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Wie herrlich: Aufwachen ohne Wecker, Aufstehen ohne Eile, der Blick auf die Uhr ohne Bedeutung. Sie schlüpfte in den weißen Morgenmantel aus Kaschmir und Seide, streckte die Arme zur Zimmerdecke, gähnte ausgiebig und genoss das Vergnügen, die Hand nicht vor den Mund nehmen zu müssen.

Sie schob die bodenlangen Gardinen zur Seite und blickte in den Park. Ziemlich weit entfernt entdeckte sie Walter, den Gärtner, der sich an der Hecke zu schaffen machte. Den Pool hatte er schon vom nächtlich fallenden Laub befreit, das blaue Wasser lud zu einem beherzten Sprung ins Kühle ein. Nein, heute nicht, heute war Donnerstag, und der Donnerstag musste immer mit einem Lauf im Wald beginnen.

Wie herrlich: Das Internat in der Schweiz mit dem halbwegs geglückten Abitur lag nun schon viele Wochen hinter ihr, nun lag ein Leben voller Möglichkeiten vor ihr. Noch musste sie sich nicht entscheiden, welches Studienfach sie wählen sollte, das hatte Zeit. Ihr Vater hatte zwar schon sanft gedrängt und zu Jura geraten, aber sie fühlte sich zur Kunst hingezogen. Im Ausland studieren? Wozu denn! In den Ferien war sie schon in Kalifornien gewesen, in Kanada, in Australien und Neuseeland, in London, in Kapstadt. Sie wollte nach Berlin.

Maria, die treue Seele in Küche und Haushalt, hatte, wie an jedem Donnerstag, die Schokolade vorbereitet und unter dicker Haube vor dem Auskühlen bewahrt. Die junge Frau grüßte mit der fürs Personal angemessenen Freundlichkeit, dankte für die Schokolade mit den gleichen Worten wie immer, trank einige Schlucke und verließ den Frühstückssalon, um in den für sie reservierten Teil des Hauses zurückzukehren. Sie zog sich freizeitlässig an und nahm die Sporttasche, die Sebastian, der für Haus und Fuhrpark zuständige Österreicher, ihr wie an jedem Donnerstag mit frischen Sportsachen gepackt hatte. Sie ging zu ihrem elektrobetriebenen Sportrad, das Sebastian bereits aus der Garage geschoben hatte, belud es mit der Tasche, schwang sich in den Sattel und fuhr los in Richtung zum Wald.

Nach 3,74 Kilometern, abzulesen auf dem technisch hochwertigen und vielseitigen Tachometer, band sie das Rad an den Stamm einer Buche am Wegrand und stellte die Tasche auf die nahe Bank. Sie liebte diesen wie eine Skulptur am Wegrand auf sie wartenden ruhenden Pol, der den Anfang und das Ende ihrer Laufstrecke kennzeichnete. Sie streifte ihre bunt gemusterten Leggings ab, unter denen sie eine kurze Sporthose von weltbekannter Marke trug, entledigte sich des Kaschmirpullovers, unter dem ein kurzärmeliges Seidenpolohemd zum Vorschein kam, nahm die sündhaft teuren, ausgiebig gelüfteten und von Sebastian mit Deodorant eingesprühten Sportschuhe aus der weichledernen Tasche, zog die leichten Radfahrerschuhe aus, streifte die Laufschuhe über die nackten, wohlpedikürten Füße, machte einige Übungen, um Gelenke und Sehnen auf das Laufen vorzubereiten, machte noch drei, vier Rumpfbeugen, kreiselte die Arme wie die Flügel einer Windmühle durch die Luft, stellte die Platinuhr am Handgelenk auf null für Zeit und Weglänge und begann ihren Lauf, der an jedem Donnerstag genau fünfzig Minuten dauerte.

Ihre Laufstrecke führte vorbei am Parkplatz für Wanderer, auf dem nie ein Auto stand, führte in den Wald aus Buchen, Eichen, Fichten und Kiefern, die einen schützenden Schattenschirm boten. Der Weg war in der Mitte von einem grün bewachsenen Streifen in zwei Hälften geteilt, es war eine ideale Laufstrecke, die leicht ansteigend immer tiefer in den Wald hineinführte. Nach exakt achtundzwanzig Minuten zeigte ein Summton der Uhr an, dass es Zeit zur Umkehr war. Auf der nun leicht abschüssigen Strecke konnte sie bei zunehmendem Lauftempo in zweiundzwanzig Minuten zur Bank zurückkehren.

Sie liebte diesen Wald und die Stille, die vom leisen Rauschen der Blätter und vom Gezwitscher der Vögel wohltuend begleitet wurde. In den Wochen seit ihrer Heimkehr aus der Schweiz war sie hier erst ein einziges Mal einem Menschen begegnet, einem Mann, der, wie es den Anschein hatte, auf Pilzsuche war und keinen Anlass zu Befürchtungen gab.

