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Zweiter Dezember

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Am ersten Dezember hatte sich keine Gelegenheit geboten, den Eltern die Sache mit Hans Engel zu beichten. Es war einer jener mühsamen Tage gewesen, an denen die Erwachsenen überhaupt nicht zuhörten. Mama und Papa schienen die Köpfe voller Schnee zu haben. Obwohl die Strassen geräumt worden waren, dachte Mama unentwegt an all die Katastrophen, die Autofahrern auf dem Weg zur Arbeit zustoßen konnten. Was für ein Glück, dass sie mittwochs frei hatte. Auch Papa redete vom Schnee. Er und die anderen Arbeiter hatten den Baukran vom Eis befreien müssen. Sie hatten später mit ihrer Arbeit beginnen können, sodass Papa abends Überstunden machen musste. Er kam spät, und er war „hundemüde“, wie er sagte.

Und inzwischen war es still und leise Mittwoch geworden, und Hans Engel saß noch immer unentdeckt in Philipps Zimmer. Vielleicht war er schon verhungert oder vor Langeweile umgekommen. Maria zog die Handschuhe aus, steckte sie in die Jackentasche und zog sich an den Ohren. Nun begann sie schon selbst, sich Katastrophen auszudenken. Vielleicht wurde sie darin noch eines Tages so gut werden wie Mama. Aber wer wusste schon zu sagen, ob sich Hans Engel nicht so schrecklich gelangweilt hatte, dass er mit Philipps Schwungradauto gespielt hatte. Natürlich hätte Mama den Lärm gehört, und natürlich hätte sie sofort die Polizei alarmiert. Maria ging schneller, wurde aber gleich wieder langsamer. „Hätte ich es bloß gleich gesagt“, jammerte sie vor sich hin.

Als sie leise die Wohnungstür öffnete, hörte sie, wie zwei Leute sich in der Küche unterhielten. Die eine Stimme gehörte unverwechselbar Hans Engel. „Die ganz düsteren, traurig dunkelbraunen Adventskalender sind die schönsten“, sagte er gerade, und Mama warf fröhlich ein:

„Aber ein bisschen Glimmer muss schon drauf sein!“

„Natürlich“, bestätigte Hans Engel eifrig, „ohne Glimmer ist ein Adventskalender gar nichts wert.“

„Übrigens“, sagte Mama und lachte, „ihre rechte Augenbraue glitzert.“

Und als Maria zögernd in die Küche trat, sagte Mama nichts weiter als:

„Stell dir vor, Maria, der junge Mann hier mag Weihnachten genauso gerne wie ich. Es kann ihm gar nicht kitschig und glimmerig genug sein.“

„Es wird das Beste sein, wenn ich einfach aufhöre zu denken“, beschloss Maria. Und so wunderte sie sich ganz und gar nicht, als der Gast im rosa-grau geringelten Pullover plötzlich vom Küchenhocker aufstand, Mama umständlich die Hand reichte und sagte: „Übrigens, ich bin Engel, Hans Engel!“

Schon lange hatte Maria Mama nicht mehr so fröhlich lachen hören. „Wie ein Engel sehen sie aber nicht gerade aus“, sagte sie noch, und dann geschah das Unfassbare: sie bot Hans Engel Philipps Zimmer als Gästezimmer an – für ein paar Tage. Maria setzte sich eilends hin. Sie fühlte sich, als habe ein Riese sie kräftig durchgeschüttelt. In Wirklichkeit gibt es ja wohl keine Engel, oder?

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Faustdick hinter den Flügeln

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