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„Mein Fürst!“, hörte er Samael erschrocken rufen und unsanft wurde er aus der Schwärze seiner nichtssagenden Gedanken gerissen. Der Malach schüttelte ihn wie einen Obstbaum.

Benommen kam er zu sich und blickte in das blasse, angsterfüllte Gesicht seines Sekretärs. Was war denn passiert? Hatte er eine Tagung verpasst oder -

Samael wich von ihm zurück. „Herr, ist alles in Ordnung?“

Verdutzt bemerkte Luzifel, dass er am Boden seines Privatgemaches lag. Seine Kleidung war arg zerknittert, die Haare eine Katastrophe und der Körper schmerzte ihm von der Schieflage her. Als die Gedanken dahin kreisten, wie es dazu kam, dass er bewusstlos zusammengeklappt war, dröhnte ihm der Schädel.

Stöhnend rappelte er sich auf und wankte wie betrunken.

„Ich hab Euch hier vorgefunden. Ihr habt kaum geatmet“, erklärte Samael ohne Aufforderung.

„Wirklich?“ Sein Gedächtnis war getrübt. Nicht zum ersten Mal machte er diesen Umstand durch, doch noch nie war es so offensichtlich gewesen.

Kleine Lücken gut und schön, aber nun fehlten ihm ganze Episoden seines Verstandes. Er wusste noch, wie er nach Azilut eingeritten war und Michael ihn empfing – dann setzte alles aus. Wo waren die letzten Momente? Was war geschehen? Und warum schmeckte er den schalen Geschmack alten Weines auf der Zunge? Er wollte seine Erinnerung zurück!

„Soll ich den Rekruten sagen, dass Euch nicht wohl ist, mein Fürst?“, war Samael wieder der alles umsorgende Laufbursche, seine rechte Hand.

Die Rekruten? Ach ja, die Rekruten ...

Luzifel nahm seine verbliebenen Gedanken zusammen und erfasste die Situation. Er musste zur Visite der Gardekadetten nach Beriah und die Grünschnäbel sowie ihre Zugführer neu einweisen. Ein schlichtes Verfahren und seine Möglichkeit, den Küken zu zeigen, wer das Sagen hatte.

Es ging schnurstracks weiter im Dienstplan und für die Frage, was in seinem Kopf los war, gab es keine Zeit. Sowieso würde es niemanden interessieren. Keiner würde es ihm glauben.

„Nein, ist schon gut. Mir ist nur etwas schwindlig, das wird sich legen“, beruhigte er den Jungen. „Die Garde soll wie geplant bereitstehen.“

„Jawohl, Herr.“ Der Engel stand auf und wollte gehen.

„Sam?“

„Ja?“

„Du machst gute Arbeit, das weiß ich sehr zu schätzen“, lächelte er den Malach mild an. „Es freut mich, dass ich mich auf dich verlassen kann.“

Samael wurde rot bei dem Lob und salutierte. „Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen, Herr.“

Guter Mann.

Die Rekruten des Cherubs Ophaniel waren bereits sehr vielversprechend ausgebildet im Schwertkampf. Jedoch ließ es sich Luzifel nicht nehmen, ihnen stets auf ein Neues die wichtigsten Kampfregeln zu predigen, damit diese in Fleisch und Blut übergingen. Im Allgemeinen erzielte diese Methode Erfolge.

Er mahnte sie wiederholt zur Vorsicht, weil der Gegner unerwartet handeln konnte und sie sollten nie leichtsinnig von einem Sieg ausgehen, solange die feindliche Seite noch Kämpfer zur Verfügung hatte. Ein einzelner Krieger konnte eine Schlacht ändern und wenige Mann konnten erbitterten Widerstand leisten. Bis der Gegner nicht dem Tod erlag, war ein Sieg nicht gewiss.

Gebannt lauschten die unerfahrenen Soldaten seinen Worten. Sie hörten ihm aufmerksam zu, denn er war es doch, der Satan besiegt hatte in einem Krieg, der ihre Vorstellungskraft auf die Probe stellte. Er war der Held des Himmelreichs, der Bezwinger unzähliger Dämonen.

Dieser Ruhmgesang schien bloß nicht bei allen zu ziehen.

„Was gibt es denn zu grinsen, Kadett?“, herrschte Luzifel einen jungen Engel an, der ertappt zusammenzuckte.

