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Vierter Sprung

»Amanda, du träumst.« Jolie, meine liebste Kollegin, rettete mich gerade noch rechtzeitig vor dem Strudel der Erinnerung. Ich war keine sechzehn mehr. Andrej war lange fort und würde irgendwo in einem fernen Landstrich mit einer hübschen ­Bäuerin Kühe melken. Real war nur, was hier und jetzt geschah, und das war hauptsächlich das Blinken des Cursors auf dem Bildschirm vor mir, der nervös auf weitere Eingaben wartete.

»Ich hab dir auch einen Kaffee gemacht.«

Jolie war die Beste. Sie stellte die Tasse auf meinen Schreibtisch, dann wackelte sie mit einem ganzen Schwung Aufzeichnungen in den Kopierraum.

»Und vergiss nicht den Termin in fünf Minuten«, rief sie mir noch zu, bevor die Tür hinter ihr zuschlug.

Ich hasste Montage. Nicht etwa, weil mit ihnen unweigerlich eine neue Arbeitswoche ihren Anfang nahm, sondern weil mein Chef darauf beharrte, eben an diesem Tag seine regelmäßigen und langatmigen Dienstbesprechungen abzuhalten. Die versammelte Mannschaft saß dann um einen großflächigen Tisch herum, spielte mit Kulis, rührte in einer halbleeren Kaffeetasse oder tat so, als gäbe es wichtige Notizen anzufertigen – alles nur, um nicht dem durchdringenden Blick unseres obersten Vorgesetzten begegnen zu müssen. Selbst gefiltert durch seine dickgerahmte Retrobrille, die ihm wesentlich mehr ein modisches Accessoire als eine Sehhilfe war, konnten seine blauen Augen tödliche Pfeile abschießen. Mit seinem kurzen, drahtigen Haar, den jugendlichen Gesichtszügen, der glatten, gebräunten Haut und der maßgeschneiderten Kleidung war er wohl das, was man als Gewinner-Typ bezeichnete – doch nicht für mich. Er versprühte permanent das aufdringliche Flair von Arroganz, bestand darauf, dass wir ihn alle mit Vornamen ansprachen.

»Lionel. Nennen Sie mich einfach nur Lionel«, waren dann seine Worte. Er bewohnte den sogenannten Glaskäfig, einen Raum, der von unserem Großraumbüro durch riesige Glaswände abgetrennt war, damit er seine Mitarbeiter auch stets im Auge behalten konnte.

Sein Vortrag näherte sich dem Ende, was ich daran bemerkte, dass er wieder von der kollegialen Atmosphäre sprach, ein Lieblingsthema meines Chefs!

»Lionel. Nennen Sie mich einfach nur Lionel.«

Tatsächlich wies er uns noch einmal auf die Bedeutung der gesunden Ehrlichkeit in einer Gemeinschaft hin, dann erklärte er unsere Sitzung für beendet.

»Ich wünsche Ihnen allen einen erfolgreichen Arbeitstag.«

Fast zeitgleich standen alle Kollegen auf und bewegten sich zügig in Richtung der Tür. Auch ich wollte mich schnell zwischen ihnen einreihen, doch plötzlich hörte ich hinter mir eine volltönende Stimme.

»Amanda, bleiben Sie bitte noch kurz im Raum.«

Lionel nahm seine Brille ab, massierte kurz seine Nasenwurzel, als hätte er dahinter unglaubliche Gedanken auszubrüten, dann blickte er mich sehr ernst an. »Mir sind verschiedene Klagen über Sie zu Ohren gekommen.«

»Ich höre.«

»Sie kleiden sich zu aufreizend. Ihr Stil ist ... etwas gewagt für ein seriöses Unternehmen, finden Sie nicht?«

»Finden Sie das denn? Sind schöne Strümpfe etwas Verbotenes? Wollen Sie eine Mindestlänge für Röcke einführen?«, fragte ich zurück, schlagfertiger, als ich mich selbst eingeschätzt hätte – scheinbar überraschte diese Erwiderung auch Lionel, für einen Augenblick verlor er den Faden, zog an seiner Krawatte und räusperte sich.

