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Daphnidion

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Inhaltsverzeichnis

Ein milesisches Märchen

Ein thessalischer Jüngling, dessen Familie ihr Geschlechtsregister bis in die Zeiten, wo der goldlockige Apollo die Herden des Königs Admet hütete, hinaufführte und einen Kebssohn dieses Gottes zum Stammvater zu haben stolz war, durchschlenderte in der vornehmen Geschäftslosigkeit eines bloß zum Verzehren gebornen Göttersohns, mit einem Blaserohr in der Hand, einen zu den großen Besitztümern seines Vater gehörigen Wald am Fuße des Berges Öta, um zum Zeitvertreib kleinen Vögeln Verdruß zu machen, als er in einiger Entfernung eine schlanke leichtbekleidete weibliche Gestalt durch das Gesträuch rennen sah, die ihn beim ersten Anblick ungewiß ließ, ob er sie für eine Sterbliche oder für eine der Nymphen halten sollte, welche, nach den Dichtersagen und dem Volksglauben seiner Zeit, Berge, Wälder, Quellen und Grotten zu bewohnen pflegten und nicht leicht sichtbar wurden und flohen, wenn sie nicht die Absicht hatten, gesehen und gehascht zu werden.

Seit seinem göttlichen Urahnherrn Apollo hatte sich in seiner Familie die böse Gewohnheit, allen hübschen Mädchen, die vor ihnen flohen, nachzusetzen, von Vater und Sohn fortgeerbt, und Phöbidas (so hieß der jüngste Sprößling dieses edeln Stammes) schlug nicht aus der Art. Die fliehende Nymphe, dem Ansehen nach ein Mädchen von sechzehn Jahren, hatte sich, indem sie Erdbeeren suchte, unvermerkt aus ihrem gewöhnlichen Bezirk in einen fremden verirrt und war endlich aus Ermüdung im Gebüsch eingeschlummert, als sie vom raschelnden Aufflug eines von Phöbidas getroffenen Vogels wieder aufgeweckt wurde. Erschrocken sah sie sich um, und wie sie einen Jüngling, den sie seiner Schönheit wegen für einen der ewig jugendlichen Götter, Merkur, Apollo oder Bacchus, ansehen mochte, kaum zehen Schritte weit von sich entfernt erblickte, raffte sie sich auf und rannte so schüchtern und schnellfüßig als ein aufgeschrecktes Reh durch Büsche und Hecken davon.

Phöbidas, der ihr an Behendigkeit wenig nachgab, rief ihr vergebens ebenso freundliche Worte nach, als Ovid seinen Stammvater der fliehenden Daphne zurufen läßt:

Bleib, ich bitte dich, bleib, o Nymphe! Nicht feindliches Sinnes

Folg ich dir nach...

Sie horchte ebensowenig auf seine Locktöne und sah sich ebensowenig um als die keusche Tochter des Peneus; und unbekümmert, daß ein Teil ihres leichten Gewandes an den Gebüschen, durch welche sie sich drängen mußte, hangenblieb und daß ihre Gefahr durch diesen Umstand notwendig mit jedem Schritte größer werden mußte, lief sie so lange, bis sie endlich eine hohe, mit Efeu und leichtem Gesträuch umwebte Felsengrotte erreichte, in welche sie sich hineinstürzte, da kaum noch zwanzig Schritte fehlten, daß sie von ihrem keuchenden Verfolger erhascht worden wäre.

Phöbidas, der nun sicher zu sein glaubte, daß sie ihm nicht entgehen könne, hielt, um wieder zu Atem zu kommen, einige Augenblicke still und ging dann gelassenen Schrittes auf die Höhle zu, die er beim Eintritt viel geräumiger fand, als er sich vorgestellt hatte. Aber von seiner Nymphe war keine Spur zu sehen. An ihrer Statt fand er im Eingang eine runzlichte Alte, die aus Deukalions und Pyrrhens Zeiten übriggeblieben zu sein schien, bei ihrem Spinnrocken sitzen und, ohne zu ihm aufzusehen, so behend und zierlich fortspinnen, daß die junge Nymphe selbst es ihr kaum hätte zuvortun können.

»Alte Mutter«, schrie sie der ungeduldige Jüngling etwas hastig an, »wo ist das junge Mädchen, das ich soeben in diese Höhle hineinrennen sah?«

»Was für ein junges Mädchen?« sagte die Alte, immer ohne aufzuschauen fortspinnend.

»Ich sage dir ja«, schrie Phöbidas, »das Mädchen oder die Nymphe, die diesen Augenblick bei dir vorüberrannte.«

»Was kümmert das dich?« versetzte die Alte, indem sie aus ihren hohlen Augen einen Blick von böser Vorbedeutung auf ihn schoß.

»Ich muß sie sehen, ich muß mit ihr sprechen, sage ich dir. «

»Ich sehe die Notwendigkeit nicht, junger Mensch.«

»Ich will sie aber sehen«, schrie Phöbidas, mit dem Fuß auf den Boden stampfend.