Auch an diesem Donnerstag war der Wald menschenleer. Sie atmete den würzigen Duft des Waldes, dem schon herbstliche Gerüche beigemischt waren, tief ein. Als sie sich ihrer Bank näherte, beschleunigte sie die Schritte und freute sich auf das zu erwartende Gefühl der wohligen und erholsamen Ruhe. Sie stutzte kurz, als sie den mausgrauen Wagen sah, der vor fünfzig Minuten noch nicht auf dem Parkplatz gestanden hatte, lief dann die wenigen Schritte zur Bank und setzte sich, streckte die langen Beine von sich, legte die Arme auf die Rückenlehne, schloss die Augen und versank in fast meditative Ruhe. Drei Minuten wollte sie sich dem Glücksgefühl der Einheit von Leib und Natur hingeben, ehe sie sich auf den Heimweg machte.

Der Mann im Gebüsch hinter der Bank musste nun zügig handeln, denn er wusste aus Beobachtung, dass die Läuferin nur wenige Minuten auf der Bank sitzen blieb, ehe sie zu ihrem Fahrrad ging. Behutsam schraubte er die Flasche auf, ließ ausreichend Flüssigkeit auf die Watte fließen, erhob sich geräuschlos, machte die wenigen Schritte zur Bank und drückte der Frau die Watte aufs Gesicht. Ein kurzes Aufbäumen, ein erstickter Schrei, ein winselndes Stöhnen, dann saß die Frau ruhig und aufrecht auf der Bank.

Jetzt musste alles schnell gehen. Was zu tun war, hatte er ausreichend oft in Gedanken durchexerziert und gestenreich geprobt. Er zog die Maske vom Gesicht und steckte sie ein, nahm den warmen, etwas verschwitzten Körper, der leichter war, als er geschätzt hatte, auf den Arm und trug ihn mit raschen Schritten zum Wagen. Käme jemand vorbei, er könnte die beiden für ein verliebtes Paar halten. Der Mann spürte den dünn bekleideten Körper auf seinen Armen und bemühte sich, nicht in das überaus schöne Gesicht zu blicken. Es genügte, dass ein leichter, kaum wahrnehmbarer Duft nach Lavendel und Vanille ihn betörte. Er öffnete die Hecktür, stieg ein und legte sein Opfer auf die gepolsterte und zum Bett ausgezogene Bank. Dann ging er zurück zur Bank am Wegrand, sammelte die Watteteile auf, suchte und fand die Flasche, nahm seine Tasche und die der Frau an sich, suchte den Platz nach verräterischen Überbleibseln ab, war zufrieden und ging zurück zum Wagen. Das Fahrrad interessierte ihn nicht, es konnte ihn nicht verraten.

Die Frau lag entspannt auf dem Bett, ruhig und tief atmend. Für einen Augenblick träumte er sich in eine andere Handlung, in der er Verführer war und nicht Entführer. Dann besann er sich darauf, was zu tun war, band ein schwarzes Tuch so um den Kopf der Frau, dass die Augen bedeckt waren, klebte ein dehnbares und luftdurchlässiges Band über ihren Mund, befestigte ihren Körper mit textilen Gurten so, dass er nicht abrutschen konnte, band auch die Arme an den Bettrand, prüfte das Lager auf Festigkeit, damit dem Opfer während der bevorstehenden Fahrt bei scharfem Bremsen nichts Vermeidbares geschehen konnte, stieg aus, schloss die Hecktür, ging zur Fahrerkabine, ließ den Blick ein letztes Mal prüfend über die nahe Umgebung schweifen, stieg ein, startete und fuhr los. Das Schwerste, so dachte er, war geschafft. Ein Gefühl von Glück überströmte ihn, während er vom Feldweg auf die Kreisstraße bog und mit vorgeschriebener Geschwindigkeit in Richtung Bundesstraße und Autobahn fuhr. Er schaltete den CD-Spieler ein, das Andante des vorsorglich eingelegten Doppelkonzerts von Brahms beruhigte seine Nerven allmählich.

Er beachtete alle Vorschriften der Straßenverkehrsordnung peinlich genau, um nicht in eine Situation zu geraten, woraus später Schlüsse auf seinen Weg gezogen werden konnten. Zweiundzwanzig Minuten nach der Abfahrt vernahm er Geräusche, die darauf schließen ließen, dass seine Geisel das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Um die junge Frau nicht länger als nötig ihrer Angst zu überlassen, parkte er den Wagen an nächster Stelle, die kein Aufsehen erregen konnte.

Er stieg aus und ging zur Hecktür. Was er jetzt sagen sollte, hatte er sich sorgfältig ausgedacht. Das Wichtigste war, die zu erwartende Panik der Frau möglichst rasch zu dämpfen, sie in ihrer Todesangst zu beruhigen. Er öffnete, stieg ein und schloss die Tür wieder. Die Frau konnte den Geräuschen entnehmen, dass nun der Entführer vor ihr stand. Sie wand sich auf dem Bett, soweit die Gurte es zuließen, und stieß kurze Schreie aus, die durch den Mundverband erheblich gedämpft wurden.

