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ОглавлениеVorwort.
Ich wurde in eine Welt nach der „Stunde Null“ 1945 geboren.
In den Fünfzigern war alles anders, als vor oder während des Krieges, aber irgendwie auch wieder nicht. Manche nennen sie die „bleierne Zeit“.
Vieles war noch da, obwohl es eigentlich weg gewesen sein sollte.
Alte Nazis waren in „neuen“, alten Positionen und so existierte immer noch der ganze Rassismus, die Fremdenfeindlichkeit und der Hass auf alles, was anders war.
Auch waren viele davon überzeugt, nicht befreit, sondern besetzt zu sein, von Alliierten, die uns bestrafen wollten.
Die Meisten wollten alles, was gewesen war, vergessen und einfach nach vorne blicken, aber möglichst nichts ändern, was sich bewährt hatte.
Über das, was war, sprach man nicht mehr und wollte auch nicht darüber nachdenken.
Zumindest war es in meiner kleinen Welt so.
Der Zweite Weltkrieg, der Holocaust und der totale Zusammenbruch waren vergessen, darüber wurde nie wieder gesprochen.
Man wandte sich Interessanterem zu. Kaufte man, wenn überhaupt, ein Goggomobil oder einen Käfer? Bekam man eine Neubauwohnung? Von all dem wusste ich natürlich nichts.
Ich erblickte das Licht dieser gebeutelten Welt im Jahre des Herrn 1956. Da war die Bundesrepublik gerade mal sieben Jahre alt. Sie war sozusagen in meinem Alter, obwohl sieben Jahre machen bei kleinen Kindern viel aus.
Ich hätte aber zu ihr aufblicken können, wenn ich es gekonnt hätte. Sie wäre meine große Schwester gewesen. Sie zeigte mir, wie unsere Welt zukünftig sein würde:
Einigkeit und Recht und Freiheit.
Ich sollte später erfahren, dass die Umsetzung aller drei Postulate noch lange auf sich warten lassen würde, sehr lange.
Die wahre Einigkeit bzw. Einheit Deutschlands kam erst im Jahre 1990.
Das Recht für mich als schwuler Mann kam sehr spät, in Etappen:
1969: Abschaffung der Strafbarkeit von Homosexualität; neue Altersgrenze 21.
1972: Änderung/ Reduzierung der Altersgrenze auf 18 Jahre (Heterobeziehungen waren bereits ab 16 Jahren legitim).
2001: Eingetragene Lebenspartnerschaft mit vielen Pflichten, aber wenig Rechten; ein merkwürdiges Torsogesetz.
2017: Öffnung der Ehe für alle.
Die Freiheit für Schwulen (und Lesben) kam also erst sehr spät, zumindest so, wie ich diese Freiheit verstehe.
Aber immerhin, alles das, was die junge BRD versprochen hatte, trat irgendwann ein, wenn auch, wie gesagt, erst sehr spät.
Klagen wir in Wirklichkeit nicht auf hohem Niveau?
In 12 Staaten der Welt gibt es noch die Todesstrafe für Homosexuelle, wer will da wirklich meckern!