Читать книгу Audreys Geheimnis | Erotischer Roman - Claire D. Anderson - Страница 5
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Und Jacob hörte zu. Durch den Jetlag und den wenigen Schlaf, den ich bekommen hatte, verlor ich langsam jegliches Zeitgefühl. Ich schätze, wir saßen etwa eine Stunde an der Bar, bevor er sich kurz entschuldigte, mit jemandem vom Personal sprach, meine Kaffeetasse und den Teller schnappte und mich in eine winzige Wohnung über dem Café führte. Für sich selbst holte er ein Bier aus dem Kühlschrank. Die Wohnung war genauso gemütlich wie das Café darunter. Er öffnete ein paar Fenster, sodass ich die Musik vom Markt unter uns hören konnte, das sich mit dem Gemurmel der Menschen und dem Gelächter der Gäste vor dem Café vermischte.
Ich erzählte Jacob von meinem Leben in Amerika, von dem Romanentwurf, den ich geschrieben hatte, von meiner Tante Marie und ihrem Mann, die mich so liebevoll aufgenommen hatten, von Luke, der mir drüben das Gefühl von Sicherheit gegeben und mich schließlich doch verlassen hatte, und, dass ich zurückgekommen war, um die Anwälte meiner Eltern zu treffen und mein Erbe zu regeln.
Natürlich erkundigte ich mich auch nach Jacobs Familie.
»Weißt du, seit der großen Erbschaftsverteilung ist wirklich nichts mehr, wie es einmal war. Pa ist zwar immer noch der Alte – einfach nicht unterzukriegen mit seiner Zuversicht und Fröhlichkeit – aber Ma hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Sie ist verschlossener geworden, trifft sich weniger mit anderen Leuten als früher ... Klar, sie organisiert nach wie vor ihre Wohltätigkeitsveranstaltungen, fördert junge Künstler, kümmert sich um alles, aber manchmal glaube ich, dass ihr die Streitigkeiten doch mehr zugesetzt haben, als sie jemals zugeben würde. Es gab da einige eigenartige Situationen, aber ... ich will dich wirklich nicht damit langweilen...«, sagte Jacob.
»Ach komm, von mir weißt du mittlerweile alles, was ich inzwischen angestellt habe ... wie bist du denn zu diesem Café gekommen?«, fragte ich, um von dem Thema abzulenken, das ihn sichtlich belastete.
»Da war viel Glück im Spiel. Und Evan hat einfach ein tolles Händchen für die Geschäfte. Ich bin eher für die Unterhaltung zuständig, weißt du. Wir hatten erfahren, dass die Buchhandlung, die früher hier drin war, schließen musste. Natürlich standen die Gebote für das Haus hoch, schließlich ist es direkt an der ›Old Box‹ und jeder weiß, wenn er hier ein Geschäft aufmacht, wird es zum Selbstläufer ... aber Evan hat toll verhandelt und schließlich haben wir den Zuschlag bekommen. Wir haben wochenlang umgebaut und renoviert, Möbel gekauft, dann musste die Küche und die Bar gemacht werden – es war der Wahnsinn ...«
Jacob verstummte und sah mich forschend an.
»Bist du müde?«, fragte er mich besorgt und strich mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Ein wenig«, gestand ich.
»Und Hunger musst du ja auch haben!«, fiel ihm ein.
Es musste bereits später Nachmittag sein.
Ich nickte.
»Ich nämlich auch. Warte ein paar Minuten, ich hol’ uns was von unten.«
Damit stand er auf und verschwand durch die Tür nach unten ins Café. Ich streckte mich auf der Couch aus.
Mir war klar, dass ich bald gehen musste. Doch Jacobs Nähe war wie eine Droge für mich. Ich konnte nicht genug von ihm bekommen. Während ich auf ihn wartete, schloss ich die Augen. Wie kam es, dass er mir so gefehlt hatte? Und, vor allem, wie kam es, dass mir das nie aufgefallen war? Wir hatten über die Jahre, in denen ich in Amerika gewesen war, keinen Kontakt gehabt – er hatte zwar artig auf den Weihnachts- und Geburtstagskarten seiner Mutter unterschrieben, die sie mir immer geschickt hatte, aber darüber hinaus ... ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Vor allem, weil er mit einem Teil meiner Vergangenheit verknüpft war, an den ich mich bei Gott nicht erinnern wollte. Die Träume waren schon viel seltener geworden, und ich wollte nichts wieder heraufbeschwören, wenn es nicht unbedingt notwendig war.
