Читать книгу Gaben der Liebe - Musenkuss - Dani Merati - Страница 5

Kapitel 2

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Gegenwart - Lennie

Lennie rührte nachdenklich in einem großen Topf herum. Er hatte beschlossen, heute für Mark zu kochen und ihn auf andere Gedanken zu bringen. Fassungslos war er gewesen, dass sein Idol unter einer Schreibblockade litt. Ob das mit diesem Künstler zusammenhing, mit dem er eine Weile liiert gewesen war? Von seiner Mom hatte er mitgekriegt, dass seinen Patenonkel die Trennung ziemlich aus der Bahn geworfen hatte.

Er seufzte und widmete sich wieder dem Eintopf. Das träge Blubbern der Flüssigkeit entsprach seinem Gemütszustand. Ein schwuler, hormongesteuerter junger Mann zu sein erschien ihm im Augenblick nicht sehr prickelnd. Jedenfalls nicht, wenn man sich im Dunstkreis des heißesten Typen der gesamten Weltbevölkerung aufhielt. Okay, vielleicht war er da ein wenig voreingenommen, da er bis über beide Ohren verknallt war, aber ...

Lennie seufzte. Wie sollte er das nur durchstehen? Bei seiner Ankunft hatte er noch gedacht im Paradies gelandet zu sein, doch jetzt? Was hatte er auch erwartet? Dass sein Patenonkel, den er wider Erwarten fast zwei Jahre nicht gesehen hatte, bei seinem Anblick sofort in überschäumender Liebe zu ihm entflammen würde? Wohl kaum.

Mark sah ihn als Kind, das er hatte aufwachsen sehen. Es lag an ihm, Lennie, dieses Bild zu verändern, ihm zu zeigen, dass er erwachsen war - und begehrenswert. Nichts leichter als das - wenn er denn mal endlich seinen nicht vorhandenen Mut zusammenkratzen könnte, um diesen monumentalen Plan in die Tat umzusetzen.

Gedankenverloren griff er nach der Pfeffermühle.

***

Gegenwart - Mark

Mark fragte sich unterdessen, ob er das wirklich sechs Wochen aushalten konnte. Er hatte keinen Schimmer besessen, was es bedeuten würde Leonard, oder Lennie, wie er genannt werden wollte, permanent um sich zu haben. Ganz bestimmt hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Patensohn das Regiment komplett an sich riss. Nachdem er nämlich erfahren hatte, dass sein Idol unter einer massiven Schreibblockade litt, war Lennie auf einer Mission. Auf der Mission seine Muse zu sein, dafür zu sorgen, dass Marks Kreativität zurückkam.

Anfangs war er noch amüsiert gewesen und hatte die zahlreichen Vorschläge belächelt. Zumindest gab ihm der Kleine damit eine Beschäftigung. Doch nun, eine Woche später, war er kurz davor, die Wände hochzugehen. Er hatte gehofft während des ganzen Wirbels, der sich Lennie nannte, wenigstens eine Idee - eine winzige hätte ihm schon genügt - zu bekommen. Nichts dergleichen.

Stattdessen bekam er das untrügliche Gefühl in den Klauen eines Verrückten gelandet zu sein. Eines unglaublich heißen Verrückten. Denn auch ein permanenter Ständer deklarierte sich als sein ständiger Begleiter und Mark war kurz vorm Platzen. Seine Hand schob bereits Überstunden und es konnte so nicht weitergehen.

Er hatte schon mehrfach mit Melli telefoniert, sie zeigte jedoch kein Verständnis für sein Problem und wiederholte immer wieder das Gleiche: Er solle sich doch bitte um sein Patenkind kümmern. Für den Bruchteil einer Sekunde spielte er mit dem Gedanken, ihr anzuvertrauen, dass er ihren Sohn gerne ficken würde, aber da er nicht zu lebensmüden Tendenzen neigte, unterließ er das lieber.

Aber geschehen musste etwas, sonst drehte er durch - oder fiel über den Jungen her. Beides keine Optionen. Ärgerlich stapfte er in die Küche und wurde von einem Schwall anregender Aromen benebelt. Er erstarrte, als er Lennie durch den Raum tänzeln sah, irgendeine leise Melodie summend. Ein Pot mit einem Eintopfgericht stand auf dem Herd und der leckere Duft von Kuchen drang aus dem Backofen.

