Читать книгу Ich bin dann mal online - Claudia Heinze - Страница 5

Kapitel Drei

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Um 20 Uhr traf ich mich mit meinen drei Single-Freundinnen als Start in den Abend bei unserem Lieblings-Fast-Food-Italiener. Wir vier Frauen waren schon seit längerem gemeinsam unterwegs. Es gab eine Zeit, da waren wir alle in festen Händen, aber nach und nach wurde der Single-Anteil größer und nun waren wir seit über einem Jahr alle Single. Meine Freundin Yvonne war seit einigen Jahren ohne feste Beziehung und hatte ein absolutes Händchen dafür, immer verheiratete Männer aufzugabeln. Manchmal gaben es die Männer auch relativ schnell preis, doch allzu oft stellte Yvonne den wahren Familienstand erst nach dem ersten Kuss fest. Für uns Singles, die wir den Glauben an die wahre Liebe noch nicht verloren hatten, war das immer wieder ein Schlag ins Gesicht, dass sogar das Ehegelübde die Männer vom Fremdgehen nicht abhielt. Ahnten die Ehefrauen zuhause, was ihre Männer so trieben, wenn diese mit ihren Kumpels unterwegs waren? Hatten wir bisher wirklich das Glück gehabt, dass wir nur treue Männer an unserer Seite hatten oder sind unsere Ex-Freunde vielleicht auch nicht immer Engel gewesen? Ich wollte mir meine Naivität beibehalten und daran glauben, dass nicht alle Männer Schlingel waren. Yvonne war da aufgrund ihrer Erfahrungen skeptischer geworden. Mittlerweile hatte sie für sich einen guten Weg gefunden, sich von diesen untreuen Seelen nicht verletzen zu lassen und nur die schönen Dinge mitzunehmen. Wenn sie von Anfang davon ausging, dass der Mann wahrscheinlich sowieso nicht zu haben war, ließ es sich viel entspannter damit umgehen. Doch weiterhin war auch sie davon überzeugt, dass der richtige noch kommen würde. Und bis dahin würde sie die Zeit so gut wie möglich genießen.

Unsere Freundin Anna war von dieser Einstellung weit entfernt. Sie war seit ca. einem Jahr von ihrem Ex-Freund getrennt und hatte die Männersuche noch nicht wieder aufgenommen. Ich hatte eher das Gefühl, dass das Thema Liebe für sie erst mal auf Eis gelegt war. Aber da ich ebenfalls um meinen Ex-Freund Jan zwei Jahre lang getrauert hatte, konnte ich es absolut nachvollziehen, dass sie noch keinen Blick für andere Männer hatte. Den Liebeskummer sollte man meiner Meinung ausgiebig zelebrieren. Ich war Profi darin, nach einer schmerzhaften Trennung immer wieder die gemeinsamen Fotos durchzuwühlen, traurige Liebesschnulzen im Fernsehen zu schauen und die sentimentalsten Liebeslieder im Autoradio lautstark mitzubrüllen. Erst wenn diverse Taschentuchpackungen für einen Mann voll geweint und vollgeschmiert waren, war ich wieder offen für was Neues. Daher hatte ich für Annas Situation vollstes Verständnis. Trotzdem wollten wir Freundinnen sie ein bisschen aus ihrem Schneckenhaus wieder rauskitzeln und hatten sie daher zu diesem Tanzabend überredet.

Die vierte in unserem Bunde war Pia. Sie schien am bestem mit dem Status quo umgehen zu können. Obwohl auch sie gerne wieder einen Partner hätte, war sie in ihrer Vorgehensweise absolut entspannt. Für sie stand im Vordergrund, dass sie viel Spaß hatte und dazu war nicht an erster Stelle ein Mann notwendig. Solange man nicht einsam war, konnte man auch mit einem gut funktionierenden Freundeskreis glücklich durchs Leben gehen. Ich beneidete Pia immer sehr für ihre positive Grundeinstellung und versuchte von ihrem Optimismus zu profitieren.

