Читать книгу Ich bin dann mal online - Claudia Heinze - Страница 4

Kapitel Zwei

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Als mich am nächsten Morgen um acht Uhr mein Wecker aus meinen tiefen Träumen riss, war tatsächlich mein erster Gedanke, ob ich vielleicht schon eine Kontaktanfrage hatte. Obwohl, das war mein zweiter Gedanke, mein erster Gedanke war, warum ich mir an einem freien Samstagmorgen den Wecker auf acht Uhr stellte, um mit meinem Kumpel Thomas laufen zu gehen. Schlafen wäre doch auch eine super Idee. Aber Disziplin gehörte dazu, daher schwang ich meinen müden Körper aus dem Bett und wankte verschlafen in die Küche, um als erstes meine Kaffee-Maschine in Gang zu bringen. Ohne ein vernünftiges Frühstück bekam mich keiner auf die Laufstrecke. Der übliche Weg wäre jetzt gewesen, mich schon mal in meine Laufklamotten zu werfen, um die Zeitung von unten raufzuholen. Obwohl ich ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn hatte, konnte ich mich bisher noch nicht dazu durchringen, im Bademantel durch das Treppenhaus zu huschen um die Zeitung zu holen. Das wäre ja das Schicksal heraufbeschwören, denn bestimmt zog dann in diesem Moment ein ganz toller Typ in mein Haus, der mich aufgrund meines plüschigen Bademantels und der fürchterlichen Hausschuhe keines weiteren Blickes würdigen würde. Doch an diesem Morgen durchbrach ich meinen üblichen Trott, denn auf dem Küchentisch lag noch mein Laptop vom Vorabend. Vielleicht warteten in meinem Mailkasten ja bereits hunderte von spannenden E-Mails, die mir die Willkommens-Mail von DerPerfektePartner.de versprochen hatte. Aufgeregt fuhr ich den Rechner hoch. Vielleicht war mein Profil ja noch gar nicht vollständig geprüft und konnte daher von den vielen, willigen Männern noch gar nicht eingesehen werden. Oh Mann, heute ließ sich mein Rechner aber besonders viel Zeit. Endlich konnte ich Outlook öffnen und klickte nervös auf senden/empfangen. 5 neue Nachrichten wurden heruntergeladen, das klang schon mal viel versprechend. Die erste war von Amazon und die zweite von Eventim. Ich sollte diese ganzen Newsletter lieber mal löschen, die enttäuschten doch zu sehr. Die dritte Mail war immer noch nicht heruntergeladen. Wahrscheinlich von meinem besten Freund Markus, der mir gerne witzige Mails mit elendig großen Datei-Anhängen schickte. Doch nein, die Mail betraf das Ergebnis meiner Persönlichkeitsanlayse, da war ich ja mal gespannt, was dabei herausgekommen war. Und die nächsten Mails waren genau das, worauf ich gewartet hatte: Sie haben Post bzw. Arzt, 43 Jahre, wartet darauf, Sie kennen zu lernen.

Ich gebe zu, ich war doch etwas nervös. Da waren sie jetzt, meine ersten Kontakt-Anfragen. Was wäre, wenn dort jetzt schon der richtige Mann dabei war? „Jetzt komm mal wieder runter.“, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Ich benahm mich ja wie ein Teenager, der das erste Mal einen „ Willst du mit mir gehen“ – Zettel bekam. Obwohl mich in meiner Küche ja keiner sehen konnte, entfernte ich mich ganz cool von meinem Notebook, goss mir eine Tasse Kaffee ein, steckte zwei Scheiben Toast in meinen Toaster und deckte meinen Frühstückstisch. Immerhin war ja ein ganz normaler Samstagmorgen, da ließ ich mich doch von ein paar Kontaktanfragen nicht aus der Ruhe bringen.

Nachdem ich meine erste Scheibe Toast vertilgt hatte, konnte ich es dann aber doch nicht aushalten und öffnete erst mal die E-Mail von DerPerfektePartner.de.

„Sehr geehrte Frau Schneider. Unser Team hat Ihre Angaben geprüft und freigeschaltet. Lesen und beantworten Sie nun Ihre Partneranfragen und seien Sie selbst aktiv. Der perfekte Partner ist vielleicht nur noch wenige Klicks entfernt. Ferner haben wir Ihnen Ihre Persönlichkeitsanalyse beigefügt und wünschen Ihnen viel Spaß dabei, sich selbst noch besser kennen zu lernen. Für Fragen und Anregungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Ihr Team von DerPerfektePartner.de.

