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25.4.12

Ich betrete den Korridor nie wieder.

Nachdem ich als akuter Notfall eingeliefert wurde, haben sie mich im Krankenhaus erst einmal mit Medikamenten ruhiggestellt und bei mir die Sucht (die Fachleute sprechen von »Zwangsstörung«) diagnostiziert, ständig Korridore betreten zu müssen. Deshalb wurde ich an eine Entzugsklinik überwiesen. Dr. A. Einrad, meine hübsche, aber sehr strenge Therapeutin, setzt eine Mischung aus dem 12-Schritte-Katalog der Anonymen Alkoholiker und einer Verhaltenstherapie ein, um mich von dem inneren Zwang zu heilen, bei jeder Gelegenheit unkontrolliert in Flure und Gänge hineinlaufen zu müssen.

Wir halten uns viel im Freien auf, und ich betrete unter ihrer Anleitung Lichtungen, Haine, Pilzkreise, Halbinseln, Steinbrüche und Hügelkuppen. Manchmal – bei einem Hohlweg beispielsweise – stockt mir kurz der Atem, und ich spüre wieder den übermächtigen Drang in mir hochkriechen. Aber von Mal zu Mal wird es besser. Nicht so, wenn ich an die Liste denke, die mich meine Therapeutin anlegen ließ. Im Rahmen einer gründlichen und mitleidslosen Inventur förderte sie mir mir all die zutage, die durch mich und meine Sucht geschädigt wurden: Familienmitglieder, Freunde, ahnungslose Hausbesitzer, Museumsangestellte, Wachleute, meine Leserinnen und Leser …

Dennoch: Ich fühle mich hier in guten Händen und kann hoffen, nicht wieder rückfällig zu werden. Letzten Endes tut es einfach gut, zu wissen, dass ich machtlos gegen die Korridore bin und nur etwas, das größer ist als ich, mich davor bewahren kann, ihnen wieder zu verfallen. Und am Ende der Therapie, mit Gottes Hilfe, werde ich ein kleines und bescheidenes, sicheres, behütetes und vor allen Dingen korridorfreies Leben führen können.

Korridorium – fraktale Romanzen

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