»Nur gelassen«, sagte die Spinnerin; »du magst es wollen, aber ich will nicht.«

»Das wollen wir doch sehen! Weißt du wohl, wer ich bin?«

Die Alte sah ihn mit einem verächtlich-spöttischen Blick an und spann fort.

»Daß ich der Sohn des Fürsten bin, dessen Eigentum diese ganze Landschaft ist?«

»Desto schlimmer für ihn und dich und die ganze Landschaft! denn du scheinst mir ein ungezogenes Bürschchen zu sein. Aber ich will versuchen, ob noch was Besseres aus dir zu ziehen ist.«

Diese Rede der Alten und das Ganze ihres Benehmens brachte den Jüngling ein wenig zur Besinnung. "Es könnte doch wohl mehr", dacht er, "hinter dieser alten Gräe sein, als ihr Ansehen ankündigt; ich muß einen sanftern Ton anstimmen." »Verzeihe, wenn ich dich verkannt haben sollte«, sagte er etwas höflicher, »und sei meinem Verlangen nicht länger entgegen. Ich muß die junge Nymphe sehen, die hieher geflohen ist, oder ich sterbe zu deinen Füßen.«

»Weißt du auch«, erwiderte die Alte, »was es auf sich hat, junge Nymphen wider ihren Willen zu sehen? Hast du nie gehört, daß es nichts Geringers als den Verstand oder, in deinem Fall, wenigstens die Augen kostet? Wenn sie dich hätte sehen wollen, so wäre sie nicht so hastig vor dir geflohen, daß sie die Hälfte ihres Gewandes an den Hecken gelassen hat und die andere Hälfte nur noch in Fetzen nachschleppte.«

»Das pflegt nicht immer zu folgen, gute Mutter. Aber was auch bei der Sache zu wagen sein mag, auf meine Gefahr! Sei nicht unerbittlich! Laß mich sie nur sehen und sprechen, wenn es auch nicht anders als in deiner Gegenwart geschehen könnte.«

»Du bist ein ungestümer Mensch«, erwiderte die Spinnerin. »Was geht das Mädchen mich an? Wenn sie hereingekommen ist, so wird sie noch dasein; die Grotte ist groß, suche sie meinetwegen.«

Phöbidas ward itzt auf einmal in der Vertiefung der Grotte die Öffnung eines schmalen Gangs gewahr. Er zwängte sich hinein, die Höhle wurde immer weiter und höher und teilte sich in eine Menge schwach erleuchteten Kammern, die keinen andern Ausgang hatten als den, woher er gekommen war. Er durchsuchte sie alle nach der Reihe, aber vergebens; er sah und fühlte nichts als leere Wände.

Er rief, so laut er konnte: »Höre mich, holde Nymphe! Zeige dich mir nur einen Augenblick!« – Umsonst! Nichts als seine eignen Worte hallten ihm vervielfältigt von den öden Felsenwänden entgegen. Immer fing er wieder von neuem an zu suchen, verirrte sich zuletzt in dem helldunkeln Labyrinth und fand nur mit großer Mühe den schmalen Gang wieder, durch den er gekommen war.

Er wollte nun seinen ganzen Unmut über die alte Spinnerin ausgießen, welche, wie er glaubte, seiner gespottet hätte; aber siehe da! die Alte war verschwunden, und eine schöne Frau von majestätischem Ansehen saß an ihrer Statt am Rocken und spann mit einer Grazie, die den kältesten aller Stoiker bezaubert hätte.

»Was suchst du hier, junger Mensch?« fragte sie den bestürzten Phöbidas in einem sanften Ton, aber mit einem Scharfblick in seine Augen, der wie ein Blitz durch sein ganzes Wesen fuhr. Ein glühendes Rot entbrannte plötzlich auf seinen Wangen, er wußte nicht, was er antworten sollte, und verstummte.

»Ein gutes Zeichen«, sagte die Dame, den Kopf seitwärts drehend, »er kann noch erröten.«

»Besser, wenn er über nichts zu erröten hätte«, antwortete eine unsichtbare Stimme, die nur einer der Musen angehören konnte und durch ihren lieblichen Silberton den immer mehr erstaunenden Jüngling beinahe noch mehr entzückte, als die Gestalt der fliehenden Nymphe getan hatte, wiewohl der Sinn ihrer Worte nicht von der besten Vorbedeutung war. Aber zu sehr bestürzt über alles, was er in dieser wunderbaren Grotte sah und hörte, konnt er noch immer keine Worte auf seiner Zunge finden und blieb, wie in den Boden eingewurzelt, stumm und unbeweglich stehen.

»Wofern du, wie es scheint, hier nichts zu suchen hast«, sagte die schöne Spinnerin, »würdest du nicht übeltun, dich zurückzuziehen.«

Dieses Wort, in einem milderen Ton gesprochen, als sein Inhalt und der Blick, der es begleitete, versprach, gab ihm auf einmal die Sprache wieder.