Sein Patensohn rührte den Eintopf um, summte weiter und wackelte mit den Hüften. Sein kleiner Arsch in der engen Jeans streckte sich Mark verführerisch entgegen und er verschluckte sich an einem Stöhnen. Sei stark. Du kommst dagegen an. Reiß dich bloß zusammen!

Er räusperte sich und lehnte sich an den Kühlschrank, betrachtete seinen Mitbewohner aufmerksam. Lennie warf einen Blick über seine Schulter und schenkte ihm ein Lächeln, das eine ganze Stadt erleuchten könnte. „Hey, du kommst gerade richtig. Probier mal. Ich will wissen, ob es noch mehr Würze braucht.“

Mark versuchte sich zu zwingen, irgendetwas zu sagen, aber die Worte entwischten ihm, als Lennie ihn mit diesem süßen, erwartungsvollen Blick ansah. Bevor er wusste, was er tat, gehorchte er und stellte sich neben seinen Patensohn. Der Junge strahlte ihn an, nahm den Löffel aus dem Eintopf und blies ein paar Mal darauf, um die Kostprobe abzukühlen.

„Vorsicht heiß!“ Mark nickte. Als Lennie ihm den Löffel hinhielt, trafen sich ihre Blicke und für einen Moment stand die Zeit still. Er hätte schwören können, dass der Kleine errötete. Das Strahlen in den bezaubernden grünen Augen zog ihn an wie eine Motte das Licht. Als der Löffel seine Lippen berührte, öffnete er den Mund, immer noch gefangen in den atemberaubenden Tiefen von Lennies Iriden.

Unglücklicherweise resultierte der Bann, in dem Lennie ihn hielt, in der Unfähigkeit klar zu denken. Deshalb schlürfte er die Flüssigkeit vom Löffel ohne jedwede Vorsicht. Das realisierte er allerdings erst, als das kochend heiße, extrem scharfe Essen seine Geschmacksnerven traf und alles in seiner Bahn verbrannte.

Er musste husten, als sein Mund gegen diesen Angriff protestierte. „Scheiße. Wasser! Wasser!“ Er lehnte sich an die Arbeitsplatte zurück, versuchte wieder zu Atem zu kommen. Ein Glas mit Flüssigkeit erschien vor seinem Gesicht und Mark schnappte dankbar danach. Er trank das kalte Wasser wie ein Verdurstender, bis das Brennen langsam nachließ und nur der würzige Geschmack des dennoch recht leckeren Eintopfs zurückblieb. Unwillkürlich musste er grinsen. Langweilig wurde es mit seinem Hausgast jedenfalls nicht.

„Also definitiv nicht mehr nachwürzen, Kleiner.“ „Ich bin nicht klein“, grummelte Lennie, doch erneut zeigte sich diese bezaubernde Röte auf seinen Wangen.

„Hast du schon wieder etwas geschrieben?“ Erwartungsvoll und ja bewundernd sah sein Patensohn ihn an. Es war lange her, dass ihn jemand so angesehen hatte. Er schüttelte stumm den Kopf.

„Ist okay. Du musst nur daran glauben“, wisperte Lennie und sah ihn immer noch unverwandt an.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, griff Mark mit zitternden Fingern nach dem Kleinen. Er hatte ewig an nichts mehr geglaubt. Mit Luca war er nah dran gewesen, aber es hatte nicht ausgereicht, ihre Beziehung zu retten. Er glaubte nicht mehr länger an seine Fähigkeit zu schreiben, soviel wusste er. Mit seiner Familie konnte er nicht darüber sprechen, sie verstanden seine Schreiberei nicht und Melli gondelte ständig in der Weltgeschichte herum. Doch ihr Sohn stand hier vor ihm und betete ihn regelrecht an.

Seine Finger berührten sanft Lennies Wange und er erschauderte von dem samtenen Gefühl unter seinen Fingerspitzen. Der Kleine trat näher, bis sie sich praktisch umarmten. Er roch verführerisch und sein Blick erschien noch hypnotisierender. Lennie vergrub sein Gesicht in Marks Brust und dieser schlang automatisch seine Arme um ihn. Als führten sie ein Eigenleben, streichelten seine Finger unablässig über den schmalen Rücken und hielten an der Taille inne. Eine Hand rutschte tiefer, massierte eine straffe kleine Hinterbacke und Lennie bebte.