„N-nichts, Herr.“

Luzifel schritt auf den blonden Bengel zu und obwohl er von kaum erwähnenswerter Größe war, überragte er jeden Einzelnen im Zug mit seiner Ausstrahlung. Man machte ihm gebührend Platz, dass er den Knaben streng in die Mangel nehmen konnte.

„Name und Rang, Kadett.“

„Haniel, Fürstentum, mein Herr.“

„Nun denn, Haniel, sag mir doch mal, worüber du dich die ganze Zeit so köstlich amüsierst, während ich geredet habe? Fandest du meine Ratsschläge etwa komisch? Habe ich einen Witz erzählt, den ich nicht als solchen verstehe?“ Luzifels blaue Augen bohrten sich unnachgiebig in ihn hinein.

„Nein, Herr.“

„Nicht so bescheiden, Haniel. Wenn du etwas zu sagen hast, teile es uns mit, dann können wir alle lachen. Ich tu mich dabei etwas schwer.“

Haniel sah eingeschüchtert aus und seine Blicke huschten herum, Hilfe suchend bei seinen stummen Kameraden oder Ophaniel selbst. Wenngleich sein Zugführer wohl kaum den Vorgesetzten ins Wort fallen würde.

„Nun, ich warte“, forderte ihn Luzifel munter auf.

Durchatmend musste Haniel in das kalte Wasser springen. „Herr, es ist nur so, dass Ihr uns bei der letzten Visite bereits die gleichen Ratschläge gegeben habt. Ich denke, wir haben alle verstanden, was Ihr uns verdeutlichen wollt.“

„Du meinst also, du kannst das alles? Sollte es jemals wieder zu einem Krieg kommen, glaubst du also, ich könnte mich hundertzehnprozentig auf dich verlassen und sicher sein, dass du keinen Mist baust?“ Luzifels Augen blickten weiter zänkisch. „Du würdest also nicht wie diese zig inkompetenten Idioten damals in den Tod rennen und jeden Dämon bei kühlem Verstand besiegen?“

Es war anmaßend, auf die Unfähigkeit seiner Vorgänger einzugehen, dennoch antwortete Haniel stolz mit: „Ja, Herr, das würde ich.“

„Gut.“ Der Gardeführer drehte sich von ihm ab und sagte, dass jeder ihn hören konnte, laut: „Dann hast du nichts dagegen, deine Künste hier und jetzt unter Beweis zu stellen?“

Haniel bekam einen Schock. „G-g-gegen Euch?“

„Zum Beispiel“, grinste Luzifel dreist und nahm ein Übungsschwert aus einem nebenstehenden Fass zur Hand. „Meinen Rat magst du ja nicht mehr hören, folglich erwägst du, mich schlagen zu können.

Zeig mir, was in dir steckt, Haniel, und ich befördere dich heute noch zum Thron. Bei denen ist nämlich gerade ein Platz frei geworden ...“

Einige Kadetten lachten verstohlen, hatte sich doch Tzaphiels Schicksal herumgesprochen.

„Oh, toll“, reagierte der Seraph fröhlich auf das Gelächter, „jetzt hab ich wohl doch mal einen Witz gerissen! Bitte amüsiert euch nicht zu sehr, sonst darf ich mir wieder anhören, dass ich angeblich zu dreist sei gegenüber meinen Kollegen. Raphael habe ich schon zu oft zum Weinen gebracht.“

Selbst Ophaniel prustete hinter vorgehaltener Hand.

Keinen anderen Ausweg sehend, trat Haniel aus der Reihe und Luzifel entgegen auf dem weiten Übungsplatz, wo andere Einheiten trainierten, die dummerweise jedoch schnell mitbekamen, was bei ihnen gespielt wurde. Der Gardeführer hatte vor, ihn vor allen Rekruten Beriahs zu blamieren.

Während der Schüler nach einer geeigneten Waffe suchte, schlenderte der Meister wenige Schritte auf und ab, das schlichte Schwert kraftvoll schwingend.

„Eine kleine Wiederholung, Haniel. Da du ja alles weißt, nenne mir die drei goldenen Regeln für einen ordnungsgemäßen Zweikampf. Jetzt bin nicht ich der langweilige Lehrer, sondern du.“

Zitternd versuchte Haniel, klar zu denken. „Ähm ... Gleiche Chancen für beide Kämpfer.“

Luzifel nickte. „Richtig. Unsere Waffen bieten keinem einen Vorteil. Weiter.“

„Un-unparteiischer Boden?“, war sein Gegenüber nicht ganz überzeugt.

