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Dritter Sprung

So kurz und ernüchternd mein Debüt mit Julian auch gewesen sein mochte – die Lust in mir war erwacht. Noch bevor der Herbst in den Winter überging, hatte bereits ein neues Exemplar der Gattung Mann meine Aufmerksamkeit gefesselt, und ich war fest entschlossen, mich dieses Mal nicht so schnell entmutigen zu lassen.

Er hieß Andrej und war im Zuge eines Austauschjahres in unsere Klasse gekommen. Mit seiner beachtlichen Größe, seinem kräftigen Körperbau und diesem fremdartigen Akzent war er natürlich nicht nur mir aufgefallen – eine ganze Menge meiner Mitschülerinnen versuchte unter dem Deckmantel des Nachhilfe-Unterrichts bei ihm zu punkten. Sie erledigten für ihn die Hausaufgaben, ließen ihn in Klassenarbeiten bereitwillig abschreiben und liehen ihm ihre Bücher, wenn er wieder einmal seine Sachen vergessen hatte.

Andrej beachtete diese Freundschaftsdienste kaum. Etwas an ihm strahlte die Kühle der Erfahrung aus, und ich ahnte, dass man bei ihm nicht landen konnte, indem man sich ihm aufdrängte.

Mir fiel auf, dass er sehr viel Zeit in der Schulbibliothek verbrachte, hauptsächlich, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern, aber vermutlich auch, weil es dort so angenehm ruhig war. Mrs Miller unterband pflichtbewusst jeden Versuch eines lauten Gesprächs, und wer sich erdreistete, über ein leises Flüstern hinauszugehen, landete schnell vor der Tür.

Ich suchte mir in einigem Abstand zu Andrej einen Platz, wobei ein Regal unsere Blicke trennte. Wie genau ich ihn von hier aus auf mich aufmerksam machen wollte, war mir auch noch nicht ganz klar, aber ich kam jeden Tag wieder her. Andrej beschäftigte sich mit einem kleinen Kreis bestimmter Bücher, und ich kam auf die Idee, in einem dieser Werke meinen Schulausweis zu platzieren, wenn er bereits gegangen war. Irgendwie hoffte ich, er würde die Verbindung zwischen diesem kleinen Stück Papier und der Schülerin, die jeden Tag nur ein paar Meter von ihm entfernt saß, verstehen.

Ich wartete einen Tag.

Ich wartete zwei Tage.

Meine Zuversicht schwand, und fast hätte ich mir meinen dämlichen Schulausweis selbst zurückgeholt, als Andrej schließlich vor meinen Tisch trat und mich mit seinen großen blauen Augen musterte.

»Bist du Amanda?«, fragte er, und ich war zum Glück so überrascht, dass ich meine Aufregung komplett vergaß.

»Ja, die bin ich.«

»Ich habe hier etwas für dich. Steckte in einem der Bücher.« Er reichte mir meinen Schulausweis hinüber und lächelte.

»Oh, vielen Dank. Ich benutze ihn immer als Lesezeichen, da muss ich ihn wohl vergessen haben.«

Hinter dem Tresen machte sich bereits Mrs Miller bemerkbar, die mit eindeutigen Zischlauten unser beginnendes Gespräch unterdrücken wollte.

»Ganz schön laut hier«, sagte Andrej mit einem Seitenblick zu ihr und lächelte. »Wollen wir nicht woanders hin?«

Ohne auch nur einen Moment zu zögern, folgte ich ihm. Wir verließen das Schulgelände und gingen Richtung Fluss.

An einer Stelle, die ich noch nicht kannte, führten verwitterte Stufen hinab an das Wasser, wahrscheinlich, um kleine Boote hinein- oder herauszubringen. Mittlerweile war die Anlage vollkommen verwildert und vor allzu neugierigen Blicken durch eine dichte Wand aus Büschen und Bäumen geschützt.

»Ich bin oft hier«, sagte Andrej, und das blieb für einige Zeit auch das Einzige, was er von sich gab.

