstellen! Aber es war die wunderbarste Nacht ihres Lebens gewesen!
Sie genoss noch eine Weile das warme Wasser. Dann schlüpfte sie in ihre Kleider, frisierte sich und trug ihr Augen-Make-up auf. Die Strumpfhose würde sie bei dem warmen Wetter nicht brauchen, sie stopfte sie in ihre Handtasche, ebenso wie ihren Schmuck. Als sie das Badezimmer verließ, saß Rupert Graf im Bademantel mit gekreuzten Beinen auf dem Bett und blätterte in der Zeitung. Gleichzeitig lief im Fernseher eine Nachrichtensendung auf CNN. Graf stand auf, um sie zu verabschieden.
"Vielen Dank, Roxana, es war eine aufregende Nacht."
Sie schmiegte sich an ihn.
"Für mich auch, Rupert. Sehe ich dich wieder? Bitte!"
"Eigentlich gern. Nur, ich weiß noch nicht, wie der Tag heute abläuft."
"Kann ich heute Abend wiederkommen? Es macht nichts, wenn es spät wird."
"Kann ich dich anrufen?"
Sie gab ihm ihre Handynummer.
Als sie in der Hotelhalle aus dem Aufzug stieg, achtete sie nicht auf die beiden Herren auf einem Sofa in der Lobby. Sie sah auch nicht den Kellner, der wenige Meter weiter mit einem Tuch die Tische abwischte. Hätte sie ihn gesehen, hätte sie in ihm vielleicht den Zimmerkellner erkannt, der das Frühstück gebracht hatte. Roxana ging geradewegs zum Ausgang. Der Kellner nickte den beiden Herren zu. Einer der Herren folgte Roxana hinaus auf die Straße und beobachtete, wie sie in einen vor dem Hotel geparkten Volkswagen Käfer stieg. Roxana fuhr los, umrundete mit ihrem Wagen die Grünfläche mit dem Denkmal von Almirante Grau und fuhr auf die Via Expresa.
Dass ihr ein Fahrzeug folgte, konnte ihr im Verkehrsgewimmel nicht auffallen.
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Oberst Carlos Garcia hielt es nicht mehr aus. Er nahm Jackett und Autoschlüssel, verließ sein Büro und stieg in sein Auto. Er kam noch vor Roxana bei ihrem Haus an und stellte fest, es war verschlossen. Auf der Fahrt hatte er auf der Gegenfahrbahn Ausschau nach Roxanas Käfer gehalten. Jetzt griff er nach dem unter einem Blumentopf versteckten Hausschlüssel und öffnete die Tür. Dann setzte er sich in Roxanas Wohnzimmer, um zu warten.
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Roxana fuhr nicht sofort nach Hause, sondern hielt an einem Blumengeschäft. Dort bat sie die Verkäuferin, einen Blumenstrauß zusammenzustellen.
Während sie wartete, rief Roxana über ihr Handy ihr Büro an, um zu sagen, dass sie sich verspäten würde, sie hätte verschlafen. Ihre Kollegin stand sofort nach dem Anruf auf, um Oberst Garcia, der schon mehrmals nach Roxana gefragt hatte, zu unterrichten. Garcias Sekretärin sagte ihr, der Oberst habe vor zehn Minuten das Haus verlassen.
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Enrique Pato hatte über Mobiltelefon in der Verkehrsbehörde herausfinden lassen, auf wen das Fahrzeug zugelassen war. Er pfiff durch die Zähne, als er wenige Minuten später die Antwort erhielt. Sie beobachteten, wie Roxana in dem Blumenladen verschwand und kurze Zeit später mit einem Strauß in der Hand wieder erschien und weiterfuhr. Roxana bog wenige hundert Meter weiter in eine Seitenstraße mit kleineren Wohnhäusern. Im dritten Block parkte sie. Pato ließ seinen Fahrer hundert Meter weiter halten. Im Kosmetikspiegel der Sonnenblende beobachtete er, wie Roxana eines der Häuser betrat. Pato stieg aus, um sich das Haus aus der Nähe anzusehen.
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Zur gleichen Zeit stieg Rupert Graf vor dem Eingang des Sheraton-Hotels in Ludwig Kinzels silbergrauen Mercedes Benz. Sie fuhren zum Vertretungsbüro der Deutschen Rhein- Ruhr-Stahl AG im Zentrum Limas.
Dort angekommen, begrüßten sie die anwesenden Angestellten mit einem Nicken und gingen geradewegs in Kinzels Büroraum.
Charo Velasquez, die Sekretärin, die ihnen den Kaffee servierte, musterte Graf interessiert.
Das also war, wie Señor Kinzel gesagt hatte, einer der erfolgreichsten Verkäufer von Rüstungsgütern in Deutschland!
Als Roxana ihr Haus betrat, erhielt sie als erstes eine schallende Ohrfeige.
"Wo hast du gesteckt, du Luder?" herrschte Garcia sie an. "Wo kommst du jetzt her?"
Er rüttelte an ihren Schultern.
"Warst du bei einem anderen Mann? Raus mit der Sprache, ich will es sofort wissen!"
Roxana kannte seine Eifersuchtsszenen. Allerdings hatte er sie bisher noch nie geschlagen.
Ihr Gesicht brannte.
Als sie seinen Wagen hatte vor dem Haus stehen sehen, wusste sie, dass eine Szene folgen würde.
Garcia holte erneut zum Schlag aus.
"Wo warst du? Ich will es wissen!"
Roxana versuchte, sich vor dem Schlag zu ducken. Seine Hand traf sie am Kopf.
"Hör´auf!" schrie sie ihn an, "Ich komme vom Einkaufen!"
Sie hielt den eingepackten Blumenstrauß hoch.
Er ohrfeigte sie noch einmal. Diesmal war seine Hand so blitzschnell gekommen, dass sie nicht einmal einen Versuch machen konnte, ihm auszuweichen.
Sie schluchzte auf.
"Was willst du denn von mir? Gestern Abend ist es spät geworden, weil ich da im Hotel auf diesen Deutschen warten sollte. Deshalb hab´ ich ausgeschlafen. Lass mich in Ruhe!"
Er gab ihr noch eine Ohrfeige.
"Was war mit dem Deutschen?" wollte er wissen.
Roxana schluchzte.
"Was war mit dem Deutschen?" Garcias Stimme wurde schärfer.
"Ich habe ihn angegrinst, wie du gesagt hast. Er hat zurückgegrinst. Nach einer Weile ist er mit dem andern Mann und der Frau rausgegangen. Das war´s. Und jetzt lass mich in Ruhe!"
"Ich werde dir sagen, ob und wann du dich nochmal ins Hotel setzt." sagte Garcia.
Roxana hörte, wie hinter ihm die Haustür zufiel.
Sie blieb noch eine Weile liegen, leise vor sich hin wimmernd.
Dann stand sie auf und ging mit schleppenden Schritten ins Badezimmer. Im Spiegel sah sie, dass ihre linke Gesichtshälfte von Garcias Schlägen angeschwollen war.
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Minister Carlos Bustamante wurde nach der Landung in Trujillo an der Maschine abgeholt. Sein Leibwächter und sein Sekretär fuhren mit ihm in einer von einem Polizisten gesteuerten Limousine zweihundert Meter weiter zu einem Hubschrauber, dessen Rotor bereits lief. Erst nachdem Bustamante den Hubschrauber bestiegen hatte, durften die übrigen Passagiere das Flugzeug verlassen.
Sobald Bustamante und seine Begleiter Kopfhörer gegen den Lärm des Motors aufgesetzt und ihre Sitzgurte festgezogen hatten, hob der Hubschrauber ab und flog in südlicher Richtung. Während des halbstündigen Fluges über die Wüste blätterte Bustamante in den Telefaxnachrichten aus Lima, die ihm der Fahrer in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt hatte.
Unter den Unterlagen war ein Kurzbericht über den Deutschen Rhein-Ruhrstahl-Konzern und über die Aktivitäten von dessen Vertretung in Peru. Bustamante las über Geschäfte mit dem Stahlwerk Siderperu in Chimbote und über andere, überwiegend im Investitionsgüterbereich. Im Zusammenhang mit Rüstungsgütern war der Konzern in Peru bisher nicht in Erscheinung getreten, galt aber international als namhafter Lieferant von Geschützen und Munition und von Marineschiffen, die auf den Werften des Konzerns gebaut wurden. Das Vertretungsbüro in Lima lag drei Straßenblocks neben seinem Ministerium. Der Name des lokalen Managers war mit Ludwig Kinzel angegeben.
Bustamante rechnete damit, gegen 17.30 Uhr in seinem Büro in Lima zurückzusein. Er wollte sich Kinzel ansehen. Außerdem hatte Fernandez heute früh einen aus Deutschland angereisten Verkaufsdirektor erwähnt. Den auch.
Er gab über die Interkommunikationsanlage des Helikopters seinem Sekretär eine Reihe von Anweisungen.
Bustamante schnupperte. Noch bevor er Chimbote sah, roch er es. Der Geruch nach Fischmehl wurde immer eindringlicher, als der Hubschrauber im Tiefflug über die ärmlichen Hütten am Stadtrand einschwebte. Bustamante sah in der Ferne die Schlote der Fischfabriken und des Stahlwerks Siderperu. Im Ortskern war ein großes weißes H auf einen freien Platz auf den lehmigen Wüstenboden gemalt. Genau auf dem Querstrich des H setzte der Hubschrauber unter Aufwirbeln großer Staubmengen auf.
Die Herrschaften seines Empfangskomitees, die neben einer Reihe wartender Autos standen, wandten die Köpfe ab und hielten Taschentücher vors Gesicht, um den Staub nicht einatmen zu müssen.
Bustamante wartete mit dem Aussteigen, bis der Rotor der Maschine zum völligen Stillstand gekommen war.
Es war 10 Uhr 45.
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Um elf Uhr klopfte Charo Velasquez an die Tür von Kinzels Büro.
"Señor Kinzel, ich habe am Telefon einen Señor José Castro, den Büroleiter von Fischereiminister Minister Carlos Bustamante. Der Minister lässt fragen, ob Sie heute Nachmittag gegen 18 Uhr zu einem Gespräch in sein Büro kommen könnten. Es ginge um Schiffe für den Fischereischutz. Der Manager aus Deutschland, der gerade hier ist, sei eingeladen, mitzukommen. Wenn es nicht ginge, mögen wir einen anderen Terminvorschlag machen. Was soll ich sagen?"
Graf und Kinzel schauten sich an. Graf nickte.
Kinzel sagte:
"Charo, sagen Sie Señor Castro, dass ich mit Freude die Einladung annehme. Señor Graf wird mich begleiten."
Kaum, dass Charo draußen war, sagte Graf:
„Man weiß, dass ich hier bin. Das bedeutet, du wirst überwacht. Wahrscheinlich sind alle deine Telefone angezapft, auch dein Handy. Kauf dir sofort ein neues Mobiltelefon, aber lass es auf jemand anderen registrieren.“
Kinzel sah überrascht auf.
„Auf wen denn?“
„Jemanden, der nichts mit deinen Geschäften zu tun hat! In keinem Fall jemand von deinen Angestellten!“
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Oberst Garcia fuhr geradewegs zurück in sein Büro.
Roxana hatte er es gezeigt! Natürlich ging er davon aus, dass Roxana nicht die Nacht außerhalb ihres Hauses verbracht hatte. Aber die Behandlung vorhin würde sie abhalten, auch nur im Traum daran zu denken, sich mit jemand Anderem einzulassen. Mal davon abgesehen, dass er sie in der Hand hatte. Bei ihrer Einstellung damals hatte er sich genau nach ihrem Vorleben erkundigt. Es machte ihm Spaß, sich eine Freundin zu leisten, deren Eltern wegen Sympathisantentums mit einer terroristischen Organisation hinter Gittern saßen. Ob die Eltern tatsächlich je den Leuchtenden Pfad unterstützt hatten, war nie geklärt worden. Das war auch nicht nötig, der Verdacht reichte, um sie aus dem Verkehr zu ziehen. Man hatte ihnen bei der Verhaftung Kokain untergeschoben, und sie waren als Drogenhändler zu langen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Roxana und ihr jüngerer Bruder waren damals unbehelligt geblieben. Einer Sechzehnjährigen hätte man vielleicht Drogenhandel vorwerfen können, bei einem Zehnjährigen war das schwieriger. Auf alle Fälle, sollte Roxana wagen, das Verhältnis mit ihm zu beenden, wäre es ein Leichtes, zu behaupten, sie hätte sich in eine der geheimsten Stellen des Verteidigungsministeriums eingeschleust und sein Vertrauen erschlichen, um die nationale Sicherheit zu schwächen. Wer würde einer Frau mit ihrem familiären Hintergrund Glauben schenken?
Er hatte Roxana nie merken lassen, dass er von der Haft ihrer Eltern wusste. Sie hatte ihm nur gesagt, ihre Eltern lebten in Arequipa. Ihr Bruder arbeitete inzwischen in der Landwirtschaftsgenossenschaft, in der er nach der Verhaftung der Eltern großgezogen worden war.
Garcia war sicher, dass Roxana ihn mit größter Freundlichkeit behandeln würde, sobald er wieder bei ihr auftauchte.
Im Büro sagte seine Sekretärin, Señorita Roxana habe kurz nach seinem Weggang angerufen, um zu sagen, dass sie später käme.
"Ja ja," antwortete Garcia, und winkte belästigt ab.
Er überprüfte seine Geräte und lauschte interessiert dem Anruf aus dem Fischereiministerium mit Kinzels Büro.
Er überlegte.
Fernandez Schwägerin hatte ein Gespräch zwischen Fernandez und Minister Bustamante arrangiert.
Bustamante hatte Fernandez heute in aller Frühe getroffen.
Am selben Abend wollte Bustamante Graf und Kinzel in seinem Büro empfangen.
Wieso hatte dann Walter Fernandez nicht Kinzel und Graf darüber unterrichtet? Oder hatte er?
Garcia überprüfte die Telefonate aus Fernandez Wohnung. Fernandez hatte von dort aus nicht angerufen, weder in Kinzels Büro noch bei Kinzel zuhause.
Er spulte das Band mit allen Telefonaten zu und aus Kinzels Büro nochmal ab. Walter Fernandez hatte sich dort nicht gemeldet, das stand fest. Bei Kinzel zuhause war nur ein Anruf eingegangen, aber der kam von einer deutschsprachigen Freundin Karin Kinzels.