„Haben Sie keine Angst“, begann er mit möglichst tiefer und ruhiger Stimme, „es wird Ihnen kein Leid geschehen. Hören Sie mir bitte ganz in Ruhe zu, damit Sie verstehen, worum es mir geht. Ich werde Sie nun zu einem Ort fahren, wo Sie für kurze Zeit leidlich bequem leben können. Es wird Ihnen an nichts fehlen, außer an Ihrer Freiheit. Aber wenn Sie geduldig und verständnisvoll mitmachen, werden Sie bald wieder frei und zu Hause sein. Leider muss ich Sie noch eine Weile hier liegen lassen, wir haben eine lange Fahrt vor uns. Sie haben sicher Durst, deshalb gebe ich Ihnen jetzt zu trinken. Ich werde einen Strohhalm durch die Mundbinde stoßen und Ihnen eine Flasche mit Mineralwasser hinhalten. Trinken Sie möglichst langsam und in kleinen Schlucken. Sind Sie bereit?“

Sie nickte, die Tränkung verlief ohne Probleme.

„Zu essen bekommen Sie später. Und wenn Sie Druck auf der Blase verspüren, lassen Sie es ruhig laufen, wie ein Baby, ohne Scham. Wenn wir angekommen sind, werden Sie Gelegenheit haben, sich zu waschen und frische Kleider anzuziehen. Wenn Sie jetzt keinen Durst mehr haben, nicken Sie bitte mit dem Kopf. Okay so? Danke. Und bitte versuchen Sie, sich zu beruhigen. Ich versichere Ihnen aufs Ehrenwort, dass Ihnen nichts geschehen wird. Bis später.“

Er widerstand der Versuchung, der Frau tröstend übers Haar zu streichen, sie hätte es vermutlich falsch gedeutet und wäre erst recht erschrocken. Leise schloss er die Hecktür, trat neben dem Wagen ins Gebüsch, um seine Blase zu leeren, dachte dabei an die Frau, die gewiss in misslicher Lage war, was den Überdruck im Unterleib betrifft. Er stieg ein, startete und fuhr wieder los. Nach einer Stunde hielt er wieder, fragte die Frau, ob sie Durst habe, gab ihr ein wenig zu trinken, lockerte einen zu fest gezogenen Gurt etwas und fuhr weiter. Nach weiteren dreieinhalb Stunden hatte er sein Ziel erreicht, ein kleines, in der Lichtung eines riesigen Waldgebietes liegendes Häuschen, davor ein Stück Wiese mit einem teilweise eingefallenen Zaun. Links vom Hauseingang stand ein alter Ziehbrunnen. Der Mann hatte die Kate vor einem Jahr entdeckt, hatte die Besitzer, die neunzig Kilometer entfernt lebten, ausfindig gemacht, hatte die Miete für drei Jahre im Voraus entrichtet und schriftstellerische Arbeit als Grund für seinen Wunsch nach Abgeschiedenheit genannt. Die Besitzer, beide in hohem Alter und ohne Nachkommen, waren einverstanden, dass er seinen Zweitwohnsitz nicht anmeldete, so mussten sie die Einnahme nicht dem Finanzamt melden. Nach und nach hatte er das Haus, das eine halbe Tagesreise von seinem Lebenszentrum entfernt lag, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen hergerichtet und bewohnbar gemacht.

Er öffnete die Hecktür des Wagens, sagte einige beruhigende Worte und erklärte der Frau, was er nun vorhatte. Er werde sie in ein Haus bringen, darin würde sie für einige Zeit bleiben und sollte es so bequem wie möglich haben. Er werde nun die Gurte entfernen und sie an der Hand ins Haus führen. Sie solle bitte Verständnis dafür haben, dass er ihr die Augenbinde erst etwas später abnehmen werde, aber den Mund könne er ihr schon jetzt frei machen, sie müsse wissen, dass alles Schreien nutzlos sei, da hier weit und breit niemand außer ihnen wohne. Ob sie alles verstanden habe? Sie konnte nun aufstehen, was ihr etwas schwerfiel nach der unbequemen Fahrt. Er nahm sie behutsam an der Hand, führte sie zur Wagentür, stieg zuerst aus und hob sie dann ins Freie, ließ ihre Füße in den sündhaft teuren Laufschuhen vorsichtig den Boden berühren, damit sie wusste, dass sie auf festem Grund stand, führte sie dann in das Haus, in dem es trotz langem Lüften etwas modrig roch, erklärte, dass sie im Hausflur seien und das Wohnzimmer betreten würden, sagte, dass sie nun in ein hinteres Zimmer gingen, das ihr Wohnraum werden sollte. Er übertrieb alle entstehenden Geräusche, damit die Frau erahnen konnte, was im Augenblick geschah. Jetzt, sagte er, sind wir im hinteren Zimmer, hier ist ein Stuhl. Er schob den Stuhl so nah heran, dass sie ihn spürte, und drückte sie dann sanft auf den Sitz. Ich mache jetzt das Licht an, sagte er, entzündete ein Streichholz – die Frau erschrak heftig – und brachte den Glühstrumpf einer Gaslampe an der Zimmerdecke zum Leuchten. Ich verlasse jetzt das Zimmer, sagte er, und ich sage Ihnen von außen, was Sie tun sollen. Er schloss geräuschvoll die Tür, öffnete eine Klappe, die in die Tür eingelassen war, stellte sich etwas zur Seite, so dass er von innen nicht gesehen werden konnte und sagte, sie dürfe nun die Augenbinde abnehmen.