Da mir nichts Besseres einfiel, verhielt ich mich ebenfalls still, und gemeinsam betrachteten wir den Fluss, der an seinen Rändern kleines Treibgut mit sich führte; Plastikflaschen, Holzbretter, einen Eimer, das Rad eines Kinderwagens.

»Du kannst schweigen. Das ist gut«, sagte Andrej nach einer gefühlten Ewigkeit zu mir. »Nur wer gut schweigen kann, der kann auch gut reden, sagt meine Babuschka. Die meisten deiner Mitschüler können das nicht.«

Ich musste lachen. Gleichzeitig überlegte ich mir, ob das hier eine Art Initiationsritual sein sollte, und ob Andrej alle seine potentiellen Freunde und Freundinnen an den Fluss schleppte, um sie schweigen zu lassen – und ob ich bisher als Einzige bestanden hatte.

»Das Dorf, aus dem ich komme, ist sehr klein. Sehr viel kleiner als diese Stadt. Es leben dort vielleicht achtzig Menschen. Ich bin oft Stunden mit dem Bus unterwegs, bis ich zu meiner Schule komme. Wenn ich Freunde besuchen will, nehme ich mein altes Fahrrad, aber auch das dauert lang. Hier ist alles so nah.«

Gern hätte ich seine breite Hand genommen, doch mir war bewusst, dass er den ersten Schritt tun musste. Ich ließ meine Finger mit gespielter Beiläufigkeit über die Risse in den Stufen wandern, einmal zu ihm hin, dann wieder zurück, beständig im Wechsel. Obwohl er ununterbrochen auf den Fluss blickte, griff er plötzlich mit beeindruckender Genauigkeit nach meiner Hand.

»So zart«, sagte er schließlich. »Du hast noch nie eine Kuh gemolken, oder?«

Erneut brach ich in Lachen aus. Ich fragte mich, ob dies in Andrejs Dorf die übliche Art der Anmache sei, aber schnell beruhigte ich mich wieder. Wenn er wirklich sein bisheriges Leben am hinterletzten Ende der Welt verbrachte hatte, war sein Erfahrungshorizont mit Mädchen naturgemäß nicht allzu groß.

»Hast du zu Hause eine Freundin?«, fragte ich ihn, doch er schüttelte den Kopf.

»Würde ich dann deine Hand halten? Wohl nicht.«

Mit diesem Satz hatte er mich endgültig für sich gewonnen. Mir gefiel seine Geradlinigkeit, und diese Atmosphäre des Fremden, Geheimnisvollen, die ständig über ihm lag. Mit ausgeschaltetem Verstand gab ich ihm einen kurzen Kuss.

»Du machst keine großen Umstände, hm?«

Jetzt lächelte auch Andrej. An diesem Tag saßen wir noch lange am Fluss, und wenn auch nichts weiter geschah, als dass wir dem Wasser nachsahen, sollten mir diese Stunden noch lange im Gedächtnis bleiben.

In der Schule gaben wir uns zurückhaltend. Die anderen sollten nichts von dem merken, was sich da zwischen uns entwickelte, und ich glaube, das hatten wir auch ganz erfolgreich geschafft. Nach dem Unterricht gingen wir immer an den Fluss, wobei Andrej mich häufig bat, ein Buch mitzunehmen, aus dem ich ihm vorlesen sollte. Die Begründung, dass er sich die Aussprache bestimmter Wörter besser einprägen wollte, hielt ich für vorgeschoben. Tatsächlich taxierte er immer sehr genau die Bewegungen meiner Lippen, und ich fand es merkwürdig, dass er sich mit Küssen mir gegenüber so stark zurückhielt – fesselte mein Mund doch scheinbar seine ganze Aufmerksamkeit.

Wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander, und selbst mit meinem besten Freund Oliver traf ich mich in diesen Wochen nur selten.