Oberst Garcia überspielte das Telefonat aus dem Fischereiministerium auf seinen Datenträger und löschte dann die Originalbänder vollständig.
Er wollte rechtzeitig bei Walter Fernandez´ Wohnung sein, um zu sehen, wer der Gast sein würde, den Graf und Kinzel dort treffen wollten.
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Enrique Pato war gemächlich an dem Haus vorbeigeschlendert, in dem die gutaussehende Frau verschwunden war, die mit Graf die Nacht verbracht hatte. Er bildete sich ein, erregte Stimmen gehört zu haben. Er ging bis zur Straßenecke, um ebenso gemächlich zu seinem Auto zurück zu schlendern.
Er bat seinen Fahrer, noch nicht zu starten. Im Spiegel hielt er das Haus im Auge. Nach wenigen Minuten verließ ein Mann das Haus, stieg in einen weißen Toyota und fuhr an ihnen vorbei. Pato glaubte, den Mann schon mal gesehen zu haben.
Erst nachdem der Toyota um die nächste Ecke gebogen war, fuhr auch Patos Wagen an. Der Toyota bog nach weiteren drei Straßenblocks nach rechts auf die Avenida Arequipa. Pato pfiff, als er über Telefon die Daten für den weißen Toyota bekam: Das Fahrzeug war als Dienstwagen zugeteilt auf Oberst Carlos Garcia Alvarez, der wiederum einer Dienststelle zugeordnet war, deren Bezeichnung Pato sofort als Institution des Geheimdienstes erkannte, IM 3, Inteligencia Militar. Jetzt fiel Pato ein, von wo er den Mann wiedererkannt hatte: Der war gestern am Flughafen gewesen und hatte in der Schar der Abholer gestanden, als Graf ankam!
Nach ungefähr 15 Blocks bog der Wagen nach links ab und hielt an, um am Ende des Grünstreifens den Gegenverkehr abzuwarten. Patos Wagen stand genau hinter ihm. Sobald sich eine Lücke im Gegenverkehr auftat, fuhren beide Fahrzeuge an und überquerten die Gegenfahrbahn. Sie waren in einer Gegend, in der eine Reihe ausländischer Botschaften ihre Residenzen hatten, in der Ärzte praktizierten, und in der sich zwischen Wohnhäusern auch etliche mehrstöckige Bürogebäude befanden. Nach weiteren zwei Blocks bog der Toyota in eine Einfahrt, zu der sich ein bewachter Schlagbaum öffnete und die auf einen mit Bastmatten überdachten Parkplatz führte. Enrique Pato kannte sowohl diesen Parkplatz als auch das danebenstehende Gebäude. Er war selbst einige Male hier gewesen, wenn er mit dem Geheimdienst der Streitkräfte zu tun gehabt hatte.
Pato wies seinen Fahrer an, zum eigenen Büro zurückzukehren, das sie nach wenigen Minuten erreichten. Als erstes rief er die Daten der Halterin des Volkswagens auf. Dass Roxana Torreblanca für das Verteidigungsministerium arbeitete, wusste er bereits. Was Enrique Pato aber einen Pfiff ausstoßen ließ, war, dass die Eltern von Señorita Torreblanca, verurteilt wegen Drogenhandels, in einem Gefängnis in Arequipa saßen. Er war erfahren genug, um zu wissen, was diese Formulierung tatsächlich bedeutete.
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Enrique Pato rief einen Freund an, der in eben dem Gebäude arbeitete, in dem Garcia vorhin verschwunden war, und bat ihn zu überprüfen, ob die mit Deutschland befasste Abteilung sich zur Zeit mit einer besonderen Überprüfung der peruanischen Vertretung der Deutschen Rhein-Ruhr-Stahl beschäftigte.
Die Antwort, die er nach wenigen Minuten erhielt, überraschte ihn:
"Enrique, ich habe unsere Computer abgefragt. Wenn es eine Besonderheit gäbe, müsste das vermerkt sein. Es ist aber nichts vermerkt. Möchtest du, dass ich den Abteilungsleiter frage? Das ist ein Oberst Carlos Garcia Alvarez."
„Vielen Dank, das ist nicht nötig," antwortete Pato.
Er suchte mit seinem Computer die Datei von Kinzel und prüfte, ob diese in den letzten Tagen von einer anderen Stelle abgefragt worden war. Die Antwort war negativ.
Bei der Datei von Walter Fernandez wurde er fündig. Innerhalb seiner eigenen Organisation hatte es in der vergangenen Woche zwei Zugriffe auf Fernandez´ Datei gegeben. Der andere Abfragende war ein Pato unbekannter Leon Pilato aus dem Antidrogenbereich. Er beschloss, Pilato nicht nach dem Warum zu fragen.
Enrique Pato wusste, dass sich die verschiedenen Behörden mit Informationen gegenseitig unterstützten.
Dennoch, jetzt hatte Enrique Pato wirklich etwas zu grübeln.
In weitere Verwirrung stürzte ihn das Telefonat aus dem Fischereiministerium an das Büro Kinzels.
Er hoffte, dass das Abhören des Treffens in Fernandez´ Wohnung heute Mittag ihm weitere Aufschlüsse geben würde.
Es war jetzt an der Zeit, nach Miraflores in das Apartment zu fahren.
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Nachdem Garcia weg war, fuhr Roxana zum Einkaufszentrum von San Isidro. Dort ging sie in einen Eisenwarenladen, wo sie gegenüber dem Inhaber ihre ganze Überredungskunst aufwenden musste, sofort das Schloss an ihrer Haustür auszutauschen. Außerdem ließ sie innen eine Sicherheitskette anbringen. Sie sah dem Mechaniker bei seiner Arbeit zu, überprüfte anschließend die Festigkeit der Kette und gab ihm ein Trinkgeld.
Sie verschloss das Haus, ging in ihr Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Sie wimmerte wie ein verletztes Tier.
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Walter und Liliana begrüßten Graf und Kinzel mit großer Herzlichkeit.
Graf schaute sich um.
Walter lebte in einer geräumigen Wohnung, von der aus man einen herrlichen Blick auf die Strände von Miraflores hatte. Im Norden sah man die Insel San Lorenzo vor der Hafenstadt Callao im feinen Dunst der Gischt der sich brechenden Wellen des tiefblauen Pazifischen Ozeans.
Graf schätze, dass die Wohnung über mindestens 400 Quadratmeter verfügte, eher mehr. Allein das Wohnzimmer hatte eine bis zum Boden reichende Fensterfront von sicherlich fünfzehn Metern Länge zur Terrasse hin.
Die Einrichtung war geschmackvoll, mit überwiegend hellen Möbeln und Teppichen und mit Ölgemälden offenbar zeitgenössischer peruanischer Künstler.
Vom Wohnraum aus sah Graf durch zwei weit geöffnete Schiebetüren in ein Esszimmer, an dessen Tisch insgesamt zwölf Stühle standen. Auch das Esszimmer hatte eine Fensterfront zur Terrasse hin. Über sämtlichen Fenstern waren gelb-weiß gestreifte Markisen herabgelassen, die verhinderten, dass sich die Räume bei der intensiven Sonneneinstrahlung zu sehr aufheizten.
Auf der Terrasse standen, im Schatten der Markisen, voluminöse Sitzmöbel aus naturbelassenem Korbgeflecht mit dicken Polstern, deren Bezüge ebenfalls gelb-weiß gestreift waren. Es gab ferner mehrere Liegestühle mit bequem aussehenden Kissen im gleichen Bezug. Entlang des Geländers standen Pflanzenkübel mit üppig wucherndem Grün, Bananenstauden und Palmen.
Liliana de Fernandez bot Getränke an. Graf entschied sich für ein Glas frischgepressten Orangensaft, Kinzel für Whisky und Walter für ein Glas Sherry. Liliana gab die Bestellung an das Dienstmädchen weiter, das wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Alle ließen sich auf den weißen Sofas nieder. Bis das Mädchen die Getränke servierte, erging man sich im Austausch von Höflichkeiten.
Liliana bewunderte insgeheim die Kleidung Grafs. Er trug einen ganz leichten, seidig glänzenden dunkelgrauen Einreiher, dazu ein hellblaues Hemd. Seine dunkelrote Krawatte war hellblau gepünkelt. Sie fand Graf ausgesprochen elegant.
Sie stellte weiterhin fest, dass er am rechten Handgelenk einen goldenen Armreif trug und am linken Handgelenk eine Armbanduhr von Cartier.
Um Punkt ein Uhr ertönte eine melodische Türglocke, und Walter stand auf und ging hinaus, um den Ankömmling zu begrüßen.
Graf hörte aus dem Flur Stimmengemurmel, dann schob Walter Admiral Rogerio Chavez vor sich her ins Wohnzimmer.
`Mein Gott´, dachte Graf. ´Kommt der Kerl tatsächlich im vollen Wichs!´
Admiral Chavez trug eine weiße Sommeruniform. Die vier goldfarbenen Sterne auf seinen Schulterklappen glänzten. Auf seiner Brust prangten eine Ordensspange sowie die Abzeichen seiner bisherigen Verwendungen in der Marine. Der dicke Goldring mit hellblauem Stein am rechten Ringfinger wies ihn als Absolventen der Marineakademie aus.
Chavez machte einen durchtrainierten Eindruck, nicht sehr groß, aber zäh und drahtig. Sein Haar, trotz seiner Altersgleichheit mit Fernandez, war stahlgrau.
Nachdem Chavez Liliana mit Wangenküssen begrüßt hatte, wurden Graf und Kinzel von Walter vorgestellt.
Graf sagte:
"Mi Almirante, es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie kennenzulernen."
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Roxana Torreblanca stand auf und trocknete vor dem Spiegel ihre Tränen. Sie nahm einige Eiswürfel aus dem Gefrierfach, wickelte sie in ein dünnes Handtuch und drückte sich dieses auf die verweinten Augen. Ihre linke Wange, auf die Garcia sie geschlagen hatte, tat zwar immer noch weh, war aber wieder abgeschwollen. Seine Schläge hatten Gottseidank keine sichtbaren Spuren hinterlassen!
Sie zog sich weiße Jeans über und eine Bluse, schlüpfte in ein Paar Sandaletten und zog die Augenlider mit einem Stift nach.
Dann verließ Roxana ihr Haus, nicht ohne sorgfältig die Tür abzuschließen, und ging zu ihrem Auto.
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Als Oberst Carlos Garcia schräg gegenüber von Walter Fernandez´ Haus im Schatten einer Palme parkte, war der Wagen von Kinzel noch nicht zu sehen. Es waren auch keine anderen Autos so geparkt, die ihn hätten vermuten lassen, dass sie zu Besuchern dieses Hauses gehörten. Nach zehn Minuten kam der Mercedes von Kinzel vorgefahren, Graf und Kinzel stiegen aus und verschwanden im Hauseingang. Nach einer weiteren Viertelstunde bogen ein schwarzer Toyota und ein schwarzer Dodge um die Ecke und hielten vor Fernandez´ Haus. Garcia glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als aus dem Toyota drei Marinesoldaten heraussprangen und mit den Augen die Umgebung absuchten. Sie trugen Waffen. Erst nach einer halben Minute sprang auch der Fahrer des Dodge aus dem Fahrzeug, ebenfalls in Marineuniform. Er lief um das Auto herum und riss die hintere rechte Tür auf und nahm Haltung an.
Garcia erkannte auf Anhieb den Mann in der blendend weißen Uniform, der jetzt mit festen Schritten auf die Haustür zuging. Er hatte ihn oft in Fernsehnachrichten, aber auch bei offiziellen Paraden gesehen.
Während Garcia beobachtete, wie Admiral Rogerio Homer Chavez, Jefe de la Armada Peruana, darauf wartete, dass sich die Tür öffnete, freute er sich, dass er den richtigen Riecher gehabt hatte.
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Auch Enrique Pato freute sich, dass seine Vermutung richtig gewesen war. Wenn Admiral Chavez in Fernandez Wohnung war, musste es tatsächlich um ein Marineprojekt gehen! Er lauschte über seinen Kopfhörer der Unterhaltung. Er hörte, wie Liliana de Fernandez fragte, was sie Rogerio zu Trinken anbieten könne, wie Chavez Sherry bestellte, und wie Chavez Graf fragte, ob er eine gute Anreise gehabt habe. Pato war erstaunt über das flüssige Spanisch bei Grafs Antwort. Dann wurde ein paar Minuten über die Weltpolitik gesprochen, über die derzeitige Situation in Deutschland, über den sich langsam abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwung in Peru. Man schien sich zuzuprosten, und es wurden Bemerkungen gemacht, wie nett es sei, hier zusammenzutreffen. Er hörte Lilianas Stimme, die sagte:
"Ich ziehe mich zurück, Ihr habt sicherlich etwas zu besprechen."
Er hörte Geräusche, die so klangen, als seien alle aufgestanden, als Liliana den Raum verließ, und das Schließen einer Tür.
Im nächsten Augenblick fluchte Enrique Pato laut auf.
Soeben hatte Graf gesagt:
"Señores, es ist ein so schöner Tag, wollen wir die Unterhaltung auf der Terrasse fortsetzen?"
Pato konnte hören, wie sich Schritte entfernten, und dann war nur noch etwas zu hören, was nur mit viel Optimismus als Stimmengemurmel hätte interpretiert werden können.
Pato betete, dass die Techniker der PIP mit ihren Computern hieraus noch würden etwas herausholen können.
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Roxana war heilfroh, dass Garcias Auto nicht auf seinem Parkplatz stand, als sie auf den Hof des Bürogebäudes der Inteligencia Militar einbog.
Sie fuhr mit dem Aufzug in ihre Büroetage, entschuldigte sich bei der Stellvertreterin von Garcia für ihre Verspätung und beantragte aus familiären Gründen Urlaub für die nächsten Tage. An ihrem Arbeitsplatz warf sie ihren Computer an und schaltete sich in das hausinterne Netz. Dann fragte sie die Dateien ab, um zu sehen, ob der Name Rupert Graf irgendwo erwähnt war. War er nicht. In der vergangenen Nacht hatte sie, während Graf im Bad war, seinen Kofferanhänger untersucht, der ihn als Senatorkarteninhaber der Deutschen Lufthansa auswies und der neben Ruperts Namen auch den des Unternehmens angab, für das er arbeitete. Sie fragte den Computer nach "Deutsche Rhein-Ruhr-Stahl AG". Auch nichts.
