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Kapitel 3

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3. Scaloni

Ludwig und Karin Kinzel hatten die Nachrichten auch gesehen. Kinzel rief im Sheraton an, um Graf zu informieren. In dessen Zimmer meldete sich niemand, und eine Nachricht wollte er nicht hinterlassen.

Er wunderte sich, wo Rupert jetzt noch stecken könnte.

Wahrscheinlich war er in der Bar und flirtete mit einer jungen Dame.

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Roxana fädelte sich auf der ganz rechten Spur ein.

Garcia fuhr auf der linken Spur, war jedoch merklich langsamer geworden. Hinter ihm wurde gehupt.

„Er glaubt, wir fahren zu mir nach Hause,“ sagte Roxana. „Das wäre die übernächste Ausfahrt.“

Beim Abbiegen von der Autobahn sahen sie, wie Garcias weißer Toyota mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr.

Als sie sich der Avenida Arequipa näherten, wies Graf sie auf den am Rande der Gegenfahrbahn stehenden gelben Toyota hin.

Roxana wendete bei der Kreuzung, und als sie noch fünfzig Meter von dem Wagen weg waren, sah Graf, dass nur das linke Rücklicht brannte. Er bat Roxana, die Lichthupe zu betätigen.

Auf ihr Zeichen hin fuhr der Toyota an.

Sie folgten dem Fahrzeug ungefähr zwei Kilometer.

Dann fuhr der Wagen nach rechts in ein Wohngebiet.

Trotz der Dunkelheit konnte Graf erkennen, dass sie sich einer Gegend mit villenartigen Häusern befanden. Es ging um mehrere Ecken, um dem Einbahnstraßensystem zu folgen.

Dann hielt der Toyota vor einem hell erleuchteten Haus, vor dem mehrere andere Fahrzeuge standen.

In einem Teil der Autos saßen Männer, die sich nach ihnen umsahen, als Roxana und Graf ausstiegen.

Sie wurden von einem jungen Mann mit soldatischem Aussehen, der aber in Zivil gekleidet war, zum Eingang geführt.

In der Eingangshalle wartete eine Frau von ungefähr Ende dreißig, die sie freundlich anlächelte.

Sie stellte sich nicht vor, rief aber aus:

"Ah, der Señor aus Deutschland. Sie kommen in Begleitung! Wie nett! Wenn Sie mir bitte folgen wollen?"

Roxana hielt Grafs Arm fest umklammert. Sie hatte die Frau erkannt, von der zunehmend häufiger Bilder in Zeitungen und Illustrierten abgebildet waren.

Die Frau ging vor ihnen her, und Graf hatte Gelegenheit, ihr ausladendes Hinterteil zu bewundern. Ihr Oberkörper war schlank, die Hüften sehr breit. Durch einen langen, bauschigen Rock war diese Tatsache allerdings ordentlich kaschiert.

Die Dame öffnete eine Tür, hinter der ein wohnlich eingerichteter Raum zu sehen war.

"Ich bitte die Señorita, hier für eine Weile Platz zu nehmen," sagte sie. "Es wird sofort jemand kommen und Sie fragen, was Sie trinken möchten. Da ist auch ein Fernseher und etwas zu Lesen."

Roxana mochte Grafs Arm gar nicht los lassen.

Er nickte ihr zu.

Roxana betrat das Zimmer, und sofort wurde die Tür hinter ihr geschlossen.

Graf wurde noch ein paar Schritte weiter geführt.

Die ihm Unbekannte öffnete eine weitere Tür und betrat vor ihm einen großzügigen Wohnraum.

Auf den Sofas saßen Minister Bustamante und ein Mann, den Graf von Fotos her kannte, Seine Exzellenz der Präsident der Republik Peru, Eugenio Scaloni.

Beide Herren erhoben sich, als Graf und die Frau nähertraten.

Die Frau sagte:

"Eugenio, Señor Graf aus Deutschland."

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Oberst Garcia hatte Mühe gehabt, sein schlingerndes Auto auf der Fahrbahn zu halten. Roxana hatte eindeutig auf dem Fahrersitz gesessen! Der kahle Kopf Grafs war ebenfalls nicht zu übersehen gewesen.

Garcias Puls raste.

Dieses Luder! Sie war im Hotel gewesen!

Jetzt gab es nicht mehr den leisesten Zweifel! Sie hatte die letzte Nacht mit Graf verbracht.

Bis er sie zusammen im Auto hatte sitzen sehen, hatte er immer noch gehofft, er wäre einem Irrtum unterlegen.

Diese Hure!

Garcia übersah völlig, dass er selbst es gewesen war, der Roxana zu Graf geschickt hatte. Daran wollte er auch jetzt gar nicht denken.

Wohin könnten sie unterwegs gewesen sein? Zu Roxanas Haus? Das sähe dem Luder ähnlich, Graf in ein Bett einzuladen, in dem er, Garcia, gestern Nachmittag noch mit ihr gelegen hatte!

Er fuhr von der Via Expresa ab in die Gegend, in der Roxana wohnte.

Das Haus war stockdunkel. Würde Roxana den Rest des Weges über die Stadtstraßen fahren, müsste sie in einer Viertelstunde hier sein.

Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.

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Scaloni wandte sich an Graf.

"Sie also sind der Mann, der uns für eine halbe Milliarde Dollar Kriegsschiffe anbietet? Der Mann, der von mir hören will, dass ich bereit bin, diese Kriegsschiffe zu kaufen?"

"Ja, Exzellenz," sagte Graf bescheiden.

Er war heilfroh, dass in diesem Augenblick die Frau namens Anamaria mit einem Weinglas hereinkam und es vor ihn hinstellte.

"Lass uns allein!" befahl Scaloni.

Dann wieder zu Graf:

"Mein Freund Carlos Bustamante hat mir über Ihr Gespräch berichtet. Das ist heller Wahnsinn! Peru kann sich das nicht leisten!"

Er sah Graf an.

Scaloni war ein gedrungener Mann mit brutalen Aussehen. Er wirkte energisch und zäh. Graf überlegte, ob er einmal Boxer gewesen wäre.

Manieren hatte er nicht!

"Señor Presidente," antwortet Graf. "Die Idee, Ihre Marine mit neuen Schiffe auszurüsten, stammt nicht von mir. Minister Bustamante wäre sicher glücklich, wenn die peruanischen Gewässer besser überwacht werden könnten. Das Vermögen, das Ihrem Land durch Raubfischerei Jahr für Jahr verloren geht, könnten Sie für Ihr Land besser verwenden! Wie Peru dasteht, sollte einer Ihrer Nachbarn Sie von der Seeseite her angreifen, müssen Ihnen Ihre Militärexperten sagen. Wenn Sie gegen dieses Vorhaben sind, dann ist das für mich in Ordnung, und wir sparen Zeit und Arbeit. Aber umsetzen lässt es sich nur, wenn Sie dafür sind."

„Und das müssen Marineschiffe sein? Es gibt doch auch,“ Scaloni sah Bustamante fragend an, „Fischereischutzboote?“

„Ja klar!“ sagte Graf. „Aber das ist ein Unterschied wie zwischen Fahrrad und Auto.“

Graf probierte den Wein. Er war ausgezeichnet.

„Können Sie uns das bitte erklären, Señor Graf?“ Scaloni machte nicht den Eindruck, als ob sein Geduldsfaden besonders strapazierfähig wäre.

„Excelencias, ich weiß nicht, wie weit Ihnen bewusst ist, was sich in Ihren Gewässern abspielt. Ich bin überzeugt, wir haben hier Verhältnisse ähnlich wie vor den meisten afrikanischen Ländern. Peru ist Mitglied des Lomé-Abkommens, in dem Industriestaaten und Entwicklungsländer ihren Umgang, was den Handel mit Naturprodukten angeht, festgelegt haben. Wahrscheinlich, Ministro Bustamante, meldet sich einmal im Monat bei Ihrem Ministerium eine japanische, spanische oder von sonst wo herstammende Fischereiflotte und sagt, wir fischen in Euren Gewässern mit, sagen wir, vierzehn Trawlern. Sie melden sich auf Englisch und sagen fourteen. Für diese vierzehn Schiffe wird nach dem Lomé-Abkommen Peru ein Entgelt bezahlt. Ihr Ministerium, Señor Ministro, macht eine Rechnung auf, welche Mengen an Fisch diese vierzehn Schiffe gefangen haben mögen, und diese Rechnung wird anstandslos beglichen.“

„Ist das so?“ fragte Scaloni.

Bustamante nickte.

„Ihr Problem ist jedoch,“ sagte Graf, und er hatte Mühe, nicht hämisch zu klingen, „diese Fischfangflotte besteht nicht aus vierzehn, sondern aus vierzig Schiffen. Bezahlt wird nur für den Fang von vierzehn. Sollte das Ganze auffliegen, war es ein sprachliches Missverständnis. Fourteen, fourty!“ Graf nahm einen weiteren Schluck Wein.

„Und die Marine merkt das nicht?“ fragte Scaloni nach einer langen Pause.

„Kann sie nicht!“ sagte Graf. „Ihre Marine verfügt derzeit über keine Schiffe, mit denen sie eine effektive Seeraumüberwachung durchführen könnte. Ihre U-Boote, soweit überhaupt einsatzfähig, sind für diese Aufgabe ungeeignet. Die alten Fregatten könnten solche Aufgaben übernehmen, sind aber zu gut auf den Radarschirmen der Fischereiboote erkennbar. Die fahren einfach davon in internationale Gewässer. Wer das überprüfen könnte, wäre Ihre Luftwaffe, aber die kann lediglich feststellen, dass mehr Schiffe dort fischen als angemeldet, kann aber aus der Luft nichts dagegen tun.“

Das Geräusch, das Bustamante von sich gab, klang wie das Schnauben eines Stiers.

„Das erklärt mir immer noch nicht, warum es Kriegsschiffe sein müssen und nicht Fischereischutzboote sein können,“ sagte Scaloni.

„Es könnten durchaus Fischereischutzboote sein, Exzellenz,“ antwortete Graf. „Allerdings wären diese in ihrer Effektivität eingeschränkt.“

„Wieso?“ Die Frage kam von Bustamante.

„Fischereischutzboote sind kleiner, haben geringere Reichweite, und sind zudem langsamer als Korvetten oder Fregatten. Außerdem verfügen sie nicht über so aufwändige Radaranlagen wie Marineschiffe. Während ein Marineschiff über eine eigene Stromversorgung verfügt, die der einer Kleinstadt entspricht, hat das Fischereischutzboot Generatoren, um lediglich ein Dorf mit Strom zu versorgen. Was Peru benötigt, sind Schiffe mit hochleistungsfähigen Radaranlagen, mit denen die tatsächliche Größe der Fischereiflotten erkannt werden kann. Dafür wird elektrische Energie gebraucht. Die Schiffe müssen schnell genug sein, um von der Meerseite her die Fischereiboote so einzukesseln, dass diese nicht in internationale Gewässer entkommen können. Und sie müssen nach modernsten Errungenschaften der Stealth-Technologien gebaut sein.“

„Nach was?“ fragte Scaloni.

„Stealth,“ sagte Graf. „Reduzierte Radar- und Infrarotsilhouetten. Auf den Radargeräten der Fischereiflotten sind die Korvetten nicht sichtbar, oder bestenfalls mit der Radarabstrahlung eines anderen Fischerbootes. Die Fischfangflotte merkt zu spät, was los ist. Dann sind Ihre Korvetten da, zwingen die Flotte in den nächsten peruanischen Hafen, und dann wird abgerechnet! Sie sollen mal sehen, wie gerne für Ihren gefangenen und verarbeiteten Fisch gezahlt wird. Die Fischereiflotte mit ihrem Fang an Bord wird im Zweifel mehr wert sein Ihre Korvetten.“

„Und warum sollen unsere Fregatten das nicht auch können?“ fragte Scaloni.

„Exzellenz, diese Schiffe sind annähernd dreißig Jahre alt. Die Entwicklung der Elektronik in diesen dreißig Jahren war rasant. Ihre Fregatten verfügen nicht über genügend moderne Ortungsanlagen. Sie sind, weil nicht nach Stealth-Gesichtspunkten gebaut, weithin auf jedem Radarschirm sichtbar.“„Mir will nicht in den Kopf, warum ein Fischereischutzboot diese Aufgaben nicht auch erfüllen könnte,“ antwortete Scaloni. „Man könnte doch auch da mehr Generatoren drauf packen, das Schiff mit hochwertigen Radaranlagen ausrüsten, und mit stärkeren Maschinen für die notwendige Schnelligkeit sorgen.“ Er sah Graf forschend an.

„Klar,“ sagte Graf. „Das geht. Dann haben Sie eine Korvette, zum Preis einer Korvette.“ Er guckte auf sein fast leeres Weinglas. „Bitte erlauben Sie mir einen Vergleich, auch wenn der etwas hinkt: Meine Bekannte, die mich hierher gebracht hat, hat einen alten VW Käfer. Jedem versierten Bastler wird es gelingen, dieses alte Auto so zu frisieren, dass der Wagen problemlos eine Geschwindigkeit von hundert achtzig Stundenkilometern erreicht. Es wird gelingen, eine zusätzliche Lichtmaschine einzubauen, Halogenscheinwerfer anzubringen, eine leistungsfähige Stereoanlage zu installieren. Allerdings wird der Bastler feststellen, dass das nun schnellere Auto auf der Straße hüpft und die Neigung entwickelt, in Kurven dem Lenkrad nicht zu gehorchen oder einen längeren Bremsweg zu haben. Also wird der Bastler sich daranmachen, Federbeine und Stoßdämpfer zu verändern, ein anderes Bremssystem zu installieren, was weiß ich was noch. Zum Schluss hat er ein Auto mit den Leistungsdaten eines Mercedes oder BMW oder Audi. Gekostet hat ihn sein Wagen allerdings mehr als ein neues Auto dieser Marken, und wie lange der frisierte Motor hält, weiß niemand.“ Graf guckte wieder auf sein fast leeres Weinglas. Scaloni und Bustamante blieben stumm. Graf hatte nicht erkennen können, ob oder was für ein Signal Scaloni gegeben haben mochte, aber die breithüftige Dame erschien und füllte sein Glas wieder auf.

Erst, als die Frau den Raum verlassen hatte, sagte Scaloni:

„Korvetten für den Fischereischutz? Mir scheint das immer noch überzogen!“ Er sah Graf an.

Graf sagte:

„Exzellenz, die Entscheidung liegt bei Ihrer Regierung. Ich bin zwar der Ansicht, dass, wenn jetzt neue Schiffe beschafft werden sollten, es wirtschaftlich sinnvoll wäre, etwas zu kaufen, das Ihrem Lande die nächsten drei Jahrzehnte dient. Aber ich bin da leidenschaftslos.“

Einen Augenblick lang war Stille.

Dann ergriff Scaloni erneut das Wort.

"Señor Graf, was habe ich davon, wenn ich solch ein Vorhaben unterstütze? Ärger! Mit der Opposition, mit dem Parlament, aus meinen eigenen Reihen. Mit der Presse, mit der Öffentlichkeit! Mein Finanzminister wird Zeter und Mordio schreien!"

"So sehe ich das auch, Señor Presidente. Es sei denn, und das ist eine Frage der Öffentlichkeitsarbeit, es gelingt, die richtigen Argumente zu vermitteln. Die peruanischen Fischer werden dankbar sein, wenn ihre Fanggründe geschützt werden. Das lässt sich medienträchtig ausschlachten. Auf lange Sicht, und das habe ich heute Nachmittag Ministro Bustamante gesagt, wird sich der Kauf der Schiffe lohnen. Aber die Entscheidung ist Ihre. Dennoch erlaube ich mir, Sie auf Somalia hinzuweisen.“

„Was soll das heißen?“

„Nachdem die Gewässer vor der somalischen Küste leergefischt waren, blieb den Fischern nichts übrig, als sich der Piraterie zuzuwenden. Ein Riesenproblem. Selbst, wenn Piraterie hier nicht derartige Ausmaße annähme, würden die höheren Versicherungsraten sämtliche Ex- und Importprodukte Perus verteuern. Seit sich wegen der Piraten die Fangflotten nicht mehr vor Somalia trauen, wächst der Fisch wieder nach.“

"Und was kompensiert mir meinen Ärger? Das Wohlwollen unserer Fischer? Ich könnte über ein solches Projekt schwere Popularitätsverluste hinnehmen müssen, womöglich abgewählt werden !"

Diese letzte Möglichkeit erschien Graf wenig wahrscheinlich.

"Was passiert mit mir, mit meinen engsten Mitarbeitern, wenn wir über den Kauf sinnloser Kriegsschiffe unsere Ämter verlieren? Ich würde Mittel benötigen, um diese Menschen, die mir vertrauen, nicht in ein soziales Loch fallen zu lassen."

"Nun, Excelencia", antwortete Graf. "Minister Bustamante und ich haben heute Nachmittag bereits angesprochen, dass ein Projekt wie dieses erlaubt, Mittel für soziale Zwecke verfügbar zu machen."

"Zu meiner und Bustamantes sozialer Sicherung, wollen Sie sagen?" fragte Scaloni scharf.