***

Andrej nahm mich nie mit in die Unterkunft, in der er wohnte. Allerdings war er einverstanden, als ich ihn zu mir nach Hause einlud. Auch meine Eltern wollten diesen Austauschschüler einmal kennenlernen, nachdem ich ihnen schon so viel von ihm vorgeschwärmt hatte. Er trug seine besten Sachen und polierte Lederschuhe, als er über unsere Türschwelle trat, und gab sich vollkommen höflich zu meiner Mutter und meinem Vater. Ich stellte alle miteinander vor, dann setzten wir uns in das Esszimmer, während Papa ein selbstgekochtes Reisgericht auf die Teller verteilte. Meine Eltern fragten Andrej hauptsächlich nach seiner Herkunft, und über den Umstand, dass seine Familie kein Telefon besaß, staunten sie eine ganze Weile. Mir war es eher peinlich, doch Andrej war nicht aus seiner natürlichen Ruhe zu bringen, er bedankte sich anständig für das Essen und bot sogar an, den Abwasch zu übernehmen, doch meine Mutter scheuchte uns beide regelrecht hoch auf mein Zimmer.

»Eine nette Familie hast du.«

»Ja, kann man so sagen. Manchmal nerven sie aber auch ganz schön.«

»Trotzdem. Du musst dir immer überlegen, wie du ohne sie dran wärest.«

Andrejs Weisheit, vorgetragen mit diesem verführerischen Akzent, machte mich wahnsinnig. Ich hatte so unglaubliche Lust auf ihn, doch ich wusste einfach nicht, wie ich die Sache anpacken sollte. Ich konnte mich ja wohl schlecht einfach vor ihm ausziehen, oder?

Da unsere Geschichte in der Bibliothek angefangen hatte, versuchte ich, mich ihm durch geschriebene Worte zu erklären. Ich setzte einen langen, mit zierlicher Mädchenhandschrift verfassten Brief auf, in dem ich ihm sehr blumig von bestimmten Gedanken berichtete, die mich beschäftigten, und von gewissen Bedürfnissen, die mir Unruhe bereiteten. Nachdem wir wieder einen ganzen Nachmittag am Fluss verbracht hatten (langsam wurde es ernsthaft kalt, und die Steinstufen unter meinem Hintern fühlten sich nicht mehr sehr einladend an), gab ich ihm mein Schreiben und verschwand schnell durch die Büsche.

***

Am nächsten Tag in der Schule ließ er sich nichts anmerken, und zum Fluss kam er auch nicht mehr. Ich befürchtete schon, ihn verloren zu haben, doch als ich nach Hause kam, lag ein an mich adressierter Brief vor der Tür. In kurzen, etwas groben Buchstaben bat mich Andrej, ihn in seiner Unterkunft zu besuchen, die genaue Anschrift teilte er mir sicherheitshalber noch einmal mit.

Ich stürmte auf mein Zimmer und suchte eilig die geeignetste Unterwäsche heraus, die sich für ein solches Ereignis im Schrank einer nunmehr Sechzehnjährigen finden ließ. Mein Herz klopfte schnell, als ich aus dem Haus trat, durch die Stadt rannte und mich schließlich vor Andrejs Heim zu einer kurzen Pause zwang. Ich konnte ihm schließlich nicht völlig abgekämpft entgegentreten.

Seine Zimmernummer musste ich nicht lange suchen. Ich klopfte an und ging hinein, die Tür war nur angelehnt.

Andrej saß an dem kleinen Schreibtisch und hielt meinen Brief in der Hand.

»Ich brauchte etwas Zeit, um darüber nachzudenken«, sagte er. »Schließlich werde ich in einigen Monaten nach Hause zurückgehen, und dann werden wir uns nicht wieder sehen. Du wirst vermutlich nicht in ein Dorf mit achtzig Einwohnern ziehen und Kühe melken wollen, oder?«

Ich wäre ihm am liebsten in die Arme gefallen, aber etwas in seinem Blick gebot mir noch Einhalt.