Gut, man hatte mich in den Kreis aufgenommen, somit war ich also von den Psychologen nicht aussortiert worden. Um die Persönlichkeitsanalyse würde ich mich später kümmern, dazu war keine Zeit mehr. Jetzt wollte ich noch schnell einen Blick auf die Männer werfen. Ich klickte auf die Mail „Sie haben Post.“: „Sehr geehrtes Mitglied. Frank, 50 Jahre, interessiert sich für Sie. Schauen Sie gleich nach, was er Ihnen geschrieben hat.“ Wie bitte? 50 Jahre?? Wieso dachte ein Mann mit 50, dass eine Frau mit 37 Interesse an ihm haben könnte? Aber ich wollte ja ohne Vorurteile an die Sache rangehen, also erst mal das Foto anschauen. Ich meldete mich daher auf der Homepage an und begutachtete das Profil von Frank. Der Mann auf dem Foto sah gar nicht so schlecht aus, aber er war 50. Ich hatte mich bisher noch nicht mal daran gewöhnt, dass ich selbst ja nun auch schon auf die Vierzig zuging, daher tat ich mich sogar mit Männern über Vierzig schwer. An der Seite eines Mannes durchs Leben zu gehen, der die 50 bereits erreicht hatte, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wie schon erwähnt, hatte ich das Thema Kinder noch nicht gänzlich für mich abgehakt, aber mit einem Mann der bereits zwei Kinder hatte, die zudem sicher schon fast erwachsen waren, würde sich dieser Traum nur schwer verwirklichen lassen. Ich würde mir nach dem Laufen also eine charmante Absage einfallen lassen. Schnell schaute ich mir noch den anderen Kandidaten an. Dabei stellte ich fest, dass diese Mail mir nur kundtat, dass sich der Arzt, 43 Jahre, lediglich mein Profil angeschaut hatte. Aha, ich war dem feinen Herrn wohl nicht gut genug. Wie sagte eine Freundin von mir immer so schön: „Wer uns nicht will, der kriegt uns nicht.“ Ich würde mir später das Profil noch mal anschauen und dann auch mit Nichtbeachtung bestrafen. Doch nun wurde es Zeit, ins Laufoutfit zu springen, damit ich nicht zu spät zum Treffpunkt kam. Ein Blick aufs Thermometer verkündete mir ganze 2 Grad Celsius. Gott sei Dank kein Frost. Letzte Woche waren wir noch bei Minusgraden gelaufen. Aber Anfang Dezember waren das natürlich normale Laufbedingungen. Und ich liebte diese Temperaturen zum Laufen. Ich war eher im Sommer schwerer zum Laufen zu bewegen. Da war es ja um halb zehn schon fast zu spät, um loszulaufen, da es dann nach einer Stunde schon wieder mächtig warm wurde. Außerdem verlief unsere Laufstrecke an einem Biergarten vorbei, in dem sich die weniger verrückte Menschheit zum Frühstücken traf, während wir schwitzend unsere Runden liefen. Das war für meine Motivation einfach nicht gut. Daher lief ich super gern im Winter. Man verpasste draußen nicht wirklich etwas und anschließend war ich immer mächtig stolz auf mich, dass ich mich aufgerafft hatte.

So ging es mir auch an diesem Tag. Obwohl ich auf dem Weg zum Treffpunkt immer noch mit der Müdigkeit zu kämpfen hatte, die Heizung hatte ich im Auto auf kuschelige 23 Grad gestellt, war diese wie weggeblasen, als mir die kalte Luft um die Nase wehte. Gott sei Dank war Thomas schon da, so dass wir sofort loslegen konnten. Nach unserem üblichen Gejammer über die Uhrzeit, die Kälte, die Müdigkeit etc. auf den ersten Metern, kamen wir schnell in unseren üblichen Trott. Aufgrund der Kälte waren heute nur wenige Läufer im Bürgerpark unterwegs. Sogar die mittlerweile obligatorischen Nordic-Walking Truppen hatten sich bei diesen Temperaturen noch nicht rausgetraut. Welch ein Segen. So ganz ernst nehmen konnten wir diesen Sport-Trend noch nicht. Meist waren wir eher genervt, wenn vier bis fünf schnatternde Damen nebeneinander den ganzen Weg blockierten und wir uns vorsichtig daran vorbeischlängeln mussten, ohne von den Walking-Stöcken aufgespießt zu werden. Ferner hatte das Ausbleiben dieser wandelnden Geräuschkulisse und die frühe Morgenstunde einen weiteren Vorteil: rechts von uns hatten zwei Rehe kurze Rast für ein Frühstück gemacht. Auch wenn uns schon häufiger die freilaufenden Rehe über den Weg gelaufen waren, war ich doch immer wieder total fasziniert davon, wenn so ein Bambi nur ein paar Meter neben mir entfernt stand und mich anschaute. Unweigerlich musste ich stehenbleiben und die Tiere bewundern. Thomas behauptete gerne, dass ich die Rehe nur als willkommene Ausrede für ein Päuschen nutzte, aber ich freute mich ernsthaft beim Anblick der Tiere. Wenn mir unsere Laufrunden zu langweilig wurden, konnte ich Thomas dazu überreden, durch den parkeigenen kleinen Zoo zu laufen, damit ich wieder neue Energie gewinnen konnte. Am schönsten war es, wenn die Wildschweine frische Junge hatten und die Kleinen sich fröhlich im Dreck suhlten. Thomas musste mich förmlich vom Gehege wegzerren, da ich wie ein kleines Kind am Gitter hing und gar nicht wieder weg wollte. Ach, unser Bürgerpark war schon herrlich. Auch wenn ich schon viele Jahre durch den Park joggte, entdeckte ich doch immer wieder neue Wege. So glaubte ich zumindest, vielleicht lag es aber auch nur an meinem mangelnden Orientierungssinn.