Die Frau suchte mit den Fingern am Hinterkopf nach einer Schlaufe, löste sie und blickte sich angstvoll um. Sie befand sich in einem Zimmer von vielleicht drei Metern Breite, knapp vier Metern Länge und niedriger Höhe. Der Stuhl, auf dem sie saß, stand an einem Holztisch neben einem zweiten Stuhl, an einer Wand war ein Fenster mit Blick auf die nahen Stämme eines dunklen Kiefernwaldes, an einer anderen Wand stand ein einfaches Bett mit einer Wolldecke, daneben war eine weitere Tür, die dritte Wand wurde fast zur Hälfte von einem einfachen alten Bauernschrank verdeckt. Der Fußboden bestand aus alten, etwas ungepflegt wirkenden Holzbohlen, es lag kein Teppich darauf. Von der Decke hing eine schlichte Glaslampe, das Licht kam nicht von einer Glühbirne, sondern von einem kleinen, einem Kolben ähnlichen Gebilde, das leise zischend glühte. Sie hatte so etwas noch nie gesehen.

„Hören Sie mich?“, fragte der Mann. „Möchten Sie erst etwas essen oder sich frisch machen?“

Sie entschied sich fürs Waschen. Er bat um zehn Minuten Geduld, machte im Küchenherd ein Holzfeuer, holte Wasser vom Brunnen, und als es heiß war, füllte er einen Zuber, den er von der Küche in einen schmalen, fensterlosen Nebenraum schob, der vor Zeiten wohl als Speisekammer gedient hatte. Er holte kaltes Wasser vom Brunnen, schüttete es in den Zuber und prüfte die Temperatur der Mischung. Dann entriegelte er an der Seitenwand eine Tür, die zum hinteren Zimmer führte, ging in die Küche zurück und schob dort den Riegel vor. Im vorderen Zimmer öffnete er die Luke und erklärte der Frau, dass im Nebenraum ein Zuber mit warmem Wasser sei.

„Im Schrank finden Sie Waschzeug“, sagte er, „Seife und Handtücher, ebenso frische Wäsche, die Sporttasche bringe ich später. Sie können sich nun wieder in einen halbwegs zivilisierten Zustand versetzen“, sagte er betont freundlich, um sie zu beruhigen. „Lassen Sie die Tür auf, damit Sie Licht haben. Und keine Sorge, ich kann Sie nicht beobachten.“ Er schloss die Luke.

Er hörte, wie die Tür zum Nebenzimmer geöffnet wurde und vernahm bald darauf das Plätschern des Badewassers. Währenddessen bereitete er auf dem Herd eine einfache Mahlzeit zu, Spiegeleier mit Schinken, legte Weißbrot mit Butter und Käse dazu, auch Tomate und Salz. Nach etwa zwanzig Minuten hörte er ihr Rufen, sie sei fertig. Er brachte das Essen auf einem Porzellanteller an die Tür, öffnete die Luke und stellte sich so hin, dass er nicht gesehen werden konnte. Er reichte die Mahlzeit durch die Luke, rief bitte abnehmen, wartete, bis er spürte, dass sein Tablett entgegengenommen wurde, wünschte guten Appetit! und schloss die Luke. Aus dem Nebenraum vernahm er ein zaghaftes Danke. Die erste Stunde im Gefängnis war geschafft.


3

Maria, die treue Seele in Küche und Haushalt, hatte als Erste bemerkt, dass die Tochter des Hauses von ihrem donnerstäglichen Dauerlauf nicht rechtzeitig heimgekommen war. Sonst konnte man die Uhr danach stellen, wenn sie, nachdem sie das Rad an das Garagentor gelehnt hatte, in die Küche kam, um den Rest der Schokolade zu trinken, den sie auf Zimmertemperatur abgekühlt zu sich zu nehmen wünschte, ehe sie sich in ihren Wohnbereich zurückzog, um zu duschen und sich für das nächste Vergnügen anzukleiden.