Sich in der Gegend umsehend nickte Luzifel erneut. „Würde ich meinen. Ein Punkt fehlt noch.“

„Ein Richter!“

„Drei Richter“, korrigierte ihn der Gardeführer. „Einen für dich, einen für mich und einen für keine Seite. Letzteren Posten bezieht Ophaniel, such du dir den deinen aus.“

Haniel rief einen befreundeten Engel zu seiner Linken und auch Luzifel wählte aus den umstehenden Schaulustigen einen Bekannten, den dunkelhäutigen Cherub und achten erstrangigen Erzengel Raziel.

Eine ruhige Person, die sein Vertrauen genoss und dessen Weisheit seinesgleichen suchte. Außerdem war er das einzige Mitglied des Hohen Gerichtes, das Luzifel leiden konnte.

Ophaniel bezog seinen Posten zwischen den beiden Parteien und verkündete: „Der offizielle Kampf von Seraph Luzifel Morgenstern und Fürstentum Haniel beginnt ... jetzt.“

Kaum, dass der Cherub durchgeschlagen hatte, preschte Luzifel vor und Haniel wusste nicht, wie ihm geschah. Plötzlich war er entwaffnet und lag rücklings am Boden, mit Luzifels Schwert an seiner Kehle. Während sie beide unbeweglich verharrten, warfen die Richter einander vielsagende Blicke zu und Ophaniel gab nicht überraschend kund: „Der Sieger ist der Morgenstern.“

Luzifel wich von Haniel ab und steckte das Schwert ins Fass zurück. Vernehmlich für alle sagte er: „Wir sehen, Kadett, du musst dir noch des Öfteren die Wiederholungen meine Vorträge anhören. Ich würde raten, du hörst mit deinem Gekicher auf und trainierst etwas mehr, sonst ist der echte Kampf für dich schnell entschieden.

Solltest du allerdings von Anfang an geplant haben, dich an die Dämonen zu verfüttern, nehme ich dich bei der nächsten Hadesreise gern mit und wir sind um ein weiteres Mal erlöst von törichten Dummschwätzern.“

Das stechende Lachen der anderen Rekruten war Strafe genug. Vor Scham wäre der Engel am liebsten im Erdboden versunken. Diese Schmach würde ihm noch lange im Gedächtnis bleiben.

„Wozu dieser ganze Klamauk?“, fragte ihn Raziels tiefe Stimme erheitert, als Luzifel der Truppe seinen Rücken zeigte. „Das Theater hattest du doch nicht nötig, mein Freund.“

„Ich nicht, aber dieses Küken“, erklärte sein Kollege kühl. „Der hat eine Lektion für sein Leben erhalten, dieser hohlköpfige, stumpfsinnige -“

„Beleidige nicht immer die anderen, sie sind auch nur wie du und ich. Fehlbare Diener Gottes.“

Diener Gottes, bis in alle Ewigkeit.

Luzifel stöhnte auf, sein Kopf schmerzte ihn. Irgendwo in seinem frisierten Hirn wollte die verlorene Erinnerung hervorbrechen, die eine gewisse Person so sorgsam weggesperrt glaubte.

Raziel betrachtete ihn besorgt.

„Ich glaube, Jahwe hat es wieder getan“, knurrte Luzifel leise dem engen Vertrauten zu. „Sie hat mein Gedächtnis manipuliert. Anscheinend hab ich erneut etwas gesagt, das sie nicht hören wollte. Und jetzt fehlt mir ein ganzes Stück Vergangenheit und das einzige, was die Lücke ausfüllt, ist unser Credo, ihr Knecht zu sein. Nicht mal seine Meinung kann man hier frei äußern ...“

„Natürlich nicht.“ Raziel hob mit einem vielsagenden Blick die weißen Brauen und führte ihn ein paar Schritte über den Platz.