Erschöpft aber zufrieden sprang ich nach unserer ausgiebigen Laufrunde unter die Dusche und schlüpfte anschließend in bequeme Klamotten. Vorher hatte ich natürlich schon mein Notebook angeworfen, damit ich gleich wieder ins Netz konnte, wenn ich fertig war. Erst der zweite Tage im Online-Dating und schon konnte ich eine kleine Suchtgefahr erkennen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich nicht meine Mails prüfte und im Internet nach passablen Männern forschte. Wie sollte sich das bloß entwickeln? Na ja, wahrscheinlich reagierte ich nur so, weil es so neu für mich war. Wie ein neues Spielzeug, das man zu Beginn auch nicht aus den Händen geben wollte.

Nachdem ich meine Haare geföhnt hatte, war ich bereit für eine neue Sitzung vor dem Bildschirm. Um es mir gemütlich zu machen, kochte ich mir eine Kanne Tee und bereitete mir mein zweites Frühstück zu, das ich dann genüsslich bei meiner Männersuche zu mir nehmen wollte. Dies war einer der schlechten Nebeneffekte des Laufens. Ich hatte ständig das Gefühl, dass ich mich für meine Quälerei mit Essen belohnen müsste. Auch Tage später redete ich mir noch ein, dass eine Tüte Chips nicht weiter schlimm war, denn immerhin war ich ja vor drei Tagen laufen gewesen und würde es vielleicht am nächsten Tag auch wieder tun. Der Effekt, vom Laufen abnehmen zu können, blieb mir somit leider verwehrt. Aber zumindest konnte ich meiner Leidenschaft des Essens frönen, ohne wesentlich an Gewicht zuzulegen, das war ja auch schon was.

Ich war nun vorbereitet für eine längere Sitzung an meinem Küchentisch und nahm mir vor, mir als Erstes die Persönlichkeitsanalyse vorzunehmen. Ich wollte ja wissen, was ich so für ein Typ war. Ich öffnete also die PDF-Datei und wurde fast erschlagen von der Seitenflut, die über mich hereinstürzte. Auf über 50 Seiten wurde ich im Allgemeinen zu den Bereichen Persönlichkeit, Erwartungen, Verhalten und Interessen informiert, sowie im Besonderen wie ich in den jeweiligen Bereichen entwickelt war. Wollte ich das wirklich genau wissen? Ich war doch etwas erschlagen von den geballten Informationen, die auf meinem Bildschirm erschienen. Zusammenfassend wurde ich wie folgt beschrieben: Ich neigte dazu eher auf Distanz zu gehen und Nähe zu einem Partner nicht zuzulassen. Das klang ja nicht so toll. Positiv daran war jedoch, dass ich dadurch sehr selbstständig war. Komisch war jedoch, dass mein Ex-Freund sich eher darüber beschwert hat, dass ich zuviel Nähe wollte. Hatte ich mich nach der Trennung etwa zu einem distanzierten Menschen entwickelt? Und veranlasste mich die Analyse eines Online-Datings-Portals, die sich auf die Beantwortung weniger Fragen stützte, wirklich dazu, darüber nachzudenken? Beim Weiterlesen musste ich dann plötzlich laut loslachen. Mir wurde bescheinigt, dass ich im Bereich Kommunikation eher ein ruhiger Vertreter war und nur schwer aktiv auf andere Menschen zugehen kann. Na, da hatte man sich aber mächtig über mich getäuscht. Wenn ich mich nicht gänzlich falsch einschätzte, dann war genau das, offen auf fremde Menschen zuzugehen, nicht mein Problem. Oh Mann, wenn jetzt diese Analyse dazu führte, dass man mir die Männer vorschlug, die zu einer eher introvertierten Frau passten, dann konnte das hier ja nur schief gehen.