»Wenn du, wie mich alles glauben heißt, eine Göttin bist«, sagte er, »so sei gütig und verzeihe mir. Ich bin meiner selbst nicht mächtig. Diesen Morgen, da ich im Wald umherirrte, erblick ich eine junge Nymphe, die, sobald sie mich gewahr wird, die Flucht ergreift. Es war mir unmöglich, ihr nicht nachzusetzen. Sie läuft schneller als der Wind, und ich verfolge sie durch Busch und Wald, über Berg und Tal bis zu dieser Grotte, in welche sie sich hineinstürzt. Auch hieher folgt ich ihr, aber sie war verschwunden, und...«

»...du fandest an ihrer Stelle eine alte Spinnerin an diesem Rocken sitzen, die dich nicht allzu freundlich anließ?«

Phöbidas, in der Ungewißheit, ob die schöne Dame, die er vor sich sah, und die Alte nicht ebendieselbe Person sei, verstummte abermals. »Du bist ein wunderlicher Mensch«, sagte die Dame. »Gestehe mir aufrichtig, wer bist du?«

»Der Sohn des thessalischen Fürsten, dem diese Landschaft angehört.«

»Die Alte hatte recht«, versetzte die Dame; »wenn dem so ist, desto schlimmer für dich! – Aber wo glaubst du zu sein?«

»Wo anders als im Gebiete meines Vaters, welches sich vom Fuß des Öta über die ganze Gegend um Elateia erstreckte«

»Deine Nymphe hat dich weiter geführt, als du glaubst. Diese Grotte ist ein Teil des Parnassus, und du bist im Gebiete – des delphischen Gottes und seiner Schwester.«

»Ist's möglich?« rief Phöbidas bestürzt.

»Einer törichten Leidenschaft ist alles möglich«, sagte die Dame. »Du bist, wie du siehst, in meinem Gebiet; aber das würdest du auch im Gebiete deines Vaters sein. Deine Leidenschaft hat dich in meine Gewalt gegeben.«

»Ich unterwerfe mich ihr willig; nur bitte ich, bediene dich ihrer mit Milde.«

»Was wünschest du von mir, Phöbidas?«

»Du weißt es und vermagst hier alles. Ich beschwöre dich bei der Göttin, die dich geboren hat, laß mich das liebliche Mädchen wiedersehen, das mich mit unwiderstehlicher Gewalt bis hieher gezogen hat.«

»Es gibt keine unwiderstehliche Gewalt, junger Mensch. Bloß deine Schwäche macht dich zu unserm Sklaven. Gebiete dir selbst, so bist du frei!«

»Ich will nicht frei sein«, rief der Jüngling. »Ebensoleicht könnt ich mir gebieten, den Parnaß auf den Öta zu setzen, als die Holde nicht zu lieben, die du mir entrissen hast.«

»Zu lieben«, sagte die Dame, ironisch lächelnd; »du liebst also meine Daphnidion?«

»Sonst wußt ich nicht, was Liebe ist. Noch gestern glaubt ich alle Mädchen zu lieben, die mir gefielen; es war lauter Spiel und Kinderei. Was ich itzt fühle, ist ganz was anders; es gilt Leben oder Tod.«

»Diese Sprache führen alle deinesgleichen. Ich glaube an keine so plötzlich vom bloßem Ansehen aufgebrausete Liebe; und du, lächerlicher Mensch, hast deine Geliebte sogar nur von hinten gesehen.«

»Gleichviel«, rief Phöbidas; »was ich sah, hat ein unauslöschliches Bild in meiner Seele zurückgelassen, das nie aufhören wird, sie auszufüllen, bis ich sie selbst wiedersehe. Ich werde wahnsinnig darüber werden. Was kannst du für eine Freude haben, mich elend zu machen?«

»Beinahe«, sagte die Dame, »könntest du mich verführen, Mitleiden mit dir zu haben.«

»Die Frage ist noch, ob er es verdient«, sagte die unsichtbare Stimme.

»Das soll sich bald zeigen«, erwiderte die Dame. »Du verlangst deine Nymphe zu sehen und zu sprechen; du sollst sie sogar berühren, um gewiß zu sein, daß es keine Luftgestalt ist. Aber merke wohl, mehr als einen Sinn zu befriedigen ist dir nicht erlaubt. Es kommt auf dich an, ob du sie sehen willst, ohne mit ihr zu reden, oder mit ihr reden, ohne sie zu sehen, oder sie berühren, ohne sie weder zu sehen noch zu hören. Wähle!«

Phöbidas, nicht gewohnt, lange zu überlegen, was er wollte, und vom Bilde der fliehenden Daphnidion erhitzt, dachte bei sich selbst: "Ich habe sie bereits gesehen und gehört; denn vermutlich war die Stimme der Unsichtbaren die ihrige; aber berührt hab ich sie noch nicht, und lief ich ihr denn aus einer andern Absicht so lange, bis mir der Atem ausblieb, nach, als um sie zu erhaschen?" – »Ich wähle das letztere«, sprach der Unbesonnene.