»Nun ... Was ich finde, muss wohl hinter der mehrheitlichen Meinung der Mitarbeiter zurücktreten.«

»Ich glaube nicht, dass wir in diesem Fall von einer mehrheitlichen Meinung sprechen sollten. Die Vorbehalte kommen immer aus der gleichen Richtung.«

»Was meinen Sie damit?«

»Neidische Kolleginnen und dauererregte Kollegen, die frustriert sind, weil ich sie in tausend Jahren nicht ranlassen würde.«

»Amanda, bitte!«

»Wollten wir nicht ehrlich sein?«

»Doch, aber nicht flegelhaft.«

Er sagte noch einiges mehr, aber ich war zu sehr von dem Wort flegelhaft beeindruckt. Wo hatte er das nur her? Wer außer ihm verwendete das heute noch?

»... jedenfalls halte ich es für überaus bedeutsam, Sie im Sinne eines gesunden Betriebsklimas darauf hinzuweisen, in Zukunft etwas gemäßigter zu sein, Ihre Kleidung wie Ihr Verhalten betreffend.«

Lionel hatte seine Brille abgenommen, was seine Augen unerträglich klar erscheinen ließ. Ich erwiderte nichts mehr, stattdessen verließ ich den Besprechungsraum so aufrecht, wie ich es in diesem Moment nur konnte. Gemäßigter? Lionel würde mein Verhalten schon noch kennenlernen.

An diesem Tag beschäftigte mich die Arbeit noch weniger als sonst; auch Jolie, die sich von mir immer wieder Ratschläge erbat, wie sie ihren Mann einmal überraschen könnte, fand heute nur eine unaufmerksame, wortkarge Kollegin vor. Als sie sich schließlich zurück an ihre Arbeit machte, zog ich die Tastatur zu mir heran und tippte meinem Chef eine Frage, die mir schon die ganze Zeit im Kopf herumgegangen war.

»Was halten Sie von der Möglichkeitsform, Lionel?«

»Die Wirklichkeit ist mir lieber, Amanda.«

»Nun seien Sie doch nicht so unerträglich ernst. Erzählen Sie mir, was Sie machen würden, wenn wir hier ganz allein wären?«

»In diesem Fall sind Möglichkeit und Wirklichkeit identisch: arbeiten.«

»Ist das Leben nicht auch da, um sich zu amüsieren?«

»Amüsieren kann man sich nach Dienstende.«

»Klingt fast, als hielten Sie sich einen ganzen Harem von Geliebten.«

»Dafür, dass Sie sich so viel auf Ihr Gespür einbilden, täuscht es Sie manchmal ganz schön. Ich bin in festen Händen.«

»Dafür, dass Sie sich so viel auf Ihre Überlegenheit einbilden, sind Sie manchmal richtig süß. Ihre Frau muss sehr glücklich mit Ihnen sein.«

»Falsch.«

»Ihre Verlobte?«

»Schon wieder falsch.«

»Ihre Freundin?«

»Mein Lebensgefährte.«

»Sie sind ...?«

»Bin ich.«

»Nicht im Ernst.«

»Doch, sogar unerträglich ernst, Amanda.«

»Aber wie – ich meine, der größte Teil der weiblichen Belegschaft hat vermutlich schon beim allwöchentlichen Beischlaf an Sie statt an den eigenen, langjährigen, bierbäuchigen Partner gedacht ... lässt Sie diese Vorstellung völlig kalt?«

»Das würde mir schmeicheln, sollte es sich tatsächlich so verhalten – aber ich werde nur eine Phantasie bleiben.«

Ich schob die Tastatur von mir. Er mochte sich so distanziert geben, wie er wollte – mir konnte er nichts vormachen. Mit mir selbst schloss ich eine Wette, dass ich noch vor Ablauf dieser Woche seine Festung der Anständigkeit stürmen und bis auf die Grundmauern niederbrennen würde. Und – um bei diesem Bild zu bleiben – Lionel würde um jede einzelne Flamme betteln.