Wir vier Mädels schoben uns mit unseren Pizza- und Pastatellern durch die Menge und ergatterten in dem überfüllten Lokal einen schönen Platz am Fenster. Objektiv betrachtet waren wir sicher ein ganz ansehnlicher Haufen. Daher musste es doch bestimmt noch eine Vierer-Truppe Männer geben, die sich an den kleinen Tisch neben uns quetschen würde. Na ja, man wird doch noch mal träumen dürfen. Aber da uns die Erfahrung gezeigt hatte, dass das wohl nicht passieren würde, konzentrierten wir uns ganz auf die Köstlichkeiten auf unseren Tellern und den aktuellen Klatsch und Tratsch. Und mit dem platzte Yvonne gleich heraus: „Ihr werdet es nicht glauben, aber Alex hat sich im Internet auf Männersuche begeben.“ Beifall suchend schaute Yvonne in die Runde. Ich starrte verlegen auf meine Pizza, konnte aber die entgeisterten Blicke meiner Freundinnen förmlich auf mir spüren. Nach einem kurzen Moment der Stille fingen alle gleichzeitig an, auf mich einzureden: „Das hast du doch überhaupt nicht nötig.“ „Im Internet sind doch nur kranke Typen unterwegs.“ „So etwas funktioniert doch nie.“ Dies ist nur eine kleine Auswahl der geäußerten Kritik an meiner Entscheidung. Irgendwann wurde es mir zu bunt: „Kinder, jetzt ist aber mal gut. Ihr tut ja gerade so, als hätte ich mich nackt mit einem Schild um den Hals auf den Marktplatz gestellt. Ich weiß ja selbst, dass ich immer dagegen gewettert habe, aber ich will es jetzt einfach mal ausprobieren und davon lasse ich mich von euch auch nicht abbringen. Und auf keinen Fall muss ich mich hier vor euch rechtfertigen.“ Ich glaube, meine Stimme wurde etwas ernster, als ich es geplant hatte, aber ich fühlte mich von den Kommentaren so an die Wand gedrückt, dass ich mich erst mal wieder frei kämpfen musste.

„Mensch, Alex, jetzt fühle dich doch nicht gleich so angegriffen. Ist ja völlig o.k., dass du das machst. Aber gib zu, so richtig passt das nicht zu dir. Du bist doch diejenige von uns, die sich am ehesten traut, einen Typen anzusprechen, daher verstehe ich nicht so ganz, warum du jetzt das Internet gewählt hast.“ Pia schaute mich fragend an. „Klar bin ich mutig genug, Männer im wahren Leben anzusprechen, aber bisher waren meine mutigen Versuche doch auch nicht von Erfolg gekrönt. Vielleicht habe ich mehr Glück, wenn ich im Internet jemanden anspreche, der zumindest definitiv auch auf der Suche nach einer festen Partnerschaft ist, sonst wäre er ja dort nicht angemeldet.“, versuchte ich mich weiter zu verteidigen. Dass ich mit meiner Annahme, dass die Männer im Internet wirklich was Festes suchten, falsch lag, sollte ich noch im Laufe der Zeit feststellen.

Es entbrannte noch eine ausschweifende Diskussion darüber, welcher Weg, einen Mann kennenzulernen, nun der richtige ist, aber da wir alle Singles waren, schienen wir ja alle keine Experten zu sein und den richtigen Weg noch nicht gefunden zu haben.

Um mir eine vernünftige Grundlage für den folgenden Abend zu schaffen, als nächstes sollte es in eine Cocktail-Bar gehen, stellte ich mich noch in die Schlange für den Nachtisch und bestellte mir eine Portion Tiramisu. Ich war während des Wartens so in meine Träume versunken, dass ich erschreckt zusammenfuhr, als mich eine tiefe Stimme von der Seite ansprach: „Dein Nachtisch sieht aber lecker aus. Da werde ich ja ganz neidisch.“ Ich blickte neugierig zur Seite und schaute in ein Gesicht mit frechen Augen und einem verschmitzten Lächeln. „Ja, das finde ich auch.“, entgegnete ich nur verdattert, schnappte meinen Teller und gesellte mich wieder an meinen Tisch, an dem mich drei Freundinnen mit neugierigen Blicken erwarteten.

