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Ein neuer Mann im Haus

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Es ging so langsam auf den Winter zu und Pijotr, der sich als echte Hilfe erwies, hatte den Müll aus dem Garten entfernt. Alles war für das kommende Frühjahr vorbereitet. Pijotr gehörte schon fast zur Familie. Beate hatte sich entschlossen ihren Mann, an ihrem nächsten Geburtstag, endgültig zu verlassen. Sie sollte mit ihrer schwer behinderten Tochter in den zweiten Bungalow einziehen. Der große Vorteil waren dort die barrierefreien Räume. So konnte Ria, Beates Tochter, sich auch mit dem Rollstuhl fortbewegen. Gigi verzichtete zu Gunsten Beates, den Bungalow für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Aber zunächst gönnten sich die drei Schwestern eine Auszeit. Sie sammelten auf diese Weise ihre Kräfte für die Arbeit im kommenden Frühjahr und das neue Leben. Sie feierten ein ruhiges Weihnachtsfest ohne Familienstress. Um ehrlich zu sein, ein bisschen vermissten sie ihre Kinder schon. Gigi hatte auch ihre Enkelkinder schon über ein Jahr nicht mehr gesehen, außer über Bilder und Videos in WhatsApp. Das war der einzige Kontakt mit ihren Kindern. Andri hatte zwangsläufig ab und zu noch persönlichen Kontakt mit ihrem Mann, solange die Scheidung und der Hausverkauf liefen. Aber keiner wusste wo sie waren. Als Postadresse diente Meggys Wohnung. An Heiligabend erschien Pijotr mit einem bunten Karton. Dieser hatte Löcher an der Seite und eine riesige rote Schleife drumherum. „Ich danke euch, dass ihr mich in eurer Frauenwirtschaft akzeptiert habt. Ich bin der Überzeugung, dass auch noch ein weiterer Mann im Haus willkommen ist.“ In diesem Moment verlor der Karton Flüssigkeit und Pijotr stellte ihn schnell auf den Boden. Die drei Frauen hatten schon so eine Ahnung was sich in dem Karton befand. Evi hatte ihnen vor ein paar Tagen ein Handyfoto von drei kleinen Golden-Retriever Welpen, die Pijotrs Hündin vor einigen Wochen geworfen hatte, unter die Nase gehalten. Sie hatte damals gemeint, dass alle schon ein neues Zuhause gefunden hatten. Andri fand zuerst ihre Fassung wieder. Sie ging auf ihre Knie und öffnete den Karton. Darin saß ein kleines zitterndes Hundebaby in seiner eigenen Pipi, mit einer großen himmelblauen Schleife um den Hals. Ängstlich schaute es die drei fremden Menschen mit seinen großen schokoladenbraunen Augen an. „Oh ist der süß.“ flüsterte Andri, als hätte sie Angst das kleine Fell-Bündel zu erschrecken. Pijotr bückte sich, hielt den Welpen mit einer Hand in die Höhe und meinte: „Der kleine Mann hat noch keinen Namen, also muss er heute noch getauft werden." Er drückte Evi das süße Hundebaby in die Arme und lief hinaus, um ein Körbchen und Futter aus seinem Auto zu holen. Die übrigen Päckchen unterm Baum fanden an diesem Abend keine Beachtung mehr. Es entbrannte eine heiße Diskussion darüber, wie der Kleine denn heißen soll. "Bello" war Andris Vorschlag. "Oscar" meinte Evi. Pijotr schlug "Rasputin" vor und Gigi "Chris", weil er doch an Weihnachten zu ihnen gekommen war. Man einigte sich die gefundenen Namen auf Zettel zu schreiben, daraus kleine Bälle zu formen und den kleinen Pipimacher selbst entscheiden zu lassen auf welchen Namen er in Zukunft hören wollte. Gesagt getan. Die Papierbälle wurden mitten in den Raum gerollt und alle waren gespannt, welchen der Bälle er sich aussuchen würde. Skeptisch schaute der kleine Kerl auf die weißen Bällchen. Dann hüpfte er zielstrebig darauf zu und zerschredderte in sekundenschnelle drei davon. Ein einziges blieb unversehrt. Sichtlich stolz auf sein Werk legte er sich daneben und schaute Pijotr mit seinen dunklen Kulleraugen an. Der lachte, hob den Papierball auf und faltete ihn auseinander. „Mädels holt eine Schüssel und Sekt. Der Name ist gefunden.