Im selben Moment brach Marks Beherrschung. Jeder Gedanke an richtig oder falsch flog aus dem Fenster, als dieses Zittern in alle seine Zellen eindrang. Er schubste den Jungen gegen den Küchentresen und presste seinen Mund auf die weichen Lippen des anderen.

Zuerst wirkte der Kleine überrascht, aber schon in der nächsten Sekunde stöhnte er auf, erwiderte den Kuss mit der gleichen Intensität. Er schlang seine Arme um Marks Nacken, zog ihn näher, bis ihre Körper sich aneinanderpressten und kein Blatt Papier mehr zwischen sie passte. Marks Herz raste so schnell und laut, dass es ihn überwältigte. Oder war das Lennies Herzschlag? Es schien im selben Rhythmus zu schlagen wie seins.

Ihre Zungen duellierten miteinander, als sie gierig den Geschmack des anderen kosteten. Marc bekam nicht genug und rasch drängte er eine Hand zwischen ihre Leiber und zerrte an Knopf und Reißverschluss von Lennies Jeans. Innerhalb von Sekunden hatte er den bereits erigierten Schwanz des jungen Mannes frei gelegt.

Der Kleine wimmerte, als Mark zunächst seine Hoden massierte, danach seine Erektion umfasste. Er erstickte die Laute mit seinem Mund, pumpte den harten Schaft, konnte es nicht erwarten, sich in dem Jungen zu versenken. Schwer atmend lösten sie sich voneinander und Lennie schüttelte die Hose von den Beinen. Dann sprang er hoch, schlang dieselben um Marks Hüften. „Bitte, fass mich an. Mehr.“

Mark verlor keine Zeit. Er packte die kleinen, festen Hinterbacken, zog sie auseinander. Ein trockener Finger rieb über den Eingang dort, sanft, neckend, gab ihm einen Vorgeschmack, was folgen würde. Leicht drang er mit der Kuppe ein und stöhnte verzückt ob der Hitze und Enge, die er fühlte. Er konnte es nicht erwarten, in diesen heißen Kanal zu stoßen.

„Nimm mich“, wimmerte Lennie, sprach Marks Gedanken aus. „Bitte, nimm mich. Ich will dich in mir haben.“

Mark keuchte bei den atemlosen Worten des jungen Mannes. Allein der Gedanke an den folgenden Akt ließ ihn beinahe in seiner Jeans abspritzen. Die letzten Monate waren so furchtbar gewesen, seine Hand sein einziger Spielgefährte. Er hatte nicht einmal darüber nachgedacht, sich einen anderen Liebhaber nach Luca zu nehmen.

Dessen Bild flackerte durch seinen Kopf und er zögerte.

„Was ist? Stimmt etwas nicht?“

Mark seufzte. Was zum Teufel war los mit ihm? Luca hatte ihn abserviert, und auch wenn sie gute Zeiten miteinander verbracht hatten, er sollte endlich loslassen. Zudem hielt er Lennie in seinen Armen, wunderschön und sehr willig. Selbst als er an seinen Ex dachte, verzehrte sich sein Körper nach dem Kleinen und er fühlte sich hypnotisiert von den roten, geschwollenen Lippen. Er wunderte sich wie jemand gleichzeitig unschuldig und verrucht aussehen konnte.

Wem würde es wehtun? Warum sollte er nicht annehmen, was angeboten wurde und die Vergangenheit dort lassen, wo sie hingehörte? Wäre das so schlimm? Nein, aber Lennie verdiente etwas Besseres als einen schnellen Fick auf dem kalten Küchenboden, der vermutlich zu nichts führte. Die Sache mit Luca war unschön ausgegangen, und solange er nicht vollkommen darüber hinweg war, konnte - nein - durfte er nichts mit dem Jungen anfangen.

Zeitgleich kehrte auch sein Verstand in anderer Hinsicht zurück. Lennie war sein Patenkind, verflucht nochmal. Sie mochten zwar nicht blutsverwandt sein, doch er hatte ihn so gut wie mit aufgezogen. Plötzlich kam er sich vor wie ein perverser alter Sack, den es nach kleinen Jungs gelüstete.