"Wie Sie diese Mittel einsetzen, Señor Presidente, liegt in Ihrem Ermessen," sagte Graf und griff wieder nach seinem Weinglas.

"Heißt das, Señor Graf, Sie bieten mir Schmiergeld an?!"

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Roxana war tief beeindruckt. Die Frau, die sie empfangen hatte, Anamaria Figueredo, war die Frau, von der gesagt wurde, sie sei die Mätresse des Präsidenten der Republik, Eugenio Scaloni. Roxana war noch nie in einem Haus wie diesem gewesen. Kurz, nachdem sie allein gelassen worden war, erschien ein Diener und bot ihr Getränke an. Sie konnte nicht widerstehen und wählte ein Glas Champagner.

Dieses wurde ihr jedoch nicht von dem Diener serviert, sondern von Anamaria Figueredo, die sich zu ihr setzte.

Roxana war fasziniert von der Frau. Sie machte einen sehr freundlichen Eindruck, war aber glashart.

Anamaria sprach mit Roxana über Tagesereignisse. Sie sprachen nicht über Politik, schon gar nicht über peruanische Innenpolitik.

Sie sprachen über Mode, wo Roxana sich nur aus Illustrierten auskannte. Sie sprachen über Graf.

"Ich kenne ihn erst vierundzwanzig Stunden, aber ich liebe ihn sehr," sagte Roxana.

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Graf versuchte, unbeteiligt dreinzuschauen.

"Ich spreche keineswegs von Schmiergeld, Señor Presidente. Die Zahlung von Schmiergeldern ist in meinem Land verboten. Aber es gibt Situationen, in denen selbst die höchsten Spitzen eines Landes Mittel benötigen, um das eine oder andere Problem aus der Welt zu schaffen. Auch bei uns in Deutschland. Wie Sie diese Mittel verwenden, obliegt ausschließlich Ihnen."

"An was für einen Betrag denken Sie, Señor Graf?" wollte Scaloni wissen.

"Mein Vorschlag ist, für diese Sonderaufgaben einen Betrag von zwei Prozent des Nettoauftragswertes zur Verfügung zu stellen. Bei fünfhundert Millionen Dollar sind das 10 Millionen Dollar."

Graf sah erst Scaloni, dann Bustamante an.

Der hatte gerade einen leisen Pfiff ausgestoßen.

"Wann bekommen wir dieses Geld?"

Es war das erste Mal, dass sich Bustamante in die Unterhaltung einschaltete.

"Es würde bezahlt, so wie die Ratenzahlungen für die Schiffe eingehen. Diese wären aus einer von uns vermittelten Finanzierung zu begleichen. Das heißt, bei Ablieferung der Schiffe wären die 10 Millionen bezahlt."

"Warum nicht fünf oder sechs Prozent?" Das war wieder Scaloni.

"Je höher der Vertragswert, desto schwieriger die Finanzierung," antwortete Graf. „Die Gläubigerstaaten Perus werden die Beschaffung mit Argusaugen verfolgen. Hinzu kommt, dass in Europa und den USA dubiose Zahlungen unter Strafe stehen. Je höher der Prozentsatz, desto schwieriger wird die Geschichte. Übermut ist nicht angebracht.“

„Und Ihre Wettbewerber? Glauben Sie nicht, die bieten uns mehr?“

„Das mag sein. Ich kann nur anbieten, was rechtlich begründbar ist und weder Ihnen noch mir oder meinem Unternehmen in Zukunft Schaden zufügen kann.“

Alle drei blieben eine Weile stumm.

Graf trank von seinem Wein.

Minister Bustamante schwenkte sein Whiskyglas. Die Eiswürfel klimperten gegen den Rand des Glases.

Graf sagte:

„Ich lasse Sie gerne alleine, um sich zu beraten.“

„Danke, das ist nicht nötig," sagte Scaloni. „Es ist meine Pflicht, für ausreichenden Schutz unserer Gewässer und Küsten zu sorgen. Señor Graf, ich bin bereit, die Geschichte zu unterstützen, solange der Preis fünfhundert Millionen Dollar nicht übersteigt. Allerdings muss der Betrag für die sozialen Zwecke erhöht werden. Auf mindestens 30 Millionen. Wenn Sie zustimmen, können Sie die Details zu der `Sozialversicherung´ mit Ministro Bustamante behandeln. Er hat mein volles Vertrauen.“

„Der Betrag ist zu hoch,“ sagte Graf. „Unsere Finanzbehörden werden sofort nach der Staatsanwaltschaft rufen, und die wird behaupten, es handele sich um Schmiergeld. Solche Prozentsätze sind nicht mehr zeitgemäß!“

„Unter dreißig Millionen gibt es kein Geschäft,“ sagte Scaloni bestimmt. „Wenn Ihnen das zu viel ist: Es gibt noch andere Lieferanten als Deutschland!“

„Die gibt es. Ich bezweifle allerdings, dass die das notwendige Finanzierungskonzept auf die Beine stellen können. Die zehn Millionen sind an der Grenze dessen, was ich verantworten kann. Im Übrigen kann ich diese Zusage nur halten, wenn es keinen Wettbewerb gibt,“ sagte Graf. „Denn nur dann dient diese Zahlung nicht dazu, mir einen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen. Somit ist sie kein Schmiergeld. “

„Für zehn Millionen handele ich mir nicht diesen ganzen Ärger ein, Señor Graf! Dann muss Chavez eben auf seine Schiffe verzichten.“

Es war das erste Mal, dass Bustamante sich einschaltete:

„Gibt es irgendwo einen Kompromiss, Señor Graf?“

„Wissen Sie, im Prinzip könnte es mir egal sein. Es ist Ihr Land, das letztlich diese Beträge bezahlt. Es könnte mir auch egal sein, wenn Sie riskieren, dass die deutschen Behörden diese Beträge öffentlich machen, Ihre Presse das aufgreift, und Sie Probleme bekommen. Mein Problem ist, dass ich riskiere, in Deutschland ins Gefängnis zu wandern, wenn man dort vermutet, ich habe hier Schmiergeld angeboten. Mein Problem ist, dass in einem solchen Fall mein Unternehmen nicht nur den Ertrag aus diesem Geschäft abführen muss, sondern Strafe in gleicher Höhe zahlen muss. Mein Problem ist, dass in einem solchen Fall ich nicht nur gefeuert werde, sondern mein Unternehmen von mir Schadenersatz fordert, den ich zwar nicht erfüllen kann, aber mein gesamtes privates Vermögen wäre zum Teufel! Ich bitte deshalb um Verständnis, Señor Presidente, dass ich mir diesen ganzen Ärger nicht einhandele, um Persönlichkeiten in einem fernen Land zu Reichtum zu verhelfen.“

„Wo ist Ihre äußerste Grenze, Señor Graf?“ fragte Bustamante. „Für die Entscheidung, Geschäft ja oder nein?“

„Fünfzehn Millionen,“ antwortete Graf. „Drei Prozent.“

Er sah, dass Scaloni und Bustamante einen Blick wechselten.

„Und diese 15 Millionen sind dann kein Schmiergeld?“ fragte Bustamante.

„Schmiergeld wäre es nur, wenn hierdurch eine pflichtwidrige Amtshandlung verursacht würde. Oder wenn, wie ich schon sagte, ich mir einen Vorteil über einen Wettbewerber erschleichen wollte. Beides ist nicht der Fall. Die Entscheidung, Schiffe zum Schutz Ihres Landes anzuschaffen, ist nicht pflichtwidrig. Im Gegenteil, es ist Ihre Pflicht, Ihr Land zu schützen. Wettbewerber gibt es nicht. Es liegt in Ihrer Hand, dafür zu sorgen, dass dies so bleibt. Trotzdem sollte das Geld nur jemandem Ihres Vertrauens zufließen. Niemandem von Ihnen beiden direkt. Sie beide sind Amtsträger. Das Geld sollte Sie nur über Umwege erreichen.“

Es war Scaloni, der antwortete:

„Ich will keine Details wissen, nehme aber an, es kommt zu einer vertraglichen Vereinbarung?"

"Sehr gerne, Señor Presidente."

"Carlos, du regelst das mit Señor Graf!"

Das war keine Frage, das war ein Auftrag.

"Bevor Sie gehen, Señor Graf, möchte ich noch Ihre Freundin begrüßen, die Sie hergebracht hat."

Diesmal sah Graf, dass Scaloni dreimal kurz auf einen Klingelknopf drückte.

Wenige Sekunden später wurde Roxana von der Frau namens Anamaria in den Raum geschoben.

Graf stellte Roxana vor:

"Señorita Torreblanca, Señor Presidente, Señor Ministro."

"Sehr hübsch," sagte Scaloni. „Señor Graf, Sie werden von uns hören. Carlos, ich möchte, dass das schnell geregelt wird."

Dann zu Graf und Roxana:

"Vielen Dank für Ihr Kommen. Ich wünsche eine gute Nacht! Anamaria, du bringst sie zur Tür!"

Graf und Roxana nickten Scaloni und Bustamante zu und verließen den Raum. Anamaria begleitete sie zur Haustür und wünschte ebenfalls eine gute Nacht.

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"Rupert, das waren Präsident Scaloni und Minister Bustamante!" stieß Roxana atemlos hervor, als sie wieder im Auto saßen. "Was wollen die denn von dir?"

"Die haben einen Riesenverbrauch an Präservativen,“ antwortete Graf, „und möchten eine eigene Maschine."

Sie fanden schnell wieder zurück auf die Avenida Javier Prado.

Graf fragte:

"Hat eine dieser Kneipen hier ein Telefon und ein Telefonbuch?"

Sie kamen gerade durch eine Gegend, in der noch in einzelnen Restaurants Licht brannte.

"Da müssen wir fragen," sagte Roxana.„ Aber ich habe doch ein Mobiltelefon.“

„Mir ist ein öffentliches Telefon lieber,“ antwortete Graf.

Beim dritten Mal hatten sie Glück.

Roxana sah vom Auto aus, wie Graf telefonierte.

Dann kam er mit zufriedenem Gesicht zurück.

"So, jetzt zum Sheraton!" sagte er, als er die Wagentür hinter sich zuzog.

Auf der Fahrt kraulte er wieder ihren Nacken.

Im Hotel gingen sie auf sein Zimmer und packten. Für Roxana war das einfacher als für Graf.

Er schickte Roxana in die Garage, wo sie auf ihn warten sollte, und ging zur Rezeption, um seine Rechnung zu bezahlen.

Roxana fuhr Graf auf direktem Wege zur Plaza San Martin, zum Gran Hotel Bolivar.

Das von Graf gebuchte Zimmer war geräumig, ausgestattet mit antiken Möbeln und viel Plüsch.

Roxana fand das Zimmer wunderschön.

„Das hättest du auch über mein Handy reservieren können,“ sagte Roxana.

„Dann wüsste dein Freund Garcia, wo er dich suchen muss,“ antwortete Graf.

Sie gingen sofort zu Bett.

Graf machte Anstalten, unmittelbar einzuschlafen.

Roxana begann, ihn sanft zu massieren, was ihn dann noch wachhielt.

Er streichelte sie. Sie war nach den Erfahrungen des Tages nicht traurig, dass Rupert keine Anstalten machte, mit ihr zu schlafen.

Sie genoss es, seine warmen Hände an sich zu spüren und wusste, dass sie diesen Mann liebte.

Eng umschlungen schliefen sie ein.

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Dienstag

Oberst Carlos Garcia wachte gegen vier Uhr morgens auf.

Er brauchte ein paar Augenblicke, um zu realisieren, wo und warum er dort war. Er versuchte noch einmal ergebnislos, Roxanas Haustür zu öffnen.

Das Haus lag im Dunkeln.

Ratlos fuhr er nach Hause.

Von dort rief er im Hotel an und bat, mit Señor Graf verbunden zu werden. Die Antwort, die er erhielt, ließ ihn auf einen Schlag hellwach werden:

"Señor Graf ist heute Nacht abgereist."

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Rupert Graf wurde gegen halb sieben wach. Durch die Ritzen zwischen den zugezogenen Vorhängen drang helles Sonnenlicht. Roxana neben ihm schlief tief und fest. Er hörte ihre ruhigen Atemzüge. Sie hatte sich in der Nacht freigestrampelt und sah hübsch aus, nackt, mit großen Höfen um ihre Brustwarzen, mit schwarzem Schamhaar.

Sie hatte sonnengebräunte Haut, schien aber von Natur aus nicht hellhäutig zu sein.

Graf betrachtete eingehend ihr ebenmäßiges Gesicht, die Linie ihres Kinns, ihr zerzaustes Haar.

Die Brustwarzen und die Höfe waren von einem tiefen, fast schwarzen Braun.

Er konnte sehen, dass dort, wo der Badeanzug gesessen hatte, ihre Haut heller war, ohne jedoch blass oder gar bleich zu sein.

Ihr Schamhaar war an den Seiten wegrasiert oder weggezupft, damit sie Badeanzüge mit hoch ausgeschnittenen Beinöffnungen tragen konnte.

Graf kniete sich über sie und begann, sie zart auf die Schultern und auf die Brüste zu küssen. Roxana wurde nicht wach, schien aber im Halbschlaf seine Zärtlichkeiten zu genießen. Zumindest reagierte sie mit leichtem Seufzen und damit, dass sie ihre Beine öffnete und abwinkelte.

Graf rutschte ans Fußende des Bettes, wobei er mit dem Mund über ihren flachen Bauch wanderte, bis er über die Hüften hinab die Innenseiten ihrer Schenkel mit kleinen Küssen zu liebkosen begann.

Dann hob er den Kopf und betrachtete ihre Scham.

Rupert Graf hatte die Genitalien der Frauen schon immer faszinierend gefunden. Er liebte es, die zarten und weichen Lippen anzusehen, deren Färbung von zartem Rosa bis hin zum fast schwarzen Braun wie jetzt bei Roxana reichen konnte.

Er begann, ihre geheimsten Stellen mit dem Mund zu liebkosen.

Roxana begann, ihr Becken im Rhythmus der Bewegungen seiner Zunge anzuheben. Sie drückte ihr Becken gegen seinen Mund. Seine Zunge fuhr innen und außen an ihren Schamlippen entlang, ganz zart, ganz vorsichtig.

Roxana stöhnte auf.

Ihr Körper drängte sich regelrecht gegen seinen Mund.

Die Bewegungen ihres Beckens wurden heftiger, so dass Graf Mühe hatte, seine Zunge an den Punkten zu halten, an denen sie es besonders zu mögen schien.

Roxana stöhnte immer lauter, es war schon ein fast tierartiges Knurren, das sie von sich gab.

Ihr Schoß war nass von seinem Speichel und von ihren Säften.

Mit einem lauten Seufzer kam Roxana zum Höhepunkt.

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Enrique Pato war ebenfalls früh wach.

Nachdem er seine Morgentoilette hinter sich gebracht und ein schnelles Frühstück, bestehend aus einer Tasse Kaffee und einer im Toaster aufgetauten Scheibe Brot, die er mit Käse belegt und in der Mikrowelle überbacken, im Stehen verschlungen hatte, fuhr er in sein Büro.

Pato lebte allein. Er hatte zwar von Zeit zu Zeit Freundinnen, die er aber ungern über Nacht bei sich behielt.

Er liebte es, morgens allein zu sein. Während seiner Rasur pflegte er im Radio die Frühnachrichten zu hören, und, während er auf dem Klo saß, las er Comics wie `Mafalda`, die ihm ein Freund aus der peruanischen Botschaft in Buenos Aires regelmäßig schickte. Aus Deutschland, ebenfalls von einem Bekannten, erhielt er alle paar Monate ein paar Ausgaben des Satireblattes ´Titanic´, über das er sich herzlich amüsierte. Auch diese Zeitschrift las er auf dem Klo.

Pato war zumeist einer der ersten, die morgens das Büro bevölkerten. Das hatte weniger mit Pflichtbewusstsein zu tun, sondern damit, dass er um diese Zeit in aller Ruhe und ungestört Tonbänder abhören und analysieren sowie Computernachrichten abfragen konnte.

Es gab eine Anzahl deutscher Unternehmen in Lima, zum Teil mit eigenen Produktionsbetrieben, aber die meisten mit Vertretungsbüros, die in Geschäftsbeziehungen zu staatlichen oder städtischen Institutionen Perus standen.

In fast allen diesen Beziehungen spielte Korruption eine Rolle.

Pato sammelte die von ihm aufspürbaren Nachweise und gab sie an seine übergeordnete Stelle weiter.

Er wusste selbstverständlich, dass Korruption zum täglichen Leben gehörte. Ob es der Polizist an der Straßenecke war, der statt einen offiziellen Strafzettel auszuschreiben lieber ein Viertel des Betrages in die eigene Tasche steckte, oder der Bürgermeister, der gegen Entgelt Baugenehmigungen mitten in einem Wohngebiet für eine zweifelhafte Anlage zur Herstellung von Pestiziden erteilte.

Enrique Pato hatte hieran rein akademisches Interesse.

Ihm ging es darum, nachzuweisen, dass solche Fälle mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufgespürt und bewiesen werden konnten.

Wenn er sich für die Aktivitäten der Señores Kinzel, Chavez, Fernandez und Graf interessierte, dann, weil ihm dies als vielversprechender Fall erschien.