„Ich verstehe deinen Zorn. Doch wenn du fluchst, wird sie das auch bald zu hören kriegen. Der Rat hat überall seine Spitzel und du stehst ganz oben auf der Überwachungsliste. Mir blieb dieses Prozedere in letzter Zeit erspart – weil ich meinen Mund nicht so weit aufreiße. Behalte deinen Spott an Gott lieber für dich, Luzifel. Sie kann wie du andauernde Kritik nicht leiden.“

„Und was rätst du mir stattdessen?“

„Deinen Unmut sein zu lassen und dich auf die Arbeit zu konzentrieren. Du kannst eh nichts machen. Der Himmel ist Gottes Refugium und du bist bloß ein Engel. Sie hat Gewalt über dich. Beweg dich in deinen Kreisen und lass das Große Ganze Gottes Angelegenheit sein.“

„Hast du denn keine Zweifel?“

„Oh doch, aber die sag ich ihr nicht auch noch ins Gesicht, mein Freund. Was ich dir schon als meinen Leidensgenossen anvertraue, ist riskant genug. Du trägst leider dein Herz auf der Zunge. Denk dir in Zukunft deinen Teil – bisher sind unsere Gedanken frei.“

„Ja, bis sie die löscht!“, ermahnte ihn Luzifel.

Schmunzelnd deutete der Richter den Spott: „Du warst immer der schwierigste Charakter von uns, Luzifel. Kamael meint gern, dass das viele Dämonenblut, was du vergossen hast, dich selbst verunreinigt hat. Du hast beunruhigende Züge an dir, dieses trotzige, halsstarrige Handeln. Das wird dir noch eines Tages den ganzen Kopf kosten, nicht nur ein paar Erinnerungen.“

„Kamael ist auch nur ein Idiot von vielen. Warum bist du eigentlich nicht der Oberste im Hohen Gericht? Du bist wesentlich mächtiger als er.“

„Auf die Verantwortung hatte ich keine Lust“, meinte sein Freund entschieden.

„Aha ...“, kaufte er ihm das nicht ab.

Ihren zweisamen Spaziergang unterbrach ein Kadett, der salutierend vor Luzifel auftauchte.

„Gardeführer, verzeiht die Störung, ich habe eine Frage!“

„Na, dann frag doch“, sagte er ungezwungen locker.

„Ich habe über den Großen Krieg nachgedacht, Herr. An all die Toten damals. Wir kämpfen noch heute gegen die Brut Satans, die unsere Vorväter vernichtete.“

Luzifel nickte. „Und?“

„Aber auch die Dämonen kämpfen gegen uns, weil Engel viele von ihnen töteten. Das Töten bringt Hass hervor, der sich nicht auslöschen lässt. Ich sehe es kommen, dass unser Zwist Äonen währt, es sei denn eine Seite unterliegt. Dieser Streit wird noch viel mehr Leben kosten. Sollte man nicht etwas dagegen tun?“

„Und was, Kadett? Hast du eine Idee? Zum Beispiel mit Satan reden und Frieden stiften?“

„Ähm ... Nein, das ist doch utopisch, Herr. Mit diesem Wilden kann man kein klares Gespräch führen. Aber vielleicht kann man all die Dämonen ... einfangen. Und wegsperren.“

Sarkastisches Lachen erfüllte den Kampfplatz und Luzifel hielt sich die Rippen. „Als wenn das ginge! Wir können allein unsere Sünder kaum in den Kerkern fassen, geschweige denn ein ganzes Volk von Dämonen! Da brauchen wir einen echt großen Käfig, Kleiner! Selbst der Frieden zwischen uns ist realistischer als das!“

Raziel und der Kadett blickten einander an, verwundert über den lachenden Gardeführer hinweg, und nach einer Weile sagte der Richter ernst: „Das ist nicht so lustig, wie du denkst, Luzifel. Ich finde es sogar höchst erschreckend. Unsere Zukunft erscheint mir deprimierend und vom Kampf beherrscht.“

Unbekümmert zuckte der die Schultern. „Und wenn schon, diese Aussichten sind wie geschaffen für mich. So werde ich ewig weiter morden, im Auftrag unserer glorreichen Herrin! Ist das nicht perfekt?

Ach, und übrigens: Gott hat sowieso den Sinn für Humor bei mir vergessen.“

„Ja“, bestätigte Raziel zerknirscht, „ebenso deiner Zunge einen Zaum zu verpassen.“

„Wer mich zum Schweigen bringen will, muss mich schon töten“, winkte der Schwarzhaarige entschlossen ab.

Es eilte nicht, nach Azilut zurückzukehren.

Keiner ließ nach ihm schicken und mit kleineren Anliegen käme Samael zurecht, dass es sich Luzifel leisten konnte, nach der Visite der Kasernen einen Gang durch die Straßen Beriahs zu machen. Ein wenig durch den Anblick des bürgerlichen Lebens den Frust vertreiben, den er noch immer wegen seiner Gedächtnislücke verspürte.

