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Kapitel 3

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ICH WUSSTE nicht, was ich mit meinen Händen machen sollte. In die Tasche stecken? Das kam mir distanziert vor. Sie beim Gehen zu verschränken, wäre ebenfalls seltsam gewesen. Ich hätte sie einfach ganz normal neben mir lassen können, ohne so durchzudrehen – interessante Vorstellung. Doch ich verspürte die gleiche Nervosität wie vor der Umarmung. Wir waren nicht offiziell zusammen, Juns Gedanken sah man ihm nicht gut an und er sprach seine Wünsche auch nicht gerade offen aus. So wusste ich nicht, ob ich seine Hand halten sollte.

„Das Autoradio konnte anscheinend nur Lieder von Cher oder Jimmy Buffett empfangen“, sagte Jun gerade.

„Mein Beileid.“

Er lachte.

Ich blieb stehen. „He, warte mal kurz.“

Jun wartete und sah mich an. „Stimmt etwas nicht?“

„Ich werde einfach fragen, weil ich glaube, dass dir das am liebsten ist – Direktheit.“

Er zog eine Augenbraue hoch und starrte mich erwartungsvoll an.

„Ist Händchenhalten bei dir ein Ja oder ein Nein? Mir ist beides recht“, fügte ich hastig hinzu. „Aber für dich, ich weiß nicht, ob …“

Jun streckte unverzüglich eine Hand aus und verflocht seine Finger mit meinen, drückte sanft zu. „In Ordnung?“

Sogar sehr.

Wir befanden uns auf dem Weg zur Promenade, die man vom Smith-Haus zu Fuß in kaum zehn Minuten erreichte. Überall wimmelte es von Touristen. Einige trugen Badeanzüge und benötigten dringend mehr Sonnencreme, andere zogen Stadtpläne zurate, um das Kunstmuseum oder den Schmetterlingsgarten zu finden – oder einfach eine Bar, denn irgendwo auf der Welt war es sicher schon Abend, nicht wahr? Boote hatten angelegt und die Wasseroberfläche schimmerte in der Nachmittagssonne. Später, vor dem Sonnenuntergang, würden sich Straßenverkäufer und -künstler am mit Menschen überfüllten Mallory Square eingefunden haben, wo alle mit „Aaahs“ und „Ooohs“ den hübschen Himmel bestaunten.

Und das war nicht sarkastisch gemeint. Es ist wirklich schön hier in Key West.

Ich ging auf ein weißes Gebäude am Wasser zu. Die schablonierten Buchstaben an der Seite waren zwar seit langer Zeit durch die Sonne verblasst, jedoch gerade noch lesbar.

Sea Shack Beer & Grub.

„Von innen ist es schöner“, sagte ich. „Na ja … zumindest ist das Essen gut. Für die gegrillten Garnelen würde ich sterben.“

Jun folgte mir lächelnd hinein.

Alle Tische waren von Familien besetzt, weshalb es nur noch an der dreiseitigen Bar einige Plätze gab. Oben an der Wand hingen mehrere Fernseher, die Sport zeigten. An der gegenüberliegenden Seite trug die Brise durch eine Reihe offener Fenster den Geruch des Meeres herein.

„Ist die Bar dir recht?“, fragte ich.

„Klar.“

Ich schnappte mir zwei Hocker, bevor es die gerade ankommende Horde College-Jungs tun konnte. Sie ließen sich etwas weiter entfernt auf Juns anderer Seite nieder. „Also“, sagte ich und atmete tief durch. „Hattest du einen guten Flug?“

Juns Lächeln war zugleich herzerweichend lieblich und geradezu lächerlich sexy. Es war unfair, wie leicht er diese Gleichzeitig-nett-und-unanständig-Nummer abzog. Das Lächeln war nicht breit, nur ein hochgezogener Mundwinkel mit geschlossenen Lippen. Doch es lag an seinen Augen. Ohne jetzt schmalzig klingen zu wollen: Sie funkelten praktisch vor Freude, wenn er glücklich war.