Es war klar, dass ein Rüstungsgeschäft angebahnt wurde. Das Verhalten Grafs sah er völlig emotionslos als intellektuelle Herausforderung.

Aber wie andere Leute Kreuzworträtsel lösten, wollte Enrique Pato wissen, was Graf und Kinzel und Fernandez mit dem Fischereiminister zu tun hatten, welche Rolle Oberst Carlos Garcia spielte, und die attraktive Frau aus Garcias Büro. Um dieses Kreuzworträtsel zu lösen, war jeder einzige Buchstabe wichtig. Es war Patos feste Absicht, am Schluss seines Rätsels keine offenen Felder zu sehen.

Sein Problem war nur, dass hier nicht nach der Hafenstadt in Brasilien mit drei Buchstaben gefragt wurde, sondern dass er mit lebenden Personen zu tun hatte, die versuchten, seine Gedankengänge in andere Richtungen zu lenken.

Trotzdem. Enrique Pato war entschlossen, sein Rätsel zu lösen.

Ihn ärgerte, die Gespräche in Grafs Zimmer im Sheraton Hotel nicht abhören zu können, weil Graf jedes Mal den Fernseher anstellte, sobald er sein Zimmer betrat. Ihn verwirrte der Anruf von Sanchez, seinem Kontaktmann im Sheraton, Graf habe mitten in der Nacht sein Zimmer aufgegeben und war abgereist. Die Konsultation der Computer der Einwanderungsbehörde zeigte jedoch, Graf hatte das Land nicht verlassen!

Enrique Pato bekam das Gefühl, dass die Lösung dieses Rätsels noch in richtige Arbeit ausarten könnte.

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Oberst Carlos Garcia hatte das Problem, seine Verzweiflung über das Verschwinden Roxanas mit niemandem teilen zu können.

Weder seine Frau noch seine Kinder hätten für seinen Kummer und seine Wut Verständnis aufgebracht.

Stattdessen hatte ihm seine Frau unterstellt, er wäre auf einer seiner nächtlichen Eskapaden gewesen, und ihn kühl behandelt. Die Kühle übertrug sich auf die Kinder, die ihn am Frühstückstisch keines Blickes würdigten.

Trotz aller Beteuerungen, dass er seine Abende und Nächte seiner Arbeit zu widmen habe, glaubte ihm dies seine Frau schon lange nicht mehr.

Dass er, weil er verschlafen hatte, nun auch noch vor dem Klo warten musste, bis seine Kinder fertig waren, damit sie rechtzeitig den Schulbus erreichten, hob seine Laune nicht.

Übellaunig fuhr er in sein Büro.

Anzuhören, wie Graf Kinzel aufgefordert hatte, ihn im Hotel ausrufen zu lassen, stimmte ihn nicht fröhlicher. Graf konnte nur von Roxana seinen Namen erfahren haben. Damit hatte Roxana eine eine geheimdienstliche Operation verraten!

Oberst Carlos Garcia hielt es für das Richtigste, Kinzel zu beschatten. Der würde ihn zu Graf und somit zu Roxana bringen.

Bevor er sich auf den Weg zu Kinzels Büro machte, führte er ein Telefonat mit der Sicherheitsabteilung seines Ministeriums.

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Was Roxana weckte, war ein warmes und erregendes Gefühl in ihrem Schoß. Sie brauchte im Halbschlaf eine Weile, um festzustellen, dass Rupert der Urheber war.

Sie versuchte, still zu liegen, aber die Erregung durchströmte sie wie in Wellen.

Trotzdem hatte er weiter die Innenseiten ihrer Oberschenkel gestreichelt.

Roxanas sexuelle Erfahrungen waren begrenzt. Nach dem entsetzlichen Erlebnis mit den Polizisten während ihrer Fahrt von Arequipa nach Lima hatte sie sich nicht vorstellen können, jemals freiwillig mit einem Mann beisammen zu sein. Später, in Lima, hatte sie sich ein paar mal verliebt und Beischläfe ihrer Verehrer über sich ergehen lassen, ohne je selbst rechte Freude zu finden. Freude fand sie, wenn sie sich selbst befriedigte. Ab und zu, wenn sich einer genügend Zeit nahm, machte es ihr Spaß und es erregte sie.

Mit Garcia war es ähnlich. Wenn sie zusammen waren, hatte seine Erregung sie mehr erregt als das, was er mit ihr tat. Die Tatsache, dass sie jemanden dermaßen zu erregen vermochte, sorgte für ihre eigene Erregung.

Mit Rupert war das anders. Was er tat, war darauf angelegt, ihr Freude zu machen. So war es vorgestern Nacht und gestern früh gewesen, als sie diejenige war, die ihn unbedingt in sich spüren wollte. Rupert hatte keine von sich aus Anstalten gemacht, in sie einzudringen.

Und so war es jetzt.

Sie zog Rupert zu sich hoch und öffnete sich ihm so weit sie konnte. Sie war aufs Höchste erregt.

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Garcia hatte fünfzig Meter hinter Kinzels Wagen geparkt und sah zu, wie ein Mann, assistiert von einem Jungen in Schuluniform, sich mit einem Eimer Wasser und einem Lappen daran begab, den silbergrauen Mercedes zu waschen. Der Junge reinigte den Innenraum des Fahrzeuges mit einem Schwamm und einem Handfeger.

Gegen viertel vor zehn erschien Kinzel mit einem weiteren Mann, der sich hinter das Steuerrad setzte. Kinzel stieg hinten ein.

Der Mercedes startete.

Als Garcia sich hinter Kinzels Wagen in den Verkehr einfädelte, brauchte er einen Moment, um zu realisieren, dass im Heckfenster des Mercedes ein Sonnenschutzrollo heraufgezogen war.

Nach wenigen hundert Metern bog der Mercedes auf die Straße zur Plaza San Martin, umrundete die Grünfläche mit dem Denkmal des Generals San Martin, um dann in die Avenida Nicola de Pierola einzubiegen.

Gracia versuchte, einen Abstand von nicht weniger als fünfzig Metern zu halten. Der Verkehr war dicht. Garcia wollte nicht riskieren, dass er an einer Ampel würde halten müssen, und der Mercedes führe weiter.

Nach dem zweiten Block bog der Mercedes plötzlich nach rechts in eine der Gassen, die mit fliegenden Händlern bevölkert waren. Dies waren überwiegend Indios, die hier ihre Waren feilboten, Stoffe, Pullover aus Lamawolle, Obst, Gemüse, aber auch Nähnadeln, Spielzeug, Handtaschen. Es gab hier eigentlich nichts, was es nicht gab.

Als Garcia um dieselbe Ecke bog, sah er den Mercedes am Ende des Blocks erneut nach rechts in die Calle Ocona abbiegen.

Es ging zurück über die Plaza San Martin, und nach ein paar Minuten hielt der Mercedes erneut vor Kinzels Büro.

Im Vorbeifahren sah Garcia, dass nur der Fahrer noch im Auto saß. Von Kinzel war nichts zu sehen.

Garcia konnte im Rückspiegel sehen, wie der Fahrer ausstieg und in Kinzels Büro verschwand.

Garcia ärgerte sich maßlos, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als wieder seine Warteposition zu beziehen.

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Kinzel hatte, im Gewimmel der indianischen Marktfrauen stehend, den weißen Toyota vorbeifahren sehen.

Er hatte auch den Fahrer wiedererkannt, den Kerl mit den Hamsterbacken, auf den Graf ihn gestern aufmerksam gemacht hatte.

Kinzel hatte Mühe, den zahlreichen Kaufanpreisungen zu entgehen, die ihm die Indiofrauen in ihren bunten Trachten und ihren Männerhüten auf den Köpfen machten.

Er ging zurück zur Hauptstraße, bog dort nach rechts und betrat nach wenigen Metern die Halle des Hotels Crillon.

Aus einem der Sessel erhob sich Rupert Graf und grinste ihn an.

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Am meisten beeindruckt war Kinzel von dem nächtlichen Gespräch mit Präsident Scaloni.

„Und wie willst du das mit dem Geld machen?“ fragte er. „Das kriegst du doch nie durch die Compliance!“

Die deutschen Unternehmen hatten nach dem Verbot der Schmiergeldzahlung im Ausland äußerst strenge Regeln eingeführt, die sicherstellen sollten, dass keine illegalen Zahlungen angeboten würden.

Graf zuckte mit den Schultern.

„Muss ich sehen. Wenn ich nach Hause fahre und erzähle, ich hätte einen Auftrag über sechshundert Millionen hereinholen können, diesen aber abgelehnt, weil Freundlichkeiten verlangt worden sind, klopft man mir nicht etwa auf die Schultern und lobt mein ethisches Verhalten. Man wird mich wegen meiner Blödheit feuern! Und wenn wir keine Aufträge mehr hereinholen, feuert man uns auch.“

"Wo ist das Mädchen jetzt?" wollte Kinzel wissen.

"In meinem Zimmer," antwortete Graf.

Sie besprachen, wie sie zukünftig kommunizieren könnten.

Handies konnte man abhören. In den meisten Ländern konnte man sogar metergenau feststellen, wo sich der Besitzer eines Handys befand. Es blieb nur, einen Code festzulegen, den außer ihnen beiden niemand verstehen würde.

"Dass deine Telefonate mitgeschnitten werden, wissen wir jetzt. Ob du zuhause abgehört wirst, musst du prüfen lassen. Es gibt sicherlich jemanden, der das herausfinden kann. Der kommt mit einem Peilgerät, das Funkwellen selbst geringer Stärke messen kann. Wir müssen Walter Bescheid geben. Am besten, wir treffen ihn nochmal. Ich muss ihm ja ohnehin über letzte Nacht berichten. Ruf ihn an und bestell ihn hin, wo wir ungestört sprechen können. Das Hotel Bolivar ist tabu. Auch Walter muss seine Wohnung auf Wanzen hin überprüfen. Mit den Telefonen könnt ihr nichts machen. Ich weiß nicht, ob die hier Anrufe zurückverfolgen können, aber wahrscheinlich können sie. Im Übrigen habe ich fest vor, die fünfzehn Millionen bei Walter abzuziehen."

Ludwig Kinzel war wie erschlagen. Er wollte nur einen Auftrag akquirieren!

"Hinter was sind die denn her?"

"Lutz, wir reden über ein Projekt der ´nationalen Sicherheit`. Allein das reicht aus, den Beteiligten auf die Finger zu gucken! Hinzu kommt, dass es Leute gibt, die über Handsalben Bescheid wissen wollen, entweder, um selbst was abzubekommen, oder weil es zur Erpressung aus politischen oder eigennützigen Gründen nützlich ist."

"An was können die denn interessiert sein, Rupert?"

"Na, an den Kontakten! Wer mit wem spricht, wer wann wen trifft! Hieraus ergibt sich ein Muster! Es lässt sich ableiten, wer das Projekt unterstützt. Vielleicht macht einer der Beteiligten einen Fehler, redet zu laut über zukünftige Einkünfte, was weiß ich! Das Projekt ist noch ganz am Anfang. Warte mal ab, bis unsere Wettbewerber mit ihren staatlichen Industrien dahinter kommen! Die haben ihre Botschaften hinter sich und werden todsicher versuchen, herauszufinden, auf wen wir uns hier verlassen. Hast du schon ein neues Handy?"

„Wann hätte ich das denn besorgen sollen?“

„Kann euer Hausmädchen lesen und schreiben?“

„Nur sehr unzulänglich.“

„Dann kaufe zwei Prepaid-Telefone und lass sie auf das Mädchen registrieren. Eins gibst du ihr, und sagst, sie soll im Notfall erreichbar sein. Das andere behältst du. Mach es so, dass sie von dem zweiten Apparat nichts merkt. Wenn sie nicht lesen kann, wird sie nicht merken, dass zwei Apparate auf ihren Namen laufen. Wann kommt dein Fahrer?"

"Jetzt gleich, so gegen elf."

Graf blickte auf seine Armbanduhr.

"Na, dann wollen wir mal," sagte er und stand auf.

Wie Kinzels Fahrer Oscar berichtete, hatte das Büro von Minister Bustamante sich gemeldet und um einen weiteren Termin gebeten. Kinzel rief sofort dort an und verabredete für den späten Nachmittag ein Treffen in Bustamantes Privathaus.

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Enrique Pato war keineswegs überrascht von der Nachricht, die ihn am Vormittag erreichte.

Aus den übersandten Tonbändern von den Gesprächen auf Walter Fernandez´ Terrasse konnten die Techniker der PIP beim besten Willen nichts herausfiltern.

Pato fuhr nach Miraflores, um sich die neuen Aufnahmen aus Fernandez Wohnung anzuhören.

Die Reaktion Fernandez´ auf die Nachrichtensendung und die Bemerkungen über das Reichwerden fand Pato interessant.

Den ersten wichtigen Teil für das Puzzle, das er zusammenlegen wollte, hatte er jetzt. Wenn Walter Fernandez die Chance auf Reichtum für sich sah, war anzunehmen, dass auch Almirante Chavez nicht leer ausgehen würde.

Zurück in seinem Büro hörte Pato zunächst die Telefonate aus Kinkels Privathaus und aus dem Büro der Deutschen Rhein-Ruhr- Stahl AG ab. Er musste grinsen, als er die Anweisung Grafs hörte, Kinzel solle Garcia abhängen. Offenbar hatte Garcia sich zu auffällig benommen. Bei Walter Fernandez war ein Anruf Kinzels eingegangen, in dem er Walter bat, um vier Uhr nachmittags zu einem Gespräch zur Verfügung zu stehen. Kinzel würde Walter abholen. Seltsamerweise hatte Kinzel nicht sein Mobiltelefon benutzt, sondern einen Apparat des Crillon-Hotels.

Aber wo war Graf?

Pato rief im Crillon an, dort war Graf nicht registriert.

Könnte es sein, dass er zu der Torreblanca gezogen war?

Hätte Pato sich entschlossen, zu Roxanas Haus zu fahren, wäre ihm sicherlich ein Zivilfahrzeug aufgefallen, das in der Nähe ihres Eingangs stand und in dem zwei Männer saßen.

Hätte er weiterhin die Nachbarn befragen können, hätten die ihm gesagt, dass dieses Fahrzeug schon seit dem frühen Morgen dort stand. Keiner der beiden Insassen hatte den Wagen bisher verlassen.

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Als der Chauffeur Kinzels um kurz vor elf aus dem Büro kam und mit dem Mercedes losfuhr, meinte Garcia, der Mann habe ihm im Vorbeifahren einen neugierigen Blick zugeworfen.

Garcia folgte wiederum dem Fahrzeug, das die gleiche Strecke nahm wie eine Stunde zuvor.

Nur fuhr der Wagen diesmal direkt vor den Eingang des Hotels Crillon.

Garcia sah, wie Kinzel und Graf die Rücksitze des Fahrzeugs bestiegen.

Graf zu sehen, ließ eine Welle blinden Hasses in Garcia hochschlagen.

Während er dem Mercedes folgte, konnte er nicht die Vorstellung aus seinem Kopf verbannen, wie es Graf mit Roxana die ganze Nacht getrieben haben könnte.

Wo, das wusste er ja nun.

Dieses Flittchen würde ihre Eskapaden noch bitter bereuen!

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Um die gleiche Zeit, zu der Kinzel und Graf durch das Portal des Marinehauptquartiers auf das große graue Gebäude zufuhren, bog ein Fahrzeug mit zwei Männern in die Straße, in der Roxana wohnte. Dieses Fahrzeug passierte in langsamer Fahrt den Wagen, der dort schon stand. Die beiden Männer in dem stehenden Fahrzeug schüttelten fast unmerklich die Köpfe.

Der neu angekommene Wagen hielt am Straßenrand, dafür fuhr der andere an.

Beide Fahrzeuge waren Mazdas von unauffälligem Grau.

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Graf und Kinzel wurden von einem jungen Leutnant durch den eindrucksvollen Flur mit in dunklem Holz getäfelten Wänden und Decken zum Büro des Oberkommandierenden der Peruanischen Marine geleitet.

Vor der Doppeltür standen rechts und links auf je einem kleinen Podest zwei Marinesoldaten mit Gewehren. Als die Gruppe nähertrat, wurde sie mit hochgerissenen Karabinern und knallenden Hacken gegrüßt.

Der Leutnant öffnete die Tür und ließ Kinzel und Graf eintreten.

In dem Vorraum waren mehrere Sekretärinnen in Uniform und zwei weitere Marinesoldaten.

Einer von den beiden schob in der Tür zu Chavez´ Zimmer ein auf Augenhöhe angebrachtes kleines Guckloch auf und schaute hindurch.

Dann machte er den beiden Besuchern ein Zeichen, dass es noch einen Moment dauern würde.

Nach einer halben Minute öffnete er die Tür.

Der riesige Raum, der sich ihren Blicken darbot, war ebenfalls ganz in Holz getäfelt. Am Ende des Raumes stand ein enorm großer Schreibtisch mit einem riesigen Ledersessel.

Zur linken Hand war eine Sitzgruppe mit Ledersesseln und Sofas, auf der spielend zehn bis vierzehn Personen Platz gefunden hätten.

