Читать книгу Wenn das nicht tierisch cool ist - Claudia Meddour - Страница 6
Das erstaunliche Talent des Tausendfüßlers
ОглавлениеHaben Tausendfüßler tatsächlich 1.000 Füße? Ich habe sie nie gezählt, jedenfalls sind es sehr, sehr viele. Freddy, unserem Tausendfüßler fehlte aber ein Fuß. Er hatte nur 999. Ihr meint sicherlich, dass das nicht weiter schlimm sei, bei so vielen Füßen — wenn einer fehlt, dann merkt man es ja gar nicht. Aber ihr irrt euch, ich habe mich übrigens auch getäuscht.
Ein Fuß ist ein Fuß. Man braucht als Tausendfüßler jeden seiner Füße und wenn einer fehlt, ist man schlecht dran. Freddy war es. Zumindest am Anfang unserer Geschichte.
Unser Freddy war ein kleiner Tausendfüßlerjunge und wie alle Tausendfüßlerjungs wollte er Fußball spielen. Das war cool. Zu seinem Pech wollte ihn aber keiner in seiner Mannschaft haben:
"Du humpelst, weil dir ein Fuß fehlt. Wir können dich nicht gebrauchen, weder als Stürmer noch als Verteidiger. Mit dir verlieren wir jedes Mal! Du kannst zuschauen und uns anfeuern!"
Ich muss dazusagen: Freddy durfte schon das eine oder andere Mal mitspielen — immer, wenn sie einen Ersatzmann brauchten. Aber, weiß Gott, Freddy war als humpelnder Spieler nicht beliebt. Aber zuschauen, nein, das wollte Freddy sich nicht antun. Da würde er nur noch trauriger werden.
Also versuchte er es mit Volleyball, Basketball, Hockey und Tennis. Aber vergeblich: der Fuß fehlte einfach.
Ich muss irgendetwas für mich finden, worin ich gut bin und andere beeindrucken kann. Ich muss auf jeden Fall cool sein. Die Mädchen mögen keine Buben, die langweilig sind! Leider fiel ihm nichts ein, womit er punkten könnte.
Durch Zufall war ein Tausendfüßlerkünstler auf der Suche nach Talenten. Es sollte einen großen Wettbewerb geben und jeder Tausendfüßler konnte daran teilnehmen.
Freddys Schwester hörte davon, lief zu ihrem Bruder und verkündete: "Freddy, du gehst zu dieser Talentsuche. Du kannst pfeifen, wie kein anderer! Ich kriege jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich dich am Bach unten höre! Geh hin und melde dich an!"
Freddy überlegte. War das die Chance auf die er gewartet hatte? Es stimmte nämlich wirklich, im Pfeifen war es super und es machte ihm wahnsinnigen Spaß. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Vor allem: man braucht ja zum Pfeifen nur seinen Mund, die Füße sind da ganz unwichtig!
Ich werde es kurz machen — vom Üben, von der Aufregung und den Selbstzweifeln will ich nichts schreiben. Freddy ging am besagten Tag hin und pfiff so prächtig er konnte. Ach … was heißt pfiff? Es war kein einfaches Liedchenpfeifen, wie Alle meine Tausendfüßler krabbeln auf dem Boden, nein, es war die Tausendfüßler-Symphonie und das war ein sehr schweres Werk. Höhen und Tiefen gab es genug, er musste sehr laut und dann wieder ganz leise pfeifen, schnelles Pfeifen wechselte sich ab mit langsamen. Nur ganz große Könner können das perfekt präsentieren — und Freddy war einer davon.
Am Ende war Freddy auch am Ende. Er schwitzte, sein Herz pochte, die 999 Füße wollten ihm den Dienst versagen und er war einer Ohnmacht nahe. Er wartete, denn im Saal war es mucksmäuschenstill. Und dann brach der Beifallssturm los. Er sah seine Fußballfreunde und die Mädchen aus seiner Klasse: Alle strahlten ihn an und klatschten wie verrückt. Er hatte es geschafft, er hatte gewonnen! Mit einem riesigen Kranz aus Butterblumen humpelte er schließlich von der Bühne. Keiner bemerkte es, denn alle waren stolz auf Freddy.
Freddy hat aus diesem Erlebnis eins gelernt: Jeder hat ein Talent. Manches Mal weiß man es nicht gleich, aber es ist da.
Seither wurde Freddy als Torwart eingesetzt. Und das ging ohne Probleme mit seinen 999 Füßen.