***

Gleich am nächsten Tag begann ich mit dem Versuch, unserem Nachrichtenverkehr eine deutlichere Richtung zu verleihen.

»Sie haben meine gestrige Frage noch nicht beantwortet.«

»Ich habe Ihnen gestern schon viel zu viele Fragen beantwortet.«

»Diese Eine nicht. Was würden Sie machen, wenn wir hier ganz allein wären?«

»Vermutlich Überstunden. Und Sie wohl auch, oder sind Sie plötzlich an unbezahlter Mehrarbeit interessiert?«

»Lassen Sie mich es anders formulieren: Unsere Kollegen und alle anderen Menschen sind bei einem spontanen Atomkrieg ums Leben gekommen, und wir haben als Einzige überlebt, weil die Bleifarbe an den Bürowänden uns vor der Strahlung schützte. Nun liegt es an uns, die Welt neu zu besiedeln.«

»Das täte mir leid für die Welt. Wie Sie seit gestern wissen, bin ich für Besiedlungspläne nicht der richtige Ansprechpartner.«

»Lionel, wie sagen Sie so schön in den Besprechungen, wenn es um zusätzliche Aufgaben geht: Es ist alles nur ...«

»... eine Frage des Wollens. Ich weiß. So sehr es mich ehrt, von Ihnen zitiert zu werden, möchte ich unseren Dialog an dieser Stelle lieber beenden. Es gibt noch viel zu erledigen.«

Zugegeben, ich machte es ihm auch nicht leicht. Mit der Konsequenz einer erfahrenen Jägerin lauerte ich auf passende Gelegenheiten und nutzte sie, wann immer es ging.

Wenn ich meinem Chef etwa die angeforderten Unterlagen brachte, stützte ich mich mit den Unterarmen auf seinen edlen Schreibtisch, bis sein Blick in gerader Linie in meinem weiten Ausschnitt landete ... Verließ ich sein Büro, fiel mir immer irgendetwas hinunter, sodass ich gar nicht anders konnte, als mich danach zu bücken und Lionel die Rundungen meiner Rückseite zu präsentieren ... Als ich ihn einmal zufällig am Kopierer erwischte, bat ich ihn, sich meine Schulter anzusehen, die sich ganz furchtbar verspannt hätte. Selbstverständlich war er viel zu anständig, um meinen Wunsch abzuschlagen – es ging hier doch immerhin um die kollegiale Atmosphäre, an der ihm so viel lag.

»Tiefer, Lionel.«

Die Finger meines Chefs wanderten unschlüssig an meinem Schulterblatt hinab.

»Ja, so ist es gut. Fester jetzt.«

Er drückte mit der ganzen Hand zu, und ich belohnte seinen Enthusiasmus mit eifrigen Lauten des Entzückens.

»Oh ja. Genau so. Mehr.«

Und als es ihm schließlich zu viel wurde und er die spontane Massage einstellte, um mit seinen Kopien aus dem kleinen Raum zu verschwinden, erwiderte ich ihm kurz meinen Dank.

»Sollte jemals eine Stelle Ihres Körpers verhärtet sein, werde ich natürlich auch gern Hand anlegen, um mich erkenntlich zu zeigen.«

In einem Punkt war ich mir sicher – Lionel würde nie wieder auch nur ein Blatt vervielfältigen können, ohne dabei an mich denken zu müssen.

