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Am nächsten Tag musste ich arbeiten. Ich arbeitete in dem Naturkostladen »Alegria« in El Paso und die Arbeit dort machte mir Freude, auch weil ich noch so viel über Naturprodukte lernen konnte, was mich äußerst interessierte. Deshalb stand ich früher als sonst auf und schaute nur kurz in Mikas Zimmer bevor ich los fuhr. Da Mika noch schlief, schrieb ich ihm auf einen kleinen Zettel nur, dass ich ihm einen schönen Tag wünschte und er bitte daran denken sollte, die Waschmaschine anzumachen.

Während ich arbeitete, lag Mika in seinem Bett und informierte sich im Internet über dieses und jenes. Als es schon auf 12:00 Uhr zuging und ich bald von der Arbeit zurückkommen würde, stand er auf, ging ins Bad, zog sich an, ging in den Garten und goss das Gemüse. Als ich nach Hause kam, stand er am Herd und kochte.

»Hallo«, sagte ich gut gelaunt.

»Hey«, war seine Antwort.

Ich brachte meine Tasche in mein Zimmer und sah, dass die Waschmaschine noch nicht an war. Es ärgerte mich sofort, dass er es noch nicht einmal schaffte, die Waschmaschine anzumachen, während ich am Arbeiten war. Meine gute Laune verschwand augenblicklich, denn es war nicht das erste Mal, dass er lange im Bett lag während ich arbeitete. Also holte ich unser beider Wäsche zusammen und stellte die Waschmaschine an.

»Ich habe die Waschmaschine angemacht«, gab ich kund als ich in die Küche kam.

»Gut, denn das habe ich noch nicht geschafft.«

»Was hast du den ganzen Vormittag lang gemacht?«, wollte ich von ihm wissen und versuchte meinen Ärger so gut es ging zu verbergen.

Mika hörte dennoch, dass ich leicht genervt war.

»Ich habe das Gemüse gegossen und koche gerade für uns beide.«

Er deutete mit dem Löffel auf das Essen in der Pfanne.

»Du hättest auch mal eben schnell die Waschmaschine anmachen können oder nicht?«

»Hey, hör auf damit. Du machst schließlich gar nichts in diesem Haushalt.«

Mika warf den Löffel in die Pfanne und drehte sich mit verschränkten Armen zu mir um.

»Was? Ich fege ab und zu auch, gieße das Gemüse und tue etwas in der Küche«, verteidigte ich mich.

»Ja, wenn du mal nicht arbeitest, doch du arbeitest ja sehr viel im Moment.«

»So viel nun auch nicht. Jetzt kurz vor Weihnachten kommt eben mehr Ware an und da muss ich eben öfter einige Stunden mehr aushelfen.«

»Und dann bekommst du auch nur 5-, Euro die Stunde dafür.«

»Das ist der übliche Stundenlohn auf den Kanaren.«

»Für so wenig Geld lohnen sich die wenigen Überstunden ja gar nicht. Bekommst ja eh nicht mehr als 500-, bis 600-, Euro im Monat.«

»Das ist besser als gar nichts.«

»Das ist alleine dein Ding und davon habe ich gar nichts«, erklärte er und sah mich etwas verdrießlich dabei an.

»Natürlich hast du auch etwas davon.«

»Das sehe ich absolut anders. Bei allem, was ich hier im Haus mache, hast du auch etwas davon. Doch wenn du arbeitest, dann ist das nur etwas für dich allein.«

»Ich bringe uns oft Essen aus unserem Naturkostladen mit und von dem Geld, das ich verdiene, profitierst du doch auch.«

»Wie das denn?«

»Ich bezahle die Hälfte der Miete und habe das Auto.«

»An dessen Benzin ich mich auch mit beteilige und dann fährst du auch noch damit zu deiner Arbeit hin.«

»Ja, aber …«

»Nichts aber«, sagte er im barschen Ton und widmete sich wieder dem Essen zu.

»Weißt du, wie oft ich dich schon irgendwohin gefahren oder abgeholt habe?«

Mein Tonfall wurde etwas lauter.

