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2.5 Zusammenfassung unter ritologischer Perspektive

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Die Aufteilung der korinthischen Gemeinde in verschiedene Gruppen ist kein Lapsus, sondern widerspricht dem Leben der Getauften in Gemeinschaft. Auf diese Weise wird die Bedeutung des Kreuzes Christi missverstanden und in welcher Weise sich die Taufe darauf bezieht bzw. daran Anteil gibt. Sowohl das Anhängen an eine Person als auch die daraus entstandene Gruppenbildung gefährden die Einheit und darin das eigentliche Wesen und „Funktionieren“ der christlichen Gemeinde erheblich: als würde man Christus selbst zerreißen.

Es ist deutlich geworden, dass Paulus bereits zu Beginn des ersten Korintherbriefes – des Paulusbriefes mit den meisten Taufstellen – um die Bedeutung der Taufe ringt. Die Feststellung, dass er froh sei, nur wenige getauft zu haben, spricht gegen eine bloß argumentative Anführung der Taufe. Aber die nähere Untersuchung zu den Parteihäuptern lässt daran zweifeln, dass diese wesentlich als Täufer in Korinth in Erscheinung getreten sind, und kann auch sonst keine grundlegende Gemeinsamkeit in Person oder Funktion innerhalb der Gemeinde feststellen. Es bedarf demnach einer noch genaueren Analyse der Taufe und der zu ihrer Deutung verwendeten Motive, um die tatsächliche Bedeutung der Taufe im Argumentationsgang in 1Kor 1 eindeutig eruieren zu können.1

Die wesentliche Deutung der Taufe kreist um das Verhältnis von Einzelpersonen und Gruppen im Gegenüber zu Christus: Steht die Christusbindung in der Taufe in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Bindungen der Getauften?2 Oder ist ein relationäres Verhältnis zwischen Christusbindung und dem Verhältnis der Getauften untereinander zu denken?3 Muss Einheit in diesem Falle auch Gleichheit bedeuten?4 Welche Bedeutung kommt in der Konstellation der Kreuzigung Jesus zu?5 Weiterhin ist zu fragen, ob die rhetorisch zu verstehenden Fragen in 1Kor 1,13 Anhaltspunkte in der Realität haben? Wenn nicht, wie die Abänderung der ὄνομα-Taufformel, zumal als einziger Beleg dieser Formel bei Paulus, als bewusste Verfälschung einer Taufformel im Kontext von Ritualkritiken zu werten ist.6 Und schließlich: Welche Rolle nimmt der Täufer nach paulinischer und nach korinthischer Auffassung ein und welche Rolle spielt dabei die Verkündigung? Die umfassende These Heinricis zu diesem Thema soll hier abschließend, nicht zuletzt auf Grund ihrer erheblichen Wirkungsgeschichte dargestellt werden.

Exkurs: Der Täufer als Mystagoge – Heinrici

„… es knüpf[t] sich zwischen Täufer und Täufling noch ein besonderes Band, ähnlich wie zwischen Mystagogen und dem von ihm Eingeweihten“1 – in Gefolgschaft von C.F. Georg Heinrici findet sich in der Forschungsgeschichte immer wieder die Erklärungsthese für die Gruppenbildungen in Korinth, dass die Korinther die christliche Taufe mit Mysterieneinweihungen verwechseln würden. Die ihnen daher bekannte besondere Bindung des Initianden an den Mystagogen vermuten sie auch für die Taufe und separieren sich daher in verschiedene Gruppen, welche sich jeweils auf ihren Täufer berufen. Heinrici entfaltet seine Argumentation wie folgt:2

