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Gian-Marino
ОглавлениеGian-Marino selbst war ein äußerst liebenswürdiges und ruhiges Kind, doch auch sehr schwierig. Vielleicht bedingt durch das ständige Hin und Her, durch die ständigen Auslandstrips seiner Mutter, durch das Fehlen einer festen Bezugsperson und die ständigen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Chiara, klammerte sich der Kleine regelrecht an ihn. Chiara flog oft in die USA, um beispielsweise Joga-Kurse zu machen oder zu geben. Wie sie das alles finanzierte, war ihm schleierhaft, aber wahrscheinlich schütteten die Immobilien und Wertpapieranlagen der Eltern genügend aus und außerdem lebte sie extrem sparsam. Der Geiz der Liguren, „tirchi“viii, im ganzen Land genannt, hatte hier eine ehrwürdige Repräsentantin gefunden. Auf diesen Trips nahm sie immer Gian-Marino mit, der dann wohl irgendwo „zwischengeparkt“ wurde. Auch die langen Flüge taten dem Kleinen nicht gut, war sich Luca sicher. Doch er hatte ja kein Mitspracherecht in Erziehungs- oder Lebensfragen, war er doch nicht rechtlich als Vater anerkannt. Chiara hatte bei seiner Geburt tatsächlich „Vater unbekannt“ in die Geburtsurkunde eintragen lassen, was ihn schmerzte. So galt sie jedoch für den italienischen Staat als ledige Mutter, als „ragazza madreix“, und konnte über ihren Sohn alleine bestimmen und hatte noch so gewisse Vorteile. So beispielsweise, wenn es um die Zuteilung eines Kita-Platzes ging, um Termine beim Kinderarzt oder weitere Vergünstigungen. Immer gab sie die „Alleinerziehende“. Wenn Gian-Marino sich aber bei ihm, Luca, in Mori aufhielt, hängte ihm Gian-Marino ständig und im wahrsten Sinn des Wortes, am Bein, schrie nach ihm, suchte seinen Kontakt, seine Nähe. Er war wie eine Klette, wie Efeu, der sich an einem Baumstamm hinaufwuchs. Auch wenn er sich noch so sehr bemühte, Ruhe und Geborgenheit auszustrahlen, reichte der kleinste Anlass, um Gian-Marino aus der Fassung zu bringen. Und dann erst das Essen. Da Chiara der Meinung war, das Kind müsse vegetarisch, wenn nicht sogar vegan ernährt werden, war es schwierig, ihn hier bei ihm und seiner Mutter Maria einfach mit mitessen zulassen. Und er, Luca, hatte einfach nicht den Mut, sich über Chiaras Anordnungen hinwegzusetzen und ihm einfach ein paar von Marias Nudelgerichten oder ein Stück „torta“ hinzuschieben. „Kein Käse, keine Eier, bitte“, lautete Chiaras strikte Ernährungsdiktatur, der er sich ohne viel Murren fügte und beugte.