Mark schauderte und löste sich sanft von Lennie. „Ich ... Da gibt es jemanden in meinem Leben. Oder es gab ihn ... Außerdem bist du viel zu jung, du könntest mein Sohn sein. Himmel, du bist praktisch mein Sohn. Ich hab‘ deine Windeln gewechselt.“

Er erwartete, dass Lennie aufbegehren würde, Fragen stellte oder ihm eine Szene machte, aber er blieb stumm. Die Augen, in denen man versinken konnte, sahen ihn lange an. Schließlich nickte er und lächelte. „Der erste Grund, einverstanden. Ich möchte nicht zwischen dir und jemand anderem stehen. Der Zweite? Der spielt keine Rolle. Ja, du bist mein Patenonkel, doch ich bin volljährig. Wir verstoßen gegen kein Gesetz.“

Mark seufzte. „Wir machen uns vielleicht nicht strafbar, dennoch ... moralisch gesehen ist es falsch. Aber lassen wir das.“

Lennie nickte, gab ihm noch einen schnellen Kuss auf die Lippen, zog Jeans und Pants hoch und widmete sich wieder dem Eintopf auf dem Herd. Mark fluchte innerlich. Er wollte keine widersprüchlichen Signale aussenden. Wieso konnte er sich auch nicht beherrschen. Fakt war, er begehrte den jungen Mann. Seine Erektion pulsierte in ihrem Jeansgefängnis, schrie ihn an: Bist du irre? Wir waren so nah dran. Er ignorierte das beinahe schmerzhafte Pochen und versuchte genug Gehirnkapazität zu sammeln, um irgendetwas halbwegs Intelligentes zu sagen, das ihr Verhältnis wieder in die richtige Spur brachte.

„Hervorragend. Das Essen ist fertig. Deckst du den Tisch?“ Mark starrte Lennie an und dachte nur was soll’s? Er begann in den Küchenschränken zu kramen und nicht mal eine Viertelstunde später saßen sie einträchtig am Küchentisch und genossen den Eintopf. Eine Karaffe Wasser hatte Mark vorsichtshalber griffbereit platziert.

***

Gegenwart - Lennie

Lennie stocherte beinahe lustlos in seinem Essen herum. Immer noch prickelten seine Lippen von Marks Küssen und sein Penis pochte schmerzhaft in seinem Jeansgefängnis.

Verstohlen musterte er seinen Patenonkel, der sich stumm auf seinen Teller konzentrierte. Lennie konnte die Schuldgefühle fast körperlich spüren, die Mark in Wellen ausstrahlte. Ob er zu forsch gewesen war? Was wusste er schon davon, wie man einen erfahrenen Mann wie seinen Patenonkel verführte. Der war doch ganz andere Kaliber gewöhnt. Irgendwie bedauerte er nun nicht mehr Erfahrung gesammelt zu haben, aber es hatte niemanden gegeben, dem er so nah kommen wollte. Es mochte naiv und altmodisch sein, wahrscheinlich einfach zu hetenmäßig, doch er wollte unbedingt, dass seine erste Liebe auch sein Erster beim Sex war.

„Sei nicht traurig, Kleiner. Ich weiß, dass du das jetzt nicht hören willst und es dir vermutlich nur wehtut, aber ich bin nicht der Richtige für dich. Nicht wegen des Altersunterschieds, nicht mal angesichts der Tatsache, dass ich dir schon die Windeln gewechselt hab‘. Ich schleppe einfach viel zu viel Ballast mit mir herum, ich wäre nicht gut für dich.“

Marks Hand legte sich auf seine, mit der er unbewusst auf die Tischplatte getrommelt hatte. Die Berührung löste ein Kribbeln aus und er war versucht, die Hand sofort wegzuziehen, doch er war zu schwach. Hochsehend gewahrte er den ernsten Blick seines Patenonkels.

„Ich möchte dir nicht wehtun, Lennie. Und das würde ich über kurz oder lang, wenn wir weitergehen. Du bist mir zu wichtig, um unsere Beziehung wegen ein bisschen Sex aufs Spiel zu setzen, verstehst du?“

Lennie schluckte schwer und versuchte den Schmerz in seinem Innern nicht nach außen dringen zu lassen. Ein bisschen Sex? Er blinzelte und stand dann abrupt auf.

„Ich ... ich hab‘ vergessen, dass ich noch mit Mom telefonieren muss. Lass‘ einfach alles stehen, ich räume später auf.“ Lennie flüchtete förmlich aus der Küche und ignorierte Marks Rufe. Dieser kam jedoch nicht hinter ihm her und in seinem Zimmer angekommen, entließ er seine mühsam zurückgehaltenen Gefühle.