Das war verwunderlich. Wenn Garcia an etwas arbeitete, was Graf oder diese Gesellschaft betraf, hätte hierfür eine Angabe existieren müssen. Die Mitschnitte von Telefonaten wurden in Dateien genannt, die wiederum angaben, wo die entsprechenden Tonbänder zu finden waren. So war es vorgeschrieben. Wenn Garcia solches Interesse an Graf hatte, um sie mitten in der Nacht ins Sheraton zu schicken, damit sie Graf aushorchte, musste er beim Abhören eines Telefonats auf dessen Namen gestoßen sein. Da es für diese Telefonate keine Datei gab, blieb nur eine Folgerung:
Garcia hatte die Gespräche nicht registriert! Roxana war klar, dass sie in dem Tonbandarchiv umsonst suchen würde. Ihr kam noch eine Idee. Rupert war gestern mit diesem Paar in der Hotelbar gewesen, und sie hatten Deutsch gesprochen. Konnte die Deutsche Rhein-Ruhr-Stahl ein Büro in Lima haben? Um dies herauszufinden, konsultierte sie ein Telefonbuch. Da waren sie, fettgedruckt mit Anschrift und Telefon- und Faxnummer! Wer könnten die beiden Leute gewesen sein? Vermutlich der hiesige Büroleiter mit seiner Frau. Rupert machte nicht den Eindruck, als sei er subalterner Angestellter, und dann würde sich der hiesige Chef auch in der Freizeit um ihn kümmern, insbesondere wenn Rupert einem Geschäft nachging, das wiederum für Garcia so wichtig war, dass er die Dienstordnung unterlief. Wie fand sie jetzt bloß den Namen des Büroleiters heraus? Stahl AG? Das klang ähnlich wie das englische Wort `Steel`!
Sie wählte die im Telefonbuch angegebene Nummer. Als sich eine Telefonistin meldete, sagte Roxana:
„Ich rufe aus der Geschäftsführung des Lima-Büros von Siderperu. Könnte ich bitte mit dem Leiter Ihrer Gesellschaft verbunden werden?"
„Das tut mir leid," erhielt sie zur Antwort. „Señor Kinzel ist im Moment nicht hier. Kann Ihnen jemand anderer helfen oder können wir zurückrufen?"
„Nein, vielen Dank, wir melden uns wieder," sagte Roxana schnell und legte auf.
Sie durchsuchte daraufhin die Dateien nach dem Namen Kinzel. Wieder nichts. Sicherheitshalber notierte sie sich die Anschrift und die Telefonnummer sowohl von Kinzels Büro als auch seine Privatanschrift und -nummer aus dem Telefonbuch auf einem Zettel und steckte ihn in ihre Handtasche. Sie musste jetzt noch etwas überprüfen.
Roxana wählte eine interne Nummer. Als abgehoben wurde, identifizierte sie sich als Mitarbeiterin von Oberst Garcia, die eine interne Aufstellung für die Kostenrechnung zu machen hätte. Sie bat um Nennung der Namen und der Anschlüsse, für die Oberst Garcia in den vergangenen zwei Wochen eine ständige besondere Überwachung veranlasst hatte. Nach drei Minuten wurde sie zurückgerufen, und ihr wurden zwei Anschlüsse genannt, Kinzels Privathaus und die Wohnung eines Walter Fernandez Semenario. Zu beiden Anschlüssen bestünde eine ständige Computerschaltung, geschaltet am vergangenen Mittwoch und Donnerstag. Die bisher dafür aufgelaufenen Kosten beliefen sich auf insgesamt 3.453 Soles.
Roxana bedankte sich.
Was immer Garcia tat, er tat es an der Behörde vorbei!
Sie verabschiedete sich von ihren Kollegen, gegen Ende der Woche sei sie zurück.
Zufrieden verließ sie das Gebäude und fuhr in ihrem VW davon.
Eigentlich hätte sie darauf kommen müssen, dass Garcia bei seiner Rückkehr ihren Anruf in Kinzels Büro abhören konnte.
Was sie nicht wissen konnte, war, dass Garcias Computer längst die Rufnummer errechnet und gespeichert hatte, von der aus der Anruf getätigt worden war, eine Rufnummer in der Inteligencia Militar, zugewiesen der Mitarbeiterin Roxana Torreblanca Gonzalvez.
Die gleichen Daten hatte auch der Computer von Enrique Pato gespeichert.
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"Señor Graf, ich habe Walter gebeten, dieses Treffen zu arrangieren, weil ich um Ihren Rat bitten will," sagte Admiral Chavez. "Unter normalen Umständen bräuchte ich Ihren Rat nicht, aber die Umstände in diesem Land sind aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts leider nicht normal. Meine Flotte ist hoffnungslos überaltert. Wir verfügen über eine Handvoll U-Boote, die für die Aufgaben, die sich der Peruanischen Marine heute stellen, nicht geeignet sind. Unsere Fregatten der Lupo-Klasse sind so alt, dass wir sie nur unter übermäßigem Kostenaufwand in Gang halten können. Ich brauche dringend neue Überwassereinheiten, groß genug, um in unseren Seeverhältnissen sicher operieren zu können. Auch wenn die Bekämpfung von Schmuggel und die Unterbindung der Raubfischerei in unseren Gewässern im Augenblick unsere dringlichsten Aufgaben sind, möchte ich doch Marineschiffe beschaffen, die auch zukünftigen Aufgaben gewachsen sind. Aus einem nicht realisierten Beschaffungsprojekt habe ich noch einen Budgettitel von rund dreißig Millionen Dollar. Alles, was darüber hinaus geht, bedarf besonderer finanzieller Arrangements. Mir ist bekannt, dass Ihr Unternehmen anderen Ländern in schwierigen Situationen geholfen hat, Beschaffungsmaßnahmen umzusetzen, die erwartbarer weise nicht hätten realisiert werden können."
Admiral Chavez nahm einen Schluck Sherry. Graf schaute ihn mit undurchdringlicher Miene an, sagte aber kein Wort. Chavez fühlte sich bemüßigt, fortzufahren:
"Ich würde mich freuen, Ihre Meinung zu hören, Señor Graf. Ich bitte Sie, völlig offen zu sein. Ich betrachte dieses Gespräch als inoffiziellen Gedankenaustausch. Als eine Art Brainstorming."
Graf guckte weiterhin völlig unbewegt.
"Señor Almirante, ich freue mich über die Freundlichkeiten, die Sie über mein Unternehmen sagen. Ich fühle mich geehrt durch Ihre Offenheit, und ich danke für Ihr Vertrauen."
Graf machte eine Pause. Er lehnte sich vor und schaute Chavez geradewegs ins Gesicht.
"Dass Ihre Flotte dringend der Modernisierung bedarf, ist uns allen bewusst. Ihre Überwasserschiffe haben das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, wenn nicht, überschritten. Eine Überholung wäre teurer als ein Neukauf."
Graf trank seinerseits einen Schluck Orangensaft.
"Unser Erfolg in anderen Ländern beruht auf ein paar Punkten, die ich gerne erläutern möchte:
Wir haben ein Schiffsdesign, das größtmögliche Flexibilität in der Waffen- und Elektronikausrüstung erlaubt. Das bedeutet, dass die Schiffe nicht von Anfang an mit allen Ausrüstungen ausgestattet sein müssen, sondern, dass nachträgliche Ausrüstung möglich ist. In der NATO nennen wir das `fitted for but not with`, ´ausgerüstet für, aber ohne´. Waffenplätze und Räume für die notwendige Elektronik sind vorgesehen, bleiben aber zunächst leer.
Wir haben weiterhin den Vorteil, dass Deutschland keine staatliche Rüstungsindustrie hat. Das bedeutet, dass wir Waffen und Führungssysteme aus anderen Ländern integrieren können, ohne in Konflikt mit unseren Verteidigungsbehörden zu kommen."
Graf lächelte Chavez fein an.
"Wenn Sie zum Beispiel ein Schiff in England, Frankreich oder Italien kaufen, sind die gesamten Waffenanlagen aus diesen Ländern. Das heißt, Sie bekommen ein völlig englisches, französisches oder italienisches Schiff. Denken Sie an Ihre Lupo-Fregatten. Wir hingegen liefern Ihnen ein Schiff, das maßgeschneidert ist auf Ihre Bedürfnisse, und in das Einzelausrüstungen aus verschiedenen Ländern integriert sind."
Chavez nickte.
Graf fuhr fort:
"Eine wesentliche Konsequenz ist aber: Das zu finanzierende Volumen für das vollständig englische oder französische oder italienische Schiff wird so groß, dass eine Finanzierung aus dem jeweiligen Land allein unmöglich wird. Keine der regierungseigenen europäischen Kreditversicherungen wird ein so großes Volumen allein in Deckung nehmen.
Dadurch, dass wir auf wesentliche Lieferanteile aus unterschiedlichen Ländern zurückgreifen, können wir gleichzeitig gedeckte Finanzierungsmöglichkeiten aus diesen unterschiedlichen Lieferländern nutzen. Das bedeutet, dass die einzelnen zu finanzierenden Anteile sich verringern und dadurch eher durchführbar werden. Bitte lassen Sie mich ein Beispiel geben."
Graf zögerte einen Moment.
"Das ist so, wie beim Bau eines Hauses den Maurer, den Zimmermann, den Dachdecker, den Installateur, den Anstreicher jeweils um Kredite zu bitten, weil die Bank nichts leihen will. Das klingt komplizierter als es ist. Unser Unternehmen ist sozusagen der Architekt, der diese Kredite koordiniert."
Graf nahm noch einen Schluck Orangensaft. Kinzel griff nach seinem Whisky.
„Zudem wird die Lieferbeteiligung dieser Länder dazu beitragen, den Protest gegen die weitere Neuverschuldung einzudämmen, weil deren Industrien von dem Geschäft profitieren.“
Auch Chavez trank einen Schluck aus seinem Glas.
"Bitte lassen Sie mich etwas zu den Chancen Ihres Vorhabens sagen," fuhr Graf fort. "Sie haben mich gebeten, offen zu sprechen. Ich sehe die Umsetzung Ihrer Pläne nur unter allergrößten Schwierigkeiten. Es gibt eine Chance, wenn wir das Volumen des Projektes so klein wie möglich halten. Sie brauchen Schiffe, die schnell sind, groß genug, um sicheren Start und Landung von Helikoptern bei rauem Wetter zu erlauben. Mit denen Sie Schmuggler oder Raubfischer aufbringen können. Wie Ludwig Kinzel mir sagte, denken Sie an Schiffe in Korvettengröße. Die Schiffe sollten mit einem Sonardom ausgerüstet sein, um den Einbau einer U-Bootsortungsanlage zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen. Kolumbianische Drogenschmuggler sind mittlerweile mit selbstgebauten U-Booten unterwegs. Ihre Schiffe sollten über ein Geschütz von mindestens 76 Millimetern verfügen, um gegebenenfalls ein anderes Schiff durch einen Schuss vor den Bug zum Stoppen zu bringen. Weiterhin brauchen Sie Nahbereichswaffen, mit denen anfliegende Raketen abgeschossen werden können. Chaff Launcher zum Ausblasen von Aluminiumspreu zur Raketenablenkung im Notfall. Wir wissen von Fällen, in denen Drogenschmuggler die US-Coast-Guard mit Raketen beschossen haben. Was Vorrichtungen für den Abschuss von Schiff-Luft-Raketen angeht, verfügen Sie auf Ihren Fregatten über Flugkörper. Die könnten Sie auf den Korvetten einsetzen. Wir bauen Ihnen die hierfür notwendige Elektronik ein. Wir hätten ein ausgesprochen defensives Schiff, dessen Preis bei 120 bis 150 Millionen Dollar läge!"
"Señor Graf, danke," antwortete Chavez. "Das deckt sich ungefähr mit meinen Ideen. Aber wie bekommen wir das finanziert?"
"Nun," sagte Graf. "Wir müssen die einzelnen Lieferanteile ausrechnen. Für die Elektronik würde ich Holländer oder Franzosen hinzuholen, für Geschütze und Flugabwehr die Italiener. Hier können wir im Moment nur ungefähre Größenordnungen schätzen. Verfügen können Sie im Augenblick über 30 Millionen. Die würden wir als Anzahlung haben müssen. Über die Bauzeit würden wir weitere Raten benötigen, damit bis zur Übergabe der Schiffe 30 Prozent des Auftragswertes bezahlt sind. Wir reden also über eine zu kreditierende Summe von 70 Prozent, die über sechs bis acht Jahre abzubezahlen wäre."
Graf beugte sich vor.
"Das Hauptproblem wird sein, ob Ihre Regierung mitspielt. Meines Wissens hat Peru ein enges Verteidigungsbudget. Ihre Widersacher dürften Sie in Ihren Kameraden finden, die Heer und Luftwaffe vorstehen. Es ist leider das Problem aller Marinen, dass vier neue Schiffe nun mal teurer sind als 50 Panzer oder 20 Flugzeuge. Den Stabschefs von Heer und Luftwaffe müsste also von übergeordneter Stelle klargemacht werden, dass sie sich zugunsten der Marine werden bescheiden müssen. Aber zuerst ist zu klären, ob Ihre Regierung das Vorhaben überhaupt für opportun hält. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass es in der Öffentlichkeit und im Parlament heftige Widerstände gegen ein Geschäft geben wird, welches die zusätzliche Verschuldung von mehreren hundert Millionen Dollar vorsieht. Die Presse wird zetern, die Opposition wird zetern, alle werden sagen, es gäbe drängendere Probleme zu lösen als Kriegsschiffe anzuschaffen, nämlich Schulen und Krankenhäuser zu bauen oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu finanzieren. Ihre Regierung müsste weiterhin die Gläubigerländer Perus ansprechen und um deren Zustimmung zu weiterer Verschuldung des Landes nachsuchen. Wir müssten deshalb versuchen, Señor Almirante, Ihre Regierung mit Argumenten auszustatten, die die Unterstützung des Projektes interessant machen."
Graf guckte Admiral Chavez mit unbewegtem Gesicht in die Augen.
„Ich bin sicher, Señor Graf," sagte Chavez genauso unbewegt, „dass Sie sich hierüber Gedanken gemacht haben."
`Jetzt kommt´s `, dachte Ludwig Kinzel und sah Walter Fernandez an. Der hatte trotz der kühlen Brise, die vom Pazifik herüber wehte, kleine Schweißperlen auf der Stirn.