»Das hat dir dein böser Dämon geraten, denn es ist das gefährlichste«, sagte die Dame mit einem beinahe unsichtbaren Lächeln; »ich rate dir nicht dazu; aber du bist frei, nach deinem eigenen Belieben zu wählen.«

»So bleibt's bei meiner ersten Wahl«, rief Phöbidas; und kaum war das letzte Wort über seine Lippen gekommen, so verbreitete sich ein lieblich dämmerndes Rosenlicht durch die Grotte, worin alles Sichtbare, sogar seine eigene Gestalt, sich aufzulösen und zu zerfließen schien; er sah nichts mehr, er hörte nichts mehr, er glaubte die Sprache verloren zu haben; aber indem er die rechte Hand ausstreckte, berührte er eine kleine niedliche lieblich-warme Hand, weicher als Schwanenflaum und sanfter als die Blätter der Sammetblume. Ein zuckender Schauer blitzte durch alle seine Nerven; er drückte seinen brennenden Mund auf die liebliche Hand, die sich nicht zurückzog. Glücklich, wenn er, wie von einem zärter fühlenden Liebhaber zu erwarten war, sich an dieser Seligkeit genügen ließ! Vielleicht würde er, zur Belohnung seiner Bescheidenheit, sie auch noch zu sehen bekommen haben. Aber die thessalischen Jünglinge jener Zeit waren nicht bescheiden genug, um so genügsam zu sein. Allmählich immer kühner und lüsterner, schlug er endlich seinen linken Arm um ihre Hüfte, und – mit einem furchtbaren Donnerschlag schwand die schöne Nymphe, wie Luft, aus seiner Umarmung dahin; er taumelte wie ein Trunkner vorwärts, seine Arme ins Leere ausstreckend; der Tag erleuchtete die Grotte wieder, und die dürre Alte saß wieder an ihrem Rocken und spann.

»Tragt ihn an seinen Ort«, sagte sie, ohne ihn anzusehen, zu zwei langöhrigen Knaben mit ungeheuren Rabenflügeln, die ihr zur Seite standen; und sie ergriffen den armen, sich vergebens sträubenden Phöbidas, und in wenig Augenblicken befand er sich wieder an demselben Platz, wo er die reizende Nymphe zuerst gesehen hatte. Verblüfft und betäubt von einem so seltsamen Abenteuer, blieb er eine gute Weile ohne Besinnung auf der Erde liegen, wo ihn die Knaben mit den langen Ohren hingelegt hatten, und als er wieder zu sich selber kam, würde er alles, was ihm begegnet war, für einen Traum gehalten haben, wäre das Bild der fliehenden Nymphe und die Erinnerung an den Augenblick, wo er sie in seinem Arm gefühlt hatte, nicht so lebendig in ihm gewesen, daß er eher an seinem eignen Dasein als an der Wahrheit dessen, was er gefühlt und gesehen, hätte zweifeln können.

Das Verlangen, die schöne Daphnidion, allen magischen Spinnerinnen zu Trotz, in seine Gewalt zu bekommen, wurde nun in kurzer Zeit so heftig, daß er bereit war, die Befriedigung desselben um jeden Preis zu erkaufen. Er bestimmte sich also, nach mehr als einem Einfall, den er als unausführlich wieder verwerfen mußte, zuletzt, als ein echter Thessalier, seine Zuflucht zur Zauberkunst zu nehmen, welche (wie jedermann weiß) von uralten Zeiten her in dieser griechischen Provinz einheimisch war. "Haben sie sich nicht", dacht er, "zauberischer Gaukeleien gegen mich bedient? Warum sollt ich Bedenken tragen, sie mit ihren eignen Waffen zu bekämpfen?"

Auf einer der Spitzen des Berges Öta wohnte damals ein Mann, der im ganzen Lande für einen großen Meister in den geheimen Wissenschaften der Magier gehalten wurde. Zu diesem öffnete er sich den Zutritt durch ein ansehnliches Geschenk, entdeckte ihm sein Anliegen und bat ihn, daß er ihm durch seine Kunst zum Besitz der widerspenstigen kleinen Daphne verhelfen möchte, bevor sie ihm etwa, wie ihre Vorfahrerin seinem Urahnherrn, den Streich spiele, sich in einen Lorbeerbaum oder in irgendeinen andern Baum oder Strauch verwandeln zu lassen.

Hippalektor (so nannte man den Schwarzkünstler) rühmte sich, vielleicht ohne Grund, im Besitz des berühmten magischen Bilderbuches zu sein, welches viele Jahrhunderte später in der Geschichte der schönen Alie und ihres Widders eine so wichtige Rolle spielt. Aber bevor man etwas gegen die kleine Daphne und ihre Beschützerinnen unternehmen konnte, mußte man wissen, wer sie wären, und Hippalektor gestand, daß es wenigstens drei Tage nötig habe, um den Schleier zu zerreißen, den die Spinnerin, welche er unter ihren beiden Gestalten nur für eine Person hielt, um sich her gewebt habe.