»Glaube nicht, dass du mir gleichgültig wärest, das nicht. Ich habe sogar ein Bild von dir neben meinem Bett stehen, siehst du?« Er zeigte auf die Matratze, die links neben der Tür auf dem Boden lag. An die Wand darüber hatte er ein Foto von mir gepinnt, das ich ihm einmal geschenkt hatte. »Aber ich möchte dich auch nicht verletzen.«

Andrej schwieg, und ich wusste, dass ich nun die richtigen Worte finden musste.

»Nicht nur deine Babuschka hat dir kluge Dinge erzählt. Meine Großmutter sagt immer, dass man kein Feigling sein darf. Und dass man am meisten die Risiken bereut, die man nicht gewagt hat.«

Zwar stimmte es nicht ganz, da ich den Spruch nicht von Oma, sondern aus einem Film hatte, aber er verfehlte bei Andrej nicht seine Wirkung. Er stand auf und ging auf mich zu.

»Du möchtest es also.«

»Ja, mehr als alles andere auf der Welt möchte ich es.«

Andrej griff hinter mich und verschloss die Tür.

»Wir müssen aber leise sein, die Wände hier sind sehr dünn. Ich höre meinen Nachbarn jede Nacht schnarchen.«

»Nun, dann wird er jetzt eben uns hören.« Ich war erstaunt über meinen eigenen Wagemut, der bei Worten noch lange nicht aufhörte. Sehr geschickt zog ich meinen Pullover, die Schuhe, Strümpfe und schließlich den Rock aus. Fast nackt vor einem Jungen zu stehen hatte nichts von seiner Sensation für mich verloren, und Andrej betrachtete lange und ernst meinen Körper.

»Du gefällst mir, Amanda. Hoffentlich gefalle ich dir auch.«

Er zog sich aus und zeigte mir seinen glatten, trainierten Oberkörper, den ich vorher nur unter seinen engen T-Shirts hatte erahnen können. Mit Wohlgefallen und größter Konzentration sah ich zu, wie er auch seine Hose fallen ließ, dann legten wir uns gemeinsam auf das Bett.

»Es ist nicht dein erstes Mal«, sagte Andrej und ich bejahte es.

»Aber mein erstes Mal ist noch nicht lange her, und es war nicht gerade ... besonders beeindruckend.«

»Eine Schande.«

Andrej küsste mich lange, und auch das erste Mal mit Zunge. Von seinen zielgerichteten Bewegungen war ich wie elektrisiert, und für einen Moment bedauerte ich, dass sich sein Mund bereits an andere Stellen vorarbeitete. Mit seinen geschmeidigen Lippen kümmerte er sich sehr ausgiebig um mein Dekolleté, ließ jedoch die Stellen, die noch von dem BH verdeckt wurden, aus. Stattdessen kreiste seine Zunge langsam zu meinem Bauchnabel herunter, schließlich noch tiefer. Er wagte sich sogar ein paar Zentimeter unter den Rand meines Slips, was mich fast um den Verstand brachte, dann setzte er sich jedoch auf und zog uns beiden die noch verbliebene Unterwäsche aus.

In Erinnerung an Julian dachte ich, dass er nun schnell in mich eindringen und es hinter sich bringen würde, doch ich hatte mich getäuscht. Andrej legte sich zwischen meine Beine und fing an, meine Schamlippen mit seinem Mund zu erkunden. Mit schnellen Zungenschlägen reizte er meine Klitoris, und während ich mich noch fragte, welches Bauernmädchen ihm wohl nach dem Kühe-Melken diese Tricks beigebracht hatte, ging er bereits dazu über, mich intensiv zu lecken. Meine Finger fuhren in sein Haar, wühlten sich an seinem Hinterkopf entlang, krallten sich an seinem Nacken fest.

Mit jeder Bewegung seiner Zunge brachte er mich auf eine neue Stufe der Leidenschaft, und so wie das Wasser, das wir viele Nachmittag beobachtet hatten, floss auch meine Erregung auf einen bestimmten Punkt hin. Ich stöhnte. Das erste Mal in meinem Leben rief ein Mann in mir die gleichen aufreizenden, süchtig machenden Gefühle hervor, die sonst nur meine eigenen, fleißigen Finger auszulösen wussten.