Direkt hinter der Tür rutschte er zu Boden und wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt. Was sollte er jetzt tun?

***

Gegenwart - Mark

Hilflos blieb Mark in der Küche zurück. Seine Instinkte redeten ihm zu, aufzuspringen und dem Jungen hinterherzulaufen, doch sein Verstand hielt dagegen. Verdammt, er hätte sich nicht so vergessen dürfen. Aber Lennie war einfach zu verführerisch. Vielleicht war es an der Zeit, mal wieder in einen Club zu gehen und Druck abzubauen. Doch bei dem Gedanken an irgendeinen Fremden, mit dem er nichts weiter als Körperflüssigkeiten austauschte, schauderte es ihn regelrecht. Lennies traurige Augen schoben sich in sein Gedächtnis, verwandelten sich plötzlich in den tiefen, dunklen Blick seines Ex. Nein, ein schneller, anonymer Fick würde ihn nicht befriedigen und wäre auch keine Lösung.

Niedergeschlagen stand er auf und räumte den Tisch ab. Vielleicht sollte er einfach abwarten. Lennie mochte glauben, in ihn verliebt zu sein, aber er war noch jung. Er würde jemand in seinem Alter kennen lernen, der besser zu ihm passte und dann würde er seinen ‚alten‘ Patenonkel rasch vergessen. Mark wusste, dass er seine Probleme mal wieder vor sich herschob, doch er hatte einfach keine Kraft mehr. Abwarten war im Augenblick die beste Option - wenn nicht sogar die Einzige.

Auf dem Weg ins Wohnzimmer warf er einen Blick auf die geschlossene Tür zum Arbeitszimmer. Seit einigen Tagen fiel es ihm sogar schon schwer, überhaupt hineinzugehen und sich an den PC zu setzen. Kopfschüttelnd änderte er seine Richtung und drückte entschlossen die Klinke runter. Ein neuer Versuch konnte ja nicht viel Schaden anrichten, oder?

***

Am nächsten Tag wollte Lennie endlich seine Strategie in die Tat umsetzen, Mark von seiner Schreibblockade zu befreien. Der erste Punkt auf seiner Tagesordnung hörte sich simpel an, aber Mark bezweifelte, dass irgendetwas, das der Kleine anpackte, einfach sein würde. Er ließ es jedoch über sich ergehen. Etwas Besseres hatte er eh nicht zu tun und trotz der sexuellen Spannung, die zwischen ihnen herrschte, wollte er mehr Zeit mit seinem Patensohn verbringen. Lennie traf keine Schuld an seiner verfahrenen Situation und sollte nicht darunter leiden, dass Mark immer mehr verzweifelte.

Als dieser ihm also sagte, er wolle ins Zentrum, nickte Mark nur und sprang rasch unter die Dusche. Er ergriff die Gelegenheit, ein wenig Druck abzubauen. Seine Hand pumpte seinen Schwanz und ungewollt kam die Vorstellung von Lennie, der ihn massierte oder Luca. Die Verwirrung ließ ihn innehalten und lenkte ihn ab, doch dann erlaubte er sich, über beide gleichzeitig zu fantasieren und der Orgasmus kam einer Explosion gleich. Er war ziemlich sicher, dass er einen Namen gebrüllt hatte, aber er wusste nicht welchen und wollte es lieber nicht herausfinden.

Lennie kommentierte jedenfalls nichts und erweckte nicht den Eindruck, sich unwohl zu fühlen. Die Atmosphäre zwischen ihnen beiden fühlte sich glücklicherweise nicht seltsam an, und als sein Patensohn ihn anlächelte, war Mark zuversichtlich, dass sich alles zum Guten wenden würde. Vielleicht konnte er diese elende Schreibblockade auch bald überwinden.

Sie redeten über alles und jeden, als sie die Wohnung verließen und die Treppen herabstiegen. Der Kleine hatte ihm noch nicht verraten, wo er überall hinwollte und Mark dachte darüber danach, sich überraschen zu lassen. Als sie aus dem Gebäude traten, sah Lennie sich um, zuckte mit den Schultern und wandte sich dann nach links.

„Wo genau wollen wir eigentlich hin?“, fragte er nun doch. „Nirgendwohin“, wurde er angestrahlt.