»Klopf. Klopf. Klopf. Jemand zu Hause? Ich kann Sie sehen, Sie lesen meine Nachrichten und würden nur zu gern zurückschreiben. Überwinden Sie Ihre Hemmungen, Lionel. Es ist alles nur ...«

»... eine Frage des Wollens, ja ja.«

»Da ist er ja. Ich wollte schon fast eine digitale Vermisstenanzeige für Sie aufgeben.«

»Das wird nicht nötig sein, schließlich können Sie mich ja sehen.«

»Ich könnte noch Einiges mehr mit Ihnen, wenn Sie mich nur ließen.«

»Amanda!«

»Lionel?«

»Wir kommen so nicht weiter.«

»Wie sonst? Erklären Sie mir das mit dem ›Wir kommen‹ bitte einmal näher.«

»Denken Sie denn die ganze Zeit nur an Sex?«

»Wer denkt hier die ganze Zeit an Sex? Ich habe dieses Wort bisher peinlichst vermieden. Ich will doch nicht so flegelhaft wirken.«

»Sie sind einfach unglaublich.«

»Danke. Die meisten Männer sagen mir das erst hinterher.«

»Was ist Ihr Antrieb, Amanda?«

»Die Lust, würde ich sagen. Die Lust auf Neues. So wie vor Jahrhunderten mutige Abenteurer die Weltmeere erkundet haben, will auch ich immer wieder Unbekanntes entdecken. Und Sie, Lionel, wollen das auch. Sie gestehen es sich noch nicht ein, aber Sie sehen das fremde Amanda-Land bereits aus Ihrem Ausguck, und Sie segeln langsam, von einem chaotischen Wind getrieben, darauf zu. Legen Sie sich an meinen Strand. Finden Sie die Schätze, die ich für Sie bereithalte.«

Lionel schrieb nicht mehr zurück. Stattdessen griff er nach dem Telefonhörer und führte ein Gespräch, das sich selbst geblockt durch schalldichtes Glas als privat darstellte. Er lehnte sich weit in seinem Chefsessel zurück, massierte mit einer Hand seine Stirn, starrte konzentriert an die Decke, stand auf, umrundete seinen Schreibtisch, setzte sich darauf, sodass ich nur noch seinen Rücken sehen konnte.

»Klopf. Klopf. Klopf. Wenn Sie glauben, mich einfach ignorieren zu können, liegen Sie falsch. Und interessanter wirken Sie durch Schweigen auch nicht.«

»Ach ja? Ich habe gehört, Frauen mögen stille und geheimnisvolle Typen.«

»Was Frauen angeht, müssen Sie noch eine ganze Menge lernen. Wie wäre es mit einer ersten Lektion?«

»So lange Sie keinen praktischen Aufklärungsunterricht beinhaltet, bin ich dabei.«

»Gut. Was würden Sie zu einer Frau sagen, um sie rumzukriegen?«

»Hm. ›Du hast wunderschöne Hände‹ vielleicht.«

»Gott. Sie sind wirklich schwul!«

»Sag ich doch.«

»Sie müssen bei einer Frau die Schwachstelle finden. Damit können Sie sie erobern.«

»Was ist Ihre Schwachstelle, Amanda?«

»Nicht so schnell, Romeo. Vorher müssen wir noch ein paar grundsätzliche Dinge klären: Was in diesem Unternehmen passiert, bleibt in diesem Unternehmen.«

»Ganz meine Rede.«

»Wenn ich Ihnen also etwa erzählen würde, dass ich gern oben liege, sehr gut mit der Hand bin, gern auch bis zum Schluss mit dem Mund verwöhne ... dann behalten Sie das bitte für sich.«

»›Wenn ich Ihnen also erzählen würde‹ – weshalb so verschachtelt, Amanda? Sonst lieben Sie doch auch die Direktheit. Oder ist Ihr Fetisch für die Möglichkeitsform wieder mit Ihnen durchgegangen?«

»Mein Fetisch? Aber ja; haben Sie es nicht auch satt, von allen köstlichen Speisen des Lebens stets nur das graue Alltags-Menü wählen zu müssen?«

»Ich verstehe nicht so ganz.«

»Doch, Sie verstehen natürlich. Jeden Tag begegnen Ihnen so viele attraktive Menschen, vielleicht sogar innerhalb Ihres eigenen kleinen Unternehmens, und da kehren Sie jeden Tag nach Hause zu der gleichen Person, an der Sie jeden Leberfleck auswendig kennen. Wo nehmen Sie diesen unbedingten Durchhaltewillen nur her?«