“ „Und?" fragte Evi neugierig. „Erst den Sekt und die Schüssel, dann der Name.“ lachte Pijotr. Alle drei Frauen liefen in die Küche um Schüssel, Sekt und vorsorglich Küchenrolle zu holen. Feierlich wurde das Licht gelöscht, sodass nur noch die Kerzen am Weihnachtsbaum brannten. Evi stellte die Schüssel auf den kleinen Beistelltisch und Gigi öffnete die Sektflasche. Andri bewaffnete sich mit der Küchenrolle und Pijotr setzte den noch Namenlosen in die Schüssel. Mit ernster, feierlicher Miene begann Pijotr mit dem Taufspruch: „Als Namenloser bist du geboren, mit dem Namen "Oscar" sollst du nun Liebe, Glück, Spaß und Freude in dieses Haus bringen.“ Dann hob er die Sektflasche und träufelte einige Tropfen auf den Kopf des erschrockenen Hundekindes. Oscar schüttelte sich und legte sich dann in der Schüssel zum Schlafen hin. Für einen so kleinen Hund war das an diesen Abend wohl genug Aufregung gewesen. Gigi hob ihn aus der kalten, nassen Schüssel und legte den schlafenden Oscar in sein warmes, weiches Körbchen. Seine vier Menschen tranken den restlichen Sekt direkt aus der Flasche und ließen den Abend bei leckerem Gänsebraten ausklingen. Am ersten Weihnachtstag wurden die vier durch einen lauten Knall geweckt. Andri war zuerst unten und sah die Bescherung. Der Weihnachtsbaum lag auf dem Boden, Oscar hatte sich im Lametta verheddert und ruderte voller Panik mit seinen kleinen Pfoten. Inzwischen waren auch die anderen im Zimmer angelangt und jeder machte erst einmal ein Handyfoto von dem komischen Anblick. „Na dann, fröhliche Weihnachten!“ rief Gigi nachdem sie ihren Lachanfall überwunden hatte. Sie befreiten den kleinen Kerl aus seiner misslichen Lage. Als sie die Tür öffneten, um ihn in dem Garten zu setzen, um ihn Pipi machen zu lassen, erwartete sie ein Wintermärchen in weiß. Es war noch dunkel und es hatte über Nacht geschneit. Oscar wurde unruhig und begann zu zappeln. Schließlich plumpste er von Evis Arm und verschwand vollständig im Schnee. Pijotr fischte ihn wieder heraus und trug das verschreckte, nasse und frierende Bündel wieder ins Haus. Es war erst fünf Uhr in der Früh und alle krochen wieder in ihre warmen Betten. Oscar durfte nach diesem Schrecken natürlich bei Evi und Pijotr im Bett schlafen. Als sie das nächste Mal wach wurden schien die Sonne und der frisch gefallene Schnee glitzerte wie Millionen von Diamanten. Der See war zugefroren und der Tag wie geschaffen für einen Winterspaziergang. Oscar durfte auch mit, aber dieses Mal sicher verstaut in Pijotrs Winterjacke. Den Rest der Feiertage und bis Silvester verbrachten die vier Menschen mit essen, trinken, reden und faulenzen. Evi hatte probeweise die Infrarotheizungen in dem Gewölbekeller eingeschaltet und war erstaunt, wie schnell sich dort unten ein angenehmes Wärmegefühl einstellte. „Wisst ihr was, eigentlich könnten wir Silvester und Einweihung gleichzeitig dort unten feiern." Alle fanden, dass das eine gute Idee wäre.

Das Tass(ch)enbuch Nr.1

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