Dennoch wanderten meine Gedanken zurück, ich konnte sie nicht daran hindern. Und als würden sie mich über einen tiefen Graben tragen, den ich drumherum aufgebaut hatte, war ich plötzlich wieder dort.
Ich sah uns vor mir, mit den anderen, als wir zum ersten Mal in den Keller der Lust gingen, wie wir ihn nannten. Irgendjemand hatte jemanden gekannt, der jemanden kannte, der an Kokain kam. Als Gegenleistung sollten wir mit verbundenen Augen in einem Raum zu sphärischer Musik tanzen. Das war der Anfang. Wir waren sieben junge Leute, drei Mädchen und vier Jungs, und wir waren auf Abenteuer aus.
Natürlich war uns langweilig. Wir wollten mehr vom Leben spüren, mehr sehen, als uns die Reichtümer unserer Elternhäuser bieten konnten. An einem schwülen Sommertag trafen wir also in einer schmuddeligen Seitengasse des alten Viertels von Colante auf unseren Lieferanten, einen schmierigen Typen, dem ein Schneidezahn fehlte. Er führte uns die Stufen hinab in einen dunklen Keller. Wir drängten uns aneinander. Jacob stellte sich damals schon schützend vor mich. Gerade hatten wir unsere pubertären Differenzen überwunden und er hatte begonnen, den Beschützer für mich zu spielen. Aber wir waren noch so jung! Und beschützen konnte er am Ende niemanden von uns.
Während uns die Augen verbunden wurden, begann die Musik zu spielen und rund um uns schienen sich Menschen zu bewegen. Man hörte gedämpftes Gemurmel, Husten, Lachen. Bald rann mir der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinab und ich fand alles unglaublich aufregend. Manchmal berührten mich die Hände der anderen Tänzer um mich und bis auf ihren Atem in meiner Nähe und die Musik war kaum etwas zu hören.
Nach einer Stunde war der Spuk vorbei und wir wurden nacheinander in einen Raum gerufen, wo man uns ein durchsichtiges Päckchen mit feinem, gelblich weißem Pulver in die Hand drückte – und einen Zettel. Wer mehr wolle, müsse wiederkommen. Beim nächsten Mal würde man von uns erwarten, mit nacktem Oberkörper zu tanzen.
Ich rannte nach draußen und traf dort auf die anderen. Überschwemmt von Adrenalin, übermütig durch unsere Kühnheit und unsere Tat, rannten wir bis zum Meer. Jeder von uns probierte von der Droge. Es war der pure Wahnsinn. Und natürlich wollten wir alle mehr.
Keine zwei Wochen später waren wir wieder in dem Keller versammelt. Bevor man uns die Augen verband, mussten die Jungs ihre T-Shirts und die Mädchen ihre Tops und BHs ausziehen. Ich erinnerte mich an Jacobs Gesichtsausdruck. Er stand vor mir und versuchte, mir in die Augen zu sehen. Noch bevor wir zu tanzen begannen, waren wir schon schweißgebadet. Der Sommer war fast an seinem Höhepunkt angelangt, die Hitze beinahe unerträglich. Und Jacobs Blick wanderte langsam meinen Hals entlang. Ich sah, wie er schluckte, als er auf meine Brüste blickte. Ich weiß noch genau: Ich habe ihn angegrinst und ihm die Zunge herausgestreckt. Doch er schaute mich nur an. Dann sah ich nichts mehr. Wieder die Dunkelheit, die Musik mit den dröhnenden Bässen, das Gemurmel der Menschen und die zufälligen Berührungen der anderen. Ich hörte meinen Atem schneller werden, genauso wie den der anderen auch. Und wieder bekam jeder ein Päckchen und einen Zettel mit Anweisungen.
Das nächste Mal also ganz nackt.
Auch in der folgenden Woche trafen wir uns. Wir wollten die Droge, allerdings begannen manche von uns, Skrupel zu bekommen. Wir alle hatten den Zusatz auf dem Zettel gelesen: Wer plauderte, starb. Wir wussten, wir saßen in der Falle, aber in unserer jugendlichen Unbekümmertheit dachten wir, es würde alles gut werden und niemandem könnte etwas geschehen. Keiner von uns wusste, wer uns zusah in den Nächten, in denen wir tanzten, und was die Menschen machten, während sie uns zusahen. Doch das Kokain war so gut, es war unser Freund geworden und wir mussten mehr davon haben. Und endlich gab es etwas, für das wir nicht mit dem Geld unserer Eltern bezahlen konnten, sondern das wir uns selbst verdienen mussten.
Also gingen wir wieder hin. Ich traf Jacob etwas früher als die anderen in der Gasse. Er wirkte nervös.