Andrej pausierte kurz, griff unter meinen Beinen durch, um sich besser abstützen zu können, und küsste sanft meine Oberschenkel, während ich ihm mein Becken entgegenstreckte.

»Weiter ... mach ... weiter«, presste ich atemlos hervor, und er tat mir den Gefallen. Kräftiger noch als zuvor schnellte seine Zunge von einem Ende meines feuchten Heiligtums zum anderen. Meine Güte, war er gut. Als ich kam, schrie ich kurz auf und richtete meinen Oberkörper vor Genuss in die Höhe, dann sank ich erschöpft auf das Bett zurück.

Als ich meine Augen wieder öffnete, lag Andrej neben mir und betrachtete mich sehr intensiv. Zwischen seinen Beinen trug er eine beachtliche Erektion, und mir verlangte danach, mich für seine Dienste an meinem Körper erkenntlich zu zeigen. Ich griff nach seinem wohldimensionierten Schwanz, worauf er mit weit aufgerissenen Augen reagierte. Mit meinen Fingern wichste ich ihn ein wenig, während ich seinen Hals mit zahlreichen Küssen bedeckte. Mich überkam das Gefühl, es ihm mit gleicher Münze heimzahlen zu müssen, und dass mein Mund dabei eine herausragende Rolle spielen sollte. Andrej rutschte auf der Matratze ein wenig höher, sodass ich mich bequem über seinen Schoß beugen konnte. Sein Glied zwischen meinen Lippen war nicht unangenehm, und als ich sah, wie viel Lust er aus dieser Zärtlichkeit ziehen konnte, war mein Entschluss gefasst.

Millimeter um Millimeter ließ ich ihn weiter in meinen Mund hinein, so weit, bis ich fast an die Wurzel seines Schafts stieß. Ich veränderte ein paar Mal die Position meines Kopfes, bis ich eine Stellung gefunden hatte, in der ich ebenso gut atmen wie ihn komplett verwöhnen konnte. Mit Daumen und Zeigefinger bildete ich nun einen Ring um seinen Schwanz, den ich ebenfalls auf und ab bewegte, sodass sein Empfinden noch intensiver wurde. Mit der freien Hand streichelte ich seinen Hoden, was seine Erregung sichtlich steigerte. An dem heftigen Pulsieren seiner Eichel merkte ich, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Immer schneller wurden meine Bewegungen, und schon spürte ich auch den ersten Tropfen seiner Leidenschaft auf meiner Zunge, es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis – doch da zog Andrej meinen Kopf in die Höhe und blickte mich mit verzerrtem Gesicht an.

»Pass auf, es passiert mir gleich.«

»Und wenn ich genau das will?«, fragte ich ihn, löste den Griff seiner Hände und begann erneut, ihn zu lutschen. Noch einmal fuhr ich mit meinen Lippen komplett an ihm herunter, bis an den Ansatz seines Schwanzes, dann war es soweit. Ich hörte Andrej stöhnen und spürte im gleichen Moment, wie sein ganzes Verlangen in meinen Mund schoss. Die Faszination des Neuen überlagerte die Abneigung gegen das Ungewohnte, und als sich mein Kopf genau neben Andrejs Ohr befand, schluckte ich seine Lust betont laut herunter.

Dies war der eigentliche Auftakt für alles, was noch kommen und mir immer neue Freuden schenken sollte. Andrej und ich trafen uns täglich, und wenn uns sein kleines, nicht besonders schalldichtes Zimmer im Heim nicht gefiel, gingen wir zu mir, wo bis in die Abendstunden hinein ein komplettes Haus unserer ungezügelten Neugierde zur Verfügung stand.