Nun war sie schon zwei Stunden länger als gewohnt außer Haus, die Zeit für das Mittagessen, zu dem die Hausherrin heute vier Gäste erwartete, nahte. Sie war sich unschlüssig, ob sie ihrer Arbeitgeberin einen Hinweis auf das Ausbleiben der Tochter geben sollte, sie wollte sich einen Rüffel wegen unnötiger Unruhestiftung ersparen. Das Essen war so weit vorbereitet, dass es pünktlich um 13 Uhr serviert werden konnte, heute waren es nur vier Gänge.

Aus dem Küchenfenster blickend sah sie die Hausherrin mit ihren Gästen im Park beim Aperitif sitzen. Eine heitere Gesellschaft, die nicht gestört werden wollte. Die Zofe Jelena, die in Haushaltsführung ausgebildet werden wollte, hatte den Tisch sorgfältig gedeckt, nun trug sie gemeinsam mit Maria die Schüsseln und Schalen ins Esszimmer, es war zwanzig Sekunden vor eins. Pünktlich mit dem Gongschlag verkündete Maria den Herrschaften, es sei angerichtet. Man nahm Platz. Maria servierte, von Jelena unterstützt.

Vor einem Gedeck blieb der Stuhl leer. Im Beisein der Gäste wollte Maria erst recht keinen Hinweis auf das Fehlen der Tochter des Hauses geben. Jetzt musste die Mutter es ja selbst bemerken, aber sie war wohl zu sehr damit beschäftigt, ihre Gäste zu unterhalten. Nach dem Essen wurden Kaffee und Dessert auf der Terrasse serviert, die Hausherrin stellte die von Maria sehnlich erwartete Frage nach dem Verbleib der Tochter immer noch nicht. Als die Gäste sich verabschiedet hatten, zog die Hausherrin sich zur gewohnten Ruhepause in ihre Gemächer zurück. Gegen drei Uhr erschien sie in Reitkleidung in der Küche und erkundigte sich, ob Carolin sich gemeldet hätte. Aus Marias Nein war deutlich Besorgnis, ja Angst herauszuhören.

„Merkwürdig“, sagte die Hausherrin, „sie wollte doch mit mir zum Reiten gehen“. Und dann: „Es gehört sich nicht, die Mutter unentschuldigt warten zu lassen. Schon zu Mittag hat sie mich nicht unterstützt. Ich bin in zwei Stunden zurück. Für den Abend haben zwei Gäste abgesagt, es kommen also nur sieben.“ Und ab rauschte sie.

Die Hausherrin war etwa eine halbe Stunde außer Haus, als das Haupttelefon im Foyer klingelte. Es gehörte nicht zu Marias Pflichten, das Telefon zu bedienen, da aber der Hausverwalter offensichtlich irgendwo unabkömmlich beschäftigt war, nahm sie ab.

Eine gepresst klingende männliche Stimme sagte in ruhigem Ton: „Wir haben Ihre Tochter. Wenn Sie wollen, dass ...“

Maria hatte das Gefühl, in ihrem Herzen würde ein Hammer pochen. Mit sich überschlagender Stimme schrie sie ins Telefon: „Ich bin nicht die Mutter, die ist weg.“

Kurze Funkstille im Telefon, dann: „Sorgen Sie dafür, dass heute um 19 Uhr die Eltern im Haus sind. Ich rufe wieder an. Richten Sie bitte aus, die Tochter sei wohlauf.“ Schluss des Gesprächs.

Maria brach in Tränen aus, laut rufend lief sie durchs Haus auf der Suche nach einem männlichen Beistand, fand Sebastian, den Österreicher, in der Garage und rief „Carolin ist entführt“, ehe sie ohnmächtig zu Boden sank. Sebastian war wie vom Blitz getroffen, er wusste nicht, was zuerst zu tun sei, Maria wiederzubeleben oder die Hausherrin zu benachrichtigen. Er besann sich des erprobten Mittels, Ohnmächtige mit einem Eimer kalten Wassers ins Bewusstsein zurückzuholen, füllte einen Plastikeimer und goss den Inhalt Maria über den Kopf, die sofort wach wurde und zu schreien anfing. Sebastian brüllte „Ruhe!“, holte das Mobiltelefon aus der Hosentasche und wählte die Nummer, die er nur in äußerst dringenden Fällen anrufen durfte. Die Hausherrin meldete sich mit deutlich verärgerter Stimme wegen der Störung, war dann aber doch besänftigt, weil der Anruf wohl unüberhörbar einen berechtigten Anlass hatte und sagte umgehendes Kommen zu. Nur zwölf Minuten später kam sie an.

Maria, die sich einigermaßen wieder gefangen und getrocknet hatte, berichtete der Mutter von dem Telefonanruf.

