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Die neue Melusine.

Johann Wolfgang von Goethe

Vorwort

Nicht bloß um mit dem größten Namen unserer Dichterwelt zu beginnen, sondern ungezwungen und mit gutem Rechte stellen wir die „Neue Melusine“ voran. Sie scheint nur ein Märchen zu sein, in Wirklichkeit ist sie eine Novelle.

Die Goethe'schen Märchen sind überhaupt nicht Märchen im reinen und erst dem neueren Verständnis erschlossenen Sinn des Worts: an die Rokokozeit anklingend, aus der sie stammen, sind sie ein zerfließendes Spiel mit halb versteckten, da und dort bedeutungsvoll hervortretenden und dann wieder neckisch untertauchenden Begriffen, ein wunderbar reizendes Geschlinge von Gedankenarabesken, die, wie der Dichter selbst zu verstehen gibt, an alles und doch auch wieder an Nichts erinnern wollen.

Gerade hierin nun macht die Melusine eine, fast möchte man sagen, vorteilhafte Ausnahme: sie neckt uns nicht mit verschwindenden Gebilden, sondern lässt, weil denn einmal angespielt sein soll, eine überall gleichmäßig durchschimmernde Allegorie der besten Art festhalten, indem sie — mit einer Anmut und Meisterschaft des Vortrags, worin sie ihren Geschwistern nicht nachsteht, vielleicht dieselben noch übertrifft, während sie als Novelle sicherlich unter den Goethe'schen den ersten Rang einnimmt — geistreich schalkhaft das bunte Treiben der Weltkinder schildert, das ihren gesetzten Zuschauern oft wie ein Märchen erscheint; so dass dem Hörer oder Leser aus der märchenhaften Verkleidung sofort Verhältnisse und Begebenheiten des wirklichen Lebens in die Augen springen müssen. Zu einer vollendeten Wirkung fehlt nur eine ausgeführtere Rahmenerzählung, worin etwa die Betroffenen selbst gegenwärtig wären und durch neckendes Hin- und Wiederwerfen des bunten Fangballs der Scherz gesteigert würde.

Ähnlich war ja die Wirkung gleich bei dem ersten Erzählen, als der junge Dichter mit den beiden Mädchen und dem Freunde in der Sesenheimer Laube saß, in welche Erwins von Steinbach Heimatberge nachbarlich über den Rhein herüber sahen. Die ältere Schwester lachte ausgelassen, die jüngere schüttelte den Kopf, und der Freund sagte nachher dem über seine „Fratzen“ selbst bedenklich gewordenen Dichter: Die guten Kinder sind mit solchen Dingen gar nicht so unbekannt, als du glaubst; denn die große Gesellschaft um sie her gibt ihnen zu manchem Nachdenken Anlass, und so ist überrein gerade ein solches Ehepaar, wie du es, nur übertrieben und märchenhaft, schilderst. Er gerade so groß, derb und plump, sie niedlich und zierlich genug, dass er sie wohl auf der Hand tragen könnte. Ihr übriges Verhältnis, ihre Geschichte passt ebenfalls so genau zu deiner Erzählung, dass die Mädchen mich ernstlich fragten, ob du die Personen kenntest und sie schalkhaft dargestellt hättest? — Dass der Dichter dagegen versicherte, es sei ihm gar keine Beziehung in den Sinn gekommen, das ändert an dem Charakter der Märchennovelle nichts.

Auch er hatte das Gefühl, dass dieselbe einer verdeutlichenden Abrundung auf festem Wirklichkeitsboden bedürfe. Daher, als er sie in das „Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1817“ gab, setzte er ihr eine Einleitung vor, die wir, da jener Almanach wohl ziemlich selten geworden sein wird, als eine gewiss beliebte literarische Kuriosität hier mitteilen.

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Deutscher Novellenschatz 1

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