Ich entschied also, dass ich gar nicht so genau alles über mich wissen wollte und beschloss, die PDF-Datei zu schließen und mich nicht mit der bloßen Theorie sondern mit der Praxis zu beschäftigen.

Und als erstes musste ich ja nun lernen eine Absage zu erteilen. Ich öffnete also nochmals Franks Anfrage: „Liebe Unbekannte. Dein Profil hat mir sehr gefallen. Ich würde mich freuen, dich näher kennen zu lernen und mehr von dir zu erfahren. Liebe Grüße, Frank.“ O.k., das klang sehr nach Standard-Anfrage. Wer weiß, wie viele Anfragen er pauschal an diesem Tag schon verschickt hatte. Aber ich wollte fair sein und wenigstens eine Absage schicken. Ein Bekannter von mir, der schon Erfahrungen im Online-Dating gesammelt hatte, wofür ich ihn natürlich bisher tüchtig ausgelacht habe, erwähnte mal, dass er es unhöflich fand, wenn er so gar keine Antwort bekam. Den Rat wollte ich mir zu Herzen nehmen und nicht als unhöfliche Frau im Internet verschrien sein. Daher gab ich mir besonders viel Mühe bei meiner allerersten Absage: „Lieber Frank. Vielen Dank für deine Anfrage, über die ich mich sehr gefreut habe, denn du warst immerhin der erste, der mich im Online-Dschungel aufgespürt hat. Ich will zwar nicht als oberflächlich dastehen, aber ich glaube, dass wir alterstechnisch nicht so gut zusammenpassen. Ich wünsche dir daher ganz viel Erfolg bei deiner weiteren Suche. Viele Grüße, Alex.“ Damit war ich zufrieden. So wusste er zumindest, dass es am Alter lag. Ein bisschen aufgeregt war ich dann doch beim Abschicken der Nachricht. Und dann kam mir folgender Gedanke: War ich vielleicht wirklich zu oberflächlich? Einen Mann einfach nur auszusortieren, weil er ein bisschen zu alt war? Wollte ich lieber als Single durch die Welt laufen, weil ich vielleicht einen tollen Mann nur aufgrund seines Alters bereits gleich aussortiert hatte? Ja, das wollte ich. Erst mal wollte ich alle Männer im Alter von 33 bis 43 Jahren abgrasen, und wenn die dann alle blöd waren, konnte ich das Spektrum nach oben noch beliebig erweitern. Und mit dem Alter 43 hatte ich meinen Horizont schon ziemlich erweitert. Das musste an Flexibilität erst mal reichen.

Und jetzt hieß es endlich mal aktiv werden. Ich gab also meine Suchfunktion ein (Männer von 33 bis 43 Jahren, Nichtraucher, bis 100 km von meinem Wohnort entfernt). Und da waren sie: meine Traummänner! So hoffte ich zumindest. Da ich ja gerade entschieden hatte, beim Alter oberflächlich zu sein, wollte ich meiner Linie treu bleiben und blieb beim Aussehen auch oberflächlich. Also erst mal nur die Männer anschauen, die mich auch vom Foto her ansprachen. Und eigentlich war das genau einer der Gründe, warum ich bisher vom Online-Dating so gar nichts gehalten hatte. Denn nur das Foto sagte doch eigentlich nichts über das Aussehen und die Wirkung des Menschen aus. Für mich gehörte dazu auch die Stimme, der Geruch, die Gestik, der Charakter, einfach das Gesamtpaket. Dadurch wurde ein Mensch doch erst hübsch.

