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Wieder zu Hause

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"Was in aller Welt..."

Das war die Stimme seiner Mutter. Die brachte ihn jeden Morgen zurück in die Wirklichkeit. Die - und dann der Duft von geröstetem Brot mit Hagebuttenmarmelade, der von unten aus der Küche nach oben in sein Zimmer drang.

Der Rasierapparat seines Vaters summte irgendwo, heftig und mühsam.

"Du bist auch noch dran," sagte sein Vater oft. Aber noch hatte sich nicht die kleinste Andeutung von Flaum an irgendeiner Stelle gezeigt.

Die Mutter schüttelte seinen Arm.

"Was ist das für eine Montur?" sie zog ihm die Decke weg und seufzte. Er schlug die Augen auf und versuchte, sich zu erinnern, wo er war.

"Und Stiefel hast du im Bett an..." kreischte sie.

Der Säbel steckte unter der Decke heraus.

Seine Mutter stand über ihn gebeugt mit den Händen in der Seite.

"Wo hast du das Zeug her, Jesper?"

"Ich hab es von Henrik geliehen," log er und lächelte unschuldig.

"Mußt du unbedingt damit schlafen?"

"Ich habe Kopfschmerzen..." sagte er.

"Aufgestanden und in die Schule, junger Mann," seine Mutter sah sich um. "Und wo ist dein Schlafanzug?"

"Im Wäschekorb," log er. "Gibt es Frühstück?"

"Oh Gott - das Brot..." rief seine Mutter und stürzte zur Tür hinaus.

Der Rasierapparat summte wieder - sie hatten es vergessen. Aber in Zukunft mußte er besser aufpassen.

Dann stand er auf, zog sein Zeug an, aß Frühstück und ging zur Schule.

Den ganzen langen Tag war er ziemlich geistesabwesend.

Aber in einer dänischen Gemeindeschule sind ja so viele geistesabwesende Kinder, daß es wirklich keinen gab, der es bemerkte. Oder richtiger - nur einen, und das war Henrik.

"Warum bist du so merkwürdig?" fragte er und sah ihn über den Rand seiner Brille an. Das war in der Frühstückspause, Jespers Schokoladenbrot lag unangerührt in seiner Essensdose.

"Willst du es haben, ich krieg es nicht runter?"

"Was ist mit dir?" fragte Henrik wieder.

Jesper lehnte sich zu ihm und flüsterte: "Ich müßte jetzt von Schokolade kotzen. Die ganze Nacht habe ich Schokolade gegessen, nun mag ich keine mehr anrühren."

Henrik zuckte mit den Schultern, nahm das Schokoladenbrot und stopfte es in sich hinein.

Jesper hatte so viele fixe Ideen, man mußte sich nur ranhalten, wenn etwas abfiel.

Der Rest des Tages schleppte sich dahin, wie immer.

Um acht Uhr den Abend saß Jesper in Gedanken vertieft vor dem Computerbildschirm seines Vaters am Schreibtisch und spielte Half Life. Er bediente die Tastatur mit überlegener Leichtigkeit. Denn er war besessen auf Computerspiele, Abenteuer, - und Camilla in 4. C.

Sein Vater machte die Programme für all diese merkwürdigen Spiele, und Jesper probierte sie aus. So ging es eine Zeit lang.

Sein Vater sagte, daß er ein Versuchskaninchen war.

Jesper betrachtete sich selbst auf eine mehr heldenhafte Art.

Er kämpfte sich durch das Weltraumspiel und die Lazer-strahlen und wenn er starb hatte er doch einige Male einen Rekord aufgestellt und konnte seinen Namen auf den Bildschirm schreiben.

Er starb so unmerklich und lebte mit einem Knopfdruck weiter. Das war leicht - keine Hexerei.

Es waren jetzt acht Half Life Männer hinter ihm her. Nun mußte er zeigen, wozu er taugte.

Seine Mutter wurde aufmerksam auf ihn, jetzt, wo die Schrecken der Fernsehnachrichten überstanden waren.

"Du siehst müde aus, du solltest lieber ins Bett gehen, damit du frisch für morgen bist."

Jesper nickte, sagte gute Nacht und ging ohne Proteste nach oben ins Bett.

Die Half Life Männer fingen ihn und fraßen ihn, bevor er die Treppe erreichte.

Die Eltern saßen schweigend da und sahen einander an. "Glaubst du, er ist krank?" fragte sein Vater.

"Wir sollten lieber ein Auge auf ihn haben," antwortete seine Mutter. "Jungen in diesem Alter stecken voller Überraschungen."