„Ich muss sofort meinen Mann anrufen“, sagte die Hausherrin und entschwand in die Gemächer ihres Gatten. Sie suchte und fand den Terminkalender, sah, dass ihr Mann zur Stunde in London bei einer Besprechung sein musste, wählte die Nummer seines Mobiltelefons und fing sofort zu rufen an, als sie hörte, dass auf Empfang geschaltet worden war: „Carolin ist...“

Sie wurde unterbrochen: „Guten Tag, Frau Doktor Bendtner, hier spricht Werner Golt, der persönliche Referent Ihres Mannes. Was kann ich für Sie tun?“

„Um Himmels willen, holen Sie meinen Mann ans Telefon.“

„Das geht jetzt leider nicht, er hat mir strengstens...“

„Hören Sie doch, es ist ein Notfall, ich muss ihn sofort sprechen, machen Sie schnell.“

„Ich will versuchen, ihn zu erreichen, er ist in einer sehr wichtigen...“

„Hören Sie doch auf mit dem Quatsch! Er wird Sie rausschmeißen, wenn Sie nicht sofort...“

„Ich versuche es, er wird Sie sicher gleich zurückrufen.“

Sechs Minuten später kam der Anruf mit hörbar verärgerter Stimme: „Miriam, Du weißt doch, dass ich nicht...“

Jetzt brach die Hausherrin in Tränen aus und schluchzte: „Carolin ist entführt worden, Carl Friedrich, was soll ich denn tun?“

„Erst einmal ganz ruhig, meine Liebe. Und noch einmal, was ist genau passiert?“

„Ich war außer Haus, und da kam der Anruf, dass Carolin entführt ist. Maria hat das Telefon abgenommen. Er ruft um sieben heut Abend wieder an. Was soll ich denn machen?“

„Hast Du die Polizei angerufen?“

„Nein, natürlich nicht, das soll man doch nicht. Kannst Du nicht kommen?“

„Selbst, wenn ich gleich gehe, dauert es Stunden. Der Flieger steht in Heathrow, ich komm mit dem Hubschrauber hin, aber das dauert alles mindestens zwei Stunden, dann der Rückflug. Jetzt ist es kurz vor vier, also gegen zehn Uhr kann ich bei Dir sein. Schaffst Du es bis dahin allein? Ruf Kommerer an, er soll kommen, wir werden einen Anwalt brauchen, hörst Du?“

„Ja, es wird schon gehen. Aber was soll ich denn sagen, wenn der Anruf kommt?“

„Überlasse das Kommerer, der macht das schon. Sag ihm, er soll die Polizei einschalten.“

„Ist das nicht zu gefährlich? Man hört doch immer...“

„Überlasse das Kommerer, der wird schon wissen, was zu tun ist. Und ruf Wallmann an, er soll Dir eine Spritze geben zur Beruhigung, hörst Du?“

„Ja, Carl Friedrich, ich bin fix und fertig.“

„Jetzt nur nicht durchdrehen, hörst Du? Wir müssen klaren Kopf bewahren, hörst Du? Klaren Kopf, ganz wichtig, hörst Du?“

„Ja, Carl Friedrich, danke. Sebastian soll allen Gästen für heute Abend absagen, ich kann niemand brauchen. Und jetzt ruf ich Doktor Wallmann an, ist Dir das so recht?“

„Ja, mach das so. Und ich beeile mich mit dem Rückflug. Klaren Kopf bewahren, Miriam, auch wenn es jetzt schwerfällt, hörst Du?“

„Ja, es geht schon.“

Pünktlich um sieben Uhr abends klingelte das Telefon im Foyer. Doktor Martin Kommerer, der Anwalt der Familie Bendtner, nahm den Anruf an. Die Forderung der fremden und offensichtlich verstellten Stimme, mit einem Elternteil zu sprechen, wimmelte er ab, er sei bevollmächtigt, im Namen der Familie zu sprechen.

„Hier ist meine Forderung. Haben Sie etwas zu schreiben? Also, es sollen zwölf Millionen Euro, ich wiederhole, zwölf Millionen Euro auf folgendes Konto überwiesen werden: DE zwo sechs neun drei null null vier...“. Die zwanzigstellige Nummer eines Bankkontos wurde genannt. „Haben Sie das? Wiederholen Sie die Kontonummer!“

Der Anwalt sagte die Ziffernfolge auf und wies darauf hin, dass es äußerst schwierig sei, eine so große Summe in kurzer Zeit...

„Reden Sie keinen Unsinn, Sie haben die größte Privatbank. Und jetzt ist Schluss, für den Fall, dass die Polizei mithört. Ich rufe in zehn Minuten wieder an.“

Großes Rätselraten. Wie konnte ein Entführer auf die verrückte Idee kommen, ein Konto anzugeben für die Überweisung des Lösegeldes! In aller Eile wurde im Internet recherchiert, die Bank konnte ausfindig gemacht werden, es war die kleine, sehr noble Privatbank Grollmann & Grollmann.

