Читать книгу Das abenteuerliche Karaganda - Claus Bork - Страница 7
2. Kapitel
ОглавлениеEs war vielleicht der tiefsitzende Lebenswille, der sich in seiner Kriegerseele versteckte; samt der Tatsache, daß er bis zur Vollkommenheit loyal gegenüber allem war, an was er glaubte, was Kapitän Zip von der Wespenflotte zu dem machte, was er war. Was er nie verstehen lernte war, daß diese Rechtgläubigkeit in sich selbst den Keim zur Feindschaft von seiner Umgebung barg. Aber sie schaffte als Gegenstück die Grundlage für eine wahre Freundschaft mit den ehrwürdigen Müttern und den Schutz, der darin begründet lag.
Auszug aus Spys Erinnerungen an die Zeit der Gemeinschaft.
Kapitän Zip jagte wie der Wind durch die kühlen Schatten des Waldes. Die Flügel waren wie er, schnell und hastig. Er fühlte es, als würde er von seinem eigenen, schnarrenden Summen getragen. Genau, das war er.
Und gerade dahinein setzte er seine Ehre. Er hatte keine Ambitionen Karagandas oberster Führer zu werden - darin lag seine Stärke, und seine Freiheit. Er genoß großen Respekt, weil keiner, oder nur ganz wenige, Zweifel an seinen Motiven hegten.
Ein Duft in der Luft brachte ihn dazu, umzukehren und zu suchen. Ahornsaft war das Beste, was er kannte. Er folgte der Duftspur zwischen die Bäume, bis er einen Sonnenstrahl in einem Tropfen glänzen sah.
Die Rinde war oben am Stamm etwas gerissen. Er mußte seinen Fund den Ameisen berichten. Aber erst wollte er ihn selbst schmecken. Er setzte sich auf den Stamm und trank vorsichtig von dem Tropfen.
Als er soviel er konnte getrunken hatte, schwang er sich hinaus in die Luft und kreiste summend zwischen den Bäumen herum, bis er sich die genaue Lage des Baumes gemerkt hatte. Daraufhin flog er weiter.
Er landete auf dem Flugfeld, gerade als der erste Sonnenstrahl es erreichte. Es war eine wahre Freude des Lebens in diesem Teil des Waldes.
" Akorn," seufzte Zip behaglich. Er kam fast jeden Morgen hierher, und jeden Morgen war seine Freude, nach Hause zu kommen, dieselbe. Ein Tag ist eine lange Zeit im Leben einer Wespe.
Hier in Akorn, der größten Behausung des Waldes, war er als Ei gelegt worden. Hier hatten selbstaufopfernde Arbeiterwespen ihn als Larve gepflegt - hatten aufgepaßt, daß ihm nicht zu warm und nicht zu kalt wurde. Und sie hatten Feinde ferngehalten, während er wuchs und wuchs. Sobald er die Wände seiner Zellle niedergebrochen hatte, hatte ihn jemand angesehen und gesagt, daß aus ihm etwas Großes werden würde. Und weil er eine Jungwespe mit Lebenslust war, hatte er das geglaubt.
Er schlief jede Nacht in Eichberg, weil er unter den wenigen Auserwählten war, die über Königin Sols Leben wachten. Wie alle Wespen hatte er einen starken, ererbten Instinkt, der ihm gebot, den Ort zu verteidigen, wo er als Larve ausgebrütet worden war, aber andere hatten bestimmt, daß das für ihn nicht gelten sollte.
Die Wespenwache betastete ihn mit den Fühlern und rief ein wohlbekanntes Kommando. Die Wespen im Hauptgang standen stramm, bevor er sie passierte.
" Willlkommen in Akorn," rief der Wachkommandeur mit scharfer Stimme.
" Danke," murmelte Zip und wollte hineinkrabbeln.
" Ich bin gebeten worden, ein Ersuchen zu überbringen," setzte der Wachkommandeur fort. Zip blieb stehen und betrachtete ihn.
" Die Ehrwürdige Mutter wünscht Sie zu sehen," sagte die Wache.