"Ja, Señor Almirante, das habe ich," antwortete Graf mit unbewegtem Gesicht.
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Enrique Pato versuchte vergeblich, etwas von der Unterhaltung mitzubekommen. Selbst, wenn er die höchste Lautstärkenstufe einstellte, hörte er nur Geräusche, die aus der Küche zu kommen schienen. Dann hörte er Schritte und drehte den Lautstärkeregler wieder leiser. Dennoch klang das Geräusch abgesetzter Porzellanteller in seinen Ohren wie eine Explosion.
Noch lauter war die Stimme Lilianas.
"Walter, das Buffet ist aufgebaut. Wann immer Ihr wollt, das Essen steht hier." Dann, aus offenbarer Ferne, der Ruf Walters:
"Vielen Dank, Liebste, wir kommen gleich!"
Kurz darauf wieder Schritte und lauter werdendes Gemurmel, Ausrufe wie "Ah, das sieht aber gut aus!" und "Sehr schön!" und die Stimme Grafs: "Mein Kompliment an die Dame des Hauses!", Tellerklappern, die Geräusche aufgenommenen Bestecks sowie "Bitte nach Ihnen, Señor Almirante!" und "Nein, bitte nach Ihnen, Señor Graf".
Wieder Klappern von Geschirr.
Dann die Stimme Fernandez:
"Was hältst du davon, Rogerio?"
Chavez Stimme:
"Das ist hochinteressant. Der Kerl ist kalt wie ein Fisch. Aber seine Analyse stimmt. Alleine können wir das nicht."
Wieder Fernandez:
"Er hat mir das gestern schon gesagt. Und auch ich fürchte, dass er recht hat. Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihm zu sagen, dass wir bereit sind, die Zahl zu reduzieren. Darüber will ich in Ruhe mit ihm reden."
Chavez:
"Ich bin gespannt, was er jetzt vorschlägt."
Fernandez:
"Ich auch. Ah, Lutz, kann ich Ihnen noch etwas zu Trinken geben? Whisky? Ja, gerne."
Kinzel:
"Vielen Dank, Walter."
Danach das gurgelnde Geräusch von in ein Glas gegossener Flüssigkeit und sich entfernender Schritte.
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Oberst Carlos Garcia war in sein Büro zurückgefahren. Er fluchte laut, als er die Computernachricht über Roxanas Anruf in Kinzels Büro entdeckte.
Er rief seine Sekretärin.
"Wo ist Señorita Roxana?" herrschte er sie an.
"Sie hat sich Urlaub genommen, Señor Colonel," war die Antwort.
Garcia überlegte. Was konnte Roxana wissen? Eigentlich nichts. Er hatte ihr nur den Namen Rupert Grafs genannt. Wie konnte sie auf Kinzel gekommen sein? Eigentlich nur, wenn sie Graf persönlich kennengelernt hatte und er seine Arbeit für den Rhein-Ruhr-Stahl-Konzern erwähnt hätte. Das würde bedeuten, sie hätte ihn angelogen! Oder gab es eine andere Möglichkeit? Sie könnte an der Hotelrezeption gefragt haben, wer für Graf das Zimmer reserviert hatte. Unwahrscheinlich! Und wieso, wenn sie ihn nicht mal gesprochen hatte!
Garcia überlegte hin und her. War sie erst heute früh bei sich zuhause aufgetaucht? Garcia konnte sich nicht vorstellen, dass Roxana die Nacht mit Graf verbracht hätte. Aber sie verheimlichte, dass sie Graf getroffen hatte! Die Eifersucht tat ihm körperlich weh.
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"Señor Graf, darf ich Sie bitten, fortzufahren?" fragte Admiral Chavez. "Wir waren gerade bei einem wichtigen Punkt unserer Unterhaltung."
"Selbstverständlich, Señor Almirante." antwortete Graf. Sie hatten wieder auf der Terrasse im Schatten der Markise Platz genommen.
"Es gibt zwei Arten von Argumenten: Die rein sachlichen. Also, Beitrag zum Schutz des Landes, Beitrag zum Schutz und zur Überwachung Ihrer Gewässer, Unterbindung von Schmuggel und Raubfischerei, beides Vergehen, die Ihr Land viel Geld kosten. Interessanterweise wurden Lutz und ich eingeladen, noch heute Nachmittag ein Gespräch mit Ihrem Minister für Fischereiwesen zu führen."
Graf sah Fernandez an.
"Sollte dies bereits ein Resultat unseres Gespräches von gestern sein, Walter, dann darf ich meinen Respekt zum Ausdruck bringen."
Graf fuhr fort:
"Wir werden aber weitere Argumente benötigen wie anzubieten, peruanische Produkte zur Vermarktung in Europa zu kaufen, also, in Gegengeschäfte einzusteigen. Hierdurch würden Arbeitsplätze gesichert oder zusätzliche geschaffen. Wir können darüber nachdenken, zwei der vier Schiffe bei der Werft SIMA in Callao zu bauen. SIMA hat doch in den siebziger Jahren schon mal Fregatten gebaut. Hierdurch könnte der Schiffbau in Peru wiederbelebt werden. Diese Argumentation wäre politisch verkaufbar und würde das Interesse der Öffentlichkeit vom Kauf der Kriegsschiffe ablenken."
Chavez warf Fernandez einen anerkennenden Blick zu, aber der war mit seinen Gedanken beschäftigt.
„Das," fuhr Graf fort, „funktioniert aber nur, wenn Ihre Politiker, die für den Einkauf die Verantwortung übernehmen, sich engagieren. Und damit bin ich bei den weniger sachlichen Argumenten: Walter und ich haben gestern Abend bereits einen Gedankenaustausch geführt, wie er dieses Engagement erreichen will. Ich bitte um Verständnis, Señor Almirante, dass wir auf unserer Seite erst dann größere Summen in die Projektbearbeitung stecken, wenn wir sicher sein können, dass es dieses Engagement gibt."
Kinzel sah bewundernd zu Graf hinüber. Graf hatte kein einziges Mal die Worte ´Geld` oder ´Korruption´ gebraucht, trotzdem war klar, was er meinte.
"Das heißt, Señor Graf, wir haben Hausaufgaben zu machen?" fragte Chavez.
"Ja, Señor Almirante," antwortete Graf, "Ich würde mich gerne mit Ihnen auf einen Aktionsplan einigen, mit dem wir alle wenig Zeit verlieren. Heute Nachmittag gehen Señor Kinzel und ich zu Minister Bustamante, um zu hören, was er will. Das Ergebnis werde ich Sie wissen lassen. Ich möchte gerne vorschlagen, dass die Peruanische Marine uns offiziell zu Gesprächen über die Schiffe einlädt. Dabei wäre nicht schlecht, von vornherein das Interesse an einem möglichst preiswerten und rein defensiven Schiff, wie wir es vorhin diskutiert haben, zum Ausdruck zu bringen. Es wird hierzu reichen, wenn dieses Schreiben an das Büro von Herrn Kinzel gerichtet ist. Damit schaffen wir eine Aktenlage. Wir werden die Einladung annehmen und mit einer Gruppe von Technikern zu einer Präsentation unserer Schiffsentwürfe nach Lima kommen. Parallel dazu möchte ich Sie, Walter, bitten, im Sinne unseres gestrigen Gespräches weiter die Fühler auszustrecken, wie die notwendige Unterstützung erreicht werden kann."
Graf machte eine Pause.
"Sollten wir ein Zeichen bekommen, dass Ihre Beschaffungspläne, Señor Almirante, von der Regierung mitgetragen werden, dann kann alles zügig gehen. Einen passenden Schiffsentwurf, der an Ihre spezifischen Anforderungen angepasst werden müsste, haben wir. Die Ausarbeitung eines detaillierten Angebotes mit exakten Zahlen dürfte nicht länger als drei Monate dauern. Für den Aufbau einer Finanzierung rechne ich mit einem halben Jahr. Die Vertragsverhandlungen sollten ebenfalls nicht länger als drei Monate dauern, die Verhandlung der Kreditverträge nochmal denselben Zeitraum. Vielleicht lässt sich das eine oder andere straffen. Mit Glück und Unterstützung könnte in anderthalb Jahren ein Vertrag in Kraft sein."
Admira Chavez räuspertesich.Dann sagte er:
"Señor Graf, ich darf Ihnen für Ihre Ausführungen herzlich danken. Vor allem freue ich mich, dass Sie trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der sich mein Land befindet, nicht von vornherein meinem Vorhaben keine Chancen einräumen. Insofern bin ich froh über die aufgezeigten Perspektiven. Ich möchte Sie und Señor Kinzel gerne, wenn Ihre Pläne es erlauben, für morgen in das Casino unserer Marine zu einem Mittagessen einladen, zu dem ich zwei meiner engsten Mitarbeiter hinzuziehe. Ich wäre dankbar, wenn Sie bei dieser Gelegenheit einige der heute geäußerten Gedanken noch einmal wiederholen wollten. Bitte gestatten Sie mir, mich zurückzuziehen. Es war ein sehr interessantes Gespräch!"
Chavez stand auf, und die drei anderen erhoben sich ebenfalls.
Bevor Chavez, begleitet von Walter Fernandez, zur Tür ging, sagte er noch:
"Ich möchte Ihnen noch sagen, dass mein Freund und Verwandter Walter mein volles und absolutes Vertrauen genießt, und zwar in allen, ich wiederhole, in allen Fragen. Hasta mañana, Señores."
`Aha´, dachte Graf.
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Enrique Pato hörte in seinem Kopfhörer, wie Chavez und Fernandez das Wohnzimmer betraten.
"Und? Bist du zufrieden?" fragte Fernandez.
"Ja, absolut. Vielen Dank, Walter. Ich denke, es war ein sehr gutes Treffen."
"Ich hatte heute früh ein Treffen mit Minister Bustamante. Ich wollte ihn motivieren, unser Projekt zu unterstützen und mit Scaloni darüber zu reden. Er hat mich praktisch rausgeschmissen. Und dann ruft er Graf an und will ihn heute noch sehen! Ich hoffe, ich habe keinen Schaden angerichtet."
"Bustamante? Es wäre nicht schlecht, ihn auf unserer Seite zu haben, gerade bei seiner engen Freundschaft mit Scaloni."
"Ja, hatte ich auch gedacht. Aber er wurde plötzlich völlig wild! Ich hoffe, dass das keine negativen Auswirkungen hat. Womöglich beschwert er sich bei dir über mich. Oder macht das Projekt kaputt. Dem traue ich alles zu."
"Walter, ich hab´ ihm neulich gesagt, dass ich neue Schiffe brauche, wenn ich seine Fischgründe schützen soll. Wo ist Liliana? Ich will mich von ihr verabschieden."
Die Schritte entfernten sich.
Pato konnte aus seinem Apartment das Funkgerät in Fernandez Wohnung so steuern, dass er die in den drei verschiedenen Telefonen eingebauten Mikrofone abhören konnte. Wo genau sie waren, wusste er zwar nicht, vermutete aber den Geräuschen nach, dass eines im Flur stand.
Von dort hörte er der Verabschiedung Chavez´ von Liliana zu, die sich auf den Austausch von Höflichkeiten beschränkte.
Dann fiel die Wohnungstür zu.
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Roxana fuhr zunächst in die Innenstadt und parkte vor dem Hotel. Sie schaute die Glasfront hinauf. Irgendwo dort, hinter einem diese Fenster hatte sie die wunderbarste Nacht ihres Lebens verbracht.
Es tat ihr beinahe körperlich weh, jetzt nicht bei Rupert zu sein. Sie wollte einfach in den Arm genommen, gestreichelt und getröstet werden.
Gleichzeitig wusste sie, dass sie ihm nie, niemals die Szene würde schildern können, die sich heute früh in ihrem Haus abgespielt hatte.
Sie hatte sowieso mit Garcia Schluss machen wollen, nach der Nacht mit Rupert! Sie hatte aber gehofft, dass dies in Ruhe würde gehen können, vielleicht in Freundschaft.
Sie wusste nicht, was Garcia plante, aber er tat es auf eigene Faust!
Sie musste Rupert warnen!
Roxana stieg aus und ging zum Hoteleingang.
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Oberst Garcia verließ sein Büro und fuhr, so schnell der Verkehr es erlaubte, zu Roxanas Haus. Den Schlüssel hatte er noch in der Tasche.
Mit zitternden Fingern versuchte er, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Er stocherte, versuchte, der Schlüssel passte nicht.
Oberst Carlos Garcia brauchte eine ganze Weile, bis er merkte, Roxana hatte ein anderes Türschloss einbauen lassen. Er war ausgesperrt!
Er konnte es nicht fassen!
Als er versuchte, ihr Handy anzurufen, wurde er nach dem dritten Klingelzeichen weggedrückt.
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"Daran, dass die Verbindung zwischen Chavez und Walter stimmt, habe ich keinen Zweifel. Aber, Lutz, ohne die Politik wird das nicht laufen," sagte Rupert Graf gerade zu Kinzel, als Walter wieder auf die Terrasse trat. Er setzte sich zu ihnen.
"Rupert, Admiral Chavez ist mit dem Betrag, den Sie gestern vorgeschlagen haben, nur schweren Herzens einverstanden. Er hofft, dass Sie den Betrag noch aufstocken. Im Übrigen war er sehr angetan von dem Gespräch. Er ist der Ansicht, es war ein guter Anfang. Wann ist Ihr Termin mit Bustamante?"
"Um 17 Uhr 30, "antwortete Kinzel.
"Dann ist ja noch Zeit," sagte Walter. "Bustamante hat Admiral Chavez vor einigen Wochen angerufen und ihn sehr bedrängt, mehr für den Fischereischutz zu tun. Er ist sozusagen einer der Urheber des Projektes."
Walter Fernandez zögerte einen Augenblick.
"Ich hatte heute früh ein Gespräch mit Bustamante. Da machte er allerdings nicht den Eindruck, als ob er das Vorhaben unterstützen wolle. Ich wollte Ihnen dies sagen, bevor Sie dorthin gehen."
Dieses Eingeständnis war Walter nicht leicht gefallen.
"Naja, wir werden sehen," sagte Graf.
Liliana kam dazu, und alle drei standen auf, um zu warten, bis sie sich gesetzt hatte.
Graf sagte:
"Liliana, bitte lassen Sie mich Ihnen danken für das wunderbare Buffet und dafür, dass Sie Ihr wunderschönes Heim für dieses Gespräch zur Verfügung gestellt haben. Einen angenehmeren Ort hätte ich mir nicht vorstellen können."