Zweiter Anruf. „Sie wissen jetzt, wohin das Geld soll, alles klar? Und nun meine Bedingung: Innerhalb von vierundzwanzig Stunden, und ohne Rückversicherung, hören Sie? Keine Klausel mit der Bank, dass die Transaktion sittenwidrig zustande gekommen sei, klar? Der Tochter geht es gut. Ich rufe in zehn Minuten ein letztes Mal an, dann können Sie die Tochter hören. Over.“

Der Anwalt und die beiden Kriminalbeamten, die inzwischen angekommen waren, beratschlagten, was zu tun und was von der Sache überhaupt zu halten sei. Nach einhelliger Meinung war der Anrufer ernst zu nehmen, er machte keinen verwirrten Eindruck, seine Stimme, obwohl verfälscht, war ruhig, seine Aussagen klar und logisch, wenn auch kurios.

Das dritte Klingeln. „Letzter Anruf. Sie können jetzt mit der Tochter sprechen.“

Eine weinerliche Stimme: „Hallo Mama, ich bin’s, Carolin...“

„Einen Augenblick, Caro, hier spricht Martin Kommerer, ich geb’ Ihnen die Mutter.“

„Caro, wo bist Du... Caro, wie geht’s Dir?“ Eher schrilles Schreien als vernünftiges Reden.

„Hallo Mama, es geht mir gut, mehr darf ich jetzt nicht sagen. Grüß alle von mir. Ich muss Schluss machen.“

Die Mutter brach in Tränen aus.

Kurz nach zweiundzwanzig Uhr kam Carolins Vater aus London zurück, von seinem persönlichen Referenten begleitet. Der Hubschrauber war auf dem markierten und beleuchteten Platz im hinteren Teil des Parks gelandet, Sebastian, der Österreicher, stand mit dem Bentley bereit, um die knapp zweihundert Meter bis zum Haus so rasch und so bequem wie möglich zu überwinden.

Die Mutter hatte sich hingelegt und alles Erforderliche dem Anwalt überlassen. Sie stand sofort auf, als sie das Nahen des Gatten bemerkte, und so waren alle im Foyer versammelt, der Hausherr, seine Gemahlin, der Persönliche Referent Golt, der Anwalt Dr. Kommerer, der Hausarzt Dr. Wallmann, zwei Kriminalbeamte, einer der beiden war Kriminalhauptkommissar Schlemmer, die beiden Hunde und, etwas im Hintergrund, Maria, die gute Seele, die auf Anweisungen wartete, um sofort bringen zu können, was immer gewünscht werden sollte.

Nach kurzer Begrüßung forderte der Hausherr einen möglichst knappen Bericht über den Stand der Dinge und beauftragte damit den Anwalt. Nachdem er über die Vorfälle des Tages informiert worden war, wandte er sich an den Kriminalbeamten, den er für den Höherrangigen der beiden hielt.

„Was halten Sie davon?“, fragte er.

Kriminalhauptkommissar Schlemmer besann sich rechtzeitig darauf, dass er nicht Haltung anzunehmen hatte. „Gestatten, Kriminalhauptkommissar Schlemmer. Die Sache ist merkwürdig, Herr Doktor Bendtner“ begann er, „denn üblicherweise werden Geldforderungen von Entführern in bar verlangt. Beruhigend ist, dass Ihre Tochter“, und er wandte den Blick kurz zur Mutter, „am Leben ist und unverletzt zu sein scheint. Die Forderung, den Betrag auf ein Konto einzuzahlen, überrascht uns alle und lässt mehrere Schlüsse zu.“

„Nämlich?“, fragte der Hausherr ungeduldig.

„Entweder hat der Entführer einen Zugang zum genannten Konto, was aber unwahrscheinlich ist...“

Anwalt Kommerer wandte ein: „Die Bank als Verpflichtete darf das Geld ja gar nicht auszahlen, es stammt doch eindeutig aus einer...“

„Ich bin ja noch nicht fertig“, sagte Schlemmer und warf dem Anwalt einen unfreundlichen Blick zu, „wir können davon ausgehen, dass der Entführer nicht der Kontoinhaber ist, dass er aber glaubt, einen Weg zu wissen, wie er an das Geld kommt. Wahrscheinlich wird er fordern, das Geld auf ein Konto einer weiteren Bank oder weiterer Banken zu überweisen, so lang er seine Geisel in der Gewalt hat.“

„Was bringt das?“, fragte der Anwalt.

„Er wird eine Bank außerhalb der EU wählen...“, sagte Schlemmer.

„Wegen Wegfalls der Apostille“, sagte der Hausherr, „dem Haager Abkommen sind ja achtzig Staaten nicht beigetreten.“

„Die Transaktionen gehen heute sehr schnell“, sagte Schlemmer und erhoffte sich ein zustimmendes Nicken des Hausherrn, „innerhalb von weniger als zwei Tagen kann ein Helfershelfer irgendwo auf der Welt das Geld in Empfang nehmen.“

„Hältst du die genannte Option für die wahrscheinlichste, Carl Friedrich?“, fragte der Anwalt den Hausherrn und ließ die Intimität seiner Beziehung zum Bankier etwas zu deutlich spüren.

„Die genannte Option ist durchaus realistisch. Es sind auch andere denkbar.“

„Steckt vielleicht ein Konkurrent dahinter?“, fragte Kommerer.