Als Mark ihn verständnislos anstarrte, erklärte er: „Wir lassen uns treiben, erkunden die unendlichen Möglichkeiten. Es gibt so viel zu entdecken, aber wenn wir immer dieselben Wege gehen, werden wir sie nie alle finden.“

Das hörte sich nach einer Fengshui Philosophie an und Mark fragte sich nicht zum ersten Mal, woher ein Achtzehnjähriger solche Weisheit nahm. Der flippige junge Mann ging mit einem Ernst durchs Leben, der in krassem Gegensatz zu allem stand, was seine Generation normalerweise ausmachte.

Und so schlenderten sie nebeneinander her, unterhielten sich über alles und jeden, während Lennie immer wie zufällig auf Dinge zeigte und ihm dazu Fragen stellte. Nichts Besonderes und nichts, das bei Mark irgendwelches Interesse weckte.

„Schau mal.“ Lennie deutete auf eine Mutter mit ihrem Säugling, den sie in den Armen wiegte, um ihn zu beruhigen. „Was siehst du?“ „Äh ... Eine Mutter und ihr Kind?“

Lennie sah ihn nachdenklich an, sagte aber nichts weiter. Er stellte noch viele solcher Fragen, bis Marks Kopf dröhnte und seine Geduld sich dem Ende zuneigte. Er hatte das Gefühl, die falschen Antworten zu geben und langsam ging ihm dieses Spiel auf die Nerven. Deshalb schlug er vor, wieder nach Hause zu gehen.

So kehrten sie mehrere Stunden später erschöpft in die Wohnung zurück. In einem kleinen Delikatessenshop an der Ecke besorgten sie eine Flasche Wein und einige Kleinigkeiten, die man schnell zubereiten konnte. Marks Laune, die am Morgen noch relativ fröhlich gewesen war, befand sich erneut im Sturzflug und er fragte sich, ob er jemals wieder auf die Beine kommen würde. Bah, Mark, was bist du nur für ein Weichei. Jetzt reiß dich mal zusammen. Was gibst du denn für ein erbärmliches Bild ab.

Sie legten ihre Einkäufe in der Küche ab und dann schlurfte Mark ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ. Lennie setzte sich zu ihm und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange, den er wie ein Brandmal spürte.

„Warum so ein langes Gesicht? Ich nerve dich doch nicht, oder? Ich will dir nur helfen. Weißt du, mir hilft es immer mich abzulenken, wenn ich ein Problem habe, einfach an andere Dinge denken, aber ich möchte dir natürlich nichts vorschreiben.“

Mit einem kleinen Stich in Herzgegend registrierte Mark den beinahe ängstlichen Gesichtsausdruck Lennies. Der Junge gab sich wirklich Mühe, obwohl er eigentlich etwas Besseres mit seiner Zeit anfangen könnte. Ohne groß darüber nachzudenken, legte er einen Arm um die Schultern des Kleinen und konnte ein Seufzen nicht unterdrücken, als dieser sich sofort an ihn kuschelte. „Okay. Wie hast du dir denn deinen Plan weiter vorgestellt? Lass es uns einfach versuchen.“

Das strahlende Lächeln ließ sein Herz vor Freude hüpfen. Was gäbe ich darum, das jeden Tag zu sehen. Er verbannte diesen Gedanken ganz schnell und konzentrierte sich auf das, was Lennie gerade sagte.

„Gehen wir nochmal alles durch, was wir heute Vormittag gesehen haben. Zusammen.“

Mark hatte zwar keine Ahnung, was das bringen sollte, nickte aber ergeben. Etwas Besseres hatte er sowieso nicht zu tun. „In Ordnung. Ich schätze, es wird nicht wehtun.“

Lennie schnaubte. „Nachdenken tut nicht weh, obwohl bei einigen Leuten bin ich mir da nicht so sicher. Anwesende natürlich ausgeschlossen“, fügte er rasch hinzu, als Mark ihn angrollte. „Okay schließ deine Augen und erinnere dich an die Dinge, die du gesehen hast.“

Mark tat, wie ihm geheißen. Er erinnerte sich an die Mutter mit dem Säugling, an die Gruppe Halbstarker, die - versteckt in den Schatten - ‚Schwuchtel‘ gerufen hatten. Pärchen, die sich im Park küssten, der Streit zweier Nachbarn über alltägliche Nichtigkeiten. Diese Dinge sah er beinahe jeden Tag, schenkte ihnen jedoch keine Beachtung. Was brachte es also, darüber nachzudenken? Wie sollte ihm das helfen?