»Die paar Male? Nun werde mal nicht kleinlich. Das ist doch lächerlich.«

»Gut, dann bezahle ich ab jetzt das Benzin alleine, okay?«, entgegnete ich ihm mürrisch.

»Mach, was du willst, aber hör auf mich anzuschreien«, antwortete er mir ruppig.

Ich merkte, dass wir hier jetzt nicht weiter kamen. Es brachte nichts mit ihm über dieses Thema zu reden, denn er hatte doch sowieso Recht. Deshalb schwieg ich und deckte den Tisch. Bald darauf setzten wir uns und begannen zu essen.

Wie oft aßen wir eigentlich schweigend und wütend zusammen? Kam das bei anderen Freunden auch so häufig vor?

»Du weißt, dass ich im März abreisen werde?«, fragte ich ihn schließlich, weil ich die Stille zwischen uns und das Geklapper des Besteckes nicht länger ertrug.

»Natürlich. Ich suche schon einen Nachmieter.«

»Ach ja. Davon hast du noch gar nichts erzählt.«

»Ich muss dir ja nicht alles erzählen. Du bist eh viel zu neugierig.«

»Puh, ist das wieder anstrengend mit dir zu reden«, stöhnte ich.

»Mit mir? Du kommst doch immer schlecht gelaunt und genervt von der Arbeit zurück und ich muss dann deine miese Laune hier ertragen.«

»Mir geht es meistens gut, bis ich dieses Haus betrete«, klärte ich ihn auf.

»Ha, als wenn es an mir und dem Haus liegen würde.«

»Manchmal schon.«

»So ein Blödsinn.«

»Ich weiß nie, was du denkst oder fühlst. Wie du gerade drauf bist und was dich innerlich beschäftigt.«

»Das soll auch gar keiner wissen«, deutete er mit zugekniffenen Augen an.

»Darum ist es auch nicht immer einfach für mich angemessen mit dir umzugehen«, fuhr ich fort.

»Ach so, mit mir ist es also nicht einfach? Du solltest mehr auf dich selbst achten. Du bist nämlich diejenige, die innerhalb von wenigen Minuten von super gut gelaunt in eine gereizte Stimmung verfällt.«

»Ab und zu schon. Ich arbeite wenigstens daran.«

»Dann scheint es noch nichts gebracht zu haben.«

»Es liegt nicht immer nur an mir alleine.«

»An wem denn sonst?«, wollte er mit beißendem Ton wissen.

»Es liegt auch an dir. Du bist auch mal gut oder schlecht gelaunt und wenn du trinkst, dann bist du ganz anders als wenn du nichts getrunken hast«, erläuterte ich ihm, aber ich erhielt keine Antwort darauf.

Mika stand einfach auf und räumte den Tisch ab. Ich wusch das Geschirr während er sich eine Zigarette drehte. Er nahm den ersten Zug und inhalierte lange bevor er den Rauch ausstieß. Dann nahm er den nächsten Zug und hielt ihn ebenfalls lange in der Lunge fest.

»Was machen wir heute Nachmittag?«, wollte ich zaghaft von ihm wissen, um das Schweigen zu durchbrechen und in der Hoffnung, die schlechte Stimmung zwischen uns vertreiben zu können.

»Wir könnten nach Los LLanos fahren?«

»Nach Los Llanos?«, wiederholte ich.

»Ja, nach Los Llanos. Musst du immer alles wiederholen?«, fragte Mika genervt.

»Was willst du da denn?«

»Einfach nur durch die Innenstadt bummeln, vermisst du das denn nicht auch?«

»Nein.«

»Verstehe ich nicht. Du musst doch mal unter Menschen, durch die Straßen und Geschäfte laufen und was anderes sehen.«

»Nein, dass fehlt mir gar nicht.«

»Du bist echt merkwürdig Mira. Hast du nie das Bedürfnis raus in die Stadt zu gehen?« Mika war fassungslos.