„Er war nett. Der Katzensprung von New York nach Florida ist wesentlich angenehmer als die vierzehnstündigen Flüge nach China und Japan.“

Oh, richtig: Jun arbeitete in der Abteilung für organisiertes Verbrechen und war auf kriminelle Organisationen in Asien spezialisiert. Er setzte üble Typen wie Triaden und Yakuza außer Gefecht. Er sprach drei Sprachen und arbeitete mit internationalen Organisationen zusammen, um die Banden im Untergrund zu stoppen. Jun war also praktisch ein Superheld. Was nun, da ich total verrückt nach ihm war, verdammt beängstigend sein konnte. Schließlich schossen Leute auf ihn.

„Hallo, meine Herren“, sagte die Barkeeperin abgelenkt, als sie sich näherte. „Kann ich euch etwas bringen?“

„Sapporo vom Fass“, sagte ich.

Jun warf mir einen Seitenblick zu, bevor er sagte: „Für mich dasselbe.“

„Und können wir gegrillte Garnelen bekommen?“, fügte ich hinzu.

Nickend entfernte sie sich, um unsere Getränke zu holen.

„Ich dachte, du kannst nicht trinken“, sagte Jun, während er sich mir zuwandte, um mich genauer zu mustern.

„Tja, ein Bier wird mich nicht umbringen. Ich soll eigentlich keinen Alkohol mit meinen Stimulanzien mischen … welche ich heute Morgen vergessen habe. Also …“ Ich zuckte mit den Schultern.

Die Barkeeperin kehrte zurück, platzierte auf der Theke zwei Bierdeckel, die schon bessere Zeiten gesehen hatten und stellte unsere Gläser ab. „Das Essen kommt in ein paar Minuten.“

Jun bedankte sich und hob sein Bierglas. „Worauf trinken wir?“

„Darauf, dass ich hoffentlich mein Handy wiederfinde und dich dann in Zukunft nicht mehr an Flughäfen stehen lasse?“, schlug ich vor, während ich ebenfalls mein Glas nahm.

Er lächelte. „Lass uns auf diese Woche trinken und auf alles, was sie bringt.“

„Die schönen und die hässlichen Dinge?“, fragte ich und stieß mein Glas gegen seines. „Du hast nämlich noch nicht gesehen, was für ein grauenhafter Anblick ich morgens nach dem Aufstehen bin.“

„Ich bin sicher, dass du absolut umwerfend aussiehst“, murmelte Jun, bevor er einen Schluck Bier trank.

Uuuuund jetzt wurde ich rot. Verdammt. Ich trank einige Schlucke Bier, um mich zu beschäftigen.

„Also, was macht dich so nervös?“, fragte Jun.

„Abgesehen von dir?“ Anmachsprüche hatte ich echt drauf.

„An mir liegt es nicht“, sagte er, wobei sich ein leises Lachen durch seine Worte wand.

Offenbar hatte ich Anmachsprüche nicht drauf. „Es ist nicht wichtig.“

Jun zog eine perfekte Augenbraue hoch. „Lass hören.“

„Ach, komm schon“, jammerte ich. „Ich will nicht, dass du mich schon am ersten Tag hier ansiehst wie einen Verrückten mit einem Vogel oder so.“

Jun richtete sich auf. „Was ist los, Aubrey?“ Er war jetzt vollkommen ernst, was die Stimmung zerstörte.

Ich runzelte die Stirn und rieb mit den Fingern über mein Glas, um die Tropfen daran einzusammeln, bis mir klar wurde, dass die Geste ziemlich anzüglich wirkte, weshalb ich abrupt aufhörte. „Die Zusammenfassung für Lesefaule wäre: Heute Morgen habe ich im zweiten Stock des Smith-Hauses ein Skelett im Schrank gefunden und als die Polizei kam, war es verschwunden.“

Jun betrachtete nachdenklich sein Bier, überkreuzte seine langen, attraktiven Beine und schwieg.

„Du willst doch nicht etwa so tun, als hättest du für die Behauptung keinen passenden Spruch parat. Ich hatte nichts getrunken. Und ich habe es mir nicht eingebildet.“

„Aber du hast ein Skelett gesehen“, sagte Jun. „Das glaube ich dir.“

Ich legte den Kopf schräg. „Warum?“

„Warum nicht?“

„Ähm, nur, weil es sonst niemand tut.“

Jun nahm sein Glas und trank einen Schluck. „Wäre es dir lieber, wenn ich es bezweifeln würde?“

„Gott, nein.“

„Dann sollten wir herausfinden, warum es im Schrank war“, schlussfolgerte Jun.