Er strahlte sie an.
Liliana war völlig hingerissen.
"Vielen Dank, Rupert, das ist sehr freundlich, dass Sie das sagen," sagte sie und schlug die Augen nieder.
Graf wandte sich wieder an Walter:
"Walter, treffen wir uns doch nach unserem Gespräch mit Bustamante! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es länger als eine Stunde dauert. Lutz, wo ist das Ministerium?"
"Fünf Minuten von unserem Büro. Wir können in Señor Grafs Hotel eine Kleinigkeit essen."
Alle standen auf, Graf und Kinzel verabschiedeten sich von Liliana, Graf mit Handkuss.
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Enrique Pato hörte die Verabschiedung Grafs und Kinzels in seinem Kopfhörer. Von den Eheleuten Fernandez war nichts zu hören, offenbar saßen beide noch auf der Terrasse.
Er ließ das Tonband zurückspulen, nahm es aus dem Gerät und legte ein neues Band ein.
Das bespielte Band nahm er mit.
Zurück in seinem Büro, legte er das Band in ein anderes Gerät, das an einen weiteren Recorder angeschlossen war. Auf diesen Recorder überspielte er alle Szenen, die für ihn unhörbar geblieben waren. Er nahm das Band, auf dem sich diese Szenen jetzt befanden, steckte es in einen Umschlag, den er beschriftete und bestempelte. Dann rief er einen Mitarbeiter, der den Umschlag zu der darauf genannten technischen Abteilung brachte.
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Als Garcia erneut versuchte, Roxana anzurufen, landete er in der Mailbox. Was für eine Unverschämtheit!
Er sah sich um. Roxanas Auto war nirgendwo zu sehen. Er fuhr wie in Trance einmal um den Block. Wenn sie zuhause wäre, müsste ihr Auto hier irgendwo stehen.
Wo konnte sie sein? In Grafs Hotel? Graf hatte gleich den Termin mit Bustamante, also unwahrscheinlich! Wo sonst?
Roxana hatte verschiedene Male den Namen einer Freundin erwähnt. Wie hieß die noch? Maria? Carla? Wie weiter? Er hatte sich nie dafür interessiert, er wusste es nicht. Wo konnte sie stecken? Unterwegs nach Arequipa, zu ihrem verdammten Bruder? Unwahrscheinlich, bei einer Reise von fast tausend Kilometern auf der Panamericana! Nein, sie musste irgendwo hier in Lima sein!
Garcia versuchte, ruhiger zu werden. Was konnte er tun?
Er beschloss, zum Ministerium für Fischereiwesen zu fahren und Graf ab dort zu folgen. Über Graf würde er, da war er sicher, Roxana wiederfinden.
Und dann gnade ihr Gott!
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Enrique Pato hörte das Band mit den Aufnahmen aus Fernandez´ Wohnung nun zum dritten mal. Das einzig ergiebige, so fand er, waren die beiden Unterhaltungen zwischen Chavez und Fernandez.
Was bedeutete "dass wir bereit sind, die Zahl zu reduzieren"?
Pato hörte diese Stelle noch einmal an. Und ein weiteres Mal.
"Die Zahl reduzieren"?
Sie hatten über Schiffe gesprochen, todsicher. Konnte es bedeuten, dass die Anzahl der Schiffe verringert würde?
"Ich habe ihm noch nicht gesagt, dass wir bereit sind, die Zahl zu reduzieren. Darüber will ich in Ruhe mit ihm reden."
Enrique Pato war überzeugt, dass hier von einer Provision die Rede war.
Die Zahl.
Das konnte nur eine Zahl von Fernandez und Chavez sein!
Hier ging es darum, dass der Chef der Marine und Fernandez abkassieren wollten, ganz klar. Und was war mit der Unterstützung durch Minister Bustamante?
Enrique Pato hoffte, dass die Computer der PIP in der Lage wären, aus der Unterhaltung auf Fernandez´ Terrasse etwas herauszufiltern. Er beschloss, Nasini zu informieren.
Was verwirrte, war der Anruf der Frau, mit der Graf die Nacht verbracht hatte, in Kinzels Büro.
Was das sollte, konnte er überhaupt nicht nachvollziehen. Die war doch von Garcia auf Graf angesetzt! Was sollte dieser Anruf? Wollte Garcia wissen, ob Graf und Kinzel bereits unterwegs zu Fernandez waren? Wenn Garcia, wie Pato vermutete, Kinzels Gespräche abhörte, musste er gewusst haben, dass zur Zeit des Anrufs der jungen Frau Kinzel und Graf längst nicht mehr im Büro, sondern in Fernandez Wohnung sein würden! Oder hörte er Kinzel nicht ab? Etwas passte nicht zusammen!
Enrique Pato kam zu dem Schluss, dass er sich Oberst Garcia und Señorita Roxana Torreblanca näher ansehen müsste. Aber zunächst nahm er das Telefon und wählte eine hausinterne Nummer. Nach dreimaligem Klingeln wurde abgehoben.
„Onkel Maximo, hättest du ein paar Minuten Zeit für mich?"
"Komm rüber, mein Junge!"
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Als Graf an der Hotelrezeption vorbeiging, kam der Portier mit einigen Briefumschlägen in der Hand auf ihn zugeeilt.
"Señor Graf, es sind Nachrichten für Sie angekommen!"
Graf bedankte sich und fuhr mit dem Aufzug zu seinem Zimmer.
Unter den Telefaxen, die überwiegend aus Deutschland kamen und ihn baten, verschiedene Dinge zu erledigen, Leute anzurufen, die nach ihm gefragt hatten, fand Graf auch eine handgeschriebene Nachricht.
In einer niedlichen Handschrift stand da über einer mehrstelligen Zahl:
"Bitte rufe mich dringend unter dieser Nummer an, egal wann Du kommst! Es ist wichtig! Bitte! In Liebe, Roxana"
Die Worte ´dringend´, ´wichtig´ und ´bitte´ waren unterstrichen.
Graf schaute auf die Uhr. Es war halb vier, also in Deutschland halb elf nachts. Zu dieser Zeit konnte er dort ohnehin niemanden mehr erreichen. Er wählte, auch weil er neugierig war, die von Roxana angegebene Nummer.
Es wurde sofort abgehoben.
"Rupert, vielen Dank, dass du anrufst. Ich muss dich sehen, wo bist du?"
"Im Hotel, Roxana. Warum diese Eile?"
"Du und dein Kollege, Kinzel, ihr werdet überwacht. Ich muss dir die Einzelheiten sagen. Bitte!"
Graf überlegte einen Moment. Woher kannte sie den Namen Kinzel? Und woher konnte sie das wissen? Todsicher nicht aus ihrer Kirchentätigkeit! Na, hier in Lima war was los!
"Roxana, ich werde um fünf Uhr zu einem weiteren Gespräch abgeholt. Wann kannst du hier sein?"
"In zehn Minuten."
"Ja, dann komm! Komm´ gleich in mein Zimmer."
Graf dachte nach. Außer der Frage, was er hier machte, und seiner flapsigen Antwort, war über seine Aufgaben hier gestern Nacht nichts mehr gesagt worden. Roxana hatte nicht weiter gefragt, weder nach den Leuten, die ihn begleitet hatten, noch nach der Dauer seines Aufenthaltes, nicht mal nach seinem Privatleben.
Naja, gleich würde er mehr hören.
Graf führte einige Telefonate mit Geschäftspartnern in den USA und in Argentinien. Da müsste er auch bald wieder hin.
Roxana. Ihre Arbeitsbeschreibung im Sozialdienst hatte nicht unglaubwürdig geklungen. Ein nettes Mädchen. Dass sie so schnell mit ihm ins Bett kam, wunderte ihn nicht. Junge Frauen waren heute überall in der Welt emanzipiert genug, ihre sexuellen Wünsche umzusetzen. Was Männern zugestanden wurde, sollte nach Grafs Meinung auch Frauen zustehen. Er hatte kein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Freundin Petra in Deutschland. Sie kannten sich bereits seit Jahren und hatten von beiden Seiten die Beziehung offen gehalten.
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Ein Klopfen an der Tür riss Graf aus seinen Gedanken.
Als er öffnete, hing Roxana sofort an seinem Hals.
"Rupert, Gottseidank!"
Graf führte Roxana zu der Sitzgruppe am Fenster und nötigte sie, sich zu setzen. Er knipste den Fernseher an und stellte ein Programm auf Zimmerlautstärke ein. Dann setzte er sich neben sie und streichelte ihr Handgelenk.
Roxana legte ihren Kopf an seine Brust.
"Was ist los?" fragte Graf.
Roxana schluckte. Es war so angenehm in seiner Nähe. Das Gefühl, wie er einfach ihr Handgelenk streichelte, mit seiner warmen Hand, war so wunderbar und so beruhigend!
"Rupert, ich habe dich gestern Nacht belogen. Ich arbeite für eine Geheimdienststelle, die sich mit Deutschland befasst."
Das Streicheln an ihrem Handgelenk war bei ihren Worten im gleichen Rhythmus weitergegangen, als ob sie über das Wetter gesprochen hätte.
"Mein Chef heißt Oberst Carlos Garcia. Er hatte mich hergeschickt, ich sollte dich kennenlernen und ausfragen, weil er nicht weiß, was du hier willst. Er überwacht auch einen Herrn Kinzel und einen Mann namens Walter Fernandez. Ich weiß nicht, warum. Und Garcia hat, obwohl sonst üblich und vorgeschrieben, keinerlei Akten oder Dateien über euch angelegt. Und ich habe mich in dich verliebt. So, jetzt ist es heraus."
Er spürte an ihrem Handgelenk die Schnelligkeit ihres Pulses.
"Ist das alles?" fragte er.
"Ja, wieso?"
"Dass ich in meinem Job alle möglichen Dienste anziehe, ist nicht ungewöhnlich. Das ist normal, wenn es um große Beschaffungsvorhaben geht, in die staatliche Stellen eingeschaltet sind. Wahrscheinlich wird sogar diese Unterhaltung mitgehört. In manchen Ländern kann man keinen Schritt tun, ohne dass man überwacht wird. Manchmal ist es kaum zu merken, manchmal ist es sehr offensichtlich. Garcia, ist das so ein kleiner, dicklicher, einigermaßen kahl, und einem Gesicht wie ein Hamster?"
"Ja, genau. Hast du ihn schon gesehen?"
"Ja, gestern, einmal hier im Hotel, und später beim Abendessen. Aber dir ist klar, dass es für dich unangenehm werden kann, wenn du dich einmischst. Wir sollten uns besser nicht mehr treffen."
Das war das Letzte, was Roxana wollte!
"Rupert, Garcia hat mich heute früh bedroht. Ich habe mir daraufhin ein paar Tage Urlaub genommen und bin zu einer Freundin gezogen. Ich möchte so gerne bei dir bleiben!"
Graf überlegte einen Moment.
"Was passiert, wenn er uns zusammen sieht?"
"Es gibt Theater! Aber egal! Ich muss mir ohnehin eine neue Arbeit suchen. Ich kann dahin nicht zurück!"
"Das ist schade. Du könntest herausfinden, hinter was er her ist."
"Das kann ich auch so. Bisher versteckt er allerdings alles über euch, Tonbänder und so weiter."
"Roxana, ich muss jetzt zu einem Termin. Wenn du willst, komm nachher wieder. Um sieben Uhr habe ich ein Essen hier im Hotel. Danach habe ich Zeit. Ich rufe dich an.“
Sie schmiegte sich an ihn. Es war beruhigend, ihn bei sich zu haben.
"Rupert, vielen Dank. Ich bin so froh, dass zu Vertrauen zu mir hast. Dabei kennst du mich doch kaum!"
Dieser Gedanke war Graf allerdings auch gekommen! Was er sich fragte war, ob dies echt oder gut gespieltes Theater war.
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"Ah, die Señores der Deutschen Rhein-Ruhr-Stahl!" rief Minister Bustamante, als Graf und Kinzel in den Raum geführt wurden.
Bustamante stand auf und kam ihnen entgegen.
Er war ein mittelgroßer Mann, dem man die Vorliebe für gutes Essen ansah. Er hatte hohe Wangenknochen, die Augen etwas schlitzartig. Dazu hatte er eine recht helle Haut. Sein Haar war voll und schwarz und wirkte ölig.
Kinzel hatte seinen Mercedes von einem Angestellten fahren lassen. Im Ministerium waren sie sofort zu einem pompösen Aufzug geführt worden, der sie und eine Begleitperson ein Stockwerk höher brachte.
Kinzel stellte Graf und sich vor, und Bustamante führte sie zu einer Gruppe aus schweren Ledersesseln, die um einen Holztisch gruppiert waren.
Vom Straßenlärm war dank der Doppelfenster kein Ton zu hören. Graf überlegte, ob die Fenster schusssichere Scheiben besaßen. Immerhin waren die Zeiten der Terroranschläge des `Leuchtenden Pfades` noch nicht lange her.
"Señores, Sie haben sich sicherlich über meine kurzfristige Einladung gewundert. Ich darf Ihnen sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass Sie kommen konnten," hob Bustamante an.
Die Sekretärin servierte Kaffee für Graf und Kinzel und für Bustamante ein Glas Wasser.
Bustamante fuhr fort:
"Sehen Sie, als ich hörte, dass Sie, Señor Graf, im Lande seien, hielt ich ein Gespräch für sinnvoll."
Nach kurzem Seitenblick auf Kinzel antwortete Graf:
"Excelencia, es war für uns selbstverständlich, Ihrer Einladung zu folgen."
Graf schaute Bustamante arglos an, und der guckte zurück.
Dann sagte Bustamante:
"Ich nehme an, dass Sie in Kontakt stehen zu Almirante Chavez. Ich hatte bei Chavez vor einigen Wochen effektiveren Schutz unserer Gewässer gegen Raubfischerei gefordert. Er hat mir damals gesagt, dass er hierzu neuer Schiffe bedarf. Offenbar fragt er Sie darum."
Graf überlegte, ob dies eine Feststellung oder eine Frage war.
Er sagte:
"Das ist richtig, Excelencia. Ich bin hier, um einen Gedankenaustausch mit Ihrer Marine zu führen, ob ein Schiffsbeschaffungsprogramm in Gang gesetzt werden kann."
Mit dieser Antwort ließ Graf offen, ob dieser Gedankenaustausch schon stattgefunden hatte.