Das war nämlich das erste Mal, daß Jesper Aksel Bergmann jemals ohne Kampf zu Bett gegangen war.

Bevor er unter die Decke hüpfte, zog er sich das Zeug an, das Prinzessin Isabel von Abenteuerland ihm gegeben hatte. Er hielt den Hut mit der buschigen Feder an seine Brust und hoffte, daß es genauso kommen würde, wie letzte Nacht.

Er wirbelte durch die Dunkelheit. Dann lag er dort wieder - im Graben und blinzelte mit den Augen in den klaren Sonnenschein. Ob es in dieser Traumwelt hier nie regnete?

Am Waldrand stand ein Pferd an einem der Bäume festgebunden. Ein großes, weißes Pferd mit schwarzen Augen und einem langen, dicken, weißen Schwanz. Seine Mähne war zu vielen kleinen Zöpfen geflochten, die in Büscheln unten am Hals endeten.

Auf seinem Rücken war ein Sattel mit einer Hinterkante aus Holz - geschnitzt wie Drachen mit goldenen Zungen. Und die Zügel waren ein Band in kräftigen Farben, festgemacht um den Sattelknauf.

Als er über den Kiesweg ging, drehte das Pferd den Kopf und sah ihn an.

Es wirkte fast stumpfsinnig, sah ihn und sah ihn doch nicht. Aber es wartete geduldig.

Er war gezwungen auf den Baum zu klettern, zwei Äste hoch, um von da aus auf den Sattel zu springen. Die Steigbügel mußte er bis zum obersten Loch der Riemen verkürzen, so, wie er es mal in einem Film gesehen hatte. Dann war er fertig, um davon-zureiten.

Das Pferd schritt fort, schaukelte in großer Höhe unter ihm. Es sah sich um, um zu sehen, ob er ängstlich war. Es schien ihm, als wäre er es nicht, worauf es in Galopp überging. Er ließ Zügel sein und klammerte sich an den Sattelknauf, so fest er konnte. Das war das Schwierigste, was er jemals versucht hatte - auf einem Pferd zu reiten, das 40- bis 50-mal zu groß für ihn war.

Sie donnerten dahin über die Spiegelfläche - zur Mauer mit dem riesigen Tor.

Es war geschlossen. Das Pferd blieb stehen und stierte herum. Er mußte sich etwas einfallen lassen, das Pferd wirkte nicht sehr schlau.

Er ritt ganz nah zum Tor und klopfte mit den Handknöcheln dagegen.

Das Klopfen war kaum zu hören. Aber sobald das erste Pochen ertönt war, öffnete es sich mit einem tiefen Jaulen, sodaß er hindurchreiten konnte.

Die Soldaten standen innen davor mit Gewehren, Bärenfellmützen und glänzenden, schwarzen Stiefeln. Sie präsentierten die Gewehre als er vorbeiritt, aber sie lächelten nicht oder riefen: "Tag, Jesper Aksel Bergmann, willkommen in Abenteuerland..." oder so etwas ähnliches - vielleicht phantasievolleres. Sie standen - steif wie Säulen - und folgten ihm mit den Augen.

Er nickte, wie ein heimkommender Feldherr es getan hätte, und spornte sein weißes Roß an.

Das setzte sich sofort in Galopp und er hatte genug damit zu tun, sich festzuhalten. Der Wind blies ihm seinen Hut mit der Feder in den Nacken, aber das bedeutete nicht so viel.

Er sah sich neugierig um, während er ritt.

Es kam ihm vor, als würde er alles schon kennen, obwohl er erst das zweite Mal hier war.

Die Neugierde trieb ihn dazu, am Zügel zu ziehen. Das Pferd wandte sich nach rechts, hinein in den Wald.

Die Bäume glichen nicht denen zu Hause. Nicht sehr viel. Denn die Stämme waren sehr viel dicker und hatten schwere, verkrüppelte Äste.

Das Pferd verlangsamte die Bewegungen und sah sich um. Seine Ohren drehten sich auf seinem Kopf und lauschten nach dem einen oder anderen. Es war sich hier nicht sicher, vielleicht hätte es gar nicht in den Wald laufen sollen.

"Na, Mist," dachte Jesper. "Ich habe den Säbel mit, und außerdem ist es hier so still..."

Das Licht verschwand, die Bäume standen dicht und der Waldboden lag im Halbdunkel. Als er horchte, konnten beide, er und das Pferd, hören, daß sie nicht allein im Wald waren.

Der schwarze Sigurd

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