Als Tisch diente ein in die Horizontale gelegtes antikes Schiffssteuerrad aus poliertem Holz von fast anderthalb Metern Durchmesser, auf dem eine runde Glasplatte lag.

An der Wand hinter dem Schreibtisch hing neben der peruanischen Flagge ein Ölgemälde mit der Darstellung einer Seeschlacht zwischen mehreren Segelschiffen. An der den Fenstern gegenüberliegenden Wand hing eine erkleckliche Anzahl gerahmter Photographien mit so ziemlich sämtlichen Vorgängern von Chavez seit der Zeit, in der die Kunst der Photographie in Peru Einzug gehalten hatte.

Auf dem dunkelroten und knöcheltiefen Teppich kam Almirante Chavez auf sie zu.

"Señor Graf, Señor Kinzel, muy buenos dias, es ist mir eine Freude, Sie in meinem Büro begrüßen zu dürfen!"

"Mi Almirante," sagte Grafartig."Die Freude ist ganz auf unserer Seite."

"Darf ich Ihnen vorstellen? Vicealmirante Pedro Herrera Sanchez, Chef der Abteilung Planung und Prinzipien, und Vicealmirante Juan Maria Oliva Cortez, Direktor der Materialabteilung. Señores, die Herren Graf und Kinzel von der Deutschen Rhein- Ruhr-Stahl."

Ein Marinesoldat kam herein und servierte Kaffee in Tassen, die mit dem Wappen der Marine verziert waren.

Almirante Rogerio Chavez eröffnete das Gespräch:

"Señores Almirantes, ich hatte bereits gestern Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch mit den beiden Herren aus Deutschland, als wir uns zufällig im Haus eines Bekannten trafen, der wegen anderer Dinge mit Señor Kinzel in Geschäftsbeziehungen steht. Da ich weiß, dass die Werften des deutschen Unternehmens zu den namhaften Herstellern von Marineschiffen zählen, habe ich die Gelegenheit ergriffen, Señor Graf zu fragen, wie er ein Neubeschaffungsprogramm für unsere Marine beurteilt. Señor Graf war so freundlich, mir einige aufschlussreiche Wege aufzuzeigen, wie wir die Marine modernisieren können. Ich möchte gerne diese Gedanken, Señores Almirantes, mit Ihnen teilen. Darf ich Sie, Señor Graf bitten, uns einige Ihrer Ausführungen, die ich hochinteressant fand, noch einmal zu wiederholen?"

Graf gab zum besten, was er gestern schon Chavez und Minister Bustamante gesagt hatte, ließ aber jede Anspielung auf politische Einflussnahmen weg. Er erläuterte jedoch detailliert die Notwendigkeit von Maßnahmen, mit denen eine zustimmende Haltung in der Öffentlichkeit erzeugt werden könnte.

Alle fünf Herren begaben sich nach einer halben Stunde in einen separaten Raum, in dem eine Reihe von Stewards ein vorzügliches Mittagessen servierte.

Während des Essens ging die Diskussion weiter. Alle drei Offiziere hatten die Fernsehnachrichten am gestrigen Abend gesehen, und die Aussagen Bustamantes gaben zusätzlichen Gesprächsstoff.

Die Chefs von Planung und Prinzipien sowie für Marinematerial waren froh über die Aussicht, endlich etwas tun zu können, um den dringend erforderlichen Modernisierungsprozess der Marine in Gang zu setzen.

Graf wusste, dass oftmals Söhne von Offizieren ebenfalls eine militärische Karriere einschlagen. Deshalb hatte er keine Hemmungen, die Anwesenden als die höchsten Repräsentanten der Marine auf ihre Pflicht hinzuweisen, für die `Söhne ihrer Nation` das bestmögliche Material zu beschaffen, um die Sicherheit der Besatzungen an Bord zu gewährleisten! Diese Bemerkung wurde von Seiten der drei Admirale mit beifälligem Nicken begleitet.

Die Möglichkeit des Baues von zwei der vier Schiffe auf der Marinewerft in Callao interessierte den Materialchef besonders.

"Warum nicht alle vier, Señor Graf? Das wird doch dann billiger."

"Ob es unter dem Strich billiger würde, ist fraglich. Ihre Löhne sind zwar niedriger, aber die Effizienz Ihrer Arbeiter dürfte auch geringer sein, insbesondere, weil sie erst angelernt werden müssten. Wir alle wissen, dass ein Marineschiff ein hochkompliziertes Gerät ist. Mein Vorschlag ist, dass während des Baues in Deutschland zwei Gruppen von führendem Werftpersonal bei uns ausgebildet werden, die dann zeitversetzt den Bau in Callao leiten. Es kommt noch ein anderes Problem hinzu: Es wird nicht möglich sein, die Kosten für die Arbeiten hier mitzufinanzieren. Die Lieferung der Materialpakete für den Bau hier würde in unsere Finanzierung eingeschlossen. Aber für die in Callao anfallenden Lohnkosten werden Sie Eigenmittel aufbringen müssen. Insofern würde der Bau aller vier Schiffe in Ihrem Lande schwer finanzierbar."

Auch diese Erklärung Grafs verursachte beifälliges Kopfnicken.

Es wurde vereinbart, dass die Marine eine offizielle Einladung zu einer ausführlichen technischen Präsentation an Kinzels Büro richten würde.

Zum Abschluss des Essens sagte Almirante Chavez:

"Señor Graf, Señor Kinzel, ich darf herzlich für Ihre Ausführungen danken. Ich bitte Sie, für zukünftige Verhandlungen die Vicealmirantes Herrera und Oliva als Ihre Gesprächspartner anzusehen. Beide werden die für die Armada Peruana federführenden Persönlichkeiten sein, sowohl für die technischen als auch für die finanziellen Belange. Noch einmal vielen Dank!"

Chavez stand auf, und alle anderen erhoben sich. Er schüttelte Graf und Kinzel die Hände, dann verließ er den Raum.

Die beiden Vize Admirale begleiteten Graf und Kinzel bis zum Ausgang, wo von den Wachen wiederum gegrüßt wurde, und verabschiedeten sich dort.

Kinzels Wagen kam vorgefahren, und mit freundlichem Winken fuhren die beiden Deutschen davon.

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Oberst Carlos Garcia war verdutzt, als man ihm an der Rezeption des Hotels Crillon sagte, dass niemand mit dem Namen Graf dort wohnte. Auch hatte er nachgefragt, ob eine Reservierung vielleicht auf den Namen Kinzel vorläge. Zuletzt, auch wenn es ihm sehr widerstrebte, fragte er noch nach Torreblanca. Hier war er fast erleichtert, zu hören, dass Graf wenigstens nicht unter Roxanas Namen abgestiegen war.

In Roxanas Zuhause waren die zwei letzte Nacht nicht gewesen.

Er fuhr in sein Büro zurück. Er ärgerte sich maßlos, als er das morgendliche Telefonat Grafs mit Kinzel abhörte, in dem er Kinzel aufforderte, ihn im Hotel Crillon zu treffen und auf der Fahrt dorthin Ausschau zu halten, ob ihm ein weißer Toyota Corolla folgte. Falls ja, solle er versuchen, den Wagen abzuhängen.

Roxana hatte ihn verraten! Das würde sie büßen!

Das Gespräch mit der Verabredung zwischen Kinzel und Fernandez war aus dem Crillon Hotel gekommen, zu der Zeit, als er in seinem Auto vor Kinzels Büro gesessen hatte.

Er hörte auch den Anruf aus dem Fischereiministerium, der Kinzels Büro um ebendiese Zeit erreicht hatte.

Das Büro Kinzels hatte das Ministerium bisher nicht zurückgerufen.

Garcias einziger Anhaltspunkt, um Graf und Roxana wiederzufinden, war, um vier Uhr vor Fernandez´ Haus zu sein.

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Graf und Kinzel lehnten sich bequem auf den Sitzen des silbergrauen Mercedes zurück.

"Lutz!" sagte Graf mit Blick auf seine Armbanduhr, "es ist fast drei. Ruf Walter an, ob er jetzt schon zur Verfügung steht!"

Walter war mit der Vorverlegung des Gespräches sofort einverstanden. Er brannte darauf, die letzten Neuigkeiten zu hören, und hatte schon dreimal während der letzten halben Stunde Wasserlassen müssen.

"Er wartet in fünf Minuten vor seinem Haus," sagte Kinzel.

Garcia und Pato fluchten gleichzeitig laut auf, als sie den Anruf Kinzels bei Walter Fernandez mithörten.

Für keinen von beiden gab es den Hauch einer Chance, rechtzeitig bei Fernandez Haus zu sein.

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Gegen Mittag rief Roxana ihre Freundin Carla an, die eine Stunde später ins Hotel kam, um ihr Gesellschaft zu leisten. Carla lauschte atemlos Roxanas Erzählungen über den Verlauf des gestrigen Abends.

Insbesondere das Treffen im Hause der Geliebten des Präsidenten fand sie faszinierend. Hierüber wollte sie alles wissen.

Roxana berichtete voll Stolz von dem halbstündigen Gespräch mit Anamaria Figueredo.

"Wie ist der Präsident? Hat er wirklich zu dir gesagt ´sehr hübsch´?"

Roxana beschrieb noch einmal das kurze Treffen mit Scaloni und dem Minister.

"Wann lerne ich deinen Rupert kennen? Erzähl mir von ihm!"

Carla war hingerissen. Das war mal endlich eine schöne Liebesgeschichte! Und Graf musste ein interessanter und geheimnisvoller Mann sein!

"Und du hast keine Ahnung, was der Präsident und der Minister mit Graf besprochen haben? Hast du denn nicht gefragt? Ich könnte das nicht aushalten, das nicht zu wissen!"

"Es interessiert mich nicht, Carla. Wenn er es mir sagen will, wird er das tun. Hauptsache, er hat noch ein bisschen Zeit für mich, bevor er abreist. Er fliegt morgen schon."

"Und Carlos Garcia? Was machst du mit Garcia?"

"Da ist Schluss! Er hat mich so schrecklich behandelt!" Beim Gedanken an die Szene von gestern früh schossen Roxana Tränen in die Augen.

Carla legte Roxana den Arm um die Schultern, um sie zu trösten.

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Walter Fernandez war erschüttert.

Er saß mit Graf und Kinzel in einer kleinen Bar am Strand. Sie hatten einen Tisch abseits der anderen Gäste gefunden und saßen unter einem Sonnenschirm aus Palmenblättern.

Graf und Kinzel waren in ihren Anzügen etwas fehl am Platze.

"Sie glauben, jemand hört mein Telefon ab, Rupert? Das kann nicht wahr sein!"

"Ich glaube nicht, dass Ihr Telefon abgehört wird, Walter, ich weiß es," antwortete Graf. "Was ich glaube ist, dass Ihre Wohnung abgehört wird. Das ist ein Unterschied. Dagegen können Sie aber etwas tun. Falls es Minisender gibt, wird ein Fachmann sie aufspüren. Fragen Sie mal zuhause nach, ob in der letzten Zeit ein Techniker bei Ihnen aufgetaucht ist. Das Abhören der Telefone können Sie nicht verhindern. Da kann man sich heute einklinken. Mobil- und Festnetz. Ich bin sicher, Ihren Behörden stehen die Mittel dazu zur Verfügung."

Walter war völlig fertig.

Zunächst hatte er sich den Bericht Grafs und Kinzels über das Gespräch mit Minister Bustamante angehört. Gestern hatten die zwei sich ja recht einsilbig dazu geäußert.

Völlig fasziniert war er von Grafs Aussage, er habe Bustamante und Präsident Scaloni in der Nacht noch getroffen und eine ´Übereinstimmung in der Zielsetzung´ erreichen können. Die näheren Umstände des Treffens hatte Graf nicht erwähnt, nur, dass es zu mitternächtlicher Stunde stattgefunden habe. Allerdings stellte Graf klar, dass er Fernandez den Teil, der direkt an die beiden fließen würde, von Walters Honorar abziehen würde.

„Aber dann bleiben für Rogerio und mich doch nur noch fünf Millionen!“ protestierte er. „Wir hatten mit viel mehr gerechnet!“

Graf sah ihn mitleidig an.

„Walter, was glauben Sie denn, was Bustamante Ihnen abgeknöpft hätte? Sie und Chavez können entscheiden, fünf Millionen oder gar nichts. Denn ohne Scaloni gibt es kein Geschäft.“

„Ohne Rogerio Chavez auch nicht! Rogerio wird damit nie und nimmer einverstanden sein!“ antwortete Walter. „Dann gibt es Wettbewerb!“

„Zahlen an Sie kann ich nur, wenn es keinen Wettbewerb gibt. Das sollten Sie Chavez sagen. Niemand muss eine pflichtwidrige Diensthandlung vornehmen, um an das Geld zu kommen. Pflichtwidrig wäre es, ein besseres Angebot unter den Tisch fallen zu lassen. Nur ohne Wettbewerb können wir anführen, wir hätten uns mit der Zahlung keinen Vorteil erschlichen.“

„Ich muss mit Rogerio darüber sprechen.“

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„Tun Sie das!“ sagte Graf.

Kinzel berichtete, das heutige Gespräch mit Admiral Chavez und den beiden anderen Admiralen sei zufriedenstellend verlaufen. Aber Grafs Aussage, er und Kinzel würden überprüft und überwacht, hatte Walter nervös gemacht.

Er war zwar grundsätzlich zurückhaltend am Telefon, und wenn er Rogerio Chavez in dessen Büro anrief, ging er meist in eine Telefonzelle und sprach mit ihm in einem abgesprochenen Code, einfach, weil er davon ausging, dass Rogerio abgehört würde. Aber gestern Nacht nach den Fernsehnachrichten war er zu faul gewesen, nochmal aus dem Haus zu gehen. Trotzdem, da hatte er Rogerio einfach anrufen müssen, nachdem er den ganzen Tag über befürchtet hatte, er habe das ganze Vorhaben ins Wanken gebracht! Aber auch in diesem Telefonat hatten beide nichts gesagt, was sie in kompromittieren könnte! Walter überlegte, ob er zu Liliana etwas gesagt haben könnte, aber er erinnerte sich nicht. Er erinnerte sich nur, sich gefreut zu haben.

Wahrscheinlich, hoffentlich, übertrieb Rupert Graf!

Auf alle Fälle würde er Rogerio bitten, ihm einen Fachmann zu schicken.

Jetzt wurde Walter Fernandez auch klar, warum Graf das Gespräch mit Rogerio Chavez gestern auf der Terrasse hatte führen wollen. Graf hatte offensichtlich schon die ganze Zeit vermutet, dass sie nicht ungehört sprächen.

Und bei Kinzel zuhause, Sonntag Abend, hatte er den Fernseher angemacht! Walter erinnerte sich jetzt, einmal gelesen zu haben, dass zusätzliche Geräuschquellen das Abhören eines Raumes erschwerten, wenn nicht unmöglich machten.

Liliana würde außer sich sein, wenn sie das hörte!

"Ich hoffe, Walter, ich habe Ihnen nicht den Tag verdorben," sagte Graf gerade fröhlich. "Nehmen Sie es nicht tragisch. Wir wollen eines der größten militärischen Projekte Ihres Landes durchziehen. Da ist über kurz oder lang mit so was zu rechnen. Im Moment wissen wir, woran wir sind. Achten Sie nur bitte auf alles, was Sie sagen!"

Walter Fernandez schluckte.

Ludwig Kinzel war ebenfalls nicht gerade froh angesichts der Tatsache, dass seine dienstlichen und privaten Telefonanschlüsse überwacht wurden. Er hatte das zwar vermutet, aber zwischen einer Vermutung und dem Fakt, es zu wissen, war schon ein gewaltiger Unterschied!

Karin würde hysterisch werden, wenn er ihr erklärte, dass jemand ihre Gespräche mit Freunden, mit den Kindern in Deutschland, mit ihm selbst abhörte!

Am besten, er sagte ihr nichts!

Rupert Graf schien das alles nichts auszumachen.

"Walter," sagte Graf. "Da dies mein letzter Abend in Lima ist, würde ich mich freuen, wenn wir heute Abend nochmal zusammen Essen gehen. Ich werde eine junge Dame mitbringen, die ich hier kennengelernt habe. Lutz und ich müssen noch mal zu Bustamante. Lutz, der wohnt doch in San Isidro? Kennst du nicht irgendein gutes Lokal da in der Nähe?"

Walter sagte gerne zu, und er war sicher, Liliana würde ebenso gerne mitkommen, bestand aber darauf, heute der Gastgeber zu sein.

Sie verabredeten sich für einundzwanzig Uhr dreißig im Restaurant von Walters Golfclub.

Damit Graf und Kinzel nicht auf dem Rückweg in die Innenstadt einen Umweg fahren müssten, wollte Walter ein Taxi nach Hause nehmen, ein Vorschlag, der erst nach einigem Hin und Her angenommen wurde.

Tatsächlich wollte Walter allein sein, um zu überlegen, wie er Liliana beibringen könnte, ihre Wohnung würde belauscht.

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Auf dem Weg zu Grafs Hotel hielten sie kurz bei Kinzels Haus, um Karin Kinzel zu bitten, mit ihrem Auto Roxana im Hotel Gran Bolivar abzuholen und zum Abendessen im Golfclub mitzubringen. Graf hatte bewusst vorgeschlagen, diese Bitte persönlich vorzutragen, weil er annahm, dass ein Anruf abgehört werden würde.