»Nein, außer wenn ich etwas kaufen will. Aber wenn du möchtest, dann fahren wir nach Los Llanos und bummeln durch die Innenstadt.«

»Okay, das hört sich doch gut an. Dort können wir auch ein Eis in dem neuen Café »Frida« essen.«

»Wenn wir es denn finden. Das soll ja ziemlich versteckt liegen.«

»Das finden wir schon.«

Ein sehr nettes schwules Paar aus Deutschland war dabei ein Café zu eröffnen, dass sie »Frida« nannten und wo sie nicht nur leckeren Kuchen und Torten, sondern vor allem ganz besondere Eisspezialitäten verkaufen wollten. Dazu auch noch fast alles in Bioqualität, regional, teilweise vegan und alles ohne fremde Hilfe.

Wir zogen uns an und fuhren nach Los Llanos. Gemeinsam bummelten wir durch die Straßen und gingen in das eine und andere Geschäft hinein. Den Eisladen fanden wir verschlossen vor, da die Eröffnung aus irgendwelchen Gründen verschoben wurde. Mika gefiel dieser Stadtausflug dennoch sehr gut. Er war bester Stimmung und wir verbrachten eine gute Zeit zusammen. Als wir am Abend zurückkamen fragte er: »Willst du auch Pommes essen?«

»Jetzt, am Abend?«

»Warum nicht?«

»Zu viel Fett für den Abend. Nein ich möchte keine haben.«

»Bist du dir ganz sicher?«, wollte er wissen.

»Ja, warum fragst du?«

»Weil du immer welche isst, wenn ich sie mache.«

»Ich esse höchstens die kleinen Knusprigen, die du gar nicht magst.«

»Ich mag sie sehr gerne, doch immer, wenn ich sie bis zum Schluss übrig lassen will, sind keine mehr da.«

Er sah mich auffordernd an.

Ich war zuerst leicht irritiert, dann schmunzelte ich allerdings und meinte: »Gut, dann esse ich ein paar Pommes mit. Nur ein ganz wenig.«

Mika lächelte vor sich hin.

»Wusste ich es doch.«

Er begann die Kartoffeln, die schon gekocht waren, klein zu schneiden.

»Mira, kannst du noch Rosmarin aus dem Garten holen?«

»Okay, kann ich machen.«

Ich ging nach draußen und kam wenig später mit einigen Zweigen Rosmarin wieder zurück.

»Wie viel Geld hast du eigentlich noch«, fragte Mika mich nach einer Weile.

»Wieso?«

»Ich bin fast pleite und vielleicht könntest du mir etwas leihen?«

»Du hast schon einige Male gesagt, dass du fast pleite bist und konntest dann immer wieder teure Anschaffungen machen.«

»Nur, weil meine Eltern mir etwas Geld gegeben haben.«

»Ich verstehe nicht, wie du eineinhalb Jahre lang nur von deinen Ersparnissen leben kannst und dir nie einen Job gesucht hast.«

»Mira, das ist nicht dein Problem. Vergiss nicht, dass ich dir jeden Monatsanfang die Miete vorstrecke.«

»Das ist auch sehr nett von dir. Du bekommst die Miete aber auch an jedem Monatsende sofort wieder zurück, wenn ich mein Gehalt erhalte. Ich bekomme nun einmal erst Ende des Monats mein Gehalt ausgezahlt.«

»Aber ich habe nicht gezögert dir die Miete vorzustrecken, sondern habe sofort angeboten, dass du sie mir am Monatsende geben kannst.«

»Du wusstest aber auch, dass ich jeden Monat mein Gehalt erhalten werde und du das Geld auf jeden Fall auch zurückbekommst. Bei dir weiß ich nicht, wann du wieder Geld haben wirst und mir dann das Geliehene zurückgeben kannst.«

»Nun sei doch nicht gleich wieder so aufgebracht.«

»Mich nerven diese Diskussionen nun einmal«, sagte ich leicht erregt.

»Was meinst du, was mich alles an dir nervt?«

»Nun geht das schon wieder los?«, fragte ich impulsiv.

»Ich habe dich einfach gefragt, ob du mir Geld leihen kannst, weil ich der Meinung bin, dass ich dich auch finanziell unterstützt habe und du auch mal etwas für mich tun könntest.«

Ich war jetzt richtig aufgebracht und lief in der Küche auf und ab.

