Читать книгу Unterrichten (E-Book) - Claudio Caduff, Manfred Pfiffner, Markus Mäurer - Страница 6
ОглавлениеLehren und Lernen – eine Einführung
Lernen ist eine der wichtigsten Fähigkeiten des Menschen – es setzt ihn in ein ganz spezifisches Verhältnis zur Welt (vgl. dazu auch Caduff, Pfiffner & Bürgi 2018). Lernen ermöglicht uns, die Welt zu erschließen und mit ihr in Beziehung zu treten. Gleichzeitig ist es eine Notwendigkeit zur Menschwerdung, insbesondere in hochdifferenzierten Gesellschaften. Freiheit und Zwang sind somit beides Merkmale des Lernens.
Wir alle wissen sehr genau, wann wir etwas richtig gelernt haben. Dennoch ist uns der Vorgang des Lernens selbst oft nicht bewusst. «Unter allen menschlichen Leistungen scheint das Lernen seiner Natur nach zum Verborgensten und Unbekanntesten zu gehören», so Günther Buck (1967, S. 11). Es erstaunt deshalb nicht, dass es seit der Antike viele verschiedene Vorstellungen von Lernen gibt und der Begriff «Lernen» auch heute noch in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird. Allgemein kann festgehalten werden, dass Lernen mit Erfahrung zu tun hat, und wenn es bewusst erfolgt, ist es «ein bestimmt geartetes Tun des Lernenden mit dem Ziel […], etwas, was er noch nicht versteht und weiß, durch die Anleitung des Lehrers und die eigenen Bemühungen seines Lernens zu verstehen und zu wissen» (Koch 2015, S. 76). Lernen hat zudem immer mit einer Sache zu tun, ist in eine konkrete Beziehung eingebettet, vermittelt Herkunft und Zukunft, erfolgt spontan und in Reaktion auf bestehende Verhältnisse und richtet sich auf etwas, was noch nicht ist (Burchardt 2016). Zwei Merkmale des Lernens scheinen trotz der unterschiedlichen Theorien unbestritten: Es muss beobachtbar sein und ein dauerhaftes Ergebnis mit sich bringen.
Lernen ist aber auch ein spezifisch menschliches Kommunikationsverhalten (vgl. dazu Tomasello 1999). Nur Menschen wenden sich gemeinsam einer Sache zu. «Der Mensch […] macht seinen Nachkommen nicht nur vor, was die dann nachmachen. Sondern er hebt Sachverhalte hervor, die er dann mit ihnen teilt. Zeigendes Hervorheben ist Lehren» (Türcke 2016, S. 101). Mit zunehmendem Alter der Nachkommen reichen Eltern als Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr aus; die jungen Menschen sind beim Lernen auf die Schule und deren Lehrerinnen und Lehrer angewiesen. Diese zeigen, machen vor, erklären und erzählen und bringen Aneignungsprozesse der Schülerinnen und Schüler in Gang, die es ihnen ermöglichen, etwas zu lernen. Diese Tätigkeiten – der Lehrenden wie der Lernenden – nennt man Unterricht.
Wie unterscheiden sich Expertenlehrkräfte von Novizinnen und Novizen, was ist in ihrem Unterricht anders? Expertenlehrkräfte stellen den Lernenden beispielsweise viel häufiger herausfordernde Aufgaben, bei denen sie das erworbene Wissen auf neue Situationen und Problemstellungen anwenden müssen. Novizinnen und Novizen, als Nicht-Expertinnen und Experten, beschränken sich bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung häufig auf Aufgaben, in denen die erarbeiteten Inhalte nur wiedergegeben werden müssen. Expertenlehrkräfte sind zudem in der Lage, das eigene Wissen in die Sprache der Schülerinnen und Schüler zu übertragen. Klaus Zierer fasst die Ergebnisse von John Hatties Unterrichtsforschung der letzten Jahre wie folgt zusammen: «Gefordert sind Lehrpersonen, die Unterricht nicht als einen Monolog sehen, sondern als einen Dialog, die immer und immer wieder im Schüler etwas suchen, wovon keiner etwas weiß und woran schon keiner mehr glaubt, die mit Leidenschaft und Kompetenz von ihrem Wissen, aber auch ihrem Leben erzählen können, die sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen austauschen und zusammentun und die dem Schüler auf Augenhöhe begegnen, wohlwissend, dass sie ihn genauso brauchen wie er sie» (Zierer 2015, S. 23).
Genau dies ist das Anliegen des vorliegenden Buches. In acht Schritten – von der Analyse der Ausgangslage über die Auswahl der Ziele und Inhalte bis zu den Tipps für die Gestaltung der Lernkontrollen – führen wir Sie systematisch und praxisorientiert in Richtung professionelles Handeln. Der Band wurde ursprünglich für die berufliche Grundbildung in der Schweiz konzipiert – viele Beispiele stammen daher aus diesem Bereich. Die zugrundeliegenden Inhalte lassen sich aber auch gut auf andere Stufen und Bildungssysteme anwenden. Neben den Inhalten im Buch finden Sie online zu den einzelnen Kapiteln verschiedene Instrumente, die Ihr Handeln in der Praxis unterstützen und den Dialog mit den Schülerinnen und Schülern fördern (mehr.hep-verlag.com/unterrichten).