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15.6.2012

Ich betrete den Korridor in den Fußstapfen von Isidoros, dem Philosophen.

In den Archiven des Vatikans, zu denen ich nach jahrelangem bürokratischen Hickhack Zutritt bekommen hatte, um dort für meine Forschungen über Bilokation recherchieren zu können, stieß ich auf einen unbekannten Text des neuplatonischen Metaphysikers Isidor. Seine Ideen brachte er in Form von Hymnen, die er »Korridore«, diadromoi, nannte, zu Papier.

Ich habe den Text, ein mittelalterliches Palimpsest, aus dem Archiv herausgeschmuggelt, ursprünglich mit der Absicht, eine kommentierte Übersetzung anzufertigen. Sie hätte mich, dachte ich, berühmt gemacht und vielleicht auch ein wenig aus meinen notorischen Schulden herausgeholt. Doch habe ich mich in Isidors verschlungenen Korridoren heillos verirrt und angefangen, statt einer ernstzunehmenden Übersetzung kurze Nachdichtungen der Hymnen zu verfassen, Umschreibungen und unverhohlene Epigonismen, die dann schnell ein sehr seltsames Eigenleben entwickelten.

Ich muss damit aufhören!

Heute in aller Frühe erwachte ich und hatte den Nachklang eines Limericks im Ohr. Ja, auch Limericks zählen zu meinen paraphrasierten Neugestaltungen von Isidors wegweisenden Diadromoi. Das wissenschaftliche Establishment würde mich dafür steinigen. Ach was, mich mit einem Ig-Nobelpreis verhöhnen und auslachen würden sie mich.

Also mach ich jetzt Schluss damit! Ich werde diese vermaledeite Abschrift ins vatikanische Archiv zurückschmuggeln, all meine Aufzeichnungen vernichten und mich wieder an meine ursprünglich beabsichtigte Untersuchung der Bilokation begeben, bei der mich der Geist von Isidor hoffentlich nicht länger heimsuchen wird.

Korridorium - Storys aus dem Labyrinth

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