»Ich spare für neue Autoreifen, die ich benötige, wenn ich wieder zurück nach Deutschland fahre.«

»Das hättest du ja auch schon in Deutschland tun können.«

»Hier sind die Reifen aber günstiger«, klärte ich ihn erregt auf.

»Jetzt renne doch nicht wie so eine Verrückte hin und her. Kannst du nicht einmal vernünftig mit jemandem diskutieren, ohne gleich über zu reagieren?«

»Ich reagiere also über?« Meine Stimme überschlug sich fast. Ich war so aufgebracht.

»Natürlich tust du das und du übertreibst immer maßlos.«

»Findest du wirklich?« Ich spürte wie meine Wangen erröteten.

»Ja, das tue ich. Sonst würde ich es nicht sagen. Denk einfach mal darüber nach.«

»Kannst du es mir denn nicht etwas genauer erklären? Ich finde nämlich nicht, dass ich immer maßlos übertreibe.«

»Lass uns jetzt nicht mehr darüber reden, das bringt doch nichts.«

Ich setzte mich wieder an den Tisch.

»Ach, jetzt willst du also nicht mehr darüber sprechen.«

»Es bringt doch aber nichts.«

»Du wirfst mir etwas vor und ich …«

»Lass es gut sein Mira. Leihst du mir nun Geld oder nicht?«

»Nein, ich werde dir kein Geld leihen.« Ich blickte ihn wütend an.

»Gut, dann hast du mir ja endlich eine Antwort gegeben. Das werde ich mir merken.«

Mika holte die Pommes aus dem Ofen.

»Krass! Das hätte ich echt nicht von dir gedacht«, fügte er hinzu.

»Tja, so kann man sich irren«, sagte ich trotzig.

»Ja, ich habe mich wirklich in dir getäuscht. Am Anfang warst du noch nett und freundlich. Mittlerweile zeigst du mir aber dein wahres Gesicht und bist launisch, unfreundlich und eiskalt.«

»Eiskalt?«, ich lachte beißend.

»Oh ja, unter dem Deckmantel der hübschen Blondine bist du eiskalt.«

Ich sah ihn funkelnd an, denn ich hasste es, wenn er mit solchen Bemerkungen daherkam.

»Ich will mir nicht alles gefallen lassen«, prustete ich los.

»Typisch.«

»So ein Unsinn«, schimpfte ich.

»Überhaupt nicht«, schien er sich weiter zu amüsieren.

»Du hast doch immer ein weiteres »aber« parat und dagegen komme ich doch sowieso nicht an«, meinte ich angespannt und leicht grantig.

»Oh, schon wieder so launisch und verstimmt? Merkst du eigentlich wie ausgeprägt deine Stimmungsschwankungen sind?«

»Was? Auf jeden Fall liegen meine Stimmungsschwankungen nicht nur an mir alleine.«

»Das sagst du immer wieder«, prustete er raus.

»Weil es so ist«, beteuerte ich.

»Nein, ist es nicht. Es liegt immer nur an dir Mira und du kannst nicht immer andere dafür verantwortlich machen, oder willst du etwa behaupten, dass ich dich dazu bringe launisch, genervt, gestresst und eiskalt zu sein?«

»Manchmal.«

»Krass! Du selbst bist verantwortlich dafür«, konterte Mika.

»Natürlich ist jeder Mensch selbst für sein Handeln und Verhalten verantwortlich, aber …«

»Und ich dachte schon, es sei der liebe Gott«, unterbrach er mich sarkastisch scherzend.

»Nein, jeder ist selbst für sich verantwortlich. Ich habe nie behauptet, dass ich perfekt bin. Das ist wohl niemand. Auch du bist das nicht!«

»Mira, es reicht jetzt wirklich«, schimpfte er los und knallte den Löffel, mit dem er die Pommes verteilt hatte auf das Blech.

»Ich will nichts mehr von dir hören.«

Mika erhob sich und verließ die Küche. Ich blieb alleine zurück und hörte, wie er sich eine Zigarette anzündete. Oh ja, er musste sich erst wieder beruhigen, denn schließlich hatte ich ihn wieder einmal so wütend gemacht.