Phöbidas mußte sich also auf den vierten Tag vertrösten lassen und inzwischen selbst auf Mittel bedacht sein, die peinliche Ungeduld, die ihn zu so ungebührlichen Maßregeln trieb, einzuschläfern.

Während Hippalektor in seinem Bilderbuch oder (was wenigstens ebenso wahrscheinlich ist) in der Nachbarschaft des Orts, wo die Gegenstände seiner Wißbegierde wohnten, nach Aufschlüssen forschte, war Dämonassa (so hieß die weise und mächtige Beschützerin der jungen Daphnidion) nicht weniger beschäftigt, diese ihre wie ihr eigenes Kind geliebte Nichte vor den Nachstellungen des leichtsinnigen und sich alles erlaubenden jungen Zentauren zu sichern. Einige talismanische Ringe, die sie von ihrem Vater geerbt und dieser von einem persischen Weisen, welchem er zufälligerweise das Leben gerettet hatte, zum Geschenk empfangen, gaben ihr über das gemeine Zaubervolk in Thessalien eine entschiedene Obermacht; aber die Natur selbst hatte sie mit zwei angebornen Talismanen versehen, die in den meisten Fällen den Gebrauch der künstlichen unnötig machen. Diese waren ein Scharfblick, dem nichts entging, was zu sehen, und eine Besonnenheit, die immer auf der Stelle das Beste fand, was zu tun war.

Dämonassa zweifelte nicht, daß Phöbidas, gewohnt, der Befriedigung seiner Gelüste und Launen alles aufzuopfern, den kürzesten Weg einschlagen und die Zauberkünste seines Nachbars Hippalektor zu Hülfe nehmen werde, um ihre Daphnidion in seine Gewalt zu bekommen. Hätte sie darauf rechnen können, daß er sich keiner andern Mittel als der gewöhnlichen Verführungskünste gegen sie bedienen würde, so wäre sie ihrentwegen ganz ruhig gewesen; denn Daphnidion war ein verständiges Mädchen und dessen, was das Weib sich selbst schuldig ist, sich sehr lebhaft bewußt, von ihr selbst erzogen und überdies seit einiger Zeit von einem liebenswürdigen jungen Manne, dessen Gut an das ihrige grenzte, zur Ehe begehrt, dem sie wenigstens nicht abhold schien, wiewohl sie noch immer eine größere Neigung zeigte, sich nach dem Beispiel ihrer Beschützerin dem Dienst der jungfräulichen Göttin Artemis zu widmen. Eine solche Person hat von gewöhnlichen Nachstellungen nichts zu besorgen; aber hier war es nötig, sie gegen hinterlistige und gewaltsame Unternehmungen sicherzustellen.

Daphnidion hatte in dem Augenblick, da sie sich vor dem nachsetzenden Phöbidas in die Grotte flüchtete, einen Ring von Dämonassen empfangen, welcher, an der rechten Hand getragen, nichts weiter als ein unscheinbares goldnes Reifchen war, aber unsichtbar machte, sobald er an den Goldfinger der linken Hand gesteckt wurde. Itzt beschenkte Dämonassa sie noch mit einem andern, der die Tugend hatte, jedes Zaubergebilde, sobald es mit dem darein gefaßten Stein berührt wurde, in seine natürliche Gestalt zurückzuzwingen. Mit diesen beiden Ringen konnte die schöne Daphnidion allen Zauberern und Hexen in ganz Thessalien Trotz bieten; und so überließ sie sich dann auch ihren gewöhnlichen Geschäften und Ergetzungen mit der ruhigsten Unbefangenheit.

Inzwischen hatte Hippalektor sich in den Stand gesetzt, seinem edeln Schützling bei ihrer nächsten Zusammenkunft hinreichende Nachrichten von seiner Unbekannten zu erteilen. Dämonassa (die schöne Spinnerin in der parnassischen Grotte) war der letzte Sprößling eines edeln Geschlechts, welches von sehr alten Zeiten her nahe bei Delphi am Fuß des Parnassus begütert war. Sie hatte einen Teil ihres beträchtlichen Erbgutes der jungfräulichen Zwillingsschwester des delphischen Gottes geheiligt und bewohnte an der Spitze einiger der Göttin geweihter Jungfrauen die zu ihrem Tempel gehörigen Gebäude. Das benachbarte Landvolk verehrte sie als eine heilige und von der Göttin hochbegünstigte Person, die durch Dianens unmittelbaren Beistand alles vermöge. »Und in der Tat«, sagte Hippalektor, »muß sie im Besitz großer Geheimnisse sein, da sie sich, ohne zu unserm Orden zu gehören, allen Genossen der magischen Kunst furchtbar gemacht hat. Jeder Versuch, mit Gewalt etwas gegen sie auszurichten, würde vergeblich sein.«

»Das gibt schlechte Aussichten«, sagte Phöbidas. »Aber in welchem Verhältnis steht meine Daphnidion mit dieser furchtbaren Dianenpriesterin? Sollte vielleicht der delphische Gott oder einer seiner Priester in seinem Namen...?«