„Der Typ war aber niedlich, was wollte er denn?“, fragte Anna. „Er fand meinen Nachtisch lecker. Mehr war da nicht.“, erklärte ich nüchtern und schob genüsslich den ersten Löffel mit Tiramisu in meinen Mund. „Der fand wohl eher dich lecker.“, schmunzelte Yvonne. „Warum hast du den einfach so schnell ziehen lassen?“ „ Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?“, wollte ich von Yvonne wissen. „Du hättest ihm zum Beispiel deine Handynummer geben können.“ „Suuuuper Idee!“, entgegnete ich ironisch auf Yvonnes Vorschlag. „Wie soll ich mir das vorstellen? Ach, du findest meinen Nachtisch lecker, den würde ich aber gerne behalten, darf ich dir stattdessen meine Handynummer geben? Das hätte bestimmt super funktioniert.“ Ich schüttelte den Kopf. Yvonne hatte aber auch manchmal verrückte Ideen. „Aber wo ist denn der Unterschied, ob du im Internet einem wildfremden Mann eine Mail schickst oder ob du hier diesem schnuckeligen Typen deine Nummer gibst? Ich finde die Variante hier irgendwie weniger verrückt.“, meldete sich Anna zu Wort. Das war wieder mal typisch. Sie selbst hielt sich immer ganz brav zurück, aber ich sollte hier die Draufgängerin spielen und dem „Nachtisch-Mann“ meine Nummer geben. Was ging den Mädels denn heute im Kopf herum?

„Im Internet bekomme ich wenigstens nicht mit, wenn sich der Typ über meine Mail kaputtlacht und mich total blöd findet.“, gab ich zu Bedenken. „Ganz ehrlich, ich finde die Idee mit der Handynummer gar nicht mal so schlecht.“, mischte sich nun auch Pia ein. „Wie wäre es denn, wenn du für ihn ein Tiramisu bestellst und die Bedienung fragst, ob sie ausnahmsweise mal den Nachtisch an den Tisch von ihm serviert? Dann schreibst du noch was Nettes auf einen Zettel und vielleicht lacht er sich ja gar nicht darüber kaputt.“ Während ich immer noch skeptisch in die Runde schaute, waren die anderen Feuer und Flamme und fingen sofort an, über die perfekte Nachricht nachzudenken.

Schließlich kramte Yvonne einen Zettel und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche und legte mir beides mit einer aufmunternden Kopfbewegung hin. „So, zeig uns mal wie mutig du bist.“ Mittlerweile hatte ich mir den Typen, der unsere ganze Aufmerksamkeit erregte, noch mal genauer angeschaut. Er saß mit Freunden, sie waren insgesamt leider nur zur dritt, am anderen Ende des Lokals. Und die Mädels hatten recht: er sah wirklich ganz schnuckelig aus. Aber sollte ich mir tatsächlich die Blöße geben, und ihm meine Handynummer aufzwingen? Doch eigentlich hatte ich ja wirklich nichts zu verlieren. Immerhin war meine Heimatstadt Bremen groß genug, dass ich nicht Gefahr lief, ihm nach diesem vielleicht peinlichen Fiasko wieder über den Weg laufen zu müssen. Und ich hatte mir ja vorgenommen, in Sachen „Männersuche“ etwas aktiver zu werden. Immerhin hatte ich mich ja im Internet auch getraut. Ich stellte mir also vor, dass der kleine weiße Zettel vor mir eigentlich nichts anderes als eine Mail war. Daher schrieb ich unter dem teenagerhaften Gekicher meiner Freundinnen folgende Nachricht: „Lieber Unbekannter. Ich wünsche dir guten Appetit bei deiner Portion Tiramisu und falls du mal Lust auf ein gemeinsames Essen hast, meld dich doch bei mir. Gruß Alex.“ Ich notierte noch meine Handynummer und faltete den Zettel zusammen. Jetzt hieß es nur noch, die Angestellte zu überreden, dass sie sich an dieser mir immer noch völlig verrückt erscheinenden Aktion beteiligte. Ich sammelte alle meine Kräfte, in dem ich noch schnell den Rest meines köstlichen Tiramisus vertilgte, und begab mich dann unter den wachsamen Augen meiner Freundinnen zu der Mitarbeiterin hinter der Theke. Da ich in diesem Lokal auch öfter zu Mittag aß, erkannte sie mich wieder und ich hatte daher auch den Mut, sie in meine Pläne einzuweihen. Sie war sofort Feuer und Flamme und versprach, den Auftrag so schnell wie möglich auszuführen. Wenn jetzt noch Kameras dabei wären, wäre das alles eine perfekte Szene für „Nur die Liebe zählt“ geworden.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich zurück an unseren Tisch ging. Ich versuchte natürlich so cool wie möglich zu wirken, aber ich glaube, mein knallroter Kopf machte meine Bemühungen zunichte. „Bitte tut mir einen Gefallen, lasst uns jetzt über was völlig anderes sprechen, denn ich kann gerade selber nicht glauben, was ich da getan habe.“, sagte ich noch im Stehen. Ich war froh, als ich endlich sicher auf meinem Stuhl saß, denn mir waren vor Aufregung meine Beine ganz wackelig geworden. Wieso hatte ich mich bloß zu dieser Aktion überreden lassen. Am liebsten hätte ich ganz schnell meine Jacke geschnappt und fluchtartig das Lokal verlassen. Der Gedanke, dass die Bedienung gleich meine Nachricht überreichen würde und die ganze Angelegenheit für mich peinlich werden könnte, ließ mir den Atem stocken.