Ich kaute an meinen lauwarmen Pommes herum und als Mika schließlich wieder in die Küche zurückkam, aß auch er schweigend. Als wir fertig waren, räumte ich mein Geschirr ab und ging in mein Zimmer. Er blieb noch in der Küche sitzen und ließ das dreckige Geschirr in der Spüle stehen. Heute Abend hatte er wirklich keine Lust mehr auch noch Geschirr zu spülen. Er ging in sein Zimmer und suchte sich einen Film aus, den er allein in seinem Bett ansehen wollte.

Ich saß auf meinem Bett und dachte nach. Was war nur seit Beginn unseres gemeinsamen Einzuges geschehen?

Am Anfang werkelten wir immer gemeinsam voller Elan an diesem Haus herum. Da die Toilette verstopft war, versuchten wir tagelang die Verstopfung zu lösen, bis endlich ein Wischlappen durch das Rohr nach draußen in die Grube, die hier pozo negro genannt wird, gespült wurde. Wir hatten auch keine Toilettenspülung und ließen deshalb immer Wasser in einen roten Eimer laufen und kippten das Wasser zum Wegspülen in die Toilette. Es gab auch kein warmes Wasser, nur einen Boiler, der allerdings lange brauchte, bis er das Wasser aufgewärmt hatte und so kauften wir eine Zeitschaltuhr, die wir abends immer einstellten, damit sie morgens ansprang und wir heißes Wasser bekamen. Wir kauften fehlende Sachen ein und Erde für das Gemüsebeet. Tagelang arbeiteten wir zusammen im Garten, rissen Gras und Gestrüpp aus, schleppten Steine auf einen Haufen, gruben die Erde um, säten die Samen aus, begossen alles und warteten gespannt darauf, dass etwas wachsen würde. Wir verstanden uns so gut. Wir träumten von einem Swimmingpool und einer Dachterrasse mit Liegestühlen darauf. Den Swimmingpool schafften wir niemals fertig zu bauen.

Als ich anfing zu arbeiten, blieb er alleine zu Hause zurück. Auf einmal stand weniger Zeit für gemeinsame Arbeiten zur Verfügung und es gab ja sowieso weniger zu tun. Während ich arbeitete, war er zu Hause, goss die Pflanzen, machte sauber und kochte. Wir unternahmen auch weiterhin gemeinsam etwas, aber ab und zu rief auch meine Chefin an und brauchte mich im Laden, so dass ich kurzfristig wieder zur Arbeit fahren musste.

Ich gab zu, dass ich nun auch öfter etwas genervt war und wenn er dann noch einen blöden Kommentar über mich abgab, wurde meine Laune nicht besser. Irgendwann in dieser Zeit begann Mika sich Alkohol zu kaufen und viel zu trinken. Ihm ging es damit scheinbar gut, doch für mich war es meistens nicht einfach mit seinem Verhalten und was er zu mir sagte umzugehen. Vielleicht hatte ich ihn wirklich zum Alkohol trinken gebracht?

Nun trank er gerade keinen Alkohol mehr und trotzdem hatten wir immer wieder diese Streitgespräche. Ich dachte, dass mit dem Wegfall des Alkohols das Problem beseitigt war, aber dem war ja gar nicht so. Vielleicht war ich ja doch das Problem?

Nein, das konnte nicht sein, da er vor unserer Begegnung schon Alkohol getrunken hatte.

Vielleicht war der Alkohol gar nicht Mika’s Problem, sondern es gab ein ganz anderes Problem. Konnte der Alkohol überhaupt das Problem sein? Oder hatte ein Mensch ein Problem mit sich selbst und trank deshalb Alkohol?

Er war der Meinung, ich solle mich um mich selbst kümmern und an meinen eigenen Problemen arbeiten. Was ich auch versuchte. Ich kannte meine Schwachstellen und Probleme zum größten Teil und versuchte daran zu arbeiten.