»Es fehlt nicht an Beispielen, eine solche Vermutung zu rechtfertigen«, erwiderte Hippalektor; »aber Daphnidion ist wirklich die Tochter einer schon lange verstorbenen Schwester Dämonassens und zur Erbin der andern Hälfte ihres Vermögens von ihr bestimmt, wofern sie sich entschließt, die Gattin eines gewissen Terpsion zu werden, dessen Güter an die ihrigen stoßen und der in der Tat für einen Landmann liebenswürdig genug ist.«

»Ich für meine Person finde ihn sehr hassenswürdig«, sagte Phöbidas; »könnten wir ihm nicht durch ein kleines heroisches Mittelchen die Lust zum Heuraten vergehen machen?«

»Auch Terpsion steht unter Dämonassens und ihrer Göttin Schutz«, versetzte der Schwarzkünstler, »und ich wollte dir nicht raten, dich an ihm zu vergreifen. Mit List werden wir weiterkommen.«

»Wenn wir nicht selbst überlistet werden«, sagte Phöbidas; »die heilige Priesterin ist eine verschmitzte Person, das kannst du mir auf mein Wort glauben.«

»Höre mich nur an und tue dann, was du willst. Ich habe ausfindig gemacht, daß die ganze Sicherheit des Mädchens auf einem Ringe beruht, der alle Zauberei an ihr unkräftig macht. Sie trägt ihn am kleinen Finger der rechten Hand, und sie ist dein, sobald du ein Mittel findest, dich des Rings zu bemächtigen.«

»Es wird schwerhalten, ihr so nahe zu kommen«, sagte Phöbidas; »wenn du nicht glücklicher im Erfinden bist als ich...«

»So höre nur! das Mittel ist bereits gefunden. Morgen abends wird Dämonassens Geburtsfest von allen dazu eingeladenen jungen Dirnen der Gegend mit Tänzen und Spielen gefeiert werden. Ich gebe dir, wenn du es zufrieden bist, die Gestalt eines hübschen delphischen Mädchens und begleite dich in Gestalt ihrer Mutter. Es wird dann deine Sache sein, dich so artig gegen Daphnidion zu benehmen, daß sie dir gut wird und dich in den Reihentänzen, einmal wenigstens, zu ihrer Mittänzerin wählt. Daß ein Mädchen ein anderes in einer Anwandlung von Zärtlichkeit umarmt, ist nichts so Ungewöhnliches, daß Daphnidion, wenn sie in einem schicklichen Augenblick einen solchen Beweis ihrer Liebenswürdigkeit von dir erhält, sich dadurch befremdet finden könnte. Im Gegenteil, sie wird deine Umarmung erwidern, und ich müßte dir wenig Gewandtheit zutrauen, wenn du dich bei dieser Gelegenheit des Rings, den sie am kleinen Finger der rechten Hand trägt, nicht solltest bemächtigen können. Von dem Augenblick an, da dies geschieht, ist sie in deiner Gewalt, und sowie du die drei magischen Worte Axia tuxil naxum aussprichst, wirst du mit ihr emporgehoben und in einer verbergenden Wolke pfeilschnell durch die Lüfte in meine Wohnung auf der Spitze des Öta getragen werden.«

»Kann man sich darauf verlassen, alter Eisbart, daß alles so erfolgen wird?« fragte Phöbidas mit einer angenommenen ungläubigen Miene.

»Wenn du alles, was ich gesagt habe, genau beobachtest, nichts durch deine eigene Schuld verderbst und vornehmlich die drei mächtigen Worte Axia tuxil naxum nicht vergissest, so steh ich mit meinem Leben für den Erfolg.«

Phöbidas wiederholte diese drei Zauberworte so oft, daß er eher seinen eigenen Namen hätte vergessen können, und wiewohl er den Freigeist hatte spielen wollen, fiel ihm doch nicht ein, sich zu verwundern, daß er drei Zauberworte, welche, ein einziges Mal ausgesprochen, ein solches Wunder wirken sollten, mehr als hundertmal hintereinander hersagen konnte, ohne daß nur ein welkes Rosenblatt davon in die Höhe stieg. Sein Glaube an Axia tuxil naxum nahm mit jedem Male, daß er diese Worte wiederholte, zu, und er konnte den Abend, da sie die reizende Daphnidion in seine Arme zaubern sollten, kaum erwarten.