Paulus kritisiert in der Aufzählung der vier Parteiparolen eine „falsche Nebeneinanderstellung von Lehrern und dem Herrn“ (83). Sie entspräche einer Zerstückelung Christi, welche ein ähnliches Unding sei, wie die Taufe auf den Namen eines anderen, was offensichtlich rhetorisch zu verstehen sei. Dass Paulus in den 1,14–16 allerdings den Taufzusammenhang, speziell seine Nicht-Tauftätigkeit so betont, lässt Heinrici weitere Gründe vermuten: von Paulus abweichende Taufvorstellungen, verursacht – wenn auch ungewollt – durch das Wirken des Apollos in Korinth. Apollos habe durch sein Wissen um die Johannestaufe,3 seine Schriftgelehrsamkeit und Beredsamkeit sowohl bei Juden- als auch bei Heidenchristen großen Erfolg gehabt. Es sei unweigerlich zu Vergleichen mit Paulus gekommen und zwar mit folgendem Ergebnis: „[…] so war Apollos der hellenistischen Christengemeinde vermöge seiner Bildung wahlverwandter, als der herbe, schmucklose Paulus“ (37). Zwei Aspekte des Auftretens des Apollos hätten nun eine besondere Wirkung auf die ihm ohnehin zuneigende korinthische Gemeinde gehabt: Rhetorisch-ästhetische Vorträge erschienen ihnen als wahre göttliche Weisheit.4 Die Gemeinde habe sich an die „ungemein populären Mysterien“ (40) erinnert, in welche Apollos sie wie ein Mystagoge eingeweiht habe. Der in die höheren Einsichten Eingeweihte erhielt dabei „nicht nur eine neue Weise zu leben, sondern auch eine bessere Hoffnung zu sterben.“5 (40) Dazu komme, dass Apollos „sowohl auf die Taufe an sich als auch auf ihre persönliche Vollziehung ein neues Gewicht gelegt hat.“6 (41). Apollos, der „ehemalige Johannesjünger“, wäre da anders verfahren als der nur im Ausnahmefall taufende Paulus: „Die Taufe war ihm nicht nur der feierliche Weiheakt, nicht nur das Symbol der gliedlichen Vereinigung mit Christus (Röm. 6, 1–10), sondern auch der Act der persönlichen Verbindung des Taufenden mit dem Täufling.“7 (42) Da nun auch die „Mittheilung der Wahrheit“ in den Mysterienkulten an „Prüfungen, Entsagungen, Weihungen geknüpft“ gewesen ist, habe es nahe gelegen, Entsprechendes in der christlichen Taufe zu sehen.

Man könnte Heinricis These folgendermaßen zusammenfassen: Sowohl die rhetorisch-weisheitliche Predigt des Apollos als auch seine Betonung der Taufe verstanden die Korinther in Analogie zu Mysterienkulten, und sie ließen die ihnen daraus bekannte Hochschätzung des Einweihungsrituals sowie die enge Ritualleiter-Initiand-Verbindung in der Folge der „Ähnlichkeiten“ in ihr Taufverständnis einfließen – mit dem Ergebnis, dass so die erste, nämlich die Apollosgruppe entstand.

Die sich auf Heinrici stützenden Exegeten greifen meist nur einen Aspekt aus seiner geschlossenen Argumentation auf und kommen davon ausgehend oft zu weitrei­chenden Schlussfolgerungen: Manche beziehen sich allgemein darauf, dass die Gruppenzugehörigkeit über die Taufe bestimmt wird. Für Schnelle etwa ist dies die einzige Erklärung dafür, „daß Paulus in diesem Zusammenhang überhaupt auf die Taufe zu sprechen kommt.“8 Conzelmann und Lietzmann hingegen benutzen diese Thesen als Hinweis darauf, dass Petrus in Korinth gewirkt habe.9 Andere wiederum greifen die missverstandene Taufpraxis (Überbewertung des Täufers) auf, welche dann direkt auf das Wirken Apollos zurückgeführt wird10 oder auch – ohne Apollos – auf Mysterienreligionen zurückgehe: Zwar sei den Korinthern die Absurdität der Fragen (1,13) bewusst, dennoch würden sie den Täufern „bleibende Heilsautorität“ zugestehen, da sie an eine „durch das Verständnis der Taufe als Mysterienhandlung gegebene, wesenhafte und bleibende Gebundenheit des Getauften an seinen Täufer“ glauben.11

Angesichts solcher spekulativen Folgethesen in der stückweisen Aufnahme Heinricis, ist die Kritik Schrages12 an einer Rückführung der Gruppenbildung auf einen Taufstreit durchaus verständlich.13 Jedoch gerät auch ihm in seiner Schlussfolgerung, eine „Überschätzung weisheitlicher Verkündigung“ sei Ursache für die Gruppenbildungen gewesen, aus dem Blick, dass dieser von Heinrici bei Apollos bereits verortete Aspekt geradezu Hand-in-Hand geht mit dessen weiterer Argumentation.

Befürworter wie Gegner der These Heinricis verkennen allerdings zumeist ihre Stärke, welche v.a. darin liegt, dass sie die Gruppenzuordnungen zwar mit der Taufe in Zusammenhang bringt, in „Taufstreitigkeiten“ aber keineswegs die einzige Ursache sieht, die direkt zu den Gruppenbildungen geführt habe. Heinricis Überlegungen zu mehreren ineinandergreifenden Einflussfaktoren sind Teil seiner grundsätzlichen vorangestellten Einschätzung der Situation in Korinth: „In Bezug auf Glauben und Sitte musste daher auch die sich selbst überlassene Korinthische Gemeinde einen Process der Klärung durchmachen, in welchem nicht ohne Irrungen die sicheren Grenzen gegen Judentum und Heidentum gefunden wurden.“14

Die Taufe auf den Tod Christi

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