Ich wedelte abwehrend mit den Händen, wobei ich mein Bierglas umstieß. „Oh, Scheiße. Verdammt!“ Ich stellte das Glas hin, während ich aufsprang, weil sich Sapporo über die Bar, meinen Schoß und den Boden ergoss. „Das ist frevelhaft.“

Während Jun aufstand und mit einem Stapel Servietten das Schlimmste aufsaugte, näherte sich schon die Barkeeperin. Sie nahm das durchweichte Papier und warf es fort, bevor sie den Rest mit einem Lappen reinigte. Mit weiteren der hauchdünnen billigen Servietten rieb ich über meine Hose, doch das Papier löste sich lediglich auf und zerfiel auf dem Stoff zu einem weißen Brei.

Igitt.

„Willst du ein neues Bier?“, fragte Jun.

„Lieber nicht“, antwortete ich kleinlaut. Meine Wangen brannten und ich konnte ihn kaum ansehen. Ich war so verdammt verlegen.

Unsere Barkeeperin kam zurück, um unsanft zwei Körbchen mit Garnelen und ein Glas Wasser vor uns abzustellen. „Du weißt doch selbst, dass du nicht trinken solltest, Aubs“, sagte sie streng, bevor sie sich wieder entfernte.

Jun klopfte auf meinen Hocker. „Setz dich.“

Das wollte ich gerade tun, als einer der jungen Kerle auf Juns anderer Seite rief: „He, kleine Schwuchtel, soll ich dir einen Shirley Temple bestellen?“

Ich war nicht der Typ, der bei so etwas ruhig sitzen blieb – wenn ich denn gerade saß. Ich ließ mir nichts gefallen. Fragt den Clown, dem ich eine verpasst habe. Allerdings bekam ich keine Gelegenheit, etwas Schlagfertiges und ausreichend Demütigendes zu erwidern, da Jun bereits aufgesprungen war und sich der Testosteronecke näherte.

Er sagte etwas, das die gesamte Gruppe dazu brachte, ihre Gläser zu nehmen und sich mit ihrem betrunkenen Tumult in einen anderen Teil der Bar zurückzuziehen. Anschließend nahm er wieder auf seinem Hocker Platz und bedeutete mir, mich ebenfalls zu setzen.

Verlegen kam ich der Aufforderung nach. „Wow. Was hast du ihnen gesagt?“

Jun schüttelte nur den Kopf und griff nach einer Garnele.

„Ernsthaft.“

Er sah mich an. „Ich habe eigentlich nicht vor, mich in deine Angelegenheiten einzumischen, aber ein solches Verhalten ist inakzeptabel.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Schon gut. Aber du weißt, dass ich sonst selbst etwas gesagt hätte, oder?“

„Natürlich.“ Er schob sich die Garnele in den Mund und murmelte: „Aber manchmal kann ich nicht anders, als das Arschloch mit der Dienstmarke zu spielen … Die schmecken hervorragend.“

EINE SACHE hatte ich nach dem Essen mit Jun unbedingt vor: Ihn nach Hause bringen, unsere Klamotten loswerden, etwas Schmutziges tun und dabei mit aller Macht hoffen, dass meine Kataplexie sich nicht meldete. Ich meine, ich hätte nichts dagegen gehabt, es langsam anzugehen, wenn Jun das wollte und darüber zu reden, wie es mit unserer potenziellen Beziehung aussah, denn das war, wie man ehrlich sagen musste, für beide von uns noch eine Grauzone. Aber nachdem er am Flughafen vergessen worden war und dann in der Bar mit meiner unkonzentrierten, chaotischen Gegenwart hatte umgehen müssen, verdiente Jun einen verdammten Blowjob.

Wo landeten wir also stattdessen? Im Smith-Haus.

„Jun“, sagte ich, wobei ich mich bemühte, nicht wie ein weinerliches Gör zu klingen. „Mein Häuschen ist wesentlich einladender. Lass uns zu mir fahren. Du kannst auspacken und dich entspannen … Ich könnte dir die Füße massieren.“

Jun sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an, die mehr sagte, als er selbst es üblicherweise tat.

„Ich könnte etwas anderes massieren“, versuchte ich es mit meinem besten verführerischen Blick.