Bald entwickelten wir ein Spiel mit festen Regeln. Andrej ließ sich noch immer gern von mir vorlesen – jedoch mit der entscheidenden Veränderung, dass ich dabei nun seinen erigierten Schwanz in meiner Hand hielt und ihn mit übertriebener Beiläufigkeit masturbierte. Unablässig sah er mir währenddessen auf den Mund, beobachtete, wie meine Lippen die Worte formten, und auch, wenn ich ihm keineswegs erotische Texte vortrug, war doch die Wirkung stets die Gleiche.

Kaum fünf Seiten dauerte es, bis ich spürte, wie heiße Tropfen über meine Finger rannen ... Damit aber war unser Spiel noch nicht vorbei, denn nun begann die zweite Runde, in der mein Genuss im Mittelpunkt stehen würde. Andrej hatte mich gebeten, bei unseren Treffen nur noch weite Röcke und nichts darunter anzuziehen, und obwohl ich zunächst nur ungefähr ahnte, was er damit bezwecken wollte, kam ich seinem Wunsch mit dem größten Vergnügen nach. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht – denn nun verschwand Andrejs Kopf unter dem Stoff, der meine Oberschenkel knapp bedeckte. Die Erregung kam in Wellen, doch so oft ich auch versucht war, das Buch in meiner Hand zur Seite zu legen, bestand Andrej hartnäckig darauf, ich solle weiterlesen. Und weiterlesen. Und weiter. Lesen. Ich atmete flach und schnell, und die Worte brachen ruckartig aus mir hervor. Worte über Schuld, Untergang, den Verfall einer Familie ... Worte, die ihren Sinn für mich verloren hatten. Auf ihre Bedeutung achtete ich längst nicht mehr, ich presste die Silben hervor, reihte willenlos Buchstaben aneinander, und dann – ich erreichte einen Gipfel, von dem ich vorher nicht geglaubt hatte, dass es ihn geben konnte. Andrej blieb noch eine Weile unter meinem Rock, zärtlich küsste er meine Beine, leckte letzte Feuchtigkeit von meiner Scham.

»Und?«, fragte er, als sein Kopf schließlich wieder hervorkam. »Wie hat dir dieses Kapitel gefallen?«

***

Es waren wunderbare sieben Monate. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es vielleicht auch ein wunderbares Jahr oder sogar wunderbare Jahre hätten werden können, aber vermutlich war gerade der bevorstehende Abschied, dem wir uns mit jeder Lektüre, mit jedem Ausbruch der Leidenschaft unweigerlich näherten, das eigentliche Geheimnis hinter unserem Glück. Früher oder später wäre ich Andrej überdrüssig geworden, oder er mir, in jedem Fall hätte es einem von uns beiden das Herz gebrochen. Zwar hielten die Beziehungen meiner Freundinnen häufig deutlich länger als nur ein paar Monate, doch dafür endeten sie auch immer in Tränen. Von unserem ganz persönlichen Finale erhoffte ich mir jedoch etwas vollkommen anderes.

Unsere letzte gemeinsame Nacht sollte für uns beide ein unvergessliches Erlebnis werden, und da solche selten spontan erfolgen, sondern immer auch eine gewisse Vorplanung erfordern, entschieden Andrej und ich, in der Woche davor nicht mehr miteinander zu schlafen. Lesen, streicheln, sogar küssen war erlaubt – nur eben nichts, was den anderen am Ende noch zu einem Orgasmus gereizt hätte. Auch selbst Hand anzulegen fiel unter diese Regel, was mich spätestens am dritten Tag unseres kleinen Zölibats in arge Bedrängnis brachte. Andrej sehen und ihn berühren zu können, ohne sich zumindest in der Nacht etwas Ruhe zu verschaffen vor den immer neuen Angriffen des Begehrens ... Doch ich blieb standhaft, und auch Andrej hielt sich an unsere Abmachung – wir sollten es nicht bereuen.

