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Philostrat: Die Empuse

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Der Sophist Flavius Philostratos (ca. 165–ca. 249 n. Chr.) stammte von der Insel Lemnos. Er ging zur Ausbildung nach Athen und war zunächst dort und später auch in Rom ein bekannter Redner. Er erhielt Zugang zum Hof des Kaisers Septimius Severus und begleitete dessen Frau auf Reisen. Ihr widmete er auch sein achtbändiges Prosawerk über das geradezu abenteuerliche Leben des Apollonios von Tyana, die Biografie eines seinerzeit sehr bekannten neopythagoreischen Philosophen, der um 100 n. Chr. wirkte. Philostrats ausführliches Werk entstand 217–238 n. Chr.; als er es fertigschrieb, war die Kaiserin bereits verstorben. Viele der darin beschriebenen Erlebnisse sind indes kaum mehr als Anekdoten.

In dieser Erzählung begegnet Apollonios eine sogenannte Empuse. Empusen und Lamien (manchmal werden die Begriffe synonym gebraucht) sind frühe Vorformen des Vampirs. Empusen treten in verschiedener Gestalt auf, oft, wie hier, als schöne Frauen, die junge Männer betören, um schließlich ihr Fleisch zu fressen und ihr Blut zu trinken. Anders als die späteren Vampire waren sie jedoch vormals keine menschlichen Wesen, sondern sind Dämonen. Die Geschichte hier (Ap. 4.25) hat eine ganz besondere Qualität, da die Empuse eine komplette Phantomwelt aufzubauen imstande ist, die alle Anwesenden täuscht – außer natürlich den Philosophen. Nach manchen Überlieferungen sind die Empusen Kinder bzw. Geschöpfe von Hekate, der griechischen Göttin der Magie.

Verführerische schöne Frauen, die sich als böse und schädlich für den Mann entpuppen, gibt es freilich weit vorher, man denke nur an Kirke (s.S. 40ff.) und die „schöngelockte“ Kalypso in der Odyssee; dort tauchen auch die todbringenden Sirenen auf, die die Seefahrer, je nach Überlieferung, nicht nur durch ihre schöne Stimme anlocken, sondern auch durch ihr schönes Äußeres (die Loreley lässt grüßen). Die Sirenen sind wahrscheinlich noch älter als Homers Epos, ein uraltes Märchenmotiv aus dem Mittelmeerraum. Eine Empuse und mehrere Lamien tauchen später in Goethes Faust auf, im „Walpurgisnachtstraum“.

Die Übersetzung hier, 1828 erschienen, stammt aus der Feder des Gothaer Philologen und Schriftstellers Friedrich Jacobs (1764–1847). Er verfasste ein verbreitetes Altgriechisch-Lehrbuch und trat ansonsten vor allem als Herausgeber diverser kritischer Editionen antiker Texte in Erscheinung, z.B. der Griechischen Anthologie.

In jener Zeit philosophierte in Korinth Demetrius, ein Mann, welcher die ganze Kraft des Zynismus umfasste und den späterhin Phaborinos in vielen seiner Reden mit Beifall erwähnt hat. Dieser Mann fasste zu Apollonios eine Neigung wie vormals Antisthenes zur Weisheit des Sokrates, folgte ihm voll Lernbegierde und führte auch die ausgezeichnetsten seiner eigenen Schüler dem Apollonios zu. Unter diesen war auch der Lykier Menippos, welcher in einem Alter von fünfundzwanzig Jahren hinlänglich mit Geist begabt und wohlgebildet war, denn er glich an Gestalt einem schönen und edlen Athleten.

Viele hegten damals die Meinung, Menippos werde von einer fremden Frau geliebt. Diese Frau schien von schöner Gestalt zu sein, von vorzüglicher Zartheit und reich, wie sie sagten. Sie war aber nichts von alledem, sondern schien es nur zu sein. Als er nämlich eines Tages auf dem Wege nach Kenchreai allein wandelte, begegnete ihm ein Phantom in der Gestalt eines Weibes, fasste ihn bei der Hand und sagte, sie habe ihn lange geliebt, sie sei aus Phönizien und wohne in einer Vorstadt Korinths.