„Konkurrenz kannst du vergessen,“ sagte der Hausherr, „wer glaubt schon, dass er mich mit zwölf Mio ruinieren könnte. Ich kenne Grollmann und rufe ihn an, aber wir müssen genau prüfen, ob andere dahinterstecken. Was meinen Sie, meine Herren von der Polizei, sollen wir zahlen?“

„Nun, wir wissen nicht, was passiert, wenn Sie nicht zahlen. Der Entführer hat nichts dazu gesagt, auch keine Drohung ausgesprochen. Aber wir müssen mit allem rechnen, auch mit dem Schlimmsten, wenn nicht gezahlt wird.“

„Was meinst du, Martin, können wir unter Bedingung zahlen?“

„Du meinst...? Ich lass alles prüfen, vielleicht gibt Paragraf 525 BGB etwas her.“

Jetzt meldete sich der Persönliche Referent Werner Golt zu Wort: „Wir dürfen die öffentliche Meinung nicht vergessen. Der Fall wird publik werden. Der Boulevard wird argumentieren, die zwölf Millionen würden sowieso als Spende von der Steuer abgesetzt, also die Hälfte zurückfließen.“

„Scheiß drauf,“ sagte der Hausherr, der als Einziger in diesem Kreis sich einen solchen Ton erlauben durfte, „wenn ich auf die Meinung der Masse Rücksicht nehmen würde, wär ich pleite. Die Presse wird so oder so wieder über uns herfallen, wenn das Mitleid mit den armen Eltern erst einmal vorbei ist. Die Frage ist allein juristisch zu klären, nicht moralisch.“

Jetzt meldete sich zum ersten Mal Carolins Mutter zu Wort, die bisher leise vor sich hin schluchzend in der Récamière versunken war: „Wie kalt du argumentierst! Als ob das Leben unserer Tochter von Paragrafen abhinge. Sie ist jetzt in diesem Augenblick in der Hand von Verbrechern, die vor nichts zurückschrecken. Und da geht’s dir um die paar Groschen! Du solltest dich schämen!“

„Du verwechselst mal wieder Moral und Recht, meine Liebe. Wenn es sein muss, zahlen wir natürlich, aber man muss doch alles bedenken, auch die Frage klären, was rechtlich überhaupt zulässig ist. Vor morgen früh können wir sowieso nichts unternehmen, also lasst uns alles sorgfältig sine ira et studio analysieren.“

In die entstehende Pause hinein fragte Maria, ob die Herrschaften etwas zu essen oder zu trinken wünschten, und als hätte diese einfache Frage den normalen Ablauf des Alltags wieder zum Leben erweckt, wurden allseits Wünsche geäußert. Maria eilte in die Küche, brachte Vorbereitetes in kleinen Schüsseln und dazu Besteck und einen Stapel Teller herein, holte Gläser und überließ es dem Hausherrn, die passenden Getränke in Kristallkaraffen zu bringen.

Der Hausherr befragte den Kriminalbeamten Schlemmer nach seinen Erkenntnissen vom Tatort. Es gab vorläufig keine brauchbaren Hinweise, das Fahrrad wurde sichergestellt und auf fremde Spuren untersucht, negativ.

„Ist eine Fangschaltung eingerichtet?“, fragte Bendtner.

„Von einer Fangschaltung sprechen wir im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr,“ sagte Schlemmer, „sondern von...“

Ob entsprechende Vorkehrungen getroffen worden seien, unterbrach der Hausherr den sich ankündigenden Vortrag. Kriminalhauptkommissar Schlemmer unterdrückte seine Verärgerung, selbstverständlich sei alles Erforderliche...

„Konnten Sie Carolins Handy orten?“, fragte Bendtner.

Nein, sagte Schlemmer, es sei bestimmt ausgeschaltet oder zerstört.

Mit knappem „Danke!“ beendete der Bankier die Erläuterungen. Dann machte er einige Bemerkungen über den unglücklichen Umstand, dass die Entführung die Verhandlungen in London, die auf gutem Wege waren, unterbrochen hätte, äußerte die Überzeugung, dass die Geschäftspartner Verständnis für die Verzögerung aufbringen würden und setzte sich zu seiner Frau auf die Récamière, nahm ihre Hand und machte offenkundig Anstalten, sie zu trösten.

„Wird schon gut werden“, sagte er, „ich verspreche es dir.“

Nach kurzer Pause stand er wieder auf, äußerte die Ansicht, dass nun wohl nichts mehr an der Sache zu ändern sei und vor dem kommenden Morgen nichts unternommen werden könnte, schlug Nachtruhe vor und verwies auf die verschiedenen Gästezimmer im Nebentrakt. Kommissar Schlemmer beauftragte den zweiten Kriminalbeamten damit, am Telefon zu wachen, sagte Ablösung in vier Stunden zu und ging in das für ihn vorbereitete Zimmer.


Eine seltsame Entführung

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