Außerdem hatte ich gelesen, dass Stimmungsschwankungen unter anderem auch durch einen Progesteronmangel hervorgerufen wurden, weswegen ich einen Hormontest gemacht hatte. Es stimmte wirklich und nun nahm ich natürliches Progesteron und fand, dass ich schon viel ausgeglichener war. Ich mochte es jedoch nicht, wenn man mich ständig provozierte. Da konnte man doch gar nicht lange ruhig bei bleiben, oder?

Jetzt hatte ich aber keine Lust mehr weiter darüber nachzudenken. Ich ging ins Bad und anschließend schlafen.

Wow! Wie spät? Wo ist mein Handy? Was? Schon 13:30 Uhr. Habe lange geschlafen. Muss jetzt unbedingt pinkeln. Und dann einen Kaffee trinken. Ich brauche einen Kaffee. Besser zwei. Bin immer noch etwas müde. Heute ist Samstag. Also, nur keinen Stress. Niemand will etwas von mir. Habe den ganzen Tag für mich. Herrlich. Schlafen, chillen, abhängen. Super! Ich liebe Wochenenden. Puh, bin ich noch müde. Werde mich noch einmal kurz hinlegen. Kaffee kann warten. Ist so schön auf dem Sofa. Gähn.

Huch, bin doch glatt wieder eingeschlafen. Jetzt aber einen Kaffee. Und endlich eine Zigarette. Wie jetzt? Schon 16:00 Uhr. Da brauche ich jetzt auch keine Waschmaschine mehr anzumachen. Viel zu stressig. Mache ich morgen. Rasieren auch. Geliebte Gleichgültigkeit. Rasieren kann ich ja mit duschen verbinden. Ja, der Sonntag ist zum Wäsche waschen und duschen da. Frisch für den Montag. So, jetzt erst einmal hinsetzen. Rauchen und Kaffee trinken. Fernsehen anmachen. Was? Eine Talkshow am Samstagnachmittag? Was soll das denn? So eine Verblödung. Wie kann man nur so etwas sehen? Zum Lachen vielleicht. Schnell umschalten. Werbung. Noch mal Werbung. Besser Fernseher ausmachen. Handy klingelt. Oh nein, der Chef.

»Hallo?«

»Hallo Timo.«

»Ist alles in Ordnung?«

»Ich brauche deine Hilfe.«

»Worum geht es denn?«

»Gestern Abend kam eine Mail von Jonathan. Du erinnerst dich?«

»Nein.«

»Egal, der braucht auf jeden Fall ein Plakat bis Montag und er will auch Postkarten dazu haben. Ich schaffe das nicht mehr. Bin zwar im Büro, aber habe noch andere Dinge zu erledigen. Bitte erledige du das und schicke mir dann alles zu. Ich schaue es mir dann an und sende es an Jonathan.«

»Heute noch?«

»Ja heute noch. Das schaffst du in zwei Stunden. Ich erwarte eine gute Arbeit von dir, wo ich nichts mehr ändern lassen muss.«

Na toll, er erwartet eine gute Arbeit. Und das am Samstagnachmittag.

»Geht klar Chef.«

»Das wusste ich. Du hast wenigstens Zeit dafür. Und du kannst es schnell erledigen.«

»Ja, mache ich.«

»Danke, dann bis Montag.«

»Bis Montag.«

Super! Jetzt kann ich mich daran machen. Habe ich Lust dazu? Nein! Habe ich Zeit? Ja, aber doch nicht um zu arbeiten. Dann muss ich gleich anfangen. Laptop her und los. Prima, von wegen schnell erledigt. Das ist nicht so einfach. Nicht in zwei Stunden zu schaffen. Brauche noch weitere Infos. Muss erst noch einiges recherchieren. Dafür brauche ich ein Bierchen. Wie? Keines mehr im Kühlschrank? Oh nein. Muss noch welches kaufen. Erst arbeiten, oder erst Bier kaufen gehen? Chef wartet. Okay, okay, schnell den Auftrag fertig machen und dann ein Bierchen. Als Belohnung. Also, los.

