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Der Biophilia-Effekt Sport im Wald ist Sport »zuhause«

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Wenn Ihnen der Aufenthalt in der Natur ein gutes Gefühl verschafft, dann ist es Ihre Biophilia, die Sie spüren. Das ist die Verbindung, das heilsame Band, zwischen Mensch und Natur, das sich im Laufe der Evolution in uns entwickelt hat. Das wusste schon Erich Fromm, der große deutsch-amerikanische Psychoanalytiker (1900 bis 1980).

Er sprach von den »biophilen Kräften« tief in der menschlichen Psyche, die sich nach den Lebens- und Wachstumsprozessen der Natur sehnen.4 Fromm ging davon aus, dass uns die Biophilia gesund erhält und seelisch ausgleicht, sofern wir ihr durch Kontakt zur Natur Raum geben. In den frühen Achtzigerjahren, nach Erich Fromms Tod, übernahm der in Fachkreisen weltweit renommierte Professor Edward Wilson an der Harvard University den Begriff in die Evolutionsbiologie und setzte die »Biophilia-Hypothese« in die Welt. Diese besagt, dass die Liebe zur Natur genetisch in uns angelegt ist. Als die Spitzensportlerin Tina Vindum aus dem Fenster des Fitness-Studios blickte und ihrem Drang nach draußen nicht mehr widerstehen konnte, war es die Biophilia, von der sie angetrieben wurde. In Vindums öffentlichem Lebenslauf erfahren wir, dass sie in den »atemberaubenden Bergen der Sierra Nevada« aufwuchs. »Es ist kein Wunder«, heißt es weiter, »dass sie eine solche Leidenschaft für Outdoor-Sport entwickelte.« 5

Aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass die Biophilia aber in fast allen Menschen wirkt und nicht nur in jenen, die im Grünen aufgewachsen sind oder, so wie Tina Vindum, sogar in einem Naturschutzgebiet. Nur sehr wenige von uns behaupten über sich selbst, keine Begeisterung für die Natur zu empfinden. Das Phänomen »Biophobia«, also das Gegenteil der Biophilia und somit die Ablehnung von Naturkontakt, taucht in umweltpsychologischen Umfragen nur selten auf. Obwohl unser gesellschaftliches Verhalten alles andere als naturfreundlich ist, bezeichnet sich fast niemand als »Naturhasser«. Ein prominenter Biophobiker ist der US-amerikanische Schauspieler, Filmemacher und Komödiant Woody Allen. Nach eigenen Angaben meidet er jeglichen körperlichen und sozialen Kontakt zu Tieren und Pflanzen und würde auch nie in einem natürlichen See schwimmen, »weil dort lebende Dinge drin sind«. Woody Allen bezeichnete New York City als das für ihn genau richtige Maß an Natur. Mehr Wildnis wolle er nicht.6

Auch wenn immer wieder über Menschen berichtet wird, für die von den Pflanzen und Tieren, den Flüssen und Seen, den Bergen und Wäldern nichts Reizvolles ausgehen soll, sind wir (die Autoren dieses Buches) in der Realität noch nie einem Menschen begegnet, der so wie Woody Allen über sich gesagt hätte, die Natur ließe ihn völlig kalt und er meide jeden Kontakt zu ihr. Unsere Erfahrungen aus Gesprächen mit Menschen lehrten uns vielmehr, dass die Natur für fast jeden von uns mit positiven Gefühlen verbunden ist, ganz egal, ob wir gebildet oder weniger gebildet sind, alt oder jung, reich oder arm. Uns ist noch kein bekennender Biophobiker begegnet – schon gar nicht unter Sportlern.

Professor Wilsons »Biophilia-Hypothese« dürfte also auf die meisten von uns zutreffen. Das Band zwischen Mensch und Natur ist uns in die Wiege gelegt. Ein Blick auf unsere Evolutionsgeschichte macht deutlich, dass es eher verwunderlich wäre, wenn das nicht so wäre. Zehntausende, ja sogar hunderttausende Jahre lang lebten unserer Vorfahren in Wäldern und in der afrikanischen Savanne. In der Savanne vollzog sich sogar der Übergang vom Homo erectus zum Homo sapiens. Die Natur, aus der wir entstammen, hat unmittelbar mit unserer Identität als Menschen zu tun. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass wir modernen Menschen noch immer eine unbewusste Vorliebe für Savannenbäume haben. Diese Baumformen gefallen uns am besten, wenn wir Bäume spontan nach ihrem Aussehen und nach ihrer Wirkung auf uns beurteilen. Unsere intuitive Verbindung mit den Savannenbäumen haben Wissenschaftler an Menschen überall auf der Erde festgestellt, ganz egal, ob diese in einer Großstadt oder am Land aufgewachsen waren. Die Umwelt unserer Vorfahren ist etwas Vertrautes für den Homo sapiens. Unsere Biophilia ist ein Ergebnis der Evolution. Für die Qualitäten der Natur als Physiotherapeutin ist vor allem unsere körperliche Verbindung zum natürlichen Erdboden ausschlaggebend.


Über Äonen hinweg haben sich die Anatomie und die Funktionsweise des menschlichen Körpers an seine natürliche Umwelt angepasst, so wie das auch bei den Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen der Fall war und ist. So wie jede andere Spezies passen wir einfach am Besten zu der Umwelt, auf die wir uns im Laufe der Menschheitsentwicklung spezialisiert haben. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei nicht um Asphalt und Beton handelt. Viele Menschen bekommen beim Joggen Knieprobleme sowie Probleme an den Hüften und der Wirbelsäule, wenn Sie auf hartem Untergrund laufen. Beim Lauf durch einen Stadtpark haben wir vielleicht das Gefühl, in der Natur zu sein, weil wir von grünen Bäumen umgeben sind, doch im Park bewegen wir uns, wie auf der Straße, auf harten Asphaltflächen. Die Erschütterungen und Stöße führen zu Abnützungen an den Gelenken und der Wirbelsäule. Sie können dadurch sogar chronische Entzündungen auslösen. Unser Bewegungsapparat ist für die moderne Lebenswelt einfach nicht gemacht, da nutzen auch »Stoßdämpfer« an den Schuhen nichts.