Sie nannte ihm die Vorstadt und setzte hinzu: „Wenn du am Abend dahinkommst, so werde ich dich mit Gesang und einem Weine bewirten, wie du noch nie getrunken hast. Auch wird dich kein Nebenbuhler beunruhigen, sondern wir werden zusammen leben – ein schönes Weib mit einem schönen Manne!“

Diese Worte besiegten den jungen Mann, welcher bei aller Kraft in der Philosophie doch der Liebe unterlag. Er besuchte sie am Abend und war auch nachher oft bei ihr wie bei einer Geliebten, ohne etwas von ihrer gespenstigen Natur zu ahnen.

Jetzt richtete Apollonios seine Blicke wie ein Bildhauer auf Menippos, fasste die Gestalt des Jünglings auf und betrachtete sie. Nachdem er ihn nun durchschaut hatte, sagte er: „Du schöner von schönen Weibern aufgesuchter Jüngling! Du hegst eine Schlange an deiner Brust und eine Schlange dich!“

Da sich nun Menippos hierüber wunderte, sagte er: „Du hast ein Weib, nicht eine Ehegattin. Glaubst du, von ihr geliebt zu sein?“

„Allerdings“, antwortete Menippos, „nach der Zärtlichkeit, die sie mir beweist.“

„Und wirst du sie heiraten?“

„Es ist ja erwünscht, ein Weib das uns liebt, zu heiraten.“

„Und wann wird die Hochzeit sein?“, fragte Apollonios.

„Ganz in der Kürze, vielleicht morgen.“

Zur Zeit des Mahles nun, die sich Apollonios bemerkt hatte, trat er unter die Gäste, die sich soeben versammelt hatten, und sagte: „Wo ist die Holde, durch die ihr zum Male berufen seid?“

Hier antwortete Menippos und stand errötend auf.

„Und das Silber und das Gold und der übrige Schmuck des Gemachs – wem von euch beiden gehört es?“

„Der Frau“, antwortete Menippos, „denn meine Habe ist nichts anderes als dies“, wobei er auf seinen Mantel deutete.

„Habt ihr“, sagte Apollonios, „die Gärten des Tantalos gesehen, welche sind und nicht sind?“

„Ja, im Homer“, antworteten sie, „denn in den Hades sind wir nicht hinabgestiegen.“

„Für das“, fuhr er fort, „haltet denn nun auch diesen Schmuck, denn er ist nichts Wirkliches, sondern nur der Schein des Wirklichen. Und damit ihr versteht, was ich sage: Die edle Braut hier ist eine der Empusen, die man ‚Lamien‘ und ‚Grauengestalten‘ nennt. Sie trachten nicht sowohl nach Liebesgenuss als nach Fleisch, vornehmlich nach dem Fleische der Menschen, und sie locken diejenigen, die sie verzehren wollen, durch Liebeslust an.“

Die Frau sagte hierauf: „Schweig, und geh!“, wobei sie Ekel und Abscheu vor dem, was sie hörte, zu erkennen gab und auch wohl die Philosophen als aberwitzige Schwätzer verspottete.

Als aber die goldenen Gefäße und das, was Silber schien, in den Wind ging und alles vor den Augen schwand und die Weinschenken und Köche und die ganze Dienerschaft unsichtbar wurde, stellte sich das Phantom, als ob es weine, und bat ihm die Qual der Prüfung zu erlassen, um es nicht zum Geständnis dessen, was es sei, zu nötigen. Da er aber doch nicht abließ, sondern in sie drang, gestand sie, eine Empuse zu sein und dass sie den Menippos mit Wollust nähre, um ihn aufzuzehren. Denn sie pflege schöne und junge Leiber zu speisen, weil ihr Blut rein und vermischt sei.

Diese Geschichte, die eine der denkwürdigsten in dem Leben des Apollonios ist, habe ich ausführlich erzählen müssen. Viele kennen sie zwar, da sie sich mitten in Hellas begeben hat, aber sie haben nur ganz kurz so viel davon vernommen, dass er zu Korinth eine Lamie entdeckt habe; was sie aber tat und dass die Sache den Menippos betraf, wissen sie nicht.

Antike mit Biss

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