Читать книгу Das 20-Minuten-Kind - Dana Dolata - Страница 8
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Schöne neue Welt
Der Abend geht lange. Brachial kalt zieht er sich dahin, DAS ist die Stimmung, obwohl die Insekten, angezogen vom Licht, sich zu bemühen scheinen, die tollsten Tänze zu vollführen. Skeila ist vor allem eines: Neugierig beguckt sie ein jedes Insekt eindringlich. Einige warten mit Gesichtern auf. Einer tanzt wohl Boogie oder so was – der Mann der Anführerin, die dann auch die Geschichte loswird.
„Wir sind ein Team von höher entwickelten Insekten. Wir wissen alles. Wissen, was war und auch was noch sein wird. Das hier ist eine Spielshow und DU bist Kandidatin!“
Skeila gefriert. Gut klingt’s nicht. Glauben aber muss sie alles sofort. Eine Täuschung, nein, das kann nicht sein, es ist ja alles da, was ist ...
„Wir sind nicht gut“, raunt ihr die Anführerin aus der Uhr zu. Und die tickt. Tickt und tickt, tickt, tickt, tickt ... Der Sound zum Tanz.
Skeila hat eine Psychose. Eben erst bekommen, Sommer 2011, Skeila ist 30. Aber Skeila weiß das nicht. Sie weiß viel eher auf einmal mit klirrender Klarheit: Drüben ... in der Stube ... da sitzen weitere Teammitglieder, nichts anderes im Sinn habend, als ihr die Arme abzuschlagen mit Messern.
„Ich wusste es“, stöhnt Skeila.
Die Teammitglieder, lang und weiß sollen sie sein. Außerirdisch und mit Messer! Skeila will unter keinen Umständen in die Stube gehen. Einen Moment ist es, als gäbe es Bewegung in der Diele – einer der großen Weißen?!
Alles ist kalt. Eiskalt! Skeila stockt der Atem. Sie fühlt ihre Arme. Die Bewegung verliert sich, die Insekten tanzen immer noch, wenngleich es etwas abgeflaut ist. War vor Kurzem noch das ganze Fenster voll von ihnen, so schütteln sie sich jetzt nur noch vereinzelt an der Außenseite. Sieht putzig aus! Die Anführerin ist es nicht.
Irgendwann schleicht Skeila sich durch die Diele an der Stube vorbei, ihren Blick unbeweglich auf die Pflanze geheftet, die man dort sieht. Vorgestellt hatte sie sich, dass sie am Tisch sitzen, der nicht einsehbar ist. Skeila schleicht schneller vorüber – schon ist sie oben.
Später schläft die 30-Jährige. Es ist kein Traum, am nächsten Morgen tickt die Uhr noch immer bedrohlich. Und jetzt redet auch noch der Wasserhahn mit ihr ...
„Ich bin eigentlich ein verzauberter Schäferhund.“ DAS sagt er. „Und ich war dein Mann – in früheren Zeiten. Ich wurde als dein Ebenbild geschaffen. Wir haben uns zu sehr geliebt, es ging nicht gut mit uns. Frag nicht ...“
Der Wasserhahn tropft und tropft. Tropfend und immer tropfend redet er auf Skeila ein. Dann will er, dass sie sich umbringt. Wo er eben noch rührend erschien, ist auch er jetzt ERSCHÜTTERND kalt. Innerhalb einer Sekunde war es umgeschwenkt. Doch das ist nicht das Einzige, was mit Widersprüchen aufwartet. Skeila weiß auch das noch nicht.
Die Geschichte webt sich sodann über Symptome nach und nach zusammen. Sie ist widersprüchlich, vor allem aber ist sie hochkomplex. Genau das ist alsbald auch der Grund für Skeilas GLAUBEN an all das. Dass sie es ist, die sich verändert hat, schließt sie aus. Sie hätte sich all das nicht ausdenken können. Dazu wären FÜNF Fantasy-Autoren mit mehrbändigen Romanen notwendig gewesen – meint sie.
Skeila lebt nicht allein. Sie ist es. Lebt aber nicht so. Singt jeden Abend ihren eingefallenen Hotel-Song, da sie gerade eben keine eigene Bleibe hat und auch sonst niemanden. Sie fühlt sich, als lebe sie in einem Hotel. Stattdessen sind es ihre Oma und ihr Opa, die sie in diesem Jahr aufgenommen haben, als ihre Wohnung wegen eines Verkaufs des Hauses gekündigt worden war – es war vorübergehend gedacht: FÜNF Jahre werden daraus. Da Skeila die paranoide Schizophrenie bekommt, die Psychose. Die war ja nun nicht geplant! Und sie setzt alles außer Kraft, was jemals war. Kein Vorher existiert mehr. Nun regiert Chaos ...
Es regiert von vormittags elf bis nachts um fünf. Es wird ihr keine Ruhe gelassen. Alles rattert um sie herum und sie – rattert mit. Bald schon kommen Stimmen im Kopf dazu, die nicht gerade beruhigen, vielmehr reden sie auf sie ein, schreien sie an und sind auch sonst nicht gerade angenehm. Gehässig sind sie. Skeila kennt die Leute nicht, die so mit ihr reden. Und ihr keine Minute mehr lassen. Nicht im nichtwörtlichen Sinne nicht. Skeila hat wirklich nicht eine Minute mehr, in der sie in sich gehen könnte.
Eine Zeit lang – Wochen – kann sie noch philosophieren. Eine andere Zeit lang kann sie keinen Gedanken mehr fassen, so sehr prasselt es auf sie ein und ein. Sie wünscht sich nichts als einen winzigen Moment Stillstand. Bekommen tut sie ihn nicht ... Es führt dazu – sie fühlt sich wie gefoltert.