Dann fuhren sie zurück ins Stadtzentrum.

„Folgt uns jemand?“ fragte Graf. „Ein weißer Toyota?“

„Nein.“

„Dann fahr mich bitte zu meinem Hotel.“

Graf ging mit Kinzel nach oben in sein Zimmer.

Als er die Zimmertür öffnete, war Roxana nicht allein. Sie saß mit einer jungen Dame in der Sitzgruppe vor dem Fenster.

Graf sagte:

"Roxana, darf ich dir Lutz Kinzel vorstellen? Lutz, dies ist Señorita Torreblanca."

Und zu der fremden jungen Frau:

"Mein Name ist Rupert Graf. Ich wohne auch hier."

Er sah Carla mit strahlendem Lächeln an.

Ludwig Kinzel überlegte, wo er Roxana schon einmal gesehen hatte.

Sie kam ihm irgendwie bekannt vor.

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Oberst Carlos Garcia war in einer wenig glücklichen Situation.

Er sah, wie Walter Fernandez den Taxifahrer bezahlte, aus dem Wagen stieg und zur Eingangstür des Hauses ging.

Während Fernandez die Straße überquerte, sah er in Garcias Richtung.

Garcia wusste nun überhaupt nicht, was er tun könnte, um die Spur Grafs und Roxanas wiederzufinden.

Beide waren verschwunden.

Garcia beschloss, in sein Büro zurückzukehren. Er hatte noch andere Arbeiten zu erledigen.

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Um etwa die gleiche Zeit fuhr wieder ein grauer Mazda langsam in die Straße, in der Roxana wohnte. Er parkte hinter dem Fahrzeug gleichen Typs, das bisher dort gestanden hatte und das jetzt losfuhr.

Der Schichtwechsel würde sich alle vier Stunden wiederholen, notfalls mehrere Tage lang.

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Walter Fernandez betrat seine Wohnung mit Beklemmung.

Hier, in seinen eigenen vier Wänden, wurde er belauscht, seine Telefonate wurden mitgehört, interpretiert, analysiert, archiviert.

Vor seinem Haus stand ein Auto, in dem ein Mann saß und ihn beobachtete.

Wenn es nur die Telefonate waren, die belauscht wurden, war es zwar schlimm, aber nicht ganz so schlimm.

Was Walter Fernandez störte, war, dass es da draußen jemanden gab, der hörte, wie er oder Liliana aufs Klo gingen, der hörte, wie er mit Liliana schlief, mit ihr sprach, selbst, welche Nachrichten er sah oder hörte.

Walter besah seine Wohnung, als wäre es die eines Fremden.

Wo könnten die Abhörgeräte sein?

Hinter den Vorhängen? In den Telefonen? Hinter einem der Bilder?

Walter Fernandez kannte solche Geschichten nur aus Kriminalromanen oder Filmen. Er wusste von daher, dass Abhörgeräte unglaublich klein sein konnten.

Er ging ins Wohnzimmer, wo Liliana vor dem Fernseher saß.

Sie warf ihm eine Kusshand zu und fragte:

"Na, wie war´s?"

"Das erzähle ich dir sofort, Liebling. Komm´ doch bitte mit raus auf die Terrasse. Und bitte Felicitas, auch zu kommen."

Er schob die große Glastür auf und setzte sich in einen der Sessel.

Wenige Augenblicke später folgte ihm Liliana mit neugierigem Gesicht.

Felicitas, das Hausmädchen, kam ebenfalls und wischte sich die Hände an der Schürze ab.

Liliana setzte sich, Felicitas blieb stehen.

"Felicitas," fragte Walter, "War in der vergangenen Woche ein Handwerker, ein Elektriker, Installateur oder was es sonst so gibt, in unserer Wohnung?"

"Si, Señor," sagte Felicitas erleichtert, denn sie hatte einen Tadel für etwas erwartet, ohne zu wissen, wofür. "Am Freitag war ein Techniker der Telefongesellschaft hier, weil mit der Haustelefonanlage etwas nicht in Ordnung war. Der Señor und die Señora waren auf dem Golfplatz. Er hatte einen amtlichen Ausweis und war sehr nett."

"Felicitas, was hat er gemacht?"

"Er hat an den Telefonen geschraubt und an den Steckern der Telefone in den Wänden. Ist etwas nicht in Ordnung, Señor? Ich war die ganze Zeit dabei. Er hat sonst nichts angefasst. Fehlt etwa etwas? Ich habe so aufgepasst!"

Felicitas war den Tränen nahe.

"Nein, Felicitas, es fehlt nichts. Du kannst wieder hineingehen," seufzte Walter. Graf hatte recht gehabt.

Felicitas machte einen Knicks und ging zurück in die Küche. Sie hatte alles genauso gemacht, wie ihr der Señor das immer gesagt hatte, die Papiere des Technikers überprüft, beziehungsweise sich von ihm vorlesen lassen, denn lesen konnte sie so gut wie gar nicht. Und sie hatte den Mann während seiner Arbeit nicht aus den Augen gelassen. Außerdem hatte er eine Monteursuniform der Peru-Telecom angehabt, und die kannte sie.

"Walter, was ist los?" wollte Liliana wissen.

"Mein Schatz, wir werden abgehört," sagte Walter.

"Abgehört, was heißt das ?" Liliana setzte sich aufrecht.

Walter erklärte ihr, was Rupert Graf ihm eröffnet hatte. Dass die Telefonate mitgeschnitten würden, dass, und dieser Verdacht hatte sich soeben erhärtet, auch Mikrophone in der Wohnung angebracht seien. Wahrscheinlich wäre nur die Terrasse sicher.

Liliana brauchte eine Weile, zu realisieren, was das bedeutete.

"Du meinst, Walter, die können alles hören, was wir tun? Was wir sagen? Sogar, wenn wir uns umarmen?"

Ihr stiegen Tränen in die Augen.

Belauscht? In der eigenen Wohnung? In ihrer Wohnung?

Ihr erster Impuls war, sofort auszuziehen, in ein Hotel zu gehen. Hier wollte sie nicht bleiben!

Walter schob seinen Sessel näher an den ihren heran und ergriff ihre Hände.

"Ich bin genauso erschüttert wie du, mein Schatz," sagte er leise.

"Woher weißt du, dass wir belauscht werden?"

"Von Rupert Graf. Er hatte das bereits vermutet, deshalb das Essen gestern auf der Terrasse. Er sagt, dass sei normal, wenn man Projekte anfasst wie wir jetzt. Nationale Sicherheit und so. Aber jemand scheint ihm ausdrücklich bestätigt zu haben, dass unser Telefon angezapft ist. Frag mich nicht, woher er das weiß. Außerdem stand gerade, als ich ankam, unten auf der Straße ein Auto, in dem jemand saß"

Walters Mund war völlig trocken. Er räusperte sich.

"Aber du weißt ja überhaupt noch nicht die letzten Entwicklungen. Graf hatte letzte Nacht ein Treffen mit Scaloni und Bustamante. Scaloni hat offenbar zugesagt, den Kauf der Schiffe zu unterstützen. Bustamante war auch dabei. Wie Graf dahin gekommen ist weiß ich nicht, er hat es nicht gesagt. Er hat nur berichtet, er sei um Mitternacht noch mit Scaloni zusammengetroffen, so wie du sagen würdest, du hättest Sofia im Kaufhaus gesehen. Er ist schon ein Kerl!"

Liliana mochte im Moment seine Begeisterung nicht teilen.

"Walter, was machen wir? Wir können doch so nicht leben! Wir können uns doch nicht den Rest unseres Lebens auf der Terrasse unterhalten!"

Walter erklärte ihr, was Graf empfohlen hatte.

Er würde gleich morgen mit Rogerio Chavez sprechen, um die Wohnung überprüfen zu lassen. Chavez würde wissen, wen man zu Hilfe rufen könnte.

Walter berichtete Liliana von dem geplanten Abendessen. Graf würde, habe er gesagt, eine Bekannte aus Lima mitbringen.

Das machte Liliana neugierig.

"Wer ist das denn?"

"Das hat er nicht gesagt. Nur, dass er eine Freundin mitbringt, die er hier kennengelernt habe. Mehr weiß ich nicht."

Walter fand, dass er jetzt etwas zu Trinken verdient hätte.

Er fragte Liliana, ob sie auch etwas wollte. Sie wollte!

Als er kurz darauf im Golfclub anrief und einen Tisch reservierte, hatten sowohl Enrique Pato und Carlos Garcia eine Spur, auf der sie hofften, Graf wiederzufinden.

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Rupert Graf lud Roxana und Carla ein, mit ihm und Kinzel an der Hotelbar einen Drink zu nehmen.

Roxana hatte Carla als ihre beste Freundin vorgestellt, die sie von ihrer Tätigkeit im Gesundheitsministerium her kannte, wo Carla immer noch arbeitete.

Carla musterte Graf mit großen Augen.

Das also war der geheimnisvolle Mann, in den Roxana sich verliebt hatte!

Einen Mann wie Rupert Graf fand sie zwar interessant, aber nicht unbedingt attraktiv. Das mochte daran liegen, dass jemand wie Graf ihr wahrscheinlich nie den Hof machen würde.

Der ruhigere Ludwig Kinzel gefiel Carla viel besser.

Der war richtig nett, freundlich, gutmütig. Außerdem ließ er sie merken, dass er sie mochte. Auch wenn Kinzel nicht viel sagte, sah Carla daran, wie Kinzel sie anblickte, dass er sie sympathisch fand.

Graf sagte gerade:

"Roxana, ich möchte dich heute zum Abendessen mitnehmen. Ludwig Kinzel wird mit seiner Frau Karin dabei sein, unser Gastgeber ist der von dir schon mal erwähnte Walter mit seiner Frau. Ich bin sicher, dass du alle sehr nett finden wirst."

Das gefiel Roxana einerseits, andererseits war sie nervös.

Kinzel sagte:

"Señorita Roxana, meine Frau wird Sie abholen, so gegen halb neun. Rupert und ich haben vorher noch einen Termin. Wir kommen direkt zum Restaurant. Wahrscheinlich sind wir schon da, bis Sie und Karin ankommen."

Kinzel fiel jetzt auch wieder ein, wo er Roxana gesehen hatte. Sie hatte Sonntag Nacht in der Bar im Sheraton gesessen, und Graf hatte immer zu ihr herüber geguckt. Karin hatte auf der Heimfahrt eine Bemerkung darüber gemacht. Da hatte Graf sie her! Und die war vom Geheimdienst! Er hoffte nur, dass Graf wusste, was er tat! Nett war sie, offenbar gut erzogen, und, das musste Kinzel zugeben, sehr attraktiv.

Ihre Freundin Carla fand Kinzel aber viel netter. Er hatte Mühe, nicht immer auf ihre Beine zu starren, über die das kurze Röckchen immer weiter hoch rutschte.

Kinzel stand auf.

"Señorita Carla, kann ich Sie mitnehmen, oder kann mein Fahrer Sie nach Hause bringen?"

Dieses Angebot nahm Carla gerne an.

Sie gab Roxana auf jede Wange ein Küsschen und ging mit Kinzel davon.

Graf sah ihnen nach.

Dann sagte er zu Roxana:

"Komm, wir gehen nach oben."

Enrique Pato fand die Informationen aus der Wohnung von Fernandez nicht ergiebig. Er müsste ein Mikrophon auf Fernandez´ Terrasse einbauen lassen. Nachdem er Walters Anruf gehört hatte, wusste er, sein Bürocomputer würde ihm nachher sagen, wo die Tischreservierung gemacht wurde. Das konnte er aus dem Apartment heraus nicht feststellen.

Wenige Minuten später hörte er allerdings etwas, das ihn aufhorchen ließ.

Liliana de Fernandez wurde von dem Dienstmädchen gefragt:

"Señora, ich habe doch nichts falsch gemacht, als ich den Telefontechniker in die Wohnung gelassen habe? Der Señor hat so böse geguckt! Habe ich denn was falsch gemacht?"

"Nein, nein, Felicitas, es ist schon in Ordnung," hörte Pato Liliana de Fernandez antworten.

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Auch Oberst Carlos Garcia war froh, wieder einen Anhaltspunkt zu haben. Zurück in seinem Büro, hatte er die Tischreservierung Walter Fernandez´ abgehört, und sein Computer hatte wenige Augenblicke später Namen und Anschrift der von Fernandez angewählten Nummer angegeben.

Garcia wusste, wo er um neun Uhr heute Abend sein würde. Es war zwar nur eine Möglichkeit, dass die beiden Deutschen heute Abend dabei sein würden, aber es war alles, was er hatte!

Wenige Augenblicke später sollte er wissen, dass er recht gehabt hatte.

Sein Computer signalisierte den Eingang eines Anrufs im Privathaus Kinzels.

Als Garcia sich einschaltete, hörte er gerade, wie Karin Kinzel einer Freundin erzählte, dass sie deren Einladung für den Abend nicht annehmen konnte. Sie sei mit ihrem Mann und ein paar Freunden zum Abendessen im Golfclub eingeladen.

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Graf und Roxana duschten gemeinsam. Roxana genoss es, von Graf zärtlich eingeseift zu werden. Es versetzte sie in erotische Stimmung, die kühle Seife auf ihrer Haut unter dem warmen Wasserstrahl zu spüren. Nachdem er die Seife abgewaschen hatte, kniete er vor ihr in der Duschkabine nieder und begann, mit seiner Zunge ihren Schoß zu liebkosen. Dabei rann das warme Wasser an ihrem Körper herab, lief über ihren Bauch und über Rupert Grafs kahlen Kopf. Roxana öffnete sich ihm, soweit das im Stehen möglich war. Sie presste sich gegen seinen Mund. Roxana spürte, wie Ruperts Zunge vorsichtig und forschend in sie eindrang. So etwas hatte sie noch nicht erlebt! Nach ihrem Höhepunkt stand Graf auf und hielt sie, immer noch unter der Dusche, eine Weile im Arm und küsste sie. Ihr Herz schlug wie wild, ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Wachs.

Dann sagte Graf unvermittelt:

"Ich muss los."

Er stieg aus der Dusche, trocknete sich ab und verließ das Bad, um sich anzuziehen.

Mit immer noch zitternden Knien folgte Roxana ihm.

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Oscar fuhr mit Señor Kinzel im Fond zum Crillon.

Dort stand Señor Graf bereits am Eingang und stieg zu Señor Kinzel nach hinten ein.

Oscar liebte es, den Mercedes zu fahren. Normalerweise fuhr Señor Kinzel selbst. Nur, wenn es irgendwo hin ging, wo es Parkprobleme geben könnte oder wenn Señor Kinzel wusste, es würde spät und zudem viel getrunken, durfte Oscar den Mercedes fahren.

Oscar war im Büro angestellt für alle möglichen Aufgaben, für Botendienste, um mit dem anderen Auto, einem VW-Golf, Gäste vom Flughafen abzuholen, oder um die drei Autos der anderen Mitarbeiter zu warten.

Oscar mochte seine Arbeit, und er mochte Señor Kinzel.

Oscar war sehr dunkelhäutig, war aber nicht schwarz. Sein Vater war Neger, seine Mutter eine Criolla, eine Mischung aus weiß und indianisch. Wer der oder die Weiße in ihrer Familie gewesen war, wusste niemand mehr.

Señor Kinzel behandelte ihn freundlich und hatte ihm sogar ermöglicht, Lesen und Schreiben zu lernen.

Von Autos hatte Oscar schon immer viel verstanden, seit er als Kind seinem Onkel Eosebio zur Hand gegangen war.

Onkel Eosebio hatte eine kleine Werkstatt in Callao, wo er an Autos aller Typen Reparaturen vornahm. Nicht so eine Werkstatt wie die, wo Oscar Señor Kinzels Mercedes von Zeit zu Zeit hinbrachte, wo dreißig Mechaniker in weißen Overalls herumsprangen und wo man hätte vom Erdboden essen können, weil es so sauber war!

Onkel Eosebios Werkstatt war winzig und schmutzig, trotzdem hatte Oscar dort alles gelernt, was man über Autos wissen musste.

Oscar hatte Señor Kinzel schon zu vielen Terminen gefahren und gewartet, bis er wieder zurückkam, und sich jedesmal gefreut, den Mercedes zu fahren.

Einmal hatte Oscar sogar seine Verlobte Maria Rosa einen Abend lang in dem Wagen spazieren fahren können.

Aber jetzt fuhren sie zum Haus eines richtigen Ministers! Der hatte innerhalb von zwei Tagen zweimal angerufen, um Señor Kinzel und Señor Graf zu sehen! Die Mädchen im Büro hatten darüber getuschelt.

Jetzt hatte Señor Graf auch noch gefragt:

„Oscar, können Sie erkennen, ob uns ein weißer Toyota folgt?“

Heute Nacht hätte er Maria Rosa etwas zu erzählen!

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An der Tür von Ministro Bustamantes Haus wurde Graf und Kinzel sofort aufgemacht.

Im Flur standen zwei Sicherheitsbeamte, die sie eindringlich musterten, aber passieren ließen.