Bisher hatten wir es immer, wenn es über das mündliche Verwöhnen hinausging, mit einem Kondom getan. Die Erinnerung an einen undisziplinierten Julian, den auch hektische Schläge gegen seine Schulter nicht davon hatten abhalten konnten, sich in mir zu verflüssigen, ließ mich jeden Gedanken an einen Coitus interruptus so schnell wie möglich verdrängen. Andrej war also bisher nicht in den Genuss gekommen, mein Königreich einmal ohne den Filter sterilen Gummis erkunden zu können – doch ohne diese Erfahrung durfte er einfach nicht in sein kleines russisches Dorf zurückkehren.

Ich brachte all meinen Mut zusammen, um meine Mutter zu der Unterschrift zu überreden, die ich für den Frauenarzt benötigte. Erst lachte sie, dann verhärtete sich ihre Mimik, doch schließlich grinste sie mich an und sagte, während der Stift über das Papier wanderte: »Wir waren doch alle einmal jung. Aber dass mir hinterher keine Klagen kommen.«

Mit der ersehnten Packung Tabletten in meiner Tasche kam ich mir unglaublich erwachsen vor. Während meine Schulfreundinnen selbst ein paar Kondome vor ihren Eltern versteckten, als wären es Drogen, hatte ich die offizielle Legitimation, meiner Lust nachzugehen. Andrej verriet ich davon zunächst nichts. Unser Spiel des Verzichts dauerte an, und auch wenn ich bisweilen große Lust verspürte, ihm die Kleidung vom Leib zu reißen und sein starkes Glied zwischen meinen Lippen zu spüren, hielt ich mich weiterhin zurück.

In der Nacht, die unsere Letzte sein sollte, trafen wir uns bei mir. Damals hielt ich es für einen erstaunlichen Zufall, dass meine Eltern ausgerechnet in dieser Zeit einen immer wieder abgesagten Besuch bei meinen Tanten nachholten, und ich mich somit gänzlich ungestört von Andrej verabschieden konnte ... Ich würde ihnen für diese Verwandtschaftsvisite ewig dankbar sein.

***

Andrej roch unwiderstehlich gut, als ich ihn auf der Veranda in meine Arme schloss. Sofort vergrub ich mein Gesicht an seinen starken Schultern, und er nutzte die Chance, um meinen Hals zu küssen.

»Es brachte mich fast um den Verstand, dir so nahe zu sein, ohne mit dir schlafen zu können.«

Seine Stimme war tief und ernst, und einmal mehr gab er mir das Gefühl, Teil von etwas Großartigem zu sein. Ich wusste, dass er mich mehr vermissen würde als ich ihn, aber das tat nichts zur Sache – von dieser Nacht und ihren Zärtlichkeiten würden wir beide noch lange zehren, ob nun allein oder mit einem neuen, anderen Partner.

»Gehen wir auf dein Zimmer?«, fragte Andrej, doch ich hielt ihn noch ein wenig hin.

»Lass uns zunächst einen Abstecher ins Esszimmer machen, ich habe da etwas vorbereitet.«

Ich bat ihn, sich an die Kopfseite des langen Tisches zu setzen, dann verband ich ihm die Augen mit einem dunklen Seidentuch, sodass er nicht mehr das Geringste sehen konnte. Schließlich holte ich aus dem Kühlschrank mehrere Köstlichkeiten.

»Du musst dreimal richtig raten.«

»Und dann?«

»Dann darfst du mir in mein Zimmer folgen und mit mir anstellen, was immer du möchtest.«

Unruhig rutschte Andrej auf seinem Platz hin und her.

»Bereit für die erste Kostprobe?«

Schnell fand er heraus, was ich ihm vorsichtig in den Mund gelegt hatte. »Das ist einfach. Kirsche.«

»Richtig. Nun erhöhen wir den Schwierigkeitsgrad ein wenig.«

Dieses Mal kaute er länger, dachte nach, bat noch einmal um einen Nachschlag, kaute erneut, und sagte dann: »Ist es ... Bitterschokolade mit Traube?«

»Sehr gut. Und hier kommt Nummer Drei. Wenn du auch dieses Mal richtig rätst, erlöse ich dich von deiner Augenbinde.«

Meine Hand glitt an meinem Körper herunter, weit unter den Bund meines Rockes, und als sie wieder heraufkam, steckte ich Andrej meinen Zeigefinger, der ganz feucht geworden war, in den Mund. Seine Gesichtszüge veränderten sich. Ich spürte seine Zunge, und wie er versuchte, etwas an mir zu saugen.