"Und," fragte Bustamante," halten Sie dies für möglich?"
"Nun, Excelencia, möglich wäre es. Es bedürfte aber der Mithilfe aller politischen Kräfte. Wir sprächen über ein Vorhaben, für das Ihr Land immerhin 500 bis 600 Millionen US-Dollar aufbringen müsste, wenn wir von vier Schiffen ausgehen. Ich stelle mir vor, dass dies in diesen Zeiten keine Kleinigkeit ist."
Er sah Bustamante an.
"Das ist wahrhaftig keine Kleinigkeit, Señor Graf! Warum muss das so teuer sein?"
"Nun, Excelencia, soweit wir wissen, möchte die Marine die Gelegenheit nutzen, etwas für die Modernisierung der Flotte zu tun. Das macht aus unserer Sicht Sinn. Natürlich könnte man billigere Fischereischutzschiffe besorgen. Die wären dann aber für andere Aufgaben ungeeignet. Das ist so, als kaufe man aus Gründen der Sparsamkeit einen Lieferwagen, wenn einem der Lastwagen auf Dauer mehr nützt und mehr einbringt. Die Schiffe, die wir anbieten, haben eine Lebensdauer von dreißig, fünfunddreißig Jahren. Ein reines Fischereischutzschiff wäre wahrscheinlich nach zehn Jahren unzweckmäßig. Schließlich," fügte Graf mit leichtem Grinsen hinzu, „werden die Fabrikschiffe immer schneller und die Fangmethoden immer ausgefuchster."
"Das heißt, Señor Graf, das Land soll den Gürtel enger schnallen, damit Admiral Chavez seine ehrgeizigen Beschaffungspläne umsetzen kann?"
Wieder wusste Graf nicht, ob dies eine Frage war. Er beschloss jedoch, die Bemerkung als Frage aufzufassen.
„Excelencia, die Klärung von Fragen militärischer Beschaffungen erfordert Zeit und Voraussicht. Gegenwärtige politische Konstellationen können sich über Nacht verändern, Konflikte können entstehen. Dies auch, wenn die wirtschaftliche Entwicklung der unmittelbaren Nachbarstaaten anders verläuft als die eigene. Ich habe Verständnis, wenn Almirante Chavez versucht, das Beste für sein Land zu tun und seine Aufgabe, Peru von der Seeseite her zu schützen, zu erfüllen. Mit der Flotte, die ihm heute zur Verfügung steht, kann er das nicht."
"Ihnen ist aber bewusst, Señor Graf," antwortete Bustamante, „dass solch ein Vorhaben enorme Opposition hervorrufen wird, im Kabinett, im Parlament und in der Öffentlichkeit."
Das Fragezeichen am Ende von Bustamantes Satz war wieder nicht zu hören.
"Das ist mir bewusst, Excelencia, und dies ist auch der Grund, weshalb ich beschlossen habe, nur dann Geld und Zeit in die Projektarbeit zu investieren, wenn ich aus berufenem Munde höre, dass Ihre Regierung das Projekt will," sagte Graf.
"Ist das der Grund, weshalb mich heute früh Señor Walter Fernandez anspricht und mir Geld anbietet, damit ich Präsident Eugenio Scaloni überrede, das Vorhaben gut zu heißen?"
Diesmal war eindeutig, dass Bustamante eine Frage gestellt hatte!
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Oberst Carlos Garcia hatte sein Auto gegenüber dem Eingang zum Ministerium geparkt.
Kinzels Wagen war pünktlich vorgefahren, und Graf und Kinzel waren kurz vor halb sechs in dem Gebäude verschwunden.
Jetzt saß Garcia hier und wartete.
Er fragte sich, wo Roxana sein könnte.
Auf dem Weg hierher war er noch mal an ihrem Haus vorbeigefahren, aber das war weiterhin verschlossen. Ihr Handy antwortete nicht.
Etwas hatte nicht gestimmt, heute früh, er wusste nur nicht, was.
Es überstieg weiterhin sein Vorstellungsvermögen, dass sie sich jemand anderem zugewandt haben könnte. Er hatte ihr die Stellung besorgt, bei der sie mehr verdiente, als sie sich ihrer Ausbildung nach je hätte träumen lassen können, er hatte ihr soziale Sicherheit geboten! Sexuell hatte er sie befriedigt, das wusste er von ihrem Stöhnen, wenn sie vögelten.
Wo konnte sie nur stecken?
Und wieso hatte sie Kinzels Büro angerufen?
Garcia wusste nun, dass es um ein Beschaffungsprogramm für die Marine ging. Er war genauso sicher, dass Fernandez und Chavez dabei eine Menge Geld verdienen wollten.
An diesem Geld würde er teilhaben!
Er brauchte nur ein paar Beweise und Einzelheiten. Die Tatsache, dass sie sich mit Graf und Kinzel trafen, reichte nicht. Und der Fischereiminister war wahrscheinlich mit im Boot!
Er würde dahinterkommen, wer was abbekam. Es würde um eine Menge Geld gehen! Er wollte ein paar Millionen Dollar, ach was, eine Million würde reichen! Er könnte seine Kinder auf ordentliche Privatschulen schicken, seine Frau ruhigstellen, sich mehrere Geliebte halten, ein Leben in Saus und Braus führen!
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Roxana fuhr direkt zu ihrem Haus.
Sie packte ein paar Kleidungsstücke in eine Reisetasche. Dann rief sie ihre Freundin Carla an, um zu sagen, dass sie die Nacht bei Rupert im Hotel verbringen würde.
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Enrique Pato kam von seinem Gespräch mit General (PIP) Maximo Nasini zurück in sein Büro.
Er hörte seine Bänder ab.
Eine neue Quelle war hinzugekommen, die Übertragung aus Grafs Hotelzimmer. Während des Tages war die Abhöranlage installiert worden.
Pato hörte mit großer Deutlichkeit die Bemerkungen Grafs bei seinen verschiedenen Telefonaten. Den anderen Teilnehmer konnte er nicht hören. Das Mikrophon war nicht im Telefon versteckt, sondern in der Nachttischlampe. Die Telefonate abzuhören, bestand keine Möglichkeit. Dazu war die Telefonanlage des Hotels zu groß. Die Gespräche gingen über die Telefonzentrale des Hotels, und hier konnte er sich nicht einschalten.
Pato hörte, wie Roxana in Grafs Zimmer kam. Das war aber alles!
Die Unterhaltung zwischen Graf und Roxana war nicht zu verstehen, und niemand würde sie je entschlüsseln.
Graf hatte zu Beginn des Gesprächs Radio oder Fernseher angemacht!
Die Stimmen aus dem Gerät übertönten das Gespräch zwischen Graf und Roxana!
Enrique Pato dachte darüber nach, dass Graf ein nicht so leicht zu schlagender Gegner war.
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"Wir kennen Walter Fernandez," sagte Rupert Graf. "Wir wussten allerdings nicht, dass er beabsichtigte, Sie anzusprechen. Ich gehe davon aus, dass seine Einschätzung über die Machbarkeit des Vorhabens sich mit unserer deckt. Ohne Unterstützung aus der Politik wird es nicht gehen! Vor allem, wir haben ihn mit keinem Wort aufgefordert, Ihnen Geld anzubieten."
"Wenn ich meine Unterstützung geben will, brauche ich keinen Walter Fernandez!"
Bustamante schien verärgert.
Graf begab sich jetzt auf dünnes Eis.
"Excelencia," sagte er, "ich glaube gern, dass Sie ein Modernisierungsprogramm der Marine unterstützen. Es würde schließlich der Fischereiindustrie Ihres Landes zugute kommen. Nur, um es umzusetzen, bedarf es der Unterstützung auch aus anderen Verantwortungsbereichen. Die Ausarbeitung eines Angebotes kostet eine Menge Geld. Ich fasse ein solches Vorhaben nicht an, wenn ich nicht sicher sein kann, dass die Regierung es unterstützt. Wir alle drei wissen, dass sich eine solche Unterstützung nicht ausschließlich mit sachlicher Argumentation erreichen lässt."
Viel weiter konnte er nicht gehen!
"Señor Graf, ich kenne dieses Land und seine Eigenheiten. Ich denke, ich verstehe, was Sie zum Ausdruck bringen wollen. Dazu brauchen wir aber keinen Walter Fernandez!"
´Aha,´ dachte Graf, ´dahin läuft also der Hase!´
"Und wie stellen Sie sich das vor, Excelencia?" fragte er.
"Ich denke doch, Señor Graf, dass ich diese Geschichte werde handhaben können!" antwortete Bustamante.
"Excelencia, ich würde mich über Ihre Unterstützung sehr freuen," sagte Graf. "Sie haben Interesse, Ihre Fischfanggründe zu schützen. Dennoch, bei einem Projekt dieser Größenordnung bedarf es der Unterstützung noch übergeordneter Stellen. Wir können nicht mit internationalen Bankenkonsortien über die Finanzierung sprechen, ohne sicher zu sein, dass die gesamte politische Führung Ihres Landes hinter dem Projekt steht. Dass dies nicht ohne tiefes wechselseitiges Vertrauen abgeht, ist wohl uns allen dreien klar."
Das war sehr gewagt, und Graf war innerlich darauf eingestellt, jetzt hinauskomplimentiert zu werden.
"Verstehe ich richtig, Señor Graf, dass Sie von einer mir übergeordneten Stelle oder Person hören wollen, dass das Beschaffungsprogramm des Almirante Chavez gutgeheißen wird? Von wem wollen Sie das denn hören, womöglich vom Präsidenten der Republik selbst?"
"Ja", sagte Graf. "Das wäre mir das liebste."
Dabei guckte er Bustamante mit völlig arglosem Blick an.
"Und was wären Sie bereit, dafür zu tun?" fragte Bustamante. Graf gefiel ihm! Der Kerl hatte Nerven! Ihm hier in seinem eigenem Amtszimmer dreist zu erklären, dass seine, Bustamantes, Mitarbeit ihm nicht ausreichend wäre! Aber er hatte recht! Ohne Eugenio Scaloni würde das nicht gehen!
Graf sagte:
"Ich wäre bereit, Excelencia, beim Zustandekommen eines Vertrages einen Betrag zur Erfüllung sozialer Aufgaben zur Verfügung zu stellen, mit dem Sie Proteste aus anderen gesellschaftlichen Bereichen abfedern könnten."
Graf lächelte Bustamante entwaffnend an.
Bustamante sagte:
"Nun, Señor Graf, wir werden sehen. Kann ich Sie heute Abend erreichen? In Ihrem Hotel? Vielleicht bedarf es einer Fortsetzung dieses Gespräches. Ich sehe Präsident Scaloni heute Abend noch."
"Excelencia, ich wohne im Sheraton und werde dort zu Abend essen. Ich bin sicher, dass Sie mich jederzeit finden können."
"Señor Graf, wollen Sie bitte jetzt aufhören mit Ihrem ständigen ´Excelencia`."
Dies schien wiederum keine Frage zu sein.
"Sagen Sie bitte einfach Señor Bustamante! Und halten Sie mir Leute wie Walter Fernandez vom Halse!"
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Oberst Garcia beobachtete, wie Graf und Kinzel das Ministerium verließen. Noch als sie auf den Treppenstufen standen, kam der Wagen Kinzels vorgefahren, und beide stiegen ein. Der Wagen fuhr auf dem kürzesten Weg zurück zu Grafs Hotel.
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"Du hast vielleicht Nerven!" sagte Ludwig Kinzel, sobald sie wieder im Auto saßen. "Es ist nicht zu fassen! Sagst dem Kerl, seine Unterstützung reiche nicht! Weißt du nicht, dass Bustamante der engste Freund des Präsidenten ist?! Ich glaub, ich brauch´ jetzt schnell einen Whisky!"
"Reg´ dich ab, Lutz!" sagte Graf. "Wir brauchen klare Verhältnisse, je eher, desto besser!“
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Garcia sah, wie Graf und Kinzel vor dem Hotel ausstiegen. Der Wagen Kinzels fuhr weiter Richtung Miraflores. Garcia suchte einen Parkplatz, um sich dann in der Hotellobby niederzulassen. Es war nahezu 18 Uhr dreißig.
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Als Graf eine halbe Stunde später in die Hotelbar trat, war das Ehepaar Fernandez bereits eingetroffen. Sie warteten noch auf Karin Kinzel, die vom Chauffeur Ludwigs abgeholt wurde.
Graf begrüßte Liliana mit Handkuss, dann setzte er sich und sah sich um.
Zwei Tische weiter saß der Kerl mit den Hamsterbacken, Garcia.
Graf musterte ihn unverhohlen. Kein Zweifel, das war er.
Liliana fand, dass Graf sexy aussah mit schwarzen Jeans, schwarzem Polohemd und einem dünnen schwarzen Jackett darüber. Er trug weiterhin schwarze Slippers, aber keine Strümpfe.
Das fand Liliana ungewöhnlich, aber irgendwie auch schick.
Nach wenigen Minuten kam Karin Kinzel dazu.
Graf trank ein Glas Pisco-Sour, sein erstes bei diesem Aufenthalt.
Das Getränk aus weißem Weinbrand, Limonensaft, geschlagenem Eiweiß und Zuckersirup schmeckt, gekühlt serviert, wie Limonade, hat es aber in sich. Die meisten Leute sind nach dem dritten Glas hoffnungslos betrunken.
Graf beschloss, wieder auf Weißwein umzusteigen.
Walter Fernandez wirkte ungeduldig. Er wollte wissen, wie das Gespräch mit Bustamante verlaufen war. Er hatte Kinzel gleich bei seiner Ankunft im Hotel gefragt, wie es gewesen wäre, und der hatte nur gesagt: "Gut."
Sie beschlossen, in das Terrassenrestaurant im ersten Stock zu gehen. Dort konnten sie in der Nähe des Swimming-Pools sitzen, was etwas Abkühlung versprach.
Graf gab dem Kellner ein Zeichen, um seine Rechnung abzuzeichnen. Er sah aus den Augenwinkeln, dass auch Garcia zahlen wollte.
Sie gingen gemeinsam die Treppe nach oben. Während sie warteten, dass die Empfangsdame des Restaurants ihnen ihre Plätze zuwies, nahm Graf Walter beiseite. Kinzel stellte sich dazu.
"Zwei Dinge, Walter. Schauen Sie sich jetzt nicht um. Da kommt ein Bursche, der für Ihren Geheimdienst arbeitet. Er war vorhin auch in der Bar. Seien wir also bitte zurückhaltend mit allem, was wir sagen.