Ich musste an mein erstes Date mit meinem Ex-Freund Jan denken. Der war streng genommen überhaupt nicht mein Typ. Zum einen war er mir mit seinen 1,90 m viel zu groß. Zum anderen haute mich sein Outfit bei unserem ersten Date (Jeans, Hemd über der Hose, Turnschuhe an den Füßen und Baseball-Cap auf dem Kopf) so gar nicht vom Hocker. Was vielleicht auch daran lag, dass er bei unserer ersten Begegnung einen Anzug trug, und der stand ihm verdammt gut. Jan war der Banker eines Mandanten von mir und in unserem ersten, recht offiziellen Gespräch stellten wir fest, dass er der Freund eines ehemaligen Kollegen von mir war. Um über alte Zeiten zu quatschen hatten wir uns zu einem Abendessen verabredet. Und als ich dann diesen Typen in dem recht legeren Outfit auf mich zukommen sah, konnte ich ihn erst gar nicht diesem großen, stattlichen Mann im Boss-Anzug zuordnen. Eigentlich war es ja auch gar kein Date zwischen uns beiden, da ich bereits liiert war. Es sollte nur ein rein freundschaftliches Treffen werden, daher kritisierte ich auch ganz offen seinen Klamotten-Stil, und dass es ja kein Wunder sei, dass er noch Single war. Wer hätte da ahnen können, dass ich genau diesen Klamotten-Stil an diesem Mann einmal ganz toll finden würde. Wie hieß es doch so schön: „Es ist nicht die Schönheit, die entscheidet, wen du liebst, sondern es ist die Liebe, die entscheidet, wen du schön findest.“ Was wäre gewesen, wenn ich hier im Internet jetzt ein Foto von Jan vor mir hätte? Hätte ich ihn angeschrieben? Hätte ich anhand von ein paar Zeilen erkannt, dass er eigentlich perfekt zu mir passen könnte? Dass er der Mann war, der mich zum lachen und auch zum weinen bringen konnte? Tja, in den letzten Jahren ja leider nur zum weinen. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Ich wollte ja positiv an die Sache rangehen, und nicht in traurigen Erinnerungen schwelgen. Jan war definitiv Geschichte, und es war Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen. Und ich war endlich bereit dafür. Kurz nach der Trennung gab es tatsächlich noch Männer, die mich angesprochen hatten. Aber die hatte ich Miststück nur als Seelentröster benutzt. Und nun, wo ich wieder offen für eine Beziehung war, ließen die Männer mich links liegen. Das war wohl die gerechte Strafe. Aber ich würde die Männer hier im Netz schon davon überzeugen, dass ihnen nichts Besseres passieren könnte, als mit mir Bekanntschaft zu machen. Ich durchforschte also die Fotos und musste feststellen, dass die Auswahl nicht wirklich riesig war. Entweder waren die Männer so gar nicht mein Typ, oder sie sahen so dermaßen gut aus, dass mein angeknackstes Ego sich nicht traute, diese Männer anzusprechen bzw. anzuschreiben. Aber dann lächelte mir endlich ein sympathischer junger Mann entgegen. Er wirkte sportlich, gut gelaunt und hatte ein ansteckendes Lächeln. Den wollte ich mir mal genauer anschauen. Er war 35 Jahre alt, Beamter, und beschrieb sich in der Kategorie „Über mich“ wie folgt: „ Hallo. Ich bin beruhigt, dass auch du dich bei diesem Internet-Portal angemeldet hast, denn dann bin ich ja nicht der einzig Verrückte ;-) Ich bin ein unternehmungslustiger Typ, der seine Hobbies gerne mal wieder nicht nur mit seinen Kumpels teilen möchte. Ich bin sehr sportbegeistert und verbringe daher auch viel Zeit im Fitnessstudio, aber keine Sorge, wie du dem Foto ansehen kannst, bin ich nicht aufgepumpt. Und außerdem bin ich durchaus in der Lage ein ganzes Buch zu lesen. Falls du Lust hast, noch mehr von mir zu erfahren, dann freue ich mich auf deine Nachricht.“

Das klang doch wirklich sympathisch. Ich wollte nun so mutig sein und dem ersten Mann eine Nachricht zukommen lassen. Also, nicht lange nachdenken und einfach drauf los schreiben: „ Lieber Unbekannter. Du fühlst dich also auch so verrückt, weil du dich hier angemeldet hast? Das tröstet mich. Ich fühle mich hier noch etwas unsicher und unwohl. Und ich muss es zugeben: du bist der erste Mann, dem ich eine Kontaktanfrage sende. Also enttäusche mich nicht ;-) Wie sind denn bisher deine Erfahrungen so? Würde mich freuen, wenn ich mit dir ein bisschen das Online-Dating üben könnte. Ganz liebe Grüße, Alex.“

Um nicht zu einem Online-Flittchen zu werden, nahm ich mir vor, nur einen Mann pro Tag anzuschreiben. Daher loggte ich mich aus dem Netz aus und begab mich zurück in mein „echtes“ Leben.

Ich bin dann mal online

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