Das brachte ihn zum Lächeln, was absolut nicht die Reaktion war, auf die ich es abgesehen hatte. Er streckte eine Hand aus, um mir kurz über den Hinterkopf zu streicheln. „Sie sind sehr niedlich, Mr Grant.“

Oh, okay, wenigstens war er zum Schäkern aufgelegt. Mr Grant nannte er mich immer, wenn er flirtete. „Also? Du, ich, mein Haus, und vielleicht könnten wir auf dem Weg ein oder zwei Hosen loswerden?“

„Ich würde lieber erst deinen Arbeitsplatz sehen.“ Jun löste seine Hand von meinem Haar und ließ sie kurz an meinem Hals verweilen, bevor er sie senkte. „Und diesen verdächtigen Schrank.“

Ich stöhnte recht theatralisch, ergriff jedoch seine Hand und zog ihn in Richtung Souvenirladen. „Na gut. Aber kein Trödeln. Rein und wieder raus, okay?“

„Okay.“

Ich führte ihn hinein und freute mich darüber, eine beachtliche Zahl von Touristen im Raum umhergehen zu sehen. Eigentlich hatte ich das Haus nach dem morgendlichen Fiasko nicht wieder öffnen wollen, doch ohne eine Leiche gab es keine ernsthafte Entschuldigung dafür, alles zu schließen. Hätte der Vorstand unserer gemeinnützigen Organisation davon – und von meiner nicht direkt überzeugenden Begründung für die Schließung – gehört, wäre ich im Handumdrehen in die Wüste geschickt worden. Also hatte Adam wieder mit dem Verkauf von Eintrittskarten begonnen, als Jun und ich uns auf den Weg zum Mittagessen gemacht hatten.

„Hi, Aubrey“, rief mir Adam von der Kasse zu.

„Ist hier alles okay?“

Adam nickte. „Zumindest hat bisher niemand von unansehnlichen Besuchern im Haus berichtet.“

„Sehr witzig“, antwortete ich trocken. „Ich bin nicht offiziell hier, ich zeige Jun nur das Haus und dann verschwinden wir wieder.“

Adam warf einen Blick auf Jun. „Alles klar.“

Ich führte Jun hinaus und in den Garten. Einige Besucher spazierten dort über die Wege, machten Fotos und lasen die Informationstafeln an einigen der seltenen und schönen Pflanzen, die sich vor Ort befanden.

Juns Hand legte sich auf meinen Rücken, und meine Güte – mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich derartige Berührungen eines Mannes vermisst hatte. „Ich glaube, dein Angestellter mag mich nicht.“

Ich riss meine Aufmerksamkeit von Juns Hand los, um stattdessen zu ihm aufzusehen. „Adam?“

„Mhm.“

„Wie kommst du darauf?“

„Nur so ein Gefühl.“

„Wieso? Melden sich deine Polizeiinstinkte?“

Juns Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln und er setzte sich in Bewegung, ging auf das vor uns aufragende Haus zu. „Nein.“

„Weißt du, er kommt absolut nie zu spät. Er wartet schon auf der Veranda, wenn ich zur Arbeit komme. Adam ist ein guter Junge.“

„Wenn er nicht gut wäre, hättest du ihn nicht eingestellt“, sagte Jun, womit er mir zuzustimmen schien.

„Wieso glaubst du dann, er würde dich nicht mögen? Adam mag jeden.“

„Freundesinstinkte.“

Ich blieb stehen, grinste und stemmte die Hände in die Hüften. „Ohhh.“

Jun blieb stehen, um sich zu mir umzudrehen. „Nicht dass …“

„Nein, nein, ich verstehe schon“, unterbrach ich ihn, wobei ich spürte, wie sich ein freches Grinsen auf meine Lippen legte. „Mr Tanaka, bitten Sie mich gerade offiziell, Ihr Freund zu werden?“

Jun schluckte mit hüpfendem Adamsapfel. „Nicht direkt.“

„Warum nicht?“

„Ich will nicht, dass du dich verpflichtet fühlst. Vor allem, weil ich zu Besuch bin und bei dir wohne …“ Er zuckte mit den Schultern.