»Das ist kein Durchhaltewille. Man nennt es Liebe. Treue. Vertrauen.«

»Achtung. Ihr Nachrichtenaustausch wird von akuter Ödnis bedroht. Verwenden Sie eine Anti-Viren-Software oder vermeiden Sie zukünftig Floskeln, die bei anderen Brechreiz auslösen könnte.«

»Amanda, Sie sind ein schlimmer Mensch.«

»Hm, dann müssen Sie mich wohl erziehen. Würden Sie mir gern einmal den Hintern versohlen?«

»Das könnte Ihnen so gefallen.«

»Und wie mir das gefallen könnte. Ich sehne mich nach Ihren kräftigen Händen, Lionel. Nachts liege ich oft wach und male mir aus, was Sie alles mit mir anstellen würden, wären Sie nur ein wenig mutiger.«

»Mutiger? Was hat es mit Mut zu tun, wenn man sich blindlings verführen lässt?«

»Es ist mutig, zu seinen eigenen Wünschen zu stehen.«

»Das sehe ich anders. Es gehört viel mehr dazu, die gesunde Vernunft walten zu lassen.«

Lionel saß in seinem Glaskasten und entzog mir demonstrativ seinen Blick. Er tat sehr überzeugend so, als hätte er furchtbar wichtige Schreiben durchzugehen, und eine andere als ich, eine weniger Erfahrene, eine weniger Abgebrühte wäre vielleicht darauf hereingefallen. Doch ich kannte diese Masche, und in dieser Hinsicht waren nun wirklich alle Männer gleich, welcher sexuellen Orientierung sie auch angehören mochten. Lionel wartete gespannt auf meinen nächsten Schritt.

»Drehen Sie sich um.«

Kaum war der helle Ton erklungen, der meinen Chef über den Eingang einer neuen Textnachricht informierte, las er sie auch schon und gehorchte meiner Anweisung. Brav.

»Jetzt sagen Sie mir, was ich hier in meiner Hand halte.«

Ich hielt eines dieser zwangsverordneten Diensthandys hoch, aus der sie auch noch den letzten Rest von Stil und Individualität herausgeschraubt hatten. Schwarz, plump, abgerundet lag es zwischen meinen Fingern.

»Was soll das schon sein? Eines dieser magischen Geräte, mit denen ich Sie ganz schnell aus Ihrer Mittagspause zurückrufen kann.«

»Oh, mit diesen Teilen lässt sich noch sehr viel mehr anstellen. Nur der Klingelton war etwas nervig, deshalb habe ich ihn abgestellt und durch Vibrationsalarm ersetzt.«

»Aha.«

»Bisher scheinen Sie nicht allzu begeistert, Lionel, doch ich habe die Absicht, das zu ändern. Wo könnte ich das Handy nur hinstecken?«

»Schön zurück in Ihre Handtasche.«

»Sie Langweiler. Sehen Sie zu und lernen Sie.«

Die Tischplatte nahm Lionel die Sicht, sodass er nicht erkennen konnte, wie ich das Telefon genüsslich unter meinen Rock schob – doch seinem erstaunten Gesichtsausdruck entnahm ich, dass er sehr wohl verstanden hatte, was mir vorschwebte.

»Rufen Sie mich an!«

Das vorgeschobene Zögern dauerte kaum ein paar Sekunden; selbst ein Mann, der schon sein ganzes Leben verrückt nach Frauen gewesen war, hätte nicht schneller reagiert. Während Lionel den Hörer neben sich hielt und mich anblickte, spürte ich die ersten Vibrationen in meinem Slip. Es tat so gut, auch wenn es nur die rein mechanische Ausführung eines elektronischen Befehls war – denn dieser Befehl kam von ihm, ihm, meinem attraktiven, scheinbar unerreichbaren Vorgesetzten.