»Was hast du denn?«, fragte ich ihn.
Ich war aufgekratzt und sprang vor ihm auf und ab.
Er schüttelte den Kopf.
»Nichts, Audrey.«
»Na komm schon, raus mit der Sprache. Hast du Angst, weil wir jetzt alle zum ersten Mal deinen Schwanz sehen?«
Ich pikste mit meinem Zeigefinger im Takt zu meinen Sprüngen in seine Brust.
»Ach, komm.«
Er packte mich an den Schultern und zwang mich, mit dem Gehüpfe aufzuhören. Als ich still vor ihm stand und ihn mit großen Augen ansah, nahm er mein Gesicht in seine großen Hände.
»Audrey, du musst das nicht tun. Niemand von uns muss das, aber vor allem du nicht.«
»Wieso? Glaubst du, dass ich jetzt einen Rückzieher mache? Komm schon, es ist einmal ausziehen, dann das weiße Gold kassieren, abhauen, genießen. Mir macht das nichts aus! Mir geht’s gut dabei. Ich seh’ ja nicht mal, wer uns zusieht!«
»Hast du wirklich keine Ahnung, wer sich in den Nischen dieses Kellers aufhält, während wir tanzen? Es sind die Reichen, die Mächtigen, die Geschäftsleute aus Colante, aus Corrin genauso, hetero, schwul – die holen sich einen runter, während wir tanzen, die Frauen lassen sich genauso gehen dabei, wenn sie uns sehen, dann treiben sie’s miteinander ... Audrey, ich weiß nicht, ob es das wert ist.«
Doch ich war so dumm. So jung. Ich wollte immer mehr.
»Jacob, das ist mir egal. Ich will meinen Spaß, ich will meine Drogen, und dann nichts wie weg.«
Ich stupste ihn mit der Nase an, legte meine Arme um seine breiten Schultern und sagte mit leiser, verführerischer Stimme:
»Komm schon, sei kein Spielverderber. Wir liefern ihnen eine Show, dass sie explodieren vor Lust und Begierde.«
In Jacobs Augen blitzte etwas auf. Er sog scharf die Luft ein und starrte mich an. Sein Blick wanderte zu meinen Lippen. Dann riss er sich plötzlich los und trat einen Schritt zurück. Er drehte sich einmal um sich selbst, schaute mich wieder an und sagte mit einem wölfischen Grinsen:
»Gut, Süße, kannst du haben.«
Dieser Abend war anders. Wieder drängelten wir sieben uns die dunklen Stufen hinunter, doch dann ließ uns der schmierige Türsteher einzeln in einen kleinen Raum gehen, in dem wir unsere Kleidung ablegen sollten. Gleich danach wurden wir – wieder einer nach dem anderen – in die Mitte des Raumes mit der Musik geschubst. Es war unglaublich heiß in dem Keller, aber die Luft war nicht abgestanden. Es duftete ein wenig nach frischen Blumen. Der Boden war mit Teppich ausgelegt und fühlte sich warm an. Bevor man mir die Augen verband, trat Jacob neben mich. Ich musterte ihn ausführlich, mit unverhohlenem Interesse und schelmischem Blick. Jacobs ganzer Körper glänzte vom Schweiß und ich sah, wie sich sein Penis langsam aufzurichten begann. Hinter mir spürte ich die Wärme eines anderen Körpers. Ein Mädchen berührte mich an meiner Seite. Ein Schauer der Erregung durchlief mich von oben bis unten. Dann war alles dunkel und die Musik setzte ein. Es schien, als würde ich alles doppelt so sehr spüren, doppelt so sehr wahrnehmen wie bei den ersten Malen. Ich hörte den Atem der anderen laut und schon nach wenigen Minuten griff eine Hand nach mir. Es war eine weiche, zarte Hand. Das Mädchen. Es drängte sich an mich und begann, meinen Hals hinab bis zur Schulter zu küssen. Dann umfing mich ein weiterer Körper, an der Größe erkannte ich Jacob. Er atmete schnell, während er sich zum Rhythmus der Musik bewegte. Er umfasste meine Brüste und begann sie zu kneten. Er zerrte an meinen Brustwarzen, bis mir ein lautes Stöhnen entfuhr. Ich spürte, wie er sich von hinten an mich drängte, hart und fordernd. Um mich herum mussten ähnliche Dinge passieren, denn ich befand mich plötzlich inmitten einer Masse von heißen, nassen Körpern, die sich um mich drängten. Ich spürte Hände auf meinen Schenkeln, an meinem Po, eine davon drang langsam in die Spalte zwischen meinen Pobacken vor, zog sie auseinander. Dann ein heißer Atemzug dazwischen. Zugleich berührte ich Körper um Körper, verlor das Gefühl für Raum und Zeit und ließ mich fallen. Neben mir musste jemand begonnen haben, einen anderen mit der Hand zu befriedigen. Ich wurde schneller Bewegungen eines Unterarms gewahr, tastete mich vor, war neugierig, wollte mitten drin und dabei sein. Schließlich ein Betteln um Erlösung, ein lautes Stöhnen, und das Mädchen, das sich an mich gedrängt hatte, krallte seine Hände in meine Arme, vergrub sein Gesicht an meinem Hals und schrie noch einmal auf. Sie sackte um mich zusammen, wurde aufgefangen, ich hielt sie fest. Sie suchte meinen Mund, doch ich war nicht bereit.