»Mehr bitte.«

Ich gab ihm eine weitere Probe meiner Erregung, und der Geschmack verfehlte seine Wirkung nicht.

»Du bist es. Du und dein wunderbarer Körper, der mir nicht mehr aus dem Sinn geht.«

Ich nahm Andrej die Augenbinde ab, setzte mich auf seinen Schoß und küsste ihn lange. Unter mir spürte ich, wie etwas beträchtlich wuchs, und ich hatte große Lust, ihm seine Freiheit zu gewähren.

»Jetzt«, flüsterte ich in Andrejs Ohr, und er stand auf, mich auf seinen Armen tragend, und brachte uns beide hinauf in mein Zimmer. Er legte sich auf das Bett, während ich mich so langsam wie nur möglich vor ihm auszog. Sein Blick folgte jeder meiner Bewegungen.

»Amanda, ich weiß nicht, wie ich es ohne dich aushalten soll.«

Mein Oberteil landete auf dem Boden.

»Wir sind füreinander bestimmt.«

Mein Rock fiel herunter.

»Nur mit dir kann ich glücklich werden.«

Ich öffnete den Verschluss meines BHs und kletterte, nur noch mit einem roten Spitzenhöschen bekleidet, zu Andrej in das Bett.

»Amanda, ich denke, ich lie-«

Mit meinen Lippen versiegelte ich seinen Mund. Ich griff nach seinen Händen und legte sie auf meine Brüste, und erst, als ich spürte, dass die Erregung ihm seine Worte ausgetrieben hatte, löste ich unseren Kuss wieder. Ich wollte ihn, und nicht irgendein schwerwiegendes emotionales Geständnis, das ihm schon morgen peinlich wäre.

Andrej zog mir auch noch das letzte Stückchen Stoff von meinem Körper, dann kniete er sich zwischen meine Beine und schrieb mit seiner Zunge Worte, die nur er lesen konnte, auf meine feuchte Scham.

»Schlaf mit mir«, sagte ich, und als Andrej nach den Kondomen griff, nahm ich ihm die Packung aus der Hand und warf sie in das andere Ende des Raumes.

»Die werden wir heute nicht brauchen. Ich möchte dich spüren, Andrej.«

Es machte mich stolz zu sehen, welche Wirkung ich auf ihn hatte. Wo sonst der reife, durch nichts aus der Ruhe zu bringende Blick lauerte, um seine Umwelt zu beobachten, war jetzt nur blanke Gier. Andrej war gierig, gierig auf mich, alles in ihm drängte danach, es mit mir zu tun, mich vollkommen auszufüllen, um seinen unbändigen Durst zumindest für kurze Zeit zu stillen. Er drang in mich ein und setzte all seine Kraft in die entschlossenen, unaufhaltsamen Bewegungen, mit denen er unsere Körper verband.

Wenn ich an diese Nacht denke, erscheint sie mir wie ein einziger Moment des absoluten Rausches, doch dieser Moment muss Stunden angedauert haben. Andrej ließ nichts an mir aus, keine Stelle an meinem Körper, keinen Millimeter meiner Haut. Unsere Wahrnehmung, unser Empfinden verschwamm zu einer großen Einheit, und ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Menschen je etwas Vergleichbares gefühlt haben wie Andrej und ich bei unserem Abschied. Als er mich das letzte Mal nahm, zeigte sich auf seinem Gesicht ein Anflug von Trauer, und das gab seinem großen, finalen Höhepunkt etwas Tragisches.

Ich versuchte zu weinen, aber ich konnte es nicht.

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