Ich räkelte mich auf meinem Drehstuhl. Ich steckte den kleinen Finger in meinen Mundwinkel, kniff die Augen zu vor Lust. Das volle Programm, nur für ihn, nur für Lionel, während die Kollegen um uns herum nichts davon wahrnahmen – oder wahrnehmen wollten.

»Was machen Sie nur mit mir, Sie unanständiger Junge?«

Er hatte aufgelegt, das Vibrieren hörte auf, die erste Welle der Erregung verebbte.

»Ich mache, worum Sie mich bitten.«

»Langsam kommen wir der Sache näher. Sie sind ein ausgezeichneter Schüler. Nur Ihre Motivation zu selbstständigem Handeln lässt zu wünschen übrig.«

»Was erwarten Sie denn von mir?«

Ich musste ihm gar nicht antworten, schon hatte er wieder den Hörer in der Hand und wählte die Nummer, mit der es unter meinem Rock anfing, tief zu Brummen. Dieses Mal fiel es mir schwer, meine Show völlig zu kontrollieren, zu stark war die Lust, zu groß war der Wunsch, mich von Lionel quer durch sein Büro vögeln zu lassen.

»Sie haben doch nicht etwa genug?«

»Da müssen Sie sich schon mehr einfallen lassen.«

Wir wiederholten das Spiel vier-, fünfmal vielleicht; am Ende zählte ich nicht mehr mit, meine Gedanken wurden aufgezehrt von dem angenehmen Kribbeln, das mir mein Chef zwischen die Beine zauberte. Für einen Orgasmus reichte es nicht, aber das wäre mir, hier vor allen Mitarbeitern, wohl auch unangenehm gewesen – am Ende hätte sich noch jemand bei Lionel über mein unzüchtiges Verhalten beschwert ... Wenn diese Spießer doch nur wüssten, was ihr ach so seriöser Vorgesetzter alles trieb.

»Lionel, was machen Sie heute nach Dienstende?«

»Nach Hause fahren. Nachdenken. Versuchen, mir darüber klar zu werden, wie ich das mit Ihnen mit der Liebe zu meinem Freund übereinbringe.«

»Ihr Freund möchte vermutlich, dass Sie glücklich sind. Und dazu brauchen Sie mich. Ist doch ganz einfach.«

»Ich befürchte, er würde das anders sehen.«

»Dann lassen Sie ihn.«

»Amanda, wir sind seit vier Jahren miteinander zusammen.«

»Meine längste Verbindung mit einem Mann hielt gerade einmal ein paar Monate, und das ist lange her. Es war großartiger Sex, nichts anderes. Mehr will ich auch jetzt nicht.«

»Einer Frau wie Ihnen bin ich noch nie begegnet.«

»Sie würden lachen, wenn Sie wüssten, wie oft ich das schon gehört habe. Dabei bin ich gar nicht so einzigartig – nur traue ich mich im Gegensatz zu allen anderen, ehrlich zu sein.«

»Erklären Sie mir nicht, allen anderen Frauen ginge es auch bloß um Sex.«

»Das nicht. Aber wenn Sie bisher dachten, Frauen würden immer nur kuscheln wollen, muss ich Sie bei Gelegenheit wirklich eines Besseren belehren.«

Den ganzen Donnerstagmorgen kicherte ich bei jedem noch so geringen Anlass vor mich hin. Als wäre ich noch einmal ein Kind und hätte einen Streich ausgeheckt, wartete ich gespannt darauf, wie mein Chef auf die kleine Überraschung in seinem Büro reagieren würde. Wie immer erschien er auch heute sehr spät zum Dienst, er warf seine Jacke locker über den Stuhl, stellte den Kalender um, schaltete seinen Computer ein, entdeckte etwas ...

»Amanda, warum lag heute ein rosa Höschen auf meinem Schreibtisch?«

»Keine Ahnung, Lionel. Rosa ist nun wirklich nicht Ihre Farbe.«

»Ich weiß. Umso mehr frage ich mich, was ein so intimes Bekleidungsstück zwischen meinen Unterlagen verloren hat.«

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