„Ich werde wohl alt, denn ich habe noch nie etwas, das mir jemand gesagt hat, so attraktiv gefunden.“

Jun wandte kurz den Blick ab, hielt sich eine Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. „Also suchst du mittlerweile keinen Mann mehr, der sexy und leidenschaftlich ist?“

„Oh, und ob“, verbesserte ich ihn. „Aber ein Kerl, der auch gern über meine Gefühle redet? Das macht mich an.“ Ich ging einen Schritt auf ihn zu. „Ganz zu schweigen von Männern, die Fußleisten abstauben und sich mit Buchführung auskennen.“

Jun sah sich um, als wollte er sicher sein, dass sich keine gaffenden Touristen in der Nähe befanden und ergriff meine Hand, um mich näher an sich zu ziehen. „Auf mich trifft beides zu“, bestätigte er.

„Ja? Meine Jeans wird mir gerade etwas zu eng.“

Fältchen bildeten sich neben Juns Augen, als er lachte. „Und weißt du, welches andere Talent in meinem Lebenslauf steht?“

„Welches?“

„Es kam schon vor, dass ich Furcht einflößende Insekten aus dem Haus gebracht habe.“

„Oh, verdammt. Du machst mir jetzt besser einen Antrag. Dich lasse ich nicht mehr gehen“, sagte ich laut lachend.

Jun küsste meine Stirn.

„Also, wie sieht’s aus, Mr FBI? Willst du meine bessere Hälfte werden?“

Wie gesagt, Jun war ziemlich still. Es war irgendwie süß, weil ich ihn schon im offiziellen FBI-Modus erlebt hatte. Er war ein knallharter Typ wie aus einem Hollywoodfilm. Und flirten? Da gab es keine Probleme, genauso wenig wie mit öffentlicher Zurschaustellung von Zuneigung. Aber richtige Gespräche? Die waren nicht sein Ding. Wenn ich darauf wartete, dass er mir diese Frage stellte, wäre ich achtzig, bevor etwas passierte.

Die Sache mit dem Freund, dem meine Gefühle ebenfalls wichtig waren, hatte ich allerdings ernst gemeint. Mein letzter Freund, Matt O’Sullivan, hatte sich so wenige Male dafür interessiert, dass sich die Zahl bei unserer Trennung praktisch im Negativbereich befunden hatte. Erst als ich tausend Meilen von ihm entfernt gewesen war, hatte ich wirklich begriffen, wie sehr diese Beziehung meinem Selbstwertgefühl geschadet hatte. Aber Jun war daran interessiert. Er war oft daran interessiert. Und das war die Art von Mann, die man nach Hause mitnahm, um sie Ma und Pa vorzustellen.

„Das würde mir gefallen“, sagte Jun.

„Prima! Jetzt habe ich einen berechtigten Grund, dir meine Piercings zu zeigen.“

„Piercings?“

Ich stieß einen zufriedenen Laut aus und ließ ihn los. „Komm. Du wolltest das Haus sehen.“

„Das war, bevor ich von deinen Piercings wusste.“

„Ja.“ Gott, manchmal war ich so fies.

„Mehrere?“

„Allerdings.“

„Zum Beispiel wo?“

Ich erklomm die Stufen der Veranda und öffnete die Tür. „Da wirst du wohl eine gründliche Durchsuchung vornehmen müssen.“

Als wir eintraten, hielt Herb gerade einer Besuchergruppe einen seiner langatmigen, nicht besonders beeindruckenden Vorträge. Ich bedeutete ihm mit einem Wink, weiterzureden und führte Jun die Treppe hinauf. Im ersten Stock gingen wir am Schlafzimmer und den Kinderzimmern vorbei, bevor wir die Treppe zur nächsten Etage erreichten. Der zweite Stock war wie üblich leer und still. Touristen blieben niemals lange hier oben, obwohl das Büro des Captains meiner Meinung nach zu den interessanteren Teilen unserer Ausstellung gehörte.

„Ein beeindruckendes Haus“, sagte Jun, als wir in der zweiten Etage angekommen waren.

„Danke. Ich habe hier mehr Zeit und Mühe investiert als an jedem Ort, an dem ich selbst gewohnt habe.“ Ich deutete auf den berüchtigten Schrank. „Tja, das ist er.“

Jun starrte die Tür an, dann zur Treppe, dann wieder auf die Tür. „Könntest du ihn kurz öffnen?“

Mit einem Nicken löste ich den Ösenhaken. Der Schrank war noch immer leer.