Während dieser frevelhafte Anschlag gegen die liebenswürdige Daphnidion geschmiedet wurde, machte Dämonassa die Überlegung, daß ein so verwegener und sittenloser Fürstensohn wie Phöbidas, von einem Ratgeber wie Hippalektor unterstützt, leicht auf den Einfall geraten könnte, die Gelegenheit ihres Festes auf die eine oder andere Art zu seinen Absichten zu benutzen; und wiewohl sie sich die Mühe nicht nehmen wollte, die Art und Weise zu erraten, so deuchte ihr doch das sicherste, die Anschläge des Feindes durch eine Maßnehmung zu vereiteln, die auf alle mögliche Fälle gleich gut passe. Sie redete also, kurz zuvor, ehe die Jungfrauen sich zum Tanz versammelten, mit ihrer Nichte ab, daß sie ihre Nymphengestalt und ihren zauberlösenden Ring auf einige Stunden gegen das rotbackichte Vollmondsgesicht, die muskeligen Arme und Beine und den reichbegabten Busen einer jungen Bauerdirne, Mykale genannt, der Tochter eines ihrer Freigelaßnen, vertauschen sollte, so daß Phöbidas auf alle Fälle Mykale für Daphnidion halten, sie selbst aber in Gestalt der Mykale unter mehr als fünfzig Landmädchen keiner Aufmerksamkeit wert achten würde.

Nach diesen auf beiden Seiten getroffnen Anstalten erwartete die schöne Daphnidion ruhig, Phöbidas mit ungeduldig klopfendem Herzen die Stunde des Festes. Sie kam, und der junge Thessalier erschien mit seiner untergeschobenen Mutter als eine schöne junge Delphierin, zierlich zum Tanz geschmückt und seine Rolle, wie er sich schmeichelte, so gut spielend, daß alle Anwesenden, Tänzerinnen und Zuschauende, dadurch getäuscht werden müßten. In der Tat war auch niemand, der den mindesten Zweifel hegte, daß er nicht Timandra, Menalippens Tochter, sei, welche den meisten Anwesenden nicht unbekannt war, da man sie vor kurzem an einem großen Feste zu Delphi im Chor der Jungfrauen, die den Päan sangen, glänzen gesehen hatte. Nur Dämonassa entdeckte den Betrug beim ersten Blick in die leichtfertigen Augen des vorgeblichen Mädchens und wurde, je länger sie dieselbe beobachtete, durch tausend kaum merkliche Kleinigkeiten, die den verkappten Zentaur verrieten, in ihrer Vermutung bestärkt.

Phöbidas, ob er sich schon gegen die vermeinte Daphnidion sehr ehrerbietig und anständig zu betragen glaubte, konnte sich doch nicht so gut zurückhalten, daß eine andere als Mykale nicht ein wenig Argwohn hätte schöpfen mögen; aber die gute Dirne tat sich so viel auf die Person, die sie vorstellte, zugut und fühlte sich durch die ungewohnten Schmeicheleien und Liebkosungen, die ihr von der unechten Timandra gesagt und gemacht wurden, so glücklich, daß sie den von Dämonassa empfangenen Unterricht, wie sie sich zu verhalten habe, unvermerkt vergaß und in Daphnidions Gestalt so ziemlich ihre eigene Person zu spielen anfing.

Der verkappte Phöbidas, anstatt etwas Auffallendes in ihrem Betragen zu finden, war eitel genug, alles, was einen wahren und zartfühlenden Liebhaber befremdet hätte, zu seinem Vorteil zu deuten. Die Natur, meinte er, spreche hier, und die Sympathie entwickle, durch eine geheime Ahnung der Gegenwart eines Liebhabers, Gefühle in ihr, die ihr vermutlich zu neu seien, als daß sie sich ihnen nicht ohne alles Mißtrauen überlassen sollte. Diese Gedanken und die durch den Tanz sich immer mehr belebenden und erhöhenden Reize der schönen Nymphe wirkten endlich so stark auf ihn, daß er den ersten Augenblick, wo es mit einiger Schicklichkeit geschehen konnte, ergriff und, indem er die vermeinte Daphnidion liebkosend umarmte, ihr zugleich, wiewohl mit zitternder Hand, den gefährlichen Ring vom Finger zu ziehen suchte.

Ob die ehrliche Mykale wirklich, ohne es zu wollen und zu wissen, etwas Sympathetisches in diesem Augenblick fühlte oder ob sie nur Höflichkeit mit Höflichkeit erwidern wollte, genug, sie gab der verkappten Timandra ihre Liebkosung mit der treuherzigsten Wärme zurück; aber sobald sie merkte, daß es bloß auf den Ring, dessen Bewahrung ihr sehr ernstlich eingeschärft worden war, abgesehen sei und daß Timandra sich dessen mit Gewalt bemächtigen wolle, verwandelte sich ihre getäuschte Zärtlichkeit plötzlich in Ingrimm, und sie setzte sich so tapfer zur Wehr, daß der talismanische Stein seine Wirkung zugleich an beiden tat und, bevor Phöbidas sein Axia tuxil naxum anbringen konnte, zu größtem Erstaunen der ganzen zahlreichen Versammlung, in der schönen Timandra einen kräftigen Jüngling und in der vermeinten Daphnidion die hochgebrüstete Mykale darstellte, in einem unbegreiflichen Zweikampf begriffen, der beinahe in ebendemselben Augenblick anfing und aufhörte und den ebenso bestürzt als beschämt zurückprallenden Thessalier einem allgemeinen Gelächter preisgab.