Zip fühlte, wie das Blut schneller in seinem Körper pulsierte. Die Ehrwürdige Mutter, dachte er, ohne zu antworten.
Da war nur eine Mutter. Sie war Mutter von ihnen allen. Allen vierhunderttausend. Er konnte sie nicht warten lassen. Er verließ das Flugfeld und hastete hinein in den hektischen Lebensnerv, der Akorns Hauptgang ausmachte.
Sie waren unzählbar, die vielen Verzweigungen und Seitengänge, die Akorns Verkehrsadern bildeten. Aus allen Seitengängen wimmelten eifrige Wespen heraus, stießen miteinander im Hauptgeng zusammen, und setzten wie ein lebender Mahlstrom aus Beinen und Flügeln ihren Weg zum Zentrum fort. Es war ein wahres Summen von Flüchen und Verbannungen, Beschuldigungen und Entschuldigungen. Aber es gab nur wenige Kämpfe und noch weniger Tötungen. Hunderte von Duftströmen trieben vorbei, während man nach und nach vorankam. Düfte aus Vorratskammern und Düfte von Exkrementen, für die manche ausersehen waren, sie aus dem Weg zu schaffen.
Zip nahm eine besondere Stellung als Chef der Wespenflotte ein. Überall befühlten sie ihn mit den Fühlern und murmelten Grüße durch die summenden Duftströme.
In den äußersten Quadranten bauten sie wieder. Neue Kammern wurden für kommende Generationen von Larven errichtet. Akorn wuchs jeden Tag in die Baumkrone, und Skeptiker meinten, daß es schon zu schwer war, und daß ein Sturm das Wachstum der Behausung dazu bringen könnte, in einer Katastrophe zu enden. Aber noch hatte kein Sturm Akorn verschlingen können, und der unaufhörliche Strom von Eiern der Ehrwürdigen Mutter wurde hinunter getragen und eingemauert in neue Zellen, die mit Nahrung gefüllt waren.
Es machte ihm ein kribbliges Gefühl, dieses Schaffen. Er würde über ihr Recht, sich zu entfalten, wachen, mit allem, was er zu geben hatte.
Zip blieb in der breiten Nische nahe Akorns Zentrum stehen.Obwohl sie von dem wimmelnden Leben im Hauptgang abgeschnitten war, war es, als ob dort eine unsichtbare Linie zwischen ihnen gezogen war. Hier, in die Vorkammer zum Zentrum, setzte keiner seinen Fuß ohne einen ganz besonderen Grund, und ohne sicher zu sein, daß die Wachen es gutheißen würden.
Im Innern der Nische verengte sie sich zu einer schmalen Passage. Vor ihr standen die Wächter der Ehrwürdigen Mutter. Sie waren besonders ausgewählt, und bildeten den stärksten und abgehärtesten Kern von ihnen allen. Zip kannte jeden einzelnen von ihnen, denn sie waren am gleichen Tag ausgebrütet worden wie er.
Er ließ sich von ihren Fühlern betasten, und um ihnen seinen Respekt zu zeigen, befühlte er sie. Das war ein wichtiges Element im Leben der Wespen, das Betasten. Es diente auch dazu, ihnen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit zu geben, von Zusammenhalt.
"Es ist etwas anderes," dachte Zip, " von einer Wespe befühlt zu werden, als sich von einem Rüsselkäfer betasten zu lassen."
" Wie geht es Ihr heute?" flüsterte Zip.
" Die Ehrwürdige Mutter schenkt der Welt neues Leben," antwortete die Wache. " Aber es ist eine besondere Unruhe dort drinnen, und ohne daß ich weiß warum, weckt es in mir einen unwiderstehlichen Drang zu töten."
Zip betrachtete mit allen Sinnen angespannt den Wächter. Er erkannte ihn leicht von den übrigen, weil sein Kiefer deformiert war und einen Überbiß verursachte.
" Sie hat gewünscht, mich zu sehen," sagte Zip scharf und presste sich an ihm vorbei. Sie machten ihm Platz, gerade genug, daß er sich hineinzwängen konnte.