„Die Bedienung bringt ihm tatsächlich das Tiramisu und deinen Zettel“, flüsterte Pia verschwörerisch. Ich hatte mittlerweile die Atmung vollständig eingestellt. Wahrscheinlich falle ich gleich noch wegen Sauerstoffmangel ohnmächtig vom Stuhl. Das machte dann den Auftritt perfekt.

„Er liest jetzt deinen Zettel und schaut herüber. Los, lächele ihm wenigstens zu.“ Wie unter Hypnose befolgte ich Pias Befehl, drehte mich in die Richtung des Geschehens und hoffte, dass mein Lächeln nicht so dämlich aussah, wie es sich anfühlte. Doch dem Nachtisch-Mann fiel wohl meine Unsicherheit nicht auf, denn er zeigte ein tolles, offenes Lächeln, hob sein Bierglas und prostete mir aus der Ferne zu. Immer noch in Trance griff in nach meinem Weinglas und prostete ihm ebenfalls zu. Dieser Moment schien ewig zu dauern und ich hatte keine Ahnung, wie es denn jetzt weitergehen sollte. Doch der Unbekannte nahm mir die Entscheidung ab, in dem er sich hingebungsvoll seinem Nachtisch zuwandte und sich wieder ins Gespräch mit seinen Freunden begab. O.k., das war dann wohl das Zeichen, dass auch wir an unserem Tisch hoffentlich wieder zur Normalität zurückkehren könnten. Doch weit gefehlt. Für Yvonne war das Thema immer noch nicht abgeschlossen. „Hol schon mal dein Handy aus der Tasche. Nicht, dass wir hier im Lärm nicht mitbekommen, wenn er sich meldet“, befahl sie mir. Irgendwie schien ich heute meinen Freundinnen hörig zu sein, denn ich kramte in den Tiefen meiner Handtasche nach meinem Handy und legte es vor mir auf dem Tisch. Ich hatte es kaum aus der Hand gegeben, da brummte es schon und auf dem Display erschien „1 neue Nachricht“. Mit zittrigen Händen griff ich nach meinem Handy. Ich benahm mich wirklich wie eine Dreizehnjährige, die einem Klassenkameraden den obligatorischen „Willst du mit mir gehen, kreuze an…“-Zettel zugesteckt hatte. Aber so groß war der Unterschied ja eigentlich auch gar nicht. Neugierig öffnete ich die eingegangene Nachricht und las: „Liebe Alex. Danke für den leckeren Nachtisch. Der hat meinen Abend gerettet. Ich würde mich gerne morgen mit einem Kaffee revanchieren. Wie wäre es um 15 Uhr im Cafe Engel? Viele Grüße, Maik.“ Mein Grinsen musste meinen Freundinnen bereits verraten haben, dass die Nachricht wohl positiv war, denn sie hatten ebenfalls alle ein Grinsen im Gesicht. „Los, lies schon vor“, stupste mich Anna von der Seite an. Ich gab die Neuigkeiten an alle weiter und hoffte, dass jetzt endlich Ruhe in den Abend einkehrte, denn es war ja ein ganz schön aufregender Start. Aber somit konnte ich entspannt den weiteren Abend genießen, da ich ja nun schon ein Date für den nächsten Nachmittag hatte, es konnte also nichts mehr schief gehen. Doch da sollte ich mich irren.

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