Aber dieses verwandelte sich, nur zu bald für ihn, in laute Ausbrüche des stärksten Unwillens; und während tausend zugleich erschallende Stimmen die Bestrafung eines so unerhörten Frevels foderten, fielen mehr als zwanzig derbe Bauermädchen über den unglücklichen, bald um Gnade bittenden, bald mit Faust und Ferse sich wehrenden Sünder her und würden ihn wahrscheinlich das klägliche Schicksal des Orpheus und Pentheus haben erfahren lassen, wenn Hippalektor (den alle seine Zauberkünste in diesem furchtbaren Augenblick im Stiche ließen) sich der Priesterin nicht zu Füßen geworfen und um Gnade für seinen Schützling und sich selbst gebeten hätte. Dämonassa war zu menschlich, um dem Gedemütigten nicht zu verzeihen. Sie gebot, von dem Jüngling abzulassen, glücklicherweise für ihn noch früh genug, daß er, einige Schrammen, Beulen und blaue Mäler und ein paar Hände voll ausgerißner Haare abgerechnet, mit allen seinen Gliedmaßen davonkam, von welchen einige der edelsten in großer Gefahr gewesen waren.

Dämonassa ließ den jungen Thessalier und seinen Ratgeber die in dieser Geschichte offen genug zutage liegende Moral selbst daraus ziehen und begnügte sich, beiden die Betretung ihres Dianen geheiligten Bodens und jeden fernern Versuch auf ihre kleine Daphne scharf genug zu untersagen, um ihnen die Lust dazu auf immer vergehen zu machen.

Aber wiewohl Phöbidas durch die schmachvolle Vereitlung seines Anschlags und die Todesangst, die er unter den Nägeln von zwanzig grimmigen Dorfnymphen ausgestanden, für seine Leichtfertigkeit hart genug gezüchtiget schien, so konnte oder wollte die Priesterin doch der öffentlichen Stimme nicht entgegen sein, welche verlangte, daß das Andenken dieser Begebenheit erhalten und zu einem warnenden Beispiel für die künftigen Zeiten aufgestellt werden sollte. Sie verordnete also oder ließ es (was mir wahrscheinlicher ist) bloß geschehen, daß, sooft der Jahrstag derselben wiederkehrte, alle Mädchen der Gegend auf einem großen Rasenplatz am Eingang des Hains, den sie Dianen geheiligt hatte, sich unter den Augen ihrer Mütter zu fröhlichen Spielen und Tänzen versammelten und, wenn der letzte große Rundtanz geendigt war, einen aus Lumpen zusammengeflickten und mit gehacktem Stroh ausgestopften Popanz, der Pböbidas genannt, unter großem Jubel so lange mit Hasenpappeln peitschten, bis er ihnen in lauter einzelnen Fasern um die Köpfe flog. Diese Gewohnheit soll mehrere Jahrhunderte durch in Übung geblieben sein; und wenn einer von den vielen gelehrten und forschlustigen Wandersmännern, welche seit einiger Zeit Griechenland nach allen möglichen Richtungen bereisen und durchforschen, falls er in diese Gegend kommt, Nachfrage tun will, so wird sich vielleicht finden, daß sie sich bis auf diesen Tag erhalten hat.

Ob übrigens der wirkliche Phöbidas sich die auf eigene Kosten erworbene Erfahrung und die jährliche Züchtigung seines leblosen Stellvertreters zur Besserung habe dienen lassen, ist nicht bekannt, dürfte aber aus mehrern Ursachen, deren Anführung den Scharfsinn meiner Zuhörer beleidigen würde, mit gutem Fug bezweifelt werden.

Die Erzählung, womit die Gesellschaft zu Rosenhain am dritten Abend unterhalten werden sollte, war durchs Los dem Fräulein Amanda von B., einer entfernten Verwandtin des Hauses, zugeteilt worden.

Alle Glieder des freundschaftlichen Kreises zeigten ihr so unverhohlen, wieviel Vergnügen man sich von diesem Abend verspreche, daß auch eine viel weniger bescheidene junge Person als Amanda ein wenig verschüchtert hätte werden mögen. »Ich bedarf Aufmunterung«, sagte sie, »und Sie machen mich durch Erwartungen zittern, die ich zu erfüllen nicht hoffen kann. Bedenken Sie, wie sehr ich schon dadurch im Nachteil bin, daß ich auf Herrn von P. folge.« – »Der Abstich wird schwerlich zu meinem Vorteil sein«, fiel ihr dieser ins Wort, »aber auf jeden Fall ist es um keinen Wettstreit, sondern um eine bloße Unterhaltung zu tun, die auf beiden Seiten gleich anspruchlos ist. Wir geben, was wir haben, und unsre Zuhörer, in billiger Erwartung, daß wir unser Bestes tun, sind bereit, mit dem, was wir geben, vorliebzunehmen.«

»Auf diese Bedingung«, sagte Fräulein Amanda lächelnd, »kann ich es um so getroster wagen, Ihnen sogar ein Feenmärchen zum besten zu geben.«

Rosenhain & Dschinnistan

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