Viel angenehmer war da die Wärme des weichen Körpers an seiner Seite. Die seidige Haut mit den feinen Härchen auf dem Unterarm, die er unbewusst mit seinen Fingerspitzen streichelte. Der Kopf mit den bunten Strähnen lehnte an seiner Schulter und der Duft eines fruchtigen Shampoos kitzelte seine Nase. Er war bereits halbhart, doch ignorierte diese Tatsache standhaft.

„Es ist alles da“, wisperte Lennie in sein Ohr und sein warmer Atem an Marks Ohr verursachte Gänsehaut. „Erinnere dich.“ Lennie kletterte auf seinen Schoß, rieb seinen schlanken Leib an ihm. „Kannst du es sehen?“

Mark kämpfte verzweifelt gegen die Welle der Erregung an, die ihn überfiel, und versuchte sich nur auf die Aufgabe zu konzentrieren. Ein unmögliches Unterfangen, mit Lennies süßem Arsch an seinem Schwanz und seinem verführerischen Duft in der Nase. Denk nach, Mark. Der Kleine tat das nicht, um ihn zu verführen, er wollte ihm irgendetwas verdeutlichen. Er wollte ihm ehrlich helfen, das konnte er fühlen.

Das war es! Gefühle. Emotionen. Das war es, was Lennie ihm sagen wollte. „Du siehst es jetzt, nicht wahr?“, flüsterte der Junge leise.

„Liebe. Hass. Verlangen. Alles in dieser Welt dreht sich um Gefühle. Du musst sie nur verstehen. Und du darfst sie nie verlieren. Mom sagt immer, ohne Gefühle vertrocknet man wie eine Pflanze ohne Wasser.“

Mark lachte leise. Das klang nach Melli. Egal, welche Knüppel ihr das Leben auch zwischen die Beine warf, sie stand wieder auf und kostete jeden Augenblick bis zum Letzten aus. Er dachte über seine Gefühle nach und kam zu dem Ergebnis, das er sie gar nicht wirklich einsortieren konnte. Wenn er sich zum Beispiel fragte, was Liebe war, konnte er keine Antwort finden. Sein Gehirn produzierte locker einige Synonyme dafür, genauso wie ihm die Erklärung des Lexikons sofort vor Augen stand. Doch das bedeutete nicht, dass er wusste, was Liebe war. Aber etwas wurde ihm jetzt klar. Seinem Buch fehlten die Emotionen. Deshalb war es Mist.

Er erinnerte sich an seine Anfänge, als er mit dem Schreiben begonnen hatte, mehr für sich selbst als für andere. Ganze Nächte hatte er sich um die Ohren geschlagen, Ideen ausgespuckt, einen Plot gesponnen. Er hatte die Charaktere in seinem Kopf gesehen, sie in seinem Herzen gefühlt. Dann hatte er getippt, bis seine Finger ihm bald abfielen.

Und wenn er ins Bett gefallen war, entführten ihn seine Träume in die von ihm erschaffene Fantasiewelt. Die einzige Zeit, die er sich nicht mit seinen Geschichten beschäftigt hatte, waren die gemeinsamen Momente mit Luca gewesen. Sie hatten eine glückliche Zeit miteinander verbracht. War das Liebe? Liebte er Luca, oder liebte er nur die Vorstellung von ihm? Und was war mit Lennie, der sich so vertrauensvoll in seine Arme schmiegte? Was empfand er für ihn?

„Nicht die Stirn runzeln. Das gibt Falten“, brach der Kleine in seine Überlegungen ein. „Lass uns die Köstlichkeiten, die wir eingekauft haben vertilgen und morgen machen wir dann mit Phase zwei weiter.“

Mark sah ihn an, registrierte das übermütige Funkeln in den grünen Augen und wagte kaum zu fragen. „Und was ist Phase zwei?“ „Na fühlen, was sonst?“, grinste Lennie und kletterte von seinem Schoß.

Fühlen, was sonst. Nichts leichter als das. Er konnte nur hoffen, dass er seinen Verstand dabei behielt.

Gaben der Liebe - Musenkuss

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