Das Gespräch mit Bustamante war gut. Es scheint, dass er uns unterstützen, aber die Dinge direkt regeln will, er hat ausdrücklich gesagt, ohne Sie. Nun, wir werden sehen."
Walter fiel ein Stein vom Herzen. Was ihm zwar Rätsel aufgab war, dass Graf einen Geheimdienstler erkannt haben wollte. Aber das wichtigste war, dass Bustamante nicht das Projekt kaputt gemacht hatte!
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Garcia ärgerte sich, dass ihm im Restaurant ein Tisch weit von der Gruppe um Graf zugewiesen worden war. So konnte er nur aus der Ferne zusehen, wie die Kellner um sie herumschwirrten, Wein und Wasser brachten, Essen servierten und Nachtisch und Kaffee.
Er selbst hatte sich mit einer Vorspeise begnügt und dazu das Brotkörbchen leergegessen.
Nicht, dass er keinen Hunger gehabt hätte, aber die Preise in diesem Hotel fand er zu hoch. Er hätte sie zwar bezahlen können, aber von seinem eigenen Geld, und das war ihm zu schade.
Bei einer offiziellen Überwachungsmission hätte er die Rechnung auf die Spesenliste gesetzt.
Das hier war aber nun mal nicht offiziell.
In der Hotelbar war nicht über das Geschäft gesprochen worden, das hatte er gehört. Er sah aber, dass alle fünf gelöster Stimmung waren, offenbar waren sie mit dem heutigen Tag zufrieden.
Er würde schon noch fündig, da war Garcia sicher. Auch Graf mit seinem arroganten Gesicht und seinem aufgesetzten Charme würde einen Fehler machen.
Der Gedanke, der ihm plötzlich durch den Kopf schoss, Roxana könnte mit diesem Mann die Nacht verbracht haben, verursachte Garcia ein krampfartiges Gefühl im Magen. Ihm wurde richtig übel.
Roxana! Wenn er sie erst in die Finger bekam! Das Türschloss auszuwechseln!
Seine Wut machte seine Übelkeit erträglicher.
Garcia winkte dem Kellner und bestellte noch einen Whisky.
Wegen dieses Luders gab er jetzt noch mehr Geld aus als nötig!
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Nach dem Essen brachte Graf seine Gäste bis zum Aufzug, mit dem sie direkt in die Tiefgarage fahren wollten. Dann fuhr er hinauf zu seinem Zimmer.
Als er Roxanas Nummer wählte, wurde sofort abgehoben.
„Ich warte auf dich,“ sagte er. „Park in der Garage und fahr direkt auf meine Etage. Dein Freund ist hier im Hotel.“
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Roxana fiel ihm um den Hals, sobald er die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
Er versuchte, sich aus ihrer Umarmung zu schälen.
"Komm, gucken wir mal, was die Minibar bietet, Vielleicht finden wir ein Fläschchen Weißwein. Oder hättest du lieber einen Champagner? Den gibt´s auch!"
Er kramte in der Minibar.
Roxana wollte ein Glas Wein.
Er goss zwei Gläser ein, machte den Fernseher an und bat sie, sich zu ihm auf das Sofa zu setzen.
"Dein hamsterartiger Garcia hat den ganzen Abend unten herumgelungert. Er ist uns selbst zum Abendessen gefolgt. Saß da und schielte zu uns herüber! Das ist vielleicht ein Herzchen!"
"Und wo ist er jetzt?"
"Ich vermute, er sitzt an der Bar, oder er ist hinter meinem Kollegen hergefahren. Vielleicht steht er auch draußen und lauscht an der Tür. Ist mir aber auch egal!"
Der Gedanke, dass Garcia an der Tür lauschen könnte, gefiel Roxana nicht!
"Rupert, willst du nicht nachschauen, ob er wirklich draußen steht? Wenn er mich hier finden sollte, weiß ich nicht, was passiert!"
"Wir legen die Sicherheitskette vor. Jetzt erzähl mir von dir!"
Roxana rückte näher an Graf heran.
"Was willst du wissen, Rupert?"
"Na, wer du wirklich bist, wo du herkommst, was du den ganzen Tag so tust, so einfach ein ganz normaler Lebenslauf." Graf grinste sie an.
"Nun, das ist nicht ganz leicht."
Roxana räusperte sich. Sie ergriff seine Hände und hielt sie fest. Sie hätte zu gern gehabt, dass er jetzt wieder ihr Handgelenk streichelte.
"Dass ich für unseren Geheimdienst arbeite, habe ich dir heute Nachmittag schon gesagt."
"Was tust du da?"
"Ich arbeite in einer Abteilung, die deutsche Unternehmen in Peru überwacht. Ich selbst spreche zwar kein Deutsch, aber die Leute, die Deutsch können, sitzen den ganzen Tag an Computern und Tonbandgeräten und hören Gespräche ab, Telefonate, lesen eure Telefaxe und E-Mails. Und wenn was wichtiges dabei ist, werden weitere Leute in Aktion gesetzt, die Beschattungen durchführen und den Betroffenen direkt auf die Finger gucken. Unsere Abteilung ist darauf aus, Unternehmen zu überprüfen, die in Programme von militärischer Bedeutung involviert sind. Es geht auch um Geschäfte mit anderen Regierungsstellen. So, wie wenn du Präservativherstellungsmaschinen an unser Gesundheitsministerium verkaufen willst."
Sie lächelte Graf scheu an.
"Garcia ist Chef der Deutschlandabteilung. Er hat keine typisch militärische Laufbahn hinter sich, da er aber einer von wenigen Leuten ist, die perfekt Deutsch können und sich mal besonders hervorgetan hat, haben sie ihn zum Oberst gemacht."
Sie holte Luft.
"Ich selbst bin da so was wie die Abteilungsbuchhaltung, mache den Schriftwechsel mit anderen Stellen in der Behörde."
Sie nahm einen Schluck Wein.
"Und wie bist du da hinein geraten?" wollte Graf wissen.
"Nun, ich hatte vorher eine Anstellung im Gesundheitsministerium, als Sekretärin. Von da hat mich jemand weggeholt und in die neue Stelle gebracht, die auch erheblich besser bezahlt wird."
"Das war Garcia, nicht wahr?"
"Ja."
"Bist du seine Geliebte?"
Roxana wurde puterrot.
"Ich war es, aber es ist vorbei."
"Aber noch nicht sehr lange?"
Sie holte tief Luft. Sie konnte ihm unmöglich sagen, dass er sie heute morgen geschlagen hatte!
"Nein, noch nicht sehr lange, Rupert."
"Was ist mit deiner Familie? Weiß die von deinem Job?"
"Nein, Rupert, meine Eltern sitzen in Arequipa im Gefängnis. Der offizielle Grund ist, dass man ihnen vorgeworfen hat, sie hätten mit Drogen gehandelt. Tatsächlich wurden sie verhaftet, weil man ihnen vorwarf, sie hätten mit dem `Leuchtenden Pfad´ sympathisiert. Sie waren beide Lehrer, waren politisch engagiert, engagierten sich sozial. Das passte nicht ins System. Es war schrecklich, als sie abgeholt wurden."
Roxana hatte jetzt Tränen in den Augen.
"Ich habe einen jüngeren Bruder, Gabriel, der in einer Landwirtschaftsgenossenschaft arbeitet. Er war damals noch klein, gerade zehn! Er hat so entsetzlich geweint, als sie ihn wegschleppten! Ich war schon sechzehn und wurde zu Verwandten nach Lima geschickt. Wir haben monatelang versucht, etwas über den Verbleib Gabriels herauszufinden. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis wir herausfanden, dass man ihn in diese Genossenschaft gesteckt hatte. Da war eine kinderlose Frau, die sich um ihn gekümmert hat. Er wollte dann auch von dort nicht fort, und wir wollten ihn nicht zwingen. Ich besuche ihn oder er besucht mich von Zeit zu Zeit."
"Und deine Eltern?" fragte Graf.
"Sie sind beide zu zwanzig Jahren Haft verurteilt worden. Der Prozess war reine Farce! Als sie verhaftet wurden, hatten sie plötzlich einige Päckchen Kokain in den Taschen. Meine Eltern! Sie waren so anständige Leute!"
Jetzt rannen Tränen über Roxanas Gesicht.
Graf nahm sie in den Arm. Sie klammerte sich an ihn.
Sie schluckte.
"Meine Eltern sind sehr religiöse Menschen. Sie versuchten, uns moralische und ethische Grundsätze zu vermitteln und uns Vorbild zu sein. Sie kümmerten sich um Kinder aus armen Familien, sie gaben ihnen umsonst Unterricht. Mein Vater war von morgens bis abends auf den Beinen, er unterrichtete selbst noch am späten Abend. Dann kamen die Indios, die tagsüber arbeiteten. Er brachte ihnen Spanisch Lesen und Schreiben bei. Es war unvermeidlich, dass dabei auch sozialpolitische Themen angesprochen wurden."
Roxana schluchzte jetzt wie ein kleines Kind.
"Mein Vater hat nicht mal gewusst, wie Kokain überhaupt aussieht!"
Graf streichelte ihr über den Rücken.
"Und, hast du Kontakt zu deinen Eltern?"
"Ich durfte sie fünf Jahre lang nicht besuchen. Ich habe sie kaum wiedererkannt, als ich sie sah. Sie sind in getrennten Gefängnissen. Es war entsetzlich!"
Sie hatte Mühe, zwischen ihren Schluchzern Luft zu holen.
"Verwandte von mir aus Arequipa gehen regelmäßig hin. Mein Bruder jetzt auch. Ich schicke Geld, damit Gabriel und meine Tanten Lebensmittel für meine Eltern kaufen können. Die Behandlung in peruanischen Gefängnissen ist keine Kur. Beide verdienen sich etwas dazu, indem sie Wärtern und Gefangenen Unterricht geben."
Sie holte tief Luft.
"Und weißt du, was das Traurigste war? Als ich meinen Vater wiedersah, nach fünf Jahren, da fragt der mich doch tatsächlich: `Mein Kind, hast du dir deine Unberührtheit bewahren können?` Wir konnten uns durch den Maschendraht gerade mal an den Fingerspitzen berühren, ich hab geheult wie ein Schlosshund, und der hatte nichts anderes im Kopf, als dass ich noch jungfräulich wäre! Er hatte gesehen, dass ich noch unverheiratet war, und dass ich dann jungfräulich zu sein hatte, entsprach seinen religiösen und moralischen Vorstellungen! Der arme Kerl, sitzt da in strengster Haft und zerbricht sich den Kopf, ob seine erwachsene Tochter unter die Räder gekommen ist!"
Sie schluchzte. Als sie zu Graf aufsah, war ihr Gesicht tränenüberströmt.
Graf war etwas hilflos in dieser Situation.
Er nahm Roxana fest in den Arm und drückte sie. Wahrscheinlich war es das Beste, den Mund zu halten!
"Ich war aber schon nicht mehr jungfräulich!" sagte Roxana mit einem trotzigen Unterton in der Stimme. "Meine Jungfräulichkeit wurde ich los, als mich drei Polizisten nach Lima überführten, um mich bei meinem Onkel abzuliefern!"
Sie hielt Graf weiter umklammert.
Der hatte angefangen, mit seinem Zeigefinger ihren Nacken zu streicheln, und fuhr im Inneren ihres Blusenkragens herum. Das schien sie zu beruhigen. Zumindest hörte sie auf, zu weinen. Ihr Atem wurde wieder langsamer, und er merkte, wie sie unter diesem Streicheln leicht erschauerte.
Sie hob ihren Kopf zu ihm auf und begann, Graf langsam, aber immer intensiver, zu küssen.
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Garcia war ratlos.
Er hatte nicht mitbekommen, als die Gruppe um Graf die Rechnung bezahlt hatte.
Plötzlich waren alle aufgestanden und hatten das Restaurant verlassen. Bis er gezahlt hatte und hinterhergehen konnte, waren sie verschwunden. Er war über die Treppe in die Hotelhalle gelaufen, hatte in die Bar gesehen, aber weder Fernandez noch Graf noch Kinzel entdecken können.
Garcia war nach draußen gestürzt und hatte die Ausfahrt der Hotelgarage im Auge behalten. Nach wenigen Augenblicken waren sowohl Kinzels Mercedes als auch Fernandez´ schwarzer BMW die Auffahrt heraufgekommen und hatten sich in den abendlichen Verkehr eingefädelt.
In beiden Autos hatten jeweils nur zwei Personen gesessen.
Garcia ging zurück in die Bar. Er war sicher, dass Graf noch im Hotel war. Er rechnete damit, dass Graf nochmal an die Bar kommen würde, um noch etwas zu Trinken.
Es war gerade halb elf Uhr abends.
Er bestellte noch einen Whisky.
---
Während Roxana im Bad zugange war, überlegte Graf, was er mit dieser jungen Frau machen sollte. Das Vernünftigste schien, sie so schnell wie möglich wieder los zu werden.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Er hob ab.
"Erkennen Sie meine Stimme? Wenn ja, dann begrüßen Sie mich jetzt nicht mit Namen oder Titel!"
Graf war sich nicht sicher.
"Wir haben heute miteinander gesprochen?"
"Ich habe Sie aufgefordert, nicht so verdammt höflich zu sein! Haben Sie ein Auto? Wenn nicht, besorgen Sie sich eins. In einer halben Stunde steht auf der Avenida Javier Prado, hundert Meter von der Avenida Arequipa aus in östlicher Fahrtrichtung ein gelber Toyota, bei dem ein Rücklicht defekt ist. Sobald Sie dieses Fahrzeug sehen, blinken Sie es an und folgen Sie dann diesem Fahrzeug!"
Es wurde aufgelegt.
Graf klopfte an die Badezimmertür.
"Komm ruhig rein!" rief Roxana von drinnen.
Sie war gerade dabei, in einen der weißen Frotteebademäntel zu schlüpfen und sah zum Anbeißen aus.
Er nahm sie in den Arm.
"Roxana, ich muss noch mal weg. Ich weiß nicht genau, wohin. Erst mal zu einer Avenida Javier Prado."
Sie war überrascht. Eigentlich hatte sie gehofft, jetzt zu Rupert ins Bett kriechen und sich an ihn schmiegen zu können.
"Noch mal weg?" fragte sie.
"Ja, ich hatte gerade einen Anruf. Ich muss noch zu einem Gespräch. Ich nehme einen Wagen vom Hotel."