Ein Diener führte sie in einen großzügigen Wohnraum.

Minister Carlos Bustamante war sehr aufgeräumt.

"Ah, die beiden Señores Kriegsschiffeverkäufer! Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim."

Der Diener, sicherlich ebenfalls ein Sicherheitsbeamter, fragte nach ihren Getränkewünschen, ein Glas Whisky für Kinzel, ein Glas Weißwein für Graf.

Nachdem er die Getränke serviert hatte, zog er sich zurück.

Bustamante ergriff das Wort:

"Señores, hier können wir ungestört reden. Niemand hört mit. Ich nehme an, Señor Graf, Sie haben Ihrem Kollegen von unserem kleinen Plausch von letzter Nacht erzählt."

Graf nickte.

"Dann nehme ich auch an, dass Ihre Zweifel über die Unterstützung Ihres Vorhabens aus der Spitze unserer Regierung jetzt zerstreut sind?"

Graf nickte wieder.

"Wie geht es jetzt weiter?"

"Nun, Señor Bustamante," sagte Graf. "Mein Freund und Kollege Señor Kinzel ist unser Mann hier in Lima, vor dem ich keine Geheimnisse habe. Alles, was wir besprechen, bleibt, was uns angeht, in diesem Kreise."

Er holte Luft.

"Es gibt für die Sozialversicherung mehrere Möglichkeiten. Was wir tun, wird davon abhängen, wo Sie das Geld für die besonderen Aufgaben haben wollen, hier, oder im Ausland, oder einen Mix von beidem. Ich möchte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass insbesondere die USA sehr sorgfältig den Fluss von Geldern überprüfen, weil man dort paranoid ist, wenn man an Geldwäsche aus Drogengeschäften oder die Finanzierung von Terror glaubt. Wenn irgendwo auf der Welt heute ein Betrag von fünfundzwanzig, dreißigtausend Dollar bar abgehoben wird, selbst von einem Nummernkonto, wird das in Washington registriert. Gerade deshalb empfehle ich, als Begünstigte Gesellschaften in den USA zu gründen.“

Graf nahm einen Schluck Wein.

„Warum, zum Teufel, das denn?“

„Nun, es gibt Bundesstaaten in den USA, in denen man als Ausländer in einer so sicheren Steueroase ist wie kaum sonst wo auf der Welt. Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, selbst Caiman Island können Sie vergessen! Auf alle diese Länder üben die USA enormen Druck aus, was die Offenlegung insbesondere US-amerikanischer Steuerhinterzieher angeht. In den USA selbst sind die Amerikaner, was ausländische Steuerhinterzieher angeht, von beeindruckender Großzügigkeit. Sicherer als in Delaware oder Wyoming können Sie mit Ihrem Geld kaum sein!“

"Was schlagen Sie vor, Señor Graf?"

"Zunächst halte ich es für ratsam, unsere Absprache in die Form einer grundsätzlichen Vereinbarung zu bringen. Ludwig Kinzel wird Ihnen hierzu in den nächsten Tagen ein Vertragsmuster aushändigen, das aber alle wesentlichen Punkte offenlässt, damit nicht jemand Dritter nachvollziehen kann, um was es geht. Wer auf Ihrer Seite die Vertragspartner sein sollen, werden Sie regeln müssen. Auf keinen Fall sollten Sie selbst dies sein! Sie sind Amtsträger. Suchen Sie eine Person Ihres Vertrauens. Einen Freund. Von mir aus Ihre Gemahlin. Die Vereinbarung wird, wenn sich das Geschäft innerhalb einer vereinbarten Frist konkretisiert, ohnehin in mehrere Einzelverträge aufgeteilt, in denen die Auszahlung der gestern Nacht besprochenen Vergütung garantiert wird."

"Was meinen Sie mit ´innerhalb einer vereinbarten Frist`, Señor Graf?"

"Nun, ich würde in dem Grundvertrag stehen haben wollen, dass ein Zahlungsanspruch in der besprochenen Höhe nur besteht, wenn das Geschäft innerhalb der nächsten 18 Monate zum Tragen kommt," sagte Graf gelassen. Er wusste, jetzt würde es Aufregung geben.

"Das verstehe ich nicht," sagte Bustamante erneut.

"Nun, Señor Bustamante, wenn wir versuchen, das Geschäft über die Bühne zu bringen, und nach anderthalb Jahren ist nichts passiert, dann können wir Ihnen eine Vergütung von drei Prozent nicht mehr zusichern."

"Wieso nicht? Das verstehe ich immer noch nicht."

Bustamante wirkte ungeduldig.

"Señor Bustamante, entweder, es gelingt, innerhalb dieser Zeit das Geschäft abzuschließen, und nach meinem Verständnis haben wir dafür die entsprechende Unterstützung, dann fließt die zugesagte Summe. Oder aber es gelingt nicht, und dann haben wir kein Geschäft, und es gibt auch kein Geld."

Graf wusste, dass Bustamante sich damit nicht zufrieden geben würde.

"Señor Graf, wenn meine Freunde und ich uns für dieses Geschäft einsetzen und wir wegen der Opposition, egal ob im Parlament oder in der Öffentlichkeit, es nicht innerhalb der von Ihnen gesetzten Frist zum Abschluss bringen, sondern erst später, dann sollen wir nichts bekommen? Verstehe ich Sie richtig?"

Bustamante klang angriffslustig.

"Ich will nicht sagen, Sie bekommen dann nichts, Señor Bustamante. Nichts gibt es nur, wenn es überhaupt kein Geschäft gibt. Bitte betrachten Sie das einmal von meinem Standpunkt. Sollte bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen das Geschäft nicht zum Abschluss gekommen sein, und sollte es bei diesen Wahlen, was ich weder Ihnen noch uns wünsche, zu einer anderen Regierungszusammensetzung kommen, dann werden Lutz Kinzel und ich ähnliche Sozialversicherungen mit den dann im Amt befindlichen Persönlichkeiten abschließen müssen. Und die müssten dann zu Lasten der Ihnen zugesagten Beträge gehen."

Bustamante schnappte hörbar nach Luft.

"Ich verstehe, Señor Graf, dass Sie damit sagen wollen, dass, wenn wir unsere Schulaufgaben nicht rechtzeitig machen, wir auch nicht ordentlich belohnt werden. Und was ist, wenn wir die Wahlen gewinnen? Kriegen wir unsere Belohnung dann auch nicht?"

Graf blieb ruhig. Solche Diskussionen hatte er schon oft führen müssen.

"Señor Bustamante, bitte stellen wir uns mehrere Szenarien vor. Sollte Ihre Regierung die Wahlen verlieren, und das Geschäft ist bis zu diesem Termin zwar vorangekommen, aber nicht abgeschlossen, werden wir versuchen, mit einer neuen Regierung eine ähnliche Unterstützungsvereinbarung zu erreichen wie mit Ihnen. Da wir aber einen Dollar nicht zweimal ausgeben können, müssten wir Ihnen den Betrag abnehmen, den wir den anderen zahlen müssen. Ich halte diese Möglichkeit für sehr theoretisch, aber trotzdem muss ich dafür Vorsorge treffen.“

Graf einen Schluck Wein.

„Sollte Ihre Regierung hingegen die Wahlen gewinnen, und wir alle sind der Ansicht, das Geschäft kann zum Abschluss gebracht werden, wären wir ja dumm, die Vereinbarung mit Ihnen nicht zu verlängern. Sie hätten die Möglichkeit, das Geschäft jederzeit zu stoppen!

Sollte aber in zwei Jahren die heutige Opposition regieren und drei Jahre später sich entschließen, neue Schiffe für Ihre Marine bei uns zu kaufen, dann möchte ich nicht mit einer fünf Jahre alten Vereinbarungen konfrontiert werden, die Ihnen für diesen Vertrag drei Prozent zusagt. Da muss ich um Verständnis bitten!"

Graf griff wieder zu seinem Weinglas. Kinzel, um nichts sagen zu müssen, nahm auch schnell einen Schluck von seinem Whisky.

Bustamante guckte finster drein.

Graf ergriff erneut das Wort:

"Señor Bustamante, Ihr Vergütungsanspruch besteht in voller Höhe, wenn das Geschäft innerhalb der nächsten anderthalb Jahre abgeschlossen wird. Eine Klausel unseres Vertrages wird die einvernehmliche Verlängerung dieser Frist ermöglichen. Noch einmal, wir wären dumm, nicht zu verlängern, wenn Sie weiter im Amt bleiben.

Nur, wenn über einen Zeitraum, und hierzu möchte ich drei Jahre vorschlagen, gar nichts passiert, wäre unsere Vereinbarung automatisch ungültig."

Bustamante sah jetzt ein, dass die Forderung Grafs nicht unfair war. Dies würde er Scaloni erklären können.

„Warum überhaupt mehrere Verträge und nicht ein einziger? Das wäre doch viel einfacher.“

„Wir werden gegenüber unseren Behörden sehr detailliert darlegen müssen, warum und wofür wir Geld ausgeben. Alle erfolgsabhängigen Zahlungszusagen werden heute mit Argusaugen beobachtet. Wir werden nachweisen müssen, dass der Begünstigte sich in militärischen Fragen auskennt, oder in Fragen der Fischerei. Dann brauche ich jemanden, den wir für Serviceaufgaben hinzuziehen können. Dessen Vertrag erst rechtsgültig wird, nachdem der eigentliche Kaufvertrag gültig ist. Er sollte uns von Ihrem oder dem Verteidigungsministerium empfohlen werden. Wir müssen Aktenlagen aufbauen. Das wird umständlich, ist aber unvermeidlich. Wenn Anlass zur Vermutung besteht, es handele sich um Schmiergelder, werden sofort staatsanwaltliche Ermittlungen aufgenommen. Anlass zu dieser Vermutung bietet zunächst einmal die Höhe des zugesagten Betrages. Deshalb müssen wir die Zahlung aufteilen. Einfach pauschal zu sagen wie früher, das sind Beratungsleistungen, geht nicht mehr.“

„Aber wir verhelfen Ihnen doch zu dem Vertrag!“

„Ja, aber Sie sind Amtsträger, und Zahlungen an Amtsträger sind verboten.“

„Deshalb die Gesellschaften in den USA?“

„Ja. Jede dieser Gesellschaften wird eine Aufgabe zum Zustandekommen des Vertrages oder Leistungen in der Vertragsabwicklung bekommen. Hierzu wird es Schriftwechsel geben müssen, der die Erfüllung dieser Leistungen belegt.“

„Wie soll das denn gehen? Das sind doch, wenn ich Sie richtig verstehe, Briefkastenfirmen!“

„Die aber über eigene e-mail und Fax- und Telefonanschrift verfügen werden. Das ist über Rufumleitungen heute kein Problem mehr. Sie könnten von Lima aus bequem e-mails aus Miami oder sogar aus Europa versenden. Es gibt Unternehmen, die sich spezialisiert haben, so etwas zu organisieren. Aber diese Korrespondenz werden ja nicht Sie selbst führen.“

„Ich frage mich ohnehin, wo ich Zeit und Wissen hernehmen soll, um Schriftwechsel über die von Ihnen erwähnten Leistungen zu führen.“

„Das ist mir bewusst. Ich werde Ihnen jemanden vorschlagen, der das gegen Bezahlung einer Gebühr für Sie erledigen kann.“

Aber Bustamante hatte jetzt doch eine andere Frage.

"Wann bekommen wir unser Geld, Señor Graf?"

Graf nahm noch einen Schluck Wein. Kinzel trank aus purer Solidarität mit. Er war sichtlich froh, nicht den Wortführer spielen zu müssen.

"Señor Bustamante, normalerweise werden solche Zahlungen pro rata Zahlungseingang durchgeführt," sagte Graf. "Das heißt, von jeder Zahlung, die bei uns eingeht, bekommen Sie Ihre drei Prozent."

"Ja, aber Sie sagten doch, das Geschäft würde langfristig finanziert! Soll das heißen, wir bekommen unser Geld erst in zehn Jahren?"

"Das heißt es nicht," sagte Graf geduldig. "Das Zahlungsschema wird so aufgebaut, dass Peru uns eine Anzahlung leistet, um den Vertrag in Kraft zu setzen. Aus dieser Anzahlung wird Geld an Ihre Unternehmen fließen. Je höher die Anzahlung, desto höher der Rückfluss.“

Graf trank einen Schluck aus seinem Weinglas.

„Für den verbleibenden Betrag werden wir versuchen, und ich wiederhole, versuchen, eine langfristige Finanzierung zu arrangieren. Die sähe dann so aus, dass eine Gruppe von Banken Ihrem Land einen Kredit einräumt, gebunden an den Kauf der Schiffe bei uns. Aus dem Kredit werden die Raten zu bezahlen sein. Wir nennen das Zahlungskalender. Der Zahlungskalender sieht vor, dass unsere Werften für bestimmte Leistungen Geld erhalten, zum Beispiel, zur Kiellegung der einzelnen Schiffe, bei Stapellauf, bei Abschluss der Hafentests, bei Abschluss der Probefahrten, bei Übergabe der Schiffe. Von diesen Zahlungsraten erhalten Sie wiederum Ihre drei Prozent. Bei Ablieferung des letzten Schiffes haben Sie Ihre 15 Millionen Dollar. Völlig unabhängig von den Rückzahlungsraten des Kredites."

Bustamante nickte.

"Trotzdem, Señor Graf, Scaloni und ich hätten unser Geld lieber früher. Wie lange bauen Sie an den Schiffen? Vier Jahre?"

Graf nickte.

"Vier Jahre sind zu lang!"

Bustamante lehnte sich in seinem Sessel zurück.

"Sehen Sie, Señor Bustamante, diese vier Jahre sind bedingt durch die Lieferzeiten von Materialien, die für den Bau der Schiffe benötigt werden. Außerdem wird Ihre Marine personell nicht in der Lage sein, vier neue Schiffe gleichzeitig zu übernehmen.“

„Vier Jahre sind zu lang. Da können Sie das Geschäft vergessen! Scaloni verliert jegliches Interesse, wenn er das hört. Wir benötigen das Geld für den Wahlkampf!“

„Wir können nur Geld ausgeben, das wir auch haben,“ antwortete Graf.

„Das macht Scaloni nicht mit, Señor Graf. Glauben Sie mir, ich kenne ihn. Bieten Sie einen Kompromiss. So wie letzte Nacht!“

Graf wechselte einen Blick mit Kinzel. Der schlug die Augen nieder und klimperte mit den Eiswürfeln in seinem Glas.

„Señor Ministro, ich biete an, wenn es zu einer umgehenden positiven Entscheidung kommt, die ersten sechs Millionen Dollar innerhalb eines Jahres auszuzahlen, drei Millionen nach Erhalt der Anzahlung, weitere drei nach 12 Monaten. Allerdings nur gegen Abzinsung.

Den Rest werden wir proportional auf die restlichen Raten umlegen.

Das sollte Ihnen und Präsident Scaloni ermöglichen, die ersten drei Millionen schon in Ihrem Wahlkampf einzusetzen."

Graf war absolut sicher, dass weder Scaloni noch Bustamante auch nur im Traum daran dachten, diese Gelder im Wahlkampf zu verschwenden.

"Scaloni und ich hätten lieber alles in einer Rate, und zwar gleich am Anfang." Bustamante wirkte jetzt trotzig.

"Das wird nicht gehen, Señor Bustamante," sagte Graf. Es war immer das selbe, egal, wo auf der Welt!

"Nehmen wir an, die Anzahlung, die Peru aus Eigenmitteln aufbringen kann, beträgt zehn Prozent des Auftragswertes, also fünfzig Millionen. Dieses Geld benötigen wir, um unsererseits Anzahlungen an hunderte von Unterlieferanten zu leisten und um unsere eigenen Arbeiter bis zum Erhalt der nächsten Zahlung zu bezahlen. Davon können wir unmöglich gleich fünfzehn Millionen an Sie zurückgeben. Sollten Sie in der Lage sein, uns mehr als zehn Prozent anzuzahlen, gebe ich Ihnen gerne mehr. Diese Entscheidung liegt aber bei Ihnen."

Bustamante war im Augenblick damit beschäftigt, nachzudenken, woher seine Regierung fünfzig Millionen Dollar für die Anzahlung nehmen sollte. Graf hatte recht, die fünfzehn Millionen konnten sie unmöglich auf einmal kassieren, so schön es gewesen wäre!

„Was heißt Abzinsung?“ fragte Bustamante. „Sie hatten dieses Wort benutzt.“

„Ich muss früher Geld an Sie abgeben, als mein Unternehmen es aus dem Vertrag erhält. Den Zinsaufwand möchte ich kompensiert haben.“

„Sie sind eine Krämerseele, Señor Graf,“ sagte Bustamante.

„Ich kann mir aus den Ihnen gestern dargelegten Gründen nicht erlauben, dass bei unseren Behörden der Eindruck entsteht, ich gewährte Gefälligkeiten,“ antwortete Graf. Er nahm wieder einen Schluck Wein. Sein Glas war jetzt fast leer. Kinzel hatte längst schon ausgetrunken. Niemand dachte im Augenblick daran, den Diener zu rufen, was Graf bedauerte.