Ich musste zugeben, dass ein kleiner – sehr kleiner – Teil von mir sich wünschte, dass Skelli wieder da wäre, damit ich zumindest hätte beweisen können, dass ich am Morgen nicht plötzlich für kurze Zeit verrückt geworden war. Ich deutete auf die Rückwand. „Da war er.“

Jun betrat den Wandschrank und aktivierte die Taschenlampenfunktion seines Handys, um sich umzusehen.

„Nicht viel zu sehen, stimmt’s?“

„Ja.“

Mit einem leisen Grunzen zwängte ich mich vorsichtig neben ihn in den Wandschrank. „Ich habe die alte Tapete entfernt und dabei diesen Riegel gefunden“, erklärte ich und hob ein Stück Tapete an, um es Jun zu zeigen. „Dann hat ein Stück der Wand nachgegeben und Skelli ist rausgefallen.“

„Skelli?“

„Er hing einfach raus wie eine traurige, leere Piñata.“

„Das wirft zweifellos viele Fragen auf“, stellte Jun fest, während er die schmale Nische ableuchtete, als hoffe er, etwas zu finden.

„Adam denkt, die Person wurde vielleicht ermordet. Denn warum sollte man sonst jemanden verstecken? Und Sebastian hat es ähnlich gesehen – Skelli wurde eindeutig versteckt, weil ihn niemand finden sollte.“

„Sebastian Snow?“

„Ja.“

Jun nickte. „Zieh ihn da nicht mit rein.“

„Das mache ich nicht. Ich habe es nur beiläufig erwähnt.“

„Als Ausrede, um sich einzumischen, scheint das bei ihm schon genug zu sein.“

„Ich bin ziemlich sicher, dass selbst Sebastian nicht extra auf die Keys kommen würde, um einem verschwundenen Skelett nachzuspüren – so verrückt er auch sein mag.“

„Sorgen wir dafür, dass es so bleibt. Ich bin nicht daran interessiert, Winter – so hieß er doch? – anrufen zu müssen, damit er seinen entlaufenen Assistenten abholt.“

Jun kannte Sebastian, weil dessen Freund, der für das Morddezernat arbeitende Detective Calvin Winter, derjenige gewesen war, der um FBI-Informationen zu einem ungeklärten Fall gebeten hatte. Ich glaubte nicht, dass Jun tatsächlich ein Problem mit einem der beiden hatte. Es war nur … na ja, ein Bundesagent gegen den für ein Stadtgebiet zuständigen Detective. Das ging nicht ganz ohne Schwanzvergleich.

Jun beugte sich mit dem Licht in die Nische. „Ich habe dein Handy gefunden.“

„Was?“ Ich näherte mich und sah hinein, während Jun danach griff. „Wie kommt es da bitte hin?“

Er reichte es mir.

Ich wischte über den Bildschirm, tippte den Code ein, und ja: vier entgangene Anrufe und ein halbes Dutzend Nachrichten von Jun. Ich verzog das Gesicht und tat als hätte ich sie nicht gesehen. „Scheint in Ordnung zu sein“, sagte ich schließlich.

Ich richtete meinen Blick wieder auf die Lücke in der Wand. Die enge Nische wirkte nicht groß genug, um eine Leiche hineinzuzwängen – was einiges darüber aussagte, wie verzweifelt die Person gewesen sein musste, die sie dort versteckt hatte. Jetzt war nichts mehr dort, wenn man von tonnenweise Staub absah, der mich einige Male zum Niesen brachte.

„Du niest so niedlich“, murmelte Jun.

„Ruhe, Mister.“ Ich war dabei, den Schrank zu verlassen, als mir plötzlich etwas auffiel. „Jun, leuchte mal da runter.“

Jun richtete das Licht des Handys wieder auf die Wand und leuchtete in den unteren Teil der Nische. „Steht da etwas?“

Ich beugte mich so weit wie möglich vor und blies den Staub fort. „Ein Kreuz auf meinem … Herzen“, las ich vor.

„Was soll das bedeuten?“, fragte Jun.

Kopfschüttelnd drehte ich mich zu ihm um. „Ich habe keine Ahnung.“

Mord in Key West

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