Gemütlich ging er die Handelsmeile entlang. Beschaute einige der ausgelegten Waren, ohne jedoch übermäßiges Interesse zu zeigen. Dem mit Orden bestickten Jackett des Gardeführers hatte er sich entledigt, um ungestört mit der breiten Masse zu verschmelzen, aber sein Gesicht war in den oberen Himmelssphären zu bekannt.

Alle paar Schritte hielt ihn ein Engel auf, begrüße, beglückwünschte und umschwärmte ihn mit Lob, küsste ihm die bleichen Finger. Und solche Tölpel lockten noch mehr an, dass er zeitweise sogar in einer Traube gefangen war. Gerade viele der unteren Triade achteten ihn aufrichtig und verloren kein schlechtes Wort über die Schattenbereiche seiner Karriere. Ihre glänzenden Augen beschämten ihn und er versuchte hastig, die jeweiligen Bewunderer schnell hinter sich zu lassen.

Er war nicht das, wofür sie ihn hielten. Er war nur ein Schlächter. Müde vom Kampf, doch unfähig, diesem zu entfliehen. So oft konnte er sich die Hände waschen – das Blut, was an ihnen klebte, würde er stets mit sich herumtragen. Der Gestank des Todes würde ihn ewig begleiten.

Bis in alle Ewigkeit.

Ich will das nicht mehr hören!

Eine Schülergruppe aus einem Hain kreuzte seinen Weg. Artig, wie man es ihnen beigebracht hatte, ging ihre Gruppierung in Zweierreihen hintereinander, gekleidet in hellblaue Tuniken, die blonden Köpfchen ordentlich gebürstet und die kleinen Gesichter zeigten immer ein freundliches Lächeln. Selbst ihm gingen diese frischen Jungengel bloß bis zur Hüfte.

Ihre Erzieherin, ein Engel in geschlossener weißer Robe und mit Haube, erblickte Luzifel mit einem tiefen Atemstoß der Überraschung und Ehrerbietung.

„Seht, Kinder, welch Glück wir haben“, tönte sie freudig und wies auf ihn, „dies ist der Gardeführer persönlich, Luzifel Morgenstern, Gottes bester Krieger und der schönste aller Engelsfürsten!“

Sie erwähnte weitere Übelkeit erregende Huldigungen auf seine Person, die Luzifel aber nicht mehr wahrnahm. Sein Bauchgefühl drängte ihm zur Flucht, doch schon war er wieder von allen Gaffern umringt. Die blauen Augen der Küken betrachteten ihn von oben bis unten.

„Der ist aber klein“, hörte er sie wispern.

„Ist das wirklich der Morgenstern? Hab ihn mir irgendwie anders vorgestellt.“

„Ja, wie Herrn Michael ...“

„Ob er so stark ist, wie alle sagen?“

Luzifel verkniff sich einen bissigen Kommentar.

Plötzlich bemerkte er, wie die Erzieherin ihn streng musterte. Seine laxe Haltung, seine störrischen Locken, die weiße Uniform zerknittert über die Schulter gelegt ... Sie wollte ihren kleinen Schülern ein makelloses Bild liefern, doch er spielte nicht mit.

„Also, mein Herr -“, setzte sie zu einer Rüge an, jedoch war seine Zunge wiedermal schneller.

„Schwester, ich bin nicht im Dienst.“

Ja, alles musste im Reich Gottes sauber sein. Alles sollte passen. Und was nicht ganz passte, wurde so lange manipuliert und rundgeschliffen, bis es die lästigen Ecken und Kanten verlor, die es in seiner Vollkommenheit störten. Wer sich dennoch wehrte, war verloren.

Sollte er es diesen bedauernswerten Kindern sagen, die blind den Regeln des Hohen Rates folgten, um ganz brave, ordentlich erzogene Malachim zu werden? Ihn schauerte die Vorstellung, dass diese Seelen zu ebenso perfekten, schrecklich hohlen Wesen getrimmt wurden, ohne jemals etwas Eigenes zu entwickeln.

Freidenker wie er hatten einen schweren Stand.

Könnte er ihnen doch sagen: „Lauft! Lauft schnell weg aus dem Himmel Jahwes, bevor es zu spät ist! Lauft, bevor eure Augen stumpf werden und eure Herzen leer!“

Wenn sie wüssten, was er wusste, würden sie es tun.

Und er wusste dabei noch nicht einmal alles.

Mit schwarzen Flügeln

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