"Sie verstehen, dass ich das mit Präsident Scaloni besprechen muss. Wie geht es jetzt weiter?"

"Ludwig Kinzel wird Ihnen einen neutral gehaltenen Vertragstext überbringen, in dem wir unsere Absprache festhalten. Ich denke, es ist in unser beider Sinne, solch ein Papier nicht hier im Lande zu unterschreiben und aufzubewahren.

Wir können es in einen Banksafe legen oder bei einem Notar deponieren mit der Maßgabe, dass wir nur gemeinsam Zugriff darauf haben. Dies kann in jedem Ausland sein, auch wenn mir die Schweiz oder Panama oder Miami am liebsten wären. Die Reisekosten dorthin gehen zu unseren Lasten. Wie Sie sich mit der Vertrauensperson einigen, die für Sie unterschreibt, ist Ihre Angelegenheit.

Ludwig wird Ihnen bei der Einrichtung der US-Gesellschaften helfen. Das hat aber noch Zeit. Und kostet Geld. Insofern sollte das erst geschehen, wenn wir sicher sind, der Schiffsvertrag kommt. Dann würden wir die deponierte Absprache gegen die Einzelverträge austauschen und vernichten. Dann müssten Sie auch Konten für die Gesellschaften einrichten.“

„Was für Konten? Nummernkonten?“

"Früher wäre die Schweiz ideal gewesen. Heute nicht mehr. Jetzt müssen Sie dort nachweisen, es ist legales, versteuertes Geld. Es gibt Banken in der Karibik, die nicht nach dem Ursprung fragen, Bahamas, Bermudas, aber auch wir geraten in Probleme, wenn wir Gelder in Steueroasen überweisen. Deshalb: USA, Delaware, Wyoming. Die US-Gesellschaft bekommt dann eine Tochtergesellschaft im Ausland, und die kann so viele Nummernkonten haben wie sie will und wo sie will.“

„Muss ich dazu nach Wyoming oder Delaware? Ich weiß nicht mal, wo das ist!“

„Keine Sorge, Sie müssen weder nach Cheyenne noch nach Dover. Das sind die beiden Hauptstädte. Das alles kann von Miami aus geregelt werden.“

Traurig besah Graf sein leeres Glas. Er fuhr fort:

„Nun mag es sein, dass Sie oder der Präsident weitere Persönlichkeiten ins Vertrauen ziehen. Sie werden sicher uns diese Persönlichkeiten nicht nennen wollen, und ich will sie nicht wissen. Sie werden aber weiterhin auch ungern haben wollen, dass diese Persönlichkeiten Möglichkeit haben, aufgrund von Überweisungsträgern oder Schecks die Nummer Ihres Kontos herausfinden. Je nach dem, um welche Beträge es geht, wäre es leichtsinnig, diese mit Orderschecks zu begleichen. Sollte ein Scheck in falsche Hände geraten, ist das Geld futsch.

In bar können Sie es auch nicht machen. Wenn Sie heute mit hunderttausend Dollar in eine Bank spazieren, in der man Sie nicht kennt, und wollen mit diesem Geld ein Konto eröffnen, werden Sie höflich aber bestimmt hinauskomplimentiert."

An diese Problematik hatte Bustamante nicht gedacht!

"Wie wird so was gelöst, Señor Graf? Ich bin sicher, Sie haben eine Antwort."

"Nun, Señor Bustamante, es gibt verschiedene Möglichkeiten. Ich würde Ihnen empfehlen, bei einem Treuhänder Instruktionen zu hinter lassen, dass bei Nennung eines Kennwortes von dem Konto ein festgelegter Betrag ausgehändigt wird. Das heißt, der von Ihnen an weitere Bedürftige zu verteilende Gesamtbetrag fließt auf ein Konto des Treuhänders. Bei dem Treuhänder meldet sich ein Herr, den der Treuhänder nicht kennt. Der unbekannte Besucher nennt das Kennwort `Hundeschnauze` und erhält wie vorher zwischen Ihnen mit dem Treuhänder vereinbart, einhunderttausend Dollar. Der nächste, der kommt, sagt ´Mäusedreck` und erhält zweihunderttausend. Das ist diskret, und Sie müssen sich nicht exponieren."

Jetzt musste sogar Bustamante grinsen.

Graf wurde sofort wieder ernst.

"Señor Bustamante, nun wird es für Sie nicht leicht, aus dem Ausland regelmäßig größere Beträge in bar in Ihr Land zu bringen. Ihre Steuerbehörden sind zwar nicht so kleinlich wie unsere in Europa, trotzdem könnte das gefährlich werden. Sie könnten sich einen Teil des Geldes hier auszahlen lassen, und zwar völlig legal."

"Und wie soll das gehen?"

"Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Ein Beauftragter von Ihnen oder Señor Scaloni kauft für ein paar Dollar ein Stück Land in der Wüste und lässt dies ordentlich registrieren. Dieses Grundstück kaufen Sie ihm ab und tragen es auf den Namen einer Gesellschaft ein, die einem Mitglied Ihrer Familie gehört. Dann kommen wir und kaufen der Gesellschaft dieses Land nach einem Jahr oder wann immer unser Schiffsvertrag in Kraft tritt, für eine oder zwei Millionen ab. Was Sie hierzu überprüfen müssen ist, ob und wie Sie den Gewinn zu versteuern haben. Bei Grundstücksverkäufen sind die Regelungen von Land zu Land unterschiedlich. Die Bezahlung müsste sicherlich in Landeswährung erfolgen. Aber das wäre legal verdientes Geld."

Jetzt wollte Graf aber wirklich gerne noch was zu Trinken. Er hob sein leeres Glas, guckte hinein, und setzte es wieder ab.

Bustamante drückte auf einen Klingelknopf und der Diener erschien.

Bustamante machte eine kurze kreisende Handbewegung, um dem Diener zu signalisieren, dass er noch eine Getränkerunde bringen sollte, was sofort geschah.

Solange der Diener im Raum war, sagte niemand etwas.

"Señor Graf, das war sehr aufschlussreich. Ich danke für das Füllen einiger Wissenslücken. Sie sind offenbar in diesen Dingen recht bewandert."

Graf versuchte, ein bescheidenes Gesicht zu machen.

Bustamante fuhr fort:

"Lassen Sie mich zum Abschluss fragen, wie es bei dem Projekt weitergeht. Was passiert als nächstes?"

Graf erläuterte, dass er eine offizielle Einladung der Marine zu technischen Gesprächen erwarte und dass auf verschiedenen bürokratischen Ebenen Aktenlagen hergestellt werden müssten. Die Marine müsse die Regierung über die Gesprächsaufnahme mit Grafs Unternehmen unterrichten, einen Budgetantrag stellen, sich die Verhandlungen über den Kauf der Schiffe sobald wie möglich genehmigen lassen. Er, Graf, würde nach seiner Rückkehr nach Deutschland Kontakt zu Banken aufnehmen, um deren Finanzierungsbereitschaft auszuloten.

Bustamante, der von solchen Feinheiten nicht viel verstand, war zufrieden, dass etwas passierte, was ihn näher an sein Geld bringen würde.

"Señor Graf, Señor Kinzel, es ist mir eine echte Freude, Sie kennengelernt zu haben. Ich wünsche Ihnen eine gesunde Heimkehr nach Deutschland und hoffe, wir sehen uns bald wieder."

Er stand auf, und auch Graf und Kinzel erhoben sich.

Das Treffen war beendet.

"Was ist eigentlich mit dem netten Mädchen, das Sie gestern bei sich hatten?" wollte Bustamante noch wissen. „Sie hat dem Präsidenten gut gefallen und Anamaria hat sich sehr lobend über sie geäußert." Kinzel klappte vor Überraschung der Unterkiefer nach unten.

„Sie war bisher in Ihrem Verteidigungsministerium tätig, will aber dort weg,“ sagte Graf.

„Ich kann sie in meinem Ministerium unterbringen, wenn ich Ihnen damit eine Gefälligkeit erweise."

"Das wäre unglaublich freundlich von Ihnen, Señor Bustamante."

"Dann soll sie sich doch bei Señor Frederico Porcasi Tarran in der Personalabteilung des Ministeriums melden. Ich werde Porcasi entsprechend unterrichten."

Kinzel notierte sich den Namen.

Bustamante brachte sie zur Tür, wo sie sich verabschiedeten.

Oscar fuhr den Wagen vor, und sie stiegen ein.

"Zum Golfclub bitte, Oscar!" sagte Kinzel.

Oscar erhaschte einen Blick auf Ministro Bustamante, den er zum ersten mal in Person sah. Bisher hatte er den Mann nur im Fernsehen oder auf Wahlplakaten gesehen.

Es war zwanzig vor neun.

"So, das Geschäft haben wir im Sack!" sagte Ludwig Kinzel und rieb sich die Hände.

"Wie kommst du denn darauf?" fragte Graf entgeistert.

"Na, der Präsident spielt mit, Bustamante spielt mit, bei der Marine laufen wir offene Türen ein! Was soll denn jetzt noch schiefgehen?" Er rieb immer noch seine Hände.

„Darf ich dich daran erinnern, dass bisher weder mit Bustamante noch mit Fernandez Einigkeit erzielt ist. Walter muss sich noch mit Admiral Chavez beraten, Bustamante mit dem Präsidenten. Ich rechne bei beiden mit Mehrforderungen. In Oberhausen werden unsere Compliance-Leute laut aufheulen, wenn sie hören, hier sollen Beratungsgebühren bezahlt werden. Die werden von mir Lösungsvorschläge verlangen, bei denen sichergestellt ist, dass nicht das kleinste Fitzelchen Schmutz an ihren Händen hängen bleiben kann. So ein Geschäft wird nicht in zwei, drei Tagen entschieden. Die hier wissen nicht mal, wie die Schiffe aussehen sollen. Warte ab, wenn wir die Technik besprechen. Dann kommt eine lange Wunschliste, und die Kähne werden doppelt so teuer wie wir heute annehmen. Es wird wochenlang gerauft, was wieder gestrichen werden kann. Dann die Finanzierung! Ich hoffe, ich werde nicht für verrückt erklärt, wenn ich die Banken anspreche. Ob die Bundesregierung dem Geschäft zustimmt, wissen wir auch noch nicht. Das wird kein Selbstgänger, auch wenn das hier zur Zeit kein Krisengebiet ist. Selbst, wenn alle Beteiligten mitziehen, wird Bustamante seinen ersten Dollar aus diesem Geschäft frühestens in zwei Jahren kassieren. Und in der Zeit kann viel passieren! Und jetzt hör auf mit der Händereiberei, sonst kriegst du noch Blasen!“ Graf war todernst.

"Jetzt sei doch nicht so pessimistisch!" sagte Kinzel.

"Ich bin nicht pessimistisch. Zwei Jahre sind optimistisch. Ich bin realistisch!"

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Als Karin Kinzel mit suchendem Blick die Halle des Gran Hotel Bolivar betrat, erkannte Roxana sie als die Frau, die Sonntagabend mit Rupert und Ludwig Kinzel in der Bar des Sheraton Hotels gesessen hatte.

Sie stand auf und stellte sich vor:

"Señora de Kinzel, ich bin Roxana Torreblanca. Es ist sehr freundlich, dass Sie mich abholen."

Karin Kinzel musterte sie unverhohlen. Auch sie erinnerte sich jetzt an Roxana. Mit so einem jungen Ding ließ Rupert Graf sich ein! Sie musste allerdings eingestehen, dass Rupert es gut getroffen hatte. Roxana sah hinreißend aus in ihrem enganliegenden schwarzen Minikleid. Es war lange her, dass Karin Kinzel so etwas hatte tragen können. Und Roxana wirkte keineswegs billig, auch wenn sie keinen wertvollen Schmuck oder eine teure Handtasche trug.

Karin Kinzel hatte eine Bugatti von Hermes am Arm, die Lutz ihr mal in einem Anflug von Spendierlaune aus Europa mitgebracht hatte.

"Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Señorita Torreblanca. Darf ich Sie Roxana nennen?"

"Selbstverständlich, Señora."

"Gut, kommen Sie, Roxana!"

Roxana folgte ihr auf die Straße, wo Karin Kinzel auf einen dunkelblauen Volkswagen Golf zuging und ihn aufschloss.

Roxana stieg auf der Beifahrerseite ein.

Ein schöner Wagen, dachte sie, mit Lederpolstern, klein aber bequem, bequemer und viel leiser als ihr alter Käfer, der irgendwo in der Hotelgarage stand.

"Was tun Sie beruflich, Roxana?" wollte Karin Kinzel wissen.

"Ich arbeite in einem unserer Ministerien, Señora. Ich bin so etwas wie eine Mischung aus Sekretärin und Buchhalterin, nichts sehr Interessantes," antwortete Roxana.

Karin Kinzel registrierte, dass Roxana nicht gesagt hatte, für welches Ministerium!

Lutz hatte sie lediglich gebeten, im Hotel eine junge Frau einzusammeln, mit der Graf sich angefreundet habe.

"Haben Sie Señor Graf aus beruflichen Gründen kennengelernt?"

"Nein, Señora. Wir sind zufällig Sonntag Abend in der Bar im Sheraton ins Gespräch gekommen, nachdem Sie und Señor Kinzel weg waren."

Aha, dachte Karin Kinzel. Sie sieht eigentlich nicht aus wie ein Barmädchen.

Karin Kinzel beneidete insgeheim diese jungen Frauen, die sich die Freiheit nehmen konnten, mit jemandem, den sie kaum kannten, kurzerhand ins Bett zu steigen. Dass Graf und dieses kleine Ding miteinander schliefen, stand für sie außer Frage.

In Karin Kinzels Jugend hatte es so etwas nicht gegeben.

"Sind Sie aus Lima, Roxana?"

"Nein, Señora, aus Arequipa. Meine Eltern sind dort Lehrer."

Deshalb sprach sie so gutes Spanisch! Höflich war sie auch!

Als sie den Parkplatz des Golfclubs erreichten, war Ludwigs Wagen schon da, und Karin Kinzel parkte den Golf gleich daneben.

Oscar, der hinter dem Steuerrad des Mercedes gesessen und gedöst hatte, stieg aus und hielt ihr die Tür des Golf auf, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.

Karin Kinzel dankte ihm und ging mit Roxana zum Eingang des Clubhauses.

Beim Eintreten warf sie einen Blick zurück zu Oscar, der noch neben dem Mercedes stand.

Es war das letzte Mal, dass sie Oscar sehen sollte.

---

Enrique Pato war um kurz nach halb neun Uhr im Clubhaus des Golfclubs angekommen. Als er eingetreten war, hatte ein Portier nach seinem Clubausweis gefragt. Der Zugang zum Haus und zum Restaurant sei beschränkt auf Mitglieder und ihre Gäste.

Pato hatte keinen Clubausweis zeigen können. Er hatte stattdessen etwas gezeigt, was besser war als der Clubausweis, nämlich seinen Ausweis als Mitglied der Peruanischen Geheimpolizei. Auf keinen Fall hätte er als zahlendes Clubmitglied zuvorkommender behandelt werden können!

Nachdem er in dem Gebäude war, konnte er sich frei bewegen. Pato setzte sich an die Bar, von der aus er das Restaurant überblicken konnte.

Als erste waren Walter und Liliana Fernandez erschienen, hofiert vom Oberkellner, der unter vielen Verbeugungen den Tisch zeigte, an dem sie sitzen würden.

Das Ehepaar Fernandez kam dann ebenfalls in die Bar und setzte sich nur wenige Plätze entfernt von Pato an den Tresen, wo Liliana de Fernandez sofort ein Glas Champagner vorgesetzt wurde und Walter ein Glas Whisky.

Wegen der Musik und des Stimmengewirrs der anderen Gäste konnte Pato nicht verstehen, über was Fernandez mit seiner Frau sprach.

Als nächste tauchten Graf und Kinzel auf, angeführt von dem selben sich ständig verbeugenden Oberkellner.

Na also! dachte Pato.

Graf küsste Liliana de Fernandez die Hand, Kinzel küsste ihr die Wange.

Aus dieser unmittelbaren Nähe hatte Pato bisher noch keinen der Beteiligten gesehen. Bei der Begrüßung bekam er jedoch mit, dass sie sich alle mit Vornamen anredeten.

Über einen der zwei dann noch kommenden Gäste war Enrique Pato sehr verblüfft!

Dass Karin Kinzel kommen würde, war ihm nach dem Abhören des spät nachmittäglichen Telefonats klar gewesen.

Dass die aber die kleine Geheimdienstschnepfe hinter sich her zog, war eine echte Überraschung!

Es nötigte ihm Bewunderung ab, dass Garcia sein Spitzel so direkt hatte platzieren können!

Er beobachtete, wie Graf Roxana dem Ehepaar Fernandez vorstellte, die sie misstrauisch beäugten. Insbesondere Liliana de Fernandez schien gar nicht glücklich über den zusätzlichen weiblichen Gast!

Etwas stimmte nicht, nur wusste Pato zunächst nicht, was es war.

Aber dann fiel es ihm auf!

Roxana himmelte Graf an! Anders konnte man das nicht ausdrücken!

Mein Gott, dachte Pato, die ist verliebt in den Kerl!

