Читать книгу Korridorium – fraktale Romanzen - Cory d'Or - Страница 13

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28.9.12

Ich betrete den Korridor, oder nein, meine Therapeutin hat gesagt, ich soll mich nicht immer gleich identifizieren und schön auf die Trennung zwischen ihm und mir achten, also: Er betritt den Korridor, er, die Lichtgestalt, mein Seelenzwilling, dem die Herzen der Menschen zufliegen, der ihnen Hoffnung macht und unter uns allen Zuversicht verbreitet. Er ist jetzt auf dem Weg auf die Bühne, ich spüre es, ich sehe es förmlich, als sei ich bei ihm, als sei ich er, als blickte ich aus seinen Augen, und tatsächlich sind wir im Grunde eins.

Er spürt es auch, das weiß ich genau, er spürt es, aber er weiß es nicht. Er spürt die Sehnsucht und ahnt, dass ich ihm ganz nah bin, dass er mir näher und näher kommt, wenn er in wenigen Augenblicken hinaustritt vor sein Publikum, vor die Fernsehkameras.

Sein Blick wird lächelnd über seine Zuschauer und Fans gleiten – auch über mich, die ich ganz vorne stehe. Irgendwann, eines Tages, wird er mich wiedererkennen, wird es ihm einen Stich ins Herz tun, und er wird sich erinnern, dass ich immer da war, immer, bei jedem seiner Auftritte, aus der ersten Reihe zu ihm aufschaute, und er wird wissen, dass wir zusammengehören, dass wir Seelengefährten sind seit Anbeginn der Zeit, uns hier endlich wiedergefunden haben und von nun an nicht mehr auseinandergehen.

Wir werden uns in die Arme schließen. Worte werden überflüssig sein. Wir lassen unsere äonenalte Sehnsucht und unsere universumsweiten Gefühle zueinander sprechen, und mein Messer wird dafür sorgen, dass der Moment unseres höchsten Glücks niemals vergeht. Die Klinge ist so lang, dass sie gleichzeitig auch mein Herz durchbohren wird. Auch er wird in diesem Moment wissen, dass sich nur so unsere Liebe erfüllen kann. Die Liebe und der Tod werden uns vereinen. Wir werden nie mehr getrennt sein. Nie mehr.

Da. Er tritt aus dem Korridor auf die Bühne. Der Applaus und die Hochrufe, die uns empfangen, sind überwältigend. Ich lächle ins Publikum. Trete ans Mikrofon. Lasse meinen Blick schweifen.

Korridorium – fraktale Romanzen

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