Man, bin ich gut. Alles fertig und abgeschickt. Hat fast drei Stunden gedauert. Jetzt nichts wie zum Supermarkt. Jeans? Nein, ist doch Wochenende. Laufen doch alle bequem herum. Geht ja auch ganz schnell. Geld? Oh, fast nichts mehr drin. Na ja, reicht gerade noch. Schlüssel und los.

Wenigstens nicht voll jetzt. Keine Warteschlangen vor den Kassen. Sehr schön. So, Bierchen bezahlt und ab nach Hause.

Ah, wie gut doch ein kühles Bierchen am Abend tut. Konnte ja nicht wissen, dass ich noch arbeiten muss. Zu Hause ist es doch am Schönsten. Habe mein bequemes Sofa, ein Bierchen in der Hand, Tabak und niemanden, der etwas von mir will.

Schon wieder das Handy. Was ist denn heute los? Zum Glück nicht der Chef.

»Hey Alex. Was gibt es?«

»Hey Timo. Wir treffen uns nachher noch im Pub. Kommst du auch?«

»Nein.«

»Warum denn nicht?«

»Vorhin hat der Chef angerufen. Muss noch etwas erledigen.«

»Am Samstag ruft dich dein Chef an? Dann muss er ja viel von dir halten, oder er nutzt dich aus.«

»Nein, ich mache einen guten Job.«

»Freut mich für dich, dass es im neuen Job gut für dich läuft. Doch lasse dich nicht ausnutzen. Das Wochenende ist zum Ausruhen und Feiern da.«

»Wem sagst du das?«

»Also, kommst du noch vorbei?«

»Nein, heute nicht.«

»Na gut, dann ein anderes Mal. Schönen Abend noch Timo.«

»Ja, dir auch Alex.«

Gut abgelenkt. Hätte echt keinen Bock mehr auf Pub gehabt. Bleib lieber daheim und koche noch etwas Leckeres. Mal sehen. Okay, Nudeln und Tomatensoße. Warum denn nicht? Die sind schnell gemacht und es gibt auch noch ein Bierchen. Wunderbar! Wasser kocht. Nudeln rein. Soße warm machen. Eine Zigarette drehen und schon sind die Nudeln fertig. Ab ins Wohnzimmer und essen. Bierchen vergessen. Okay, jetzt habe ich alles. Abschalten. Was läuft im Fernsehen. Oh, super ein Thriller. Endlich mal was Spannendes. Ja, der gefällt mir. Leider wieder mit Werbepausen, aber gut. Ich glaube den Lügen eh nicht. Zeit zum Pinkeln nutzen. Es geht weiter. Lief lange der Film. Ist jetzt schon 2:00 Uhr nachts. Werde gleich hier schlafen. Ist so gemütlich und warm hier. Ich liebe mein Sofa.

Handy? Wieso klingelt mein Handy mitten in der Nacht?

»Ja«

»Schläfst du etwa noch Timo?«

»Wieso?«

»Es ist 11:00 Uhr vormittags.«

»Echt? Was ist denn los Chef?«

»Du musst dir noch einmal das Plakat ansehen. Dort hast du ein falsches Datum eingesetzt. Das Konzert findet am 16.09. und nicht am 19.06. statt. Überarbeite das bitte noch einmal. Dann schicke es an mich zurück. Am besten machst du dich sofort an die Arbeit.«

»Okay, mache ich.«

»Ja, aber bitte jetzt.«

»Ja, sofort.«

»Gut, danke.«

»Bis morgen.«

Scheiße! Fängt ja gut an der Sonntag. Mist, jetzt darf ich das noch einmal überarbeiten. Erst mal einen Kaffee. So viel Zeit muss sein. Puh, ist das alles nervig. Kaffee? So, Kaffee läuft durch. Notebook hochfahren. Kaffee holen. Zigarette fertig drehen. Kann also losgehen. Internet ist schon klasse. Nimmt viel Arbeit ab. Oh, schon wieder neue Mails. Können bis Montag warten. So, Datum geändert. Abgeschickt. Dieses Mal aber alles perfekt erledigt. Kann keine Klage mehr kommen. Jetzt erst einmal kurz die Augen zumachen. Ist ja schließlich Sonntag.