Unser Körper passt in die Landschaft wie ein Puzzlestein in den anderen, weil er durch sie geformt und gestaltet wurde.

Joggen auf natürlichem Untergrund ist hingegen eine gesunde Form des Sports, wie jeder Sportler aus Erfahrung nachvollziehen kann. Der weiche Waldboden und die grünen Wiesen geben unserem Gewicht nach und versetzen uns keine schädlichen »Schläge« von unten.

Unsere Füße müssen durch feinste Muskelgruppen in den Sohlen, die wir beim Gehen auf plattem Asphalt kaum benötigen, ständig die Unebenheiten des Bodens ausgleichen. Dadurch werden unsere Fußsohlen gestärkt und in Form gebracht. Diese Wirkung setzt sich durch den ganzen Körper bis in die Schultern und in den Nacken fort: Das ständige Balancehalten und der ununterbrochene Ausgleich der Unregelmäßigkeiten des Geländes trainiert unser gesamtes Muskelkorsett auf vollkommen natürliche Weise und ohne dass wir monotone Bewegungen mit schweren Gewichten durchführen müssen, die ebenfalls Schäden an den Gelenken verursachen würden.

Unser Körper passt in die natürliche Landschaft wie ein Puzzlestein in den anderen, weil er durch sie geformt und gestaltet wurde. Auch Liegestütze und Kraftübungen auf Felsen sind besonders effektiv, weil wir die leichten Unebenheiten des Felsens mit dem gesamten Körper ausgleichen und insgesamt mehr Körperspannung halten müssen. Dazu brauchen wir zwar einen ebenen Untergrund, dieser wird jedoch in der Natur nie so platt wie eine Trainingsmatte sein. Kraftübungen an Felsen und Baumstämmen bauen sogar die feinen Muskelgruppen in unseren Handflächen auf, weil wir mehr »Griff« brauchen und unsere Finger in das ganzkörperliche Sporterlebnis integrieren müssen. Öffnen wir erst unsere Augen dafür, so finden wir im Wald und auf Wiesen überall natürlich gewachsene »Fitnessgeräte«, die unserem Körperbau sehr entgegenkommen. So eignen sich Baumstämme und Totholz auch zum Balancieren sowie für Sprünge, mit denen wir nicht nur die Kraft in unseren Beinen sondern auch unsere Geschicklichkeit und Wendigkeit trainieren. So wie Tina Vindum können wir schließlich den Wald als einen einzigen großen Slalom- und Hindernisparcours betrachten.


Die Mitgliedschaft in der Natur resultiert aus unserer Evolution und nicht aus teuren Mitgliedsbeiträgen.

Vergessen wir nicht, dass der Homo sapiens mehr als hunderttausend Generationen lang als Jäger und Sammler lebte und seit etwa zehntausend Jahren als Ackerbauer. Unser Organismus ist von Natur aus darauf ausgerichtet, jeden Tag körperliche Höchstleistungen zu erbringen, um zu überleben. Typisch menschliche Betätigungen sind das Laufen und Klettern, das Tragen und Schleppen sowie das Stämmen von Objekten. Alle diese Urbewegungen lassen sich vorzüglich ins Biophilia-Training integrieren, weil wir beim Sport im Wald alles vorfinden, was wir dazu benötigen. Die Übungen in diesem Buch geben konkrete Anleitungen dazu. Das Biophilia-Training ist obendrein im Gegensatz zu Fitness-Studios völlig kostenlos. Die Mitgliedschaft in der Natur resultiert aus unserer Evolution und nicht aus teuren Mitgliedsbeiträgen. Unsere genetische Grundausstattung ist noch immer dieselbe wie in der Steinzeit.

Weil das tägliche Leben in den Industriegesellschaften aber ganz und gar nicht mehr der Natur des Homo sapiens entspricht – und übrigens auch nicht die Laufbänder und Geräte beim Indoor-Sport – werden viele Menschen krank. Wir bewegen uns zu wenig, kommen zu selten an die frische Luft und verbringen kaum mehr Zeit in unserem natürlichen, zu uns passenden Lebensraum. Selbst das Treppensteigen wird uns mehr und mehr abgenommen, weil überall Aufzüge und Rolltreppen errichtet werden. Hinzu kommen die zahlreichen Umweltgifte und schädlichen Einflüsse aus Industrie und Straßenverkehr.

Im Laufe dieses Buches werden wir sehen, dass wir im modernen Alltagsleben auch von wichtigen Natursubstanzen getrennt sind, die wir eigentlich bräuchten, um gesund zu bleiben. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Bluthochdruck, Krebs, Verdauungsbeschwerden, Übergewicht, die koronare Herzkrankheit sowie Depressionen nehmen in einem nie dagewesenen Maß zu. All die negativen Einflüsse, die uns im industriell geprägten Alltag krank machen, können wir durch Sport in der Natur ausgleichen. Das Biophilia-Training basiert auf grundlegenden und völlig einleuchtenden Erkenntnissen der menschlichen Evolution. Sport in der Natur ist Sport »zuhause«. Diese Zusammenhänge wollen wir uns im Detail ansehen.


Das Biophilia-Training

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