Jacob spürte ich immer noch hinter mir, seinen Steifen an meiner Pofalte. Doch er tanzte mit mir, seine Hände an meinen Hüften, sein Mund an meinem Hals. Wieder griff eine Hand nach mir, eine männliche, da war ich mir sicher. Sie bedeckte fordernd mein Geschlecht, drückte einen Finger in die nasse Spalte. Ich stöhnte auf. Aber die Hand verschwand wieder und ließ mich dürstend nach Befriedigung zurück.
So ging es eine Weile weiter, dann riss man uns – für meinen Geschmack viel zu schnell – auseinander und führte uns nackt, wie wir waren, wieder einzeln in den Raum mit den Drogen. Das Päckchen war genauso groß wie immer und ich zog einen Schmollmund. Der Bedarf stieg. Was musste man tun, um mehr zu bekommen?
Als ich mein kurzes Sommerkleid anzog, dämmerte es mir. Sie wollten, dass wir selbst die Initiative ergriffen, dass wir es selbst wollten. Dafür nahmen sie die Wochen des Tanzens und Wartens in Kauf, solang sie noch niemanden haben konnten, der es mit ihnen trieb.
Diesmal standen auf dem Zettel nur ein Datum und eine Uhrzeit.
Die anderen warteten schon oben in der dunklen Gasse. Sie lachten hysterisch, waren euphorisch. Erneut hatten wir gegen den alteingesessenen Familienzwang rebelliert. Wieder waren wir davongekommen und wieder sollte es auf zum Strand gehen, zum Verprassen der wunderbaren berauschenden Belohnung.
Während ich die letzten Stufen hinaufstieg, sah ich Jacob auf mich zukommen. Er atmete schwer, hatte den Kopf ein Stück gesenkt und fixierte mich mit seinem Blick, als wollte er mich umbringen. Ich verlangsamte meinen Schritt, ging ein Stück zurück, wusste nicht, was ich davon halten sollte.
»Jacob, ich ...«, begann ich, aber er packte grob mein Handgelenk und schleifte mich um die Ecke. Die anderen lachten und machten sich aus dem Staub.
»Was ...«, setzte ich an, doch da presste er seine Lippen hart auf meine, öffnete seinen Mund, drang brutal mit der Zunge in meinen ein. Mit seinen Hüften fixierte er mich an der rauen Mauer, drückte mich dagegen. Ein wildes Stöhnen entfuhr mir und ich krallte meine Finger in seine Haare.
»Jacob«, schnappte ich an seinem Mund nach Luft.
»Sei still!«, forderte er harsch, während er durch den dünnen Stoff meines Kleides nach meinen Brüsten fasste. Dann zog er den Reißverschluss seiner Jeans mit einem Ruck auf und schob fast zeitgleich mein Kleid gerade so viel hoch, dass er bequem daruntergreifen konnte. Seine Hand fand den Weg an meinem Spitzenhöschen vorbei und traf auf meine klatschnasse Spalte. Ich reckte ihm mein Becken entgegen. Ich war so scharf darauf, ihn endlich in mir zu spüren, dass ich es kaum erwarten konnte. Er schob seine Hose ein kleines Stück nach unten, hob mich hoch und schlang meine Beine um seine Hüften. Mit einer einzigen Bewegung rammte er seinen harten Schaft in mich hinein. Ich schrie auf, doch sofort verschloss er meinen Mund wieder mit seinen herrischen Küssen. Unser Atem ging schwer, während er mich nahm. Er war brutal, befriedigte sich an mir und ich genoss es. Ich biss ihm in die Schulter und er stöhnte auf. Seine Bewegungen wurden schneller, ich spürte, wie sich alles in mir zusammenzog und mich noch enger und empfänglicher für seine Stöße machte. Ich konnte mich keine Sekunde länger zurückhalten und kam mit einer Intensität, die mich selbst überraschte. Währenddessen kam auch Jacob zum Höhepunkt und stieß noch zwei Mal stöhnend tief in mich hinein. Er ergoss sich in mir und für ein paar Augenblicke verharrten wir still und schwer atmend, bevor er sich vorsichtig von mir löste und mich langsam auf den Boden zurückstellte.