Was? Schon 15:00 Uhr? Was wollte ich noch machen? Nachdenken. Da war doch noch was. Muss durch die Wohnung laufen. Fällt mir dann wieder ein. Ah, die Wäsche. Na klar, das war es. Gut, dann schnell die Waschmaschine anmachen und duschen gehen. Sonst gibt es morgen Klagen. Dumme Kommentare brauche ich nicht.

Wieso liegen die Klamotten denn überall herum? Ich brauche einen Wäschekorb. Dann muss ich nichts suchen. So, alles zusammen? Ja, ich denke schon. Bei 40° Grad kann ich alles zusammen waschen. Waschmittel? Na toll, die Flasche ist leer. Was soll das denn? Ach ja, ich wollte etwas kaufen. Vergessen. Nun ja, dann Wasser in die Flasche füllen. Geht doch. Reicht doch wunderbar. Und schäumt schön aus der Flasche. Waschmaschine an. Noch etwas mehr Wasser in die Flasche. Das reicht an Waschmittel.

So, jetzt zu mir. Einen Blick in den Spiegel. Ja, der Bart könnte ab. Was? Der Rasierschaum ist auch fast leer. Meine Güte, dabei benutze ich den kaum. Für ein paar Male reicht es aber noch. Die Rasierklinge ist ein wenig stumpf. Geht aber noch. Muss halt neue kaufen. Wie denn nur? Mir fehlt das Geld überall. Mehr arbeiten? Überstunden machen? Bekomme ich doch gar nicht bezahlt. Nur Jan. War ja klar. Das sind die kleinen Unterschiede. Ich habe nicht studiert. Damals suchten sie sofort Leute. Jetzt wollen sie nur Leute, die studiert haben. Titel vorweisen können. Als wenn das immer einen Unterschied ausmacht. Die wissen mehr. Sind klüger. Sicher? Ist das wirklich immer so? Manchmal gewiss. Aber immer? Bei jedem? Niemals! Verdienen natürlich mehr. Egal, kann eh nichts dran ändern. Aua, jetzt auch noch geschnitten. Das kommt, wenn man sich rasiert. Na gut, wenn man sich mit stumpfer Klinge rasiert. Blutet nicht stark. Wird morgen nicht mehr zu sehen sein.

Und jetzt die Dusche an. Oh ja, schönes warmes Wasser. Mmh, das tut gut. Was für ein Duft. Moschus. Ich liebe dieses Duschgel. Dieser Duft. Lecker. Betörend. So, fertig. Wo ist ein Handtuch? Habe ich vergessen. Warum hängt hier keines? Da muss immer ein Handtuch hängen. Jetzt muss ich nass ins Schlafzimmer huschen. Toll, wird alles nass hier. Schrank auf. Handtuch gefunden. Schnell einwickeln und zurück ins Bad.

Na sieh mal einer an. Was für ein schicker Mann. Vielleicht weil der Spiegel noch beschlagen ist? So ein Unsinn. Sieht doch jeder, dass der Typ gut aussieht. Na ja, bis auf den Bauch vielleicht. Doch man sieht sich ja ins Gesicht. Außerdem zählt der Charakter. Jawohl! Der Charakter ist wichtig. Das Entscheidende. Der Bauch ist doch egal. Ist er das wirklich?

Die Werbung sagt etwas ganz anderes. Die Werbung. Sehe doch gemütlich aus mit dem Bauch. Richtig kuschelig. Egal. Nicht mehr drüber nachdenken.

Jetzt aber erst einmal zurück auf das Sofa. Ausruhen. Eine Rauchen. Wäsche aufhängen. Noch ein Bierchen zum Abschluss dieses Tages und schlafen. So schnell ist das Wochenende vorbei.

Vielleicht noch ein Filmchen ansehen? Mal schauen, was heute Abend noch gezeigt wird. Oh, eine Liebeskomödie mit Jennifer Aniston und Sandra Bullock. Die mag ich beide. Sehr süße und hübsche Frauen. Den schaue ich mir an. Prost!

SeelenTattoo

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