Würde sie ihrem Oberst zuarbeiten, wenn sie in Graf verliebt ist? Oder würde Graf von ihr wissen, dass Garcia hinter ihm her war? Das würde erklären, weshalb Graf so misstrauisch war! Und das würde erklären, weshalb sie in Kinzels Büro angerufen hatte.

Aber wenn Graf über Garcia Bescheid wusste, würde er nicht vermuten, dass noch ein weiterer Dienst ihn beobachtete.

Pato fand, dass dieser Fall zunehmend spannender wurde.

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Was Roxana verwunderte, war, dass ausschließlich Konversation gemacht wurde. Über Geschäfte wurde, soweit sie mitbekam, kein einziges Mal gesprochen.

Der Mann namens Walter Fernandez hatte Karin Kinzel mit einem Kuss auf die Wange begrüßt, Rupert hatte ihr die Hand geschüttelt. Die Frau Walters, Liliana, hatte sie selbst sehr forschend angesehen und sie recht kühl behandelt. Liliana behandelte Rupert hingegen mit großer Aufmerksamkeit. Alle nannten sich beim Vornamen, siezten sich aber, soweit sie nicht Paare waren. Nur Kinzel und Graf duzten sich. Roxana sprach die Damen mit `Señora` an, Kinzel und Fernandez mit `Señor Kinzel´und ´Señor Fernandez`. Zu ihr sagten alle nur Roxana.

Die Frau namens Liliana war nicht viel älter als Roxana, allerdings eine Dame der Gesellschaft. Sie war sehr schick, und wie Roxana vermutete, sehr teuer gekleidet.

Nach einem Glas Champagner an der Bar gingen sie hinaus in das Clubrestaurant.

Roxana hätte sich sehr fehl am Platze gefühlt, wenn nicht Rupert neben ihr gesessen und sie so aufmerksam und höflich behandelt hätte.

Außerdem hatte Roxana Probleme mit dem vielen Besteck. Sie würde aufpassen müssen, was die anderen damit machten.

Die Speisekarte war vom Format her riesig. Auf der Karte, die sie erhielt, standen keine Preise.

Das ganze Restaurant war ohnehin unglaublich vornehm, mit weißen Tischdecken, dicken Servietten, und so vielen Kellnern.

Die Gäste waren zumeist im Anzug, die Damen in eleganten Kleidern, es gab aber auch, und das beruhigte Roxana, ein paar Leute in sportlicher Kleidung.

Unter dem Tisch ergriff Roxana Ruperts Hand und drückte sie. Sie spürte, wie er ihre Hand ebenfalls drückte, das war beruhigend.

Sie war so froh, dass Rupert direkt neben ihr saß.

Er half ihr beim Aussuchen der Gerichte, sprach Empfehlungen aus, auch was die Auswahl des Weins anging.

Am einfachsten war, sie bestellte das gleiche wie er.

Sie beobachtete Rupert, wie er sich benahm. Es war das erste Mal, abgesehen von dem kurzen Treffen heute Nachmittag mit Carla und Kinzel, dass sie dabei war, wenn er mit anderen Leuten sprach.

Er war sehr witzig, machte Bemerkungen, über die alle am Tisch lachen mussten, ohne dass er Witze erzählt hätte.

Roxana bekam einen dicken Kloß in den Hals, weil Rupert morgen früh abreisen würde.

Der Kloß wurde noch dicker, wenn sie daran dachte, dass sie sich eine neue Arbeitsstelle suchen musste.

Eines war klar, für Garcia konnte sie nicht weiter arbeiten!

Sie würde morgen anrufen und telefonisch kündigen und die Kündigung schriftlich bestätigen.

Sie hoffte, Carlos Garcia nie mehr zu sehen.

In diesem Moment sagte Rupert Graf:

"Ach so, Roxana, Lutz und ich hatten vorhin noch eine Unterredung mit Minister Bustamante, der dich grüßen lässt. Er sagte, du hättest dem Präsidenten sehr gut gefallen."

Walter Fernandez und Liliana wechselten erstaunte Blicke. Karin Kinzel schaute ebenfalls überrascht von ihrem Teller auf.

"Bustamante bietet dir in seinem Ministerium eine Stelle an. Wenn du morgen Zeit hast, kannst du dich an, Lutz, wie hieß der Kerl noch? einen Señor Porcasi wenden. Lutz, gib ihr bitte mal den Zettel, du hattest das doch aufgeschrieben."

Roxana hatte vor Dankbarkeit fast Tränen in den Augen.

Sie griff nach Ruperts Unterarm und drückte ihn fest.

Gleichzeitig spürte sie, wie er seinen Unterschenkel gegen ihren drückte.

Am liebsten hätte sie jetzt auf der Stelle mit ihm geschlafen!

Während Rupert sein Bein gegen ihres drückte, sprach er interessiert mit Liliana de Fernandez, die ihm gegenüber saß.

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Die Stimmung am Tisch von Walter Fernandez und seinen Gästen stieg. Auch wenn niemand über das Geschäft auch nur ein Wort gesprochen hatte, waren alle gelöst, weil insgesamt der Besuch Rupert Grafs in Lima erfolgreich verlaufen war. Sie hatten gut gegessen und waren mit dem Trinken nicht zimperlich gewesen, weil Walter ständig neue Getränke auftischen ließ.

Rupert Graf kam nachdenklich von einem Gang zur Toilette zurück. In dem zu den Toiletten führenden Korridor im Untergeschoss war ihm die aus der Damentoilette tretende Liliana plötzlich um den Hals gefallen, hatte ihn umarmt und ihm mit heiserer Stimme ins Ohr geflüstert:

„Was wollen Sie mit diesem jungen Ding, Rupert? Sie brauchen eine richtige Frau!" Dabei hatte sie sich an ihn gepresst, so dass er immer noch den Druck ihrer Brüste spürte, als er sich jetzt wieder setzte.

Liliana lächelte ihm vielsagend zu.

Er lächelte zurück, was aber niemandem sonst auffiel.

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Roxana begann, die Gesellschaft zu genießen.

Das war eine für sie völlig neue Welt, in der Geld eine untergeordnete Rolle zu spielen schien.

Es wurde über Reiseziele gesprochen, die in für Roxana unerreichbarer Ferne lagen, über Einkaufsreisen nach Europa oder USA, über Mode und Accessoires, von denen Roxana noch nie im Leben gehört hatte. Kinzel und Fernandez waren beide sehr nett zu ihr und bezogen sie in das Gespräch mit ein.

Und unter dem Tisch rieb Rupert die meiste Zeit sein Bein an ihrem. Plötzlich fragte Liliana:

"Was hat eigentlich Präsident Scaloni von Ihnen gewollt, Roxana? Wie sind Sie überhaupt dorthin gekommen?"

Schlagartig erstarb jede Unterhaltung am Tisch.

"Was er wollte, Señora, weiß ich nicht," antwortete Roxana. „Von mir wollte er nichts. Rupert hat lange mit ihm gesprochen. Zu mir hat er nur 'sehr hübsch' gesagt, und darüber habe ich mich gefreut. Ich fand das alles sehr geheimnisvoll." Immer noch hatte ihr keiner auch nur einen Hinweis gegeben, worum es bei dem Besuch Rupert Grafs in Lima überhaupt ging.

Roxana war das im Augenblick ziemlich egal.

Es musste etwas Wichtiges sein, sonst hätte Rupert nicht diesen nächtlichen Besuch gemacht, sonst hätte Rupert Scaloni und Bustamante nicht gekannt. Wenn er ihr nicht sagte oder sagen wollte, um was es ging, so war das seine Sache. Er würde seine Gründe haben. Was Roxana vielmehr beschäftigte, war die Abreise Grafs. Daran zu denken, machte ihr einen dicken Kloß im Hals. Sie hatten zwar vereinbart, dass sie mit ihm zum Flughafen fahren würde, aber er hatte kein Wort darüber verloren, ob oder wann er nach Lima zurückkommen würde. Was sie wollte, war ein Wort von Rupert, dass er sie mochte, dass sie ihm fehlen würde, dass sie ihm etwas bedeutete, dass sie sich wiedersehen würden. Sie hatte ihm mehrmals in den letzten zwei Tagen gesagt, dass sie ihn liebte. Da hatte er immer nur gelächelt und sie in den Arm genommen.

Gesagt hatte er dazu nichts.

Was er gesagt hatte, war, dass er sie anziehend fand, hatte Komplimente gemacht, gesagt, wie schön ihre Haut wäre, hatte andere Stellen an ihrem Körper gelobt, in Worten, die sie schon beinahe poetisch fand, die sie in romantische Stimmung versetzt hatten.

Aber dass er sie mochte, hatte er mit keinem Wort gesagt. Und sie liebte ihn doch so sehr!

Als die anderen am Tisch merkten, dass Roxana auf Lilianas Frage nicht mehr sagen würde, war die Unterhaltung wieder in Gang gekommen. Im Moment kümmerte sich niemand um sie, außer dass Rupert weiter sein Bein an ihrem rieb.

Roxana wollte jetzt am liebsten weg, zurück ins Hotel, in ihr Haus, egal wohin, Hauptsache, sie könnte mit Rupert allein sein, in seinen Armen liegen, von ihm gestreichelt werden, nicht daran denken müssen, dass er morgen um diese Zeit weit, weit weg sein würde.

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Enrique Pato beobachtete die Gesellschaft von der Bar aus.

Er hatte sich ein paar Snacks bestellt, die er ebenso wie seine Getränke jeweils sofort bezahlte, sobald sie ihm vorgesetzt wurden.

Er saß im Halbdunkel, und außer dem Barkeeper kümmerte sich niemand um ihn. Niemand nahm Notiz von ihm. Er versuchte, von Lippen abzulesen, um was sich die Unterhaltung drehte, allerdings ohne Erfolg.

Was er feststellte, war, dass Liliana de Fernandez, wenn sie Roxana Torreblanca ansah, kritisch, abschätzend wirkte, und sie schien sie sehr von oben herab zu behandeln.

Pato beschaute sich die Personen, die er heute zum ersten Mal alle beieinander sah. Den dicklichen Ludwig Kinzel, der trotz offensichtlich teurer Kleidung nicht elegant aussah.

Seine Frau Karin war auch nicht gerade schlank, wirkte aber ungleich eleganter als Kinzel.

Pato war sicher, dass ihre Haarfarbe nicht ohne chemische Nachhilfe so blond war.

Pato hatte während seines Aufenthaltes in Deutschland viele Frauen ihres Typs gesehen, kräftig, mit runden Formen, eher mütterlich als erotisch, trotz eleganter Kleidung und teuren Schmucks.

Walter Fernandez: Übergewichtig, hochelegant, schon beinahe feminin, einen dicken Goldring am Finger, gegenüber den Damen sprühend vor Charme, unablässig lächelnd.

Dazu diese erheblich jüngere Frau, die Pato als affektiert empfand, rassig zwar, ebenfalls sehr elegant, aber arrogant gegenüber den Kellnern.

Pato fragte sich, ob er Graf sympathisch fand. Er war für Pato schwer einschätzbar. Er schien Autorität zu haben. Seine Kleidung fand Pato zu jugendlich für Grafs Alter. Andererseits hatte er in Deutschland viele Männer gesehen, die sich einen Tick zu jugendlich kleideten, die offenbar Schwierigkeiten mit dem Älterwerden hatten. Was Pato gefiel, war, dass Graf nicht wie viele Männer seines Alter versuchte, seine Glatze zu verstecken sondern sie im Gegenteil durch den kahlgeschorenen Kopf kultivierte.

Am bestengefiel Pato Roxana Torreblanca. Pato fand sie sehr attraktiv, mit einer Figur, die ihm eine Pfütze auf der Zunge zusammenlaufen ließ, einem wunderschönen Po, der sich, als vorhin alle an der Bar gestanden hatten, unter ihrem engen Kleid abgezeichnet hatte.

Mit Roxana, überlegte Enrique Pato, sollte er je die Chance bekommen, würde er sofort ins Bett gehen.

Sie war ungefähr so alt wie er. Unter normalen Umständen hätte er sie aufgrund seines Aussehens, seiner beruflichen und seiner gesellschaftlichen Stellung für sich gewinnen können. Aber, so sagte ihm eine innere Stimme, nachdem sie in den Kreis so wohlhabender Männer wie Fernandez, Graf und Kinzel geraten war, würde sie für ihn wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln übrig haben.

Es wurmte und berührte ihn, wie Roxana Graf anhimmelte. Pato fühlte so etwas wie Eifersucht.

Dass Graf morgen abflöge, wusste er.

Kinzel und Fernandez würde er im Auge behalten. Roxana Torreblanca ebenfalls. Was immer geplant war, dies konnte nur der Auftakt gewesen sein.

Im Auge behalten müsste er auch Garcia.

Pato war verwundert, dass Garcia heute Abend nicht hier war.

Aber vielleicht saß ja doch deshalb Roxana Torreblanca mit am Tisch.

Pato dachte darüber nach, dass er mit Ausnahme Lilianas niemanden in der Runde richtig unsympathisch fand, Roxana und Graf sogar sympathisch. Trotzdem würde er nicht die geringste Hemmung haben, sie allesamt hochgehen zu lassen.

Er verließ das Clubhaus, als er sah, dass Walter Fernandez an der Bartheke diskret die Rechnung zeichnete, und setzte sich in seinen Wagen.

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Als kurz darauf die Gesellschaft ins Freie trat, verstand Pato zunächst nicht die Unruhe, die erkennbar wurde. Kinzel guckte in sein Auto und ging zurück ins Klubhaus.

Nach wenigen Augenblicken, die anderen hatten in der Nähe der Fahrzeuge gestanden und sich unterhalten, kam Kinzel zurück.

Jetzt wurde gerufen. Pato glaubte, den Namen Oscar zu hören.

Kinzel ging zur Fahrertür des Mercedes und schien überrascht, dass diese nicht abgeschlossen war. Er setzte sich in das Auto, die Scheinwerfer gingen an, und es wurde mehrfach gehupt. Kinzel stieg erneut aus und rief.

Die Frau Kinzels ging zurück ins Restaurant, kam ebenfalls nach wenigen Augenblicken mit dem Portier wieder heraus.

Es folgte wiederum, diesmal mehrstimmiges Rufen, und dieses Mal war Pato sicher, dass 'Oscar' gerufen wurde.

Erneutes, diesmal anhaltendes Hupen.

Nach einer guten Viertelstunde, eher zwanzig Minuten weiteren Rufens, Hupens und ratloser Diskussionen stiegen schließlich Graf und Roxana zu Kinzel in den Mercedes, Fernandez und Frau in ihren BMW und die Frau Kinzels in ihren Golf. Alle drei Fahrzeuge setzten sich in Gang, der Mercedes zuerst, dann der Golf. Fernandez' BMW fuhr als letzter vom Parkplatz und bog in die Straße, die vom Golfplatz aus zur Hauptstraße führte.

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"Ihr müsst bitte entschuldigen, aber so was ist mir mit Oscar noch nie passiert," sagte Ludwig Kinzel zu Graf und Roxana, während sie in Richtung Innenstadt rollten. "Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, einfach wegzulaufen. Das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich!"

"Vielleicht hat er eine nette Dame kennengelernt, die nach Hause gebracht werden wollte," sagte Graf von hinten.

Roxana saß auf dem Beifahrersitz.

"Wenn er weggegangen wäre, hätte er eine Nachricht hinterlassen. Er ist immer zuverlässig! Ich verstehe das nicht." Kinzel war immer noch ratlos.

"Reg´ dich nicht auf, Lutz, es gibt bestimmt eine ganz einfache Erklärung. Warte ab, morgen taucht er wieder auf. Immerhin hat er dir die Autoschlüssel dagelassen."

Graf war unbeeindruckt. Er müsste um sechs Uhr aufstehen.

Deshalb hatte er darauf gedrängt, dem Portier des Restaurants einen größeren Geldbetrag zu hinterlassen mit der Anweisung, diesen Oscar auszuhändigen, wenn er wieder auftauchen würde, damit er mit einem Taxi nach Hause fahren könnte. Graf hatte allerdings Zweifel, ob der Portier ihm das Geld tatsächlich aushändigen und nicht lieber selbst einstecken würde.

Das war ihm allerdings jetzt auch egal, er wollte zurück ins Hotel.

"Na, Roxana, wie hat dir der Abend gefallen?" wollte er wissen. Über die Rücklehne ihres Sitzes hinweg kraulte er ihren Nacken.

"Es war sehr schön und sehr interessant, Rupert. Vielen Dank, dass ihr mich mitgenommen habt. Und vielen Dank, dass ihr euch bei Bustamante für mich eingesetzt habt."

Sie drückte ihren Kopf nach hinten, um seine Hand stärker zu fühlen.

"Schließlich kann der für Señorita Roxana auch was tun, bei dem, was wir für ihn tun," sagte Kinzel.

Roxana hätte gerne gefragt, was sie denn für Bustamante täten, hielt aber den Mund.

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Sie fand es sehr höflich von beiden, dass sie in ihrer Anwesenheit Spanisch und nicht Deutsch gesprochen hatten, auch wenn sie von dem Sinn des Gespräches nichts verstanden hatte.

DAS GESCHÄFT - TEIL 1

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