"Nein, ich fahre dich! Hauptsache, wir sind zusammen. Ich ziehe mir eben was an."
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Oberst Carlos Garcia hoffte, dass ihm der Kellner noch ein weiteres Schälchen mit Chips und Erdnüssen hinsetzen würde. Zwei hatte er schon leergegessen, er hatte Hunger!
In dem Moment betrat Graf die Hotelbar und stellte sich an die Theke.
Der Barkeeper goss Graf ein Glas Weißwein ein, ohne dass Gracia hätte sehen können, dass Graf es bestellt hätte.
Graf machte eine Bemerkung zu dem Barkeeper. Der lachte und schob Graf einen Teller mit Häppchen zu.
Garcia beobachtete Graf.
Wieder stieg die Eifersucht heiß in ihm hoch, als er sich vorstellte, wie Roxana mit diesem Mann zusammen wäre, ihn küsste, womöglich mit ihm schlief. Dieser Gedanke verursachte in ihm eine Qual, die so schlimm war, dass er sie fast als süßen Schmerz empfand.
Garcia überlegte, was eine Frau an Graf anziehend finden mochte.
Seinen kahlgeschorenen Kopf?
Garcia hatte schon mehrmals gehört, dass Frauen das sexy fanden, auch wenn es seine Vorstellungskraft überstieg.
Sein Geld?
Gracia war sicher, dass ein Mann wie Graf über eine Menge Geld verfügte, auch wenn er Angestellter eines Unternehmens war.
Garcia hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Kinzel im Umgang mit Graf gewesen war. Nicht devot, aber man sah doch, dass Graf eindeutig eine höhere hierarchische Stellung im Unternehmen haben musste. Und Kinzel hatte einen Mercedes und ein schönes Haus in einer der teuersten Gegenden Limas!
Charme?
Garcia wusste nicht genau, was dieser Begriff bedeutete, hatte aber mitbekommen, wie die Kellner im Restaurant gestern Nacht und heute und die Kellner hier in der Bar auf Graf reagiert hatten, freundlich, zuvorkommend, mit einer Aufmerksamkeit, die er, Garcia, noch nirgendwo erfahren hatte. Auch Grafs Umgang mit den Frauen von Kinzel und Fernandez hatte ihn, das musste er zugeben, beeindruckt. Sie schienen an Grafs Lippen zu hängen, wenn er etwas sagte, lachten und warfen ihm bewundernde Blicke zu. Dann diese antiquierte Höflichkeit, diese Händeküsserei in einem Land, in dem es üblich war, sich auf die Wangen zu küssen!
Schön war Graf wahrhaftig nicht! Er war groß, zumindest größer als Garcia. Er war, zugegebenermaßen, schlank. Er hatte eine lange, etwas krumme Nase.
Wieder musste er daran denken, wie Roxana sich benommen haben würde, wenn sie mit diesem Mann zusammen gewesen wäre.
Aber sie hatte ja gesagt, sie hätten sich beide nur angegrinst.
Wäre er doch bloß dabei gewesen!
Würde Frauen Grafs Kleidung gefallen? Garcia hatte Graf bisher als geschniegelt angesehen, als zu elegant! Würde es seiner eigenen Frau gefallen, wenn er, wie Graf, in so einem schwarzen Aufzug herumliefe?
In dem Moment fiel Garcia siedend heiß ein, worüber er den ganzen Tag schon gerätselt hatte!
Roxana! Sie hatte heute früh ihr schwarzes Minikleid angehabt! Dieses Kleid trug sie sonst nur abends! Sie war so stolz darauf, wie sie aussah, wenn sie dazu noch schwarze Strumpfhosen trug!
Heute früh hatte sie keine Strumpfhosen angehabt, aber das Kleid! Das Kleid, das sie immer nur abends trug!
Roxana war nicht vom Einkaufen gekommen, sie musste von irgendwo gekommen sein, wo sie übernachtet hatte!
Sie hatte nicht zuhause geschlafen!
Noch etwas fiel ihm jetzt ein. Sie hatte nasse Haare gehabt, aber ihre Wanne war knochentrocken gewesen! Das hatte er gesehen, als er ihr Klo benutzt hatte.
Roxana, seine Roxana, hatte ihn betrogen!
Garcia sah, wie Graf in diesem Augenblick dem Barkeeper einen Geldschein zuschob und zum Ausgang ging.
Es war soeben viertel vor zwölf Uhr abends.
---
Graf fuhr geradewegs zu seinem Zimmer.
Roxana war fertig angezogen und geschminkt. Man sah nicht, dass sie vorhin geweint hatte.
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu.
"Er sitzt immer noch in der Bar. Er scheint aber nicht ganz bei sich zu sein. Komischer Vogel!" sagte Graf.
"Ich habe Angst vor ihm," sagte Roxana.
"Komm, ich bin bei dir," antwortete Graf. "Können wir?"
Bevor sie das Zimmer verließen, führte Graf noch ein kurzes Telefonat.
Dann gingen sie gemeinsam die paar Schritte zum Aufzug.
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Garcia war wie gelähmt.
Roxana hatte tatsächlich die Nacht mit Graf verbracht!
Garcia war nahe daran, sich zu übergeben.
Er winkte dem Kellner, um zu zahlen. Ein Trinkgeld gab er nicht. Er musste sich jetzt irgendwo hinsetzen und überlegen, was er tun konnte, am besten in die Hotelhalle. Da hatte er auch die Aufzugtüren im Auge.
War Graf in die Bar gekommen, um nachzusehen, ob Roxana hier auf ihn wartete? Würde er auch in der Halle sein, um den Hoteleingang überschauen zu können?
Garcia sah sich um. Von Graf war nichts zu sehen.
Er ließ sich in einen der Sessel fallen. Er musste nachdenken, er musste sich beruhigen!
Sein Herz tat ihm weh.
Wieder glaubte er, sich übergeben zu müssen. Einen Moment war er damit beschäftigt, den Brechreiz zu unterdrücken.
Roxana! Er hatte sie immer gut behandelt, ihr Geschenke gemacht, ihr eine gut bezahlte Stelle verschafft! Selbstmitleid stieg in ihm hoch.
Roxana hatte ihn betrogen!
Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen!
Wo steckte sie bloß, dieses Luder?
Er würde jetzt noch mal zu ihrem Haus fahren! Sie sollte ihn jetzt richtig kennenlernen!
Ein Page mit einer holzgerahmten Tafel und einer Glocke lief an ihm vorbei. Er klingelte und zeigte die Tafel den in der Halle sitzenden Gästen.
Garcia schreckte durch das Gebimmel auf.
Auf der Tafel stand, mit weißer Kreide geschrieben:
`Señor Carlos Garcia Alvarez`.
Garcia sagte: "Das bin ich."
"Sie werden am Telefon verlangt, Señor Garcia. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?"
Garcia stand auf und ging mit unsicheren Schritten hinter dem Pagen her, der ihn zu einer Reihe von fünf Telefonzellen in der Nähe der Rezeption führte.
Der Page sagte:
"Zelle drei bitte, Señor Garcia."
Garcia trat in die Zelle und hob den Hörer ab.
"Ja bitte?!" sagte er.
Am anderen Ende wurde aufgelegt.
Garcia brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er nur ein Freizeichen hörte.
Erst da ging ihm auf, dass eigentlich niemand wissen konnte, dass er sich hier im Hotel aufhielt.
Er knallte den Hörer auf die Gabel und stürzte aus der Zelle.
Weder Graf noch Roxana waren irgendwo zu sehen.
Garcia ging in die Zelle zurück und hob den Hörer ab.
Nach zwei Klingelzeichen meldete sich eine Frauenstimme:
"Operadora, wie kann ich Ihnen helfen?"
"Mein Name ist Garcia, ich bin soeben ausgerufen worden, aber der Anruf war weg, als ich dran ging. Können Sie mir sagen, wer nach mir gefragt hat?"
"Das weiß ich leider nicht, Señor Garcia, der Anruf kam von außerhalb, nicht aus dem Hotel."
"Verbinden Sie mich mit Señor Graf, er ist Gast in Ihrem Hotel!"
"Sofort, Señor Garcia."
Er hörte Knacken in der Leitung, dann das Klingelzeichen.
Nach zehnmal Klingeln meldete sich erneut die Frauenstimme:
"Es hebt niemand ab, Señor Garcia. Wollen Sie eine Nachricht hinterlassen?"
"Nein, vielen Dank."
Er legte auf.
Jetzt war ihm richtig übel.
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Zur gleichen Zeit verließen Rupert Graf und Roxana in deren VW die Garage und fuhren über die Plaza Almirante Grau auf die Via Expresa. Die führt parallel zur Avenida Arequipa.
An der Unterführung bei der Avenida Javier Prado würden sie rechts abbiegen, bis zur Avenida Arequipa fahren, dort auf die Gegenfahrbahn wechseln und nach dem gelben Toyota Ausschau halten.
Graf freute sich, mal wieder in einem VW-Käfer zu sitzen, in Deutschland waren die inzwischen zur Rarität geworden. Sie würden zwar etwas verspätet an dem Treffpunkt mit dem gelben Toyota sein, aber das war Graf egal.
Graf legte den Arm auf Roxanas Rücklehne und kraulte ihr den Nacken.
Roxana legte den Kopf zurück und seufzte. Sie musste sich bemühen, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Trotzdem legte sie ihre rechte Hand auf Ruperts Oberschenkel.
Rupert hatte ihr erklärt, wo ein anderes Fahrzeug warten würde. Das endgültige Ziel der Fahrt kenne er auch nicht.
Das war ihr egal, Hauptsache, sie war mit ihm zusammen.
Er hatte ihr erzählt, was der in Deutsch geführte Anruf zu bedeuten hatte, und dass sie unbesorgt mit ihm zur Garage fahren könnte.
Sie sah zu ihm herüber und lächelte ihn an.
Ein interessanter Mann! Sie wusste nicht, ob sie interessante Männer liebte, aber sie wusste, sie liebte Rupert.
Sie verstärkte den Druck ihrer Hand auf seinem Schenkel.
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Enrique Pato sollte am nächsten Morgen verwundert sein, als er die Telefonate Kinzels abhörte. Sein Computer hatte sowohl den Anruf Grafs gespeichert, der Kinzel aufforderte, im Hotel anzurufen, zu bitten, Carlos Garcia Alvarez auszurufen, und dann aufzulegen, sobald der sich melden würde, als auch den Anruf Kinzels im Hotel, mit dem er diese Anweisung befolgte.
Seine Verwunderung würde nicht geringer sein als die Ludwig Kinzels. Auf Kinzels Frage, um was es denn ginge, hatte Graf nur gesagt:
"Das erzähl´ ich dir morgen, Lutz."
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Oberst Carlos Garcia sollte nicht verwundert sein, sondern er sollte sich maßlos ärgern!
Zunächst einmal aber ärgerte er sich jetzt.
Hätte er nicht soviel Whisky getrunken, hätte er sich nicht dermaßen über Roxana aufgeregt, nie wäre er auf einen so blöden Trick hereingefallen!
Auch er fuhr auf der Via Expresa.
Er wollte so schnell wie möglich zu Roxanas Haus. Er überlegte, dass Graf womöglich in einem Taxi unterwegs dorthin war. Er überlegte, wie es wäre, vor Graf dort zu sein. Er stellte sich vor, wie Roxana, glaubend es wäre Graf, die Tür öffnete. Er überlegte, was er mit ihr anstellen würde. Sie verprügeln? Das war zu wenig! Sie quälen? Sie quälen! Sie sollte die selben Qualen durchmachen wie er heute Abend! Und Graf würde draußen vor der Tür stehen und ihr Schreien und Flehen hören!
Garcia trat das Gaspedal noch weiter durch.
Fast hätte er Roxanas VW nicht erkannt.
Er trat voll auf die Bremse und hatte Mühe, die Schleuderbewegungen des Toyota auszugleichen.
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"Da ist Garcia!"
Graf hatte zwar das Aufleuchten der Bremslichter des weißen Toyotas gesehen, der sie gerade überholt hatte, dies aber nicht mit sich oder Roxana in Verbindung gebracht.
"Ja und?" fragte er.
"Er fährt vor uns her!"
"Dann fahr langsam!" Graf kraulte immer noch ihren Nacken.
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Walter Fernandez sah mit Liliana die Spätnachrichten im Fernseher an.
Plötzlich fuhr er hoch.
Der Sprecher hatte gerade über den Besuch von Fischereiminister Bustamante in Chimbote berichtet. Man sah Bustamante, wie er mit einer Gruppe von Leuten diskutierte, die als Repräsentanten der Fischereigenossenschaft erwähnt wurden. Es sei eine sehr heftige Diskussion gewesen, in der es um die immer geringer werdenden Fischmengen gegangen sei.
Zum Abschluss des Berichtes sagte der Sprecher:
"Minister Bustamante hat heute am frühen Abend verlautbaren lassen, dass er in Abstimmung mit Präsident Scaloni den Oberkommandierenden der Marine Vize Admiral Rogerio Chavez zu sich rufen wird, um die Verbesserung des Schutzes der peruanischen Seegebiete zu besprechen. Die Marine soll die Beschaffung neuer und effektiver Schiffseinheiten untersuchen. Nur mit neuen Schiffen kann den kriminellen Elementen Einhalt geboten werden, die unberechtigt in unsere nationalen Gewässer eindringen, um ihr räuberisches Unwesen zu treiben."
Dann kamen Sportberichte.
Walter griff zum Telefon und wählte die Privatnummer von Rogerio Chavez.
"Hast du gerade die Nachrichten gesehen?"
"Ja. War das unser Freund? Der war doch heute Nachmittag dort."
"Ich nehme es an. Er hat mir nur gesagt, es sei alles gut gelaufen."
"Wir sprechen morgen. Grüße an Liliana!"
"Bis morgen."
Walter legte auf.
Am liebsten hätte er auch Kinzel angerufen, fand dann aber, dass die Abendstunde zu weit fortgeschritten sei.
Er goss sich ein Glas Whisky ein, brachte Liliana ein Glas Sherry. Als sie ihn verwundert ansah, sagte er:
"Liebling, ich glaube, jetzt werden wir reich. Ich meine nicht wohlhabend, ich meine reich, richtig reich. Salud!"
Er hob sein Glas und trank es auf einen Zug aus.
"Wie reich?" fragte Liliana.
"Sehr reich, mein Schatz."
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