Ich zupfte mein Kleid zurecht, während er mich anschaute, als wäre ich der erste Mensch, den er je gesehen hatte.
Ich nahm seine Hand und küsste jede Fingerspitze, wobei er mir verwundert zusah. Ich wusste genauso wenig wie er, was ich davon halten sollte. Also dachte ich nicht darüber nach. Und wir sprachen auch nicht darüber. Niemals.
***
Eine sanfte, warme Hand berührte meine Wange.
»Audrey, aufwachen«, sagte Jacob ganz nah an meinem Gesicht. Ich spürte sein Gewicht auf der Couch und schlug die Augen auf. Er saß neben mir und zog langsam seine Hand zurück, während er mir in die Augen schaute.
»Du bist eingeschlafen«, sagte er leise.
Es duftete nach Hühnchencurry und ich streckte mich.
»Tut mir leid, das muss noch der Jetlag sein«, murmelte ich.
In diesem Moment fiel mir ein, was ich geträumt hatte, woran ich beim Einschlafen gedacht hatte. Wie eine Welle, die mich zu erdrücken drohte, brachen die Bilder über mich herein. Ich sog scharf die Luft ein. Hier konnte ich nicht bleiben, musste dringend weg. Ich richtete mich auf.
»Jacob, ich muss gehen.«
»Was? Wieso? Ich hab gerade das Essen heraufgeholt, es hat ein bisschen gedauert, Evan wollte mich noch sprechen. Du musst nicht gehen!«, beteuerte er, während er sich erhob.
Er ließ mich nicht aus den Augen. Wusste er, was ich gedacht, geträumt hatte?
»Doch, ich muss.«
Mit einem Schwung war ich auf den Beinen und sah mich nach meiner Tasche um. Ich musste raus. Das war nicht gut für mich, denn es verwirrte mich. Verwirrung konnte ich nicht gebrauchen. Die ganze Situation, einfach alles. Ich konnte nicht bleiben. Nicht in Jacobs Nähe. Ich schnappte meine Tasche und war schon auf dem Weg zur Tür. Jacob stand mitten im Raum, mit einem verwirrten, verletzten Gesichtsausdruck.
»Was ist denn passiert, während ich weg war? Es waren höchsten zwanzig Minuten ...«
Er fuhr sich mit den Händen durch die schwarzen, zerzausten Haare.
»Jacob, ich ... ich kann dir das nicht erklären. Es ist einfach zu viel. Ich muss gehen«, sagte ich leise, aber bestimmt mit der Hand an der Tür.
Ich sah ihn noch einmal an. Die Anziehung war magisch. Er machte einen Schritt auf mich zu, er spürte es genauso. Aber unsere Geschichte hatte nicht an diesem Abend geendet, an dem er mich so wild und ungezügelt genommen hatte. Da war noch mehr gewesen. Viel mehr.
Jetzt sah ich die Verwirrung in seinen Augen und auch die Angst. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und ließ zu, dass er mich umarmte. Oh Gott, dieser Duft. Jacob und Kaffee und sein wunderbares Eau de Toilette. Sein Herz schlug so hart und schnell, ich konnte es an meiner Wange spüren, wo mein Kopf an seiner Brust lag. Ich musste weg. Ohne ein Wort und ohne ihn noch einmal anzusehen, löste ich mich von ihm und ging zur Tür. Es kostete mich alles an Willenskraft und Überwindung. Ich schloss die Tür leise hinter mir und war eine Minute später draußen auf der Straße.
Wohin? Ich wusste es nicht. Nach Hause wollte ich nicht, konnte nicht in die Stille dieser noch so fremden Wohnung zurück. Mir würde sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fallen. Also zurück zum Wasser. Ich drängte mich an den Marktständen auf der »Old Box« vorbei, durchschritt schnell die Arkaden, überquerte die Küstenstraße und kletterte über das Geländer der Promenade hinunter auf den steinigen Strand. Noch nicht weit genug. Ich wandte mich nach links und marschierte in Richtung Leuchtturm. Dahinter würden die Wellen laut genug sein, um meine Gedanken zu betäuben. Dachte ich. Und Menschen würden auch keine dort sein. Hoffte ich.