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DÜSTERE LIEBESORAKEL

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Nach der Radiosendung wollte das Studioteam noch gemeinsam etwas trinken gehen, aber ich lehnte dankend ab. Ich zog es vor, alleine in einer Brasserie in der Nähe der Champs-Elysées „wieder runterzukommen“.

Es war noch nicht besonders viel los, der große Ansturm würde erst gegen Mittag kommen. Ich ließ mich in einer ruhigen Ecke nieder und bestellte mir einen Irish Coffee, mein Lieblingsgetränk zu jeder Tages- und Nachtzeit. Draußen verdüsterte sich der Himmel zusehends, dann begann eisiger Regen zu fallen. Wie schaurig! Bei dem Wort fiel mir mein Gefühlsleben ein. Auch das war einfach nur schaurig! Eine lange Reihe von Fehlschlägen ...

Obwohl ich anfangs „alles hatte, um glücklich zu sein“, wie die Leute immer sagen, die reden, ohne nachzudenken. Wenn sie wüssten ... Wenn sie sich nur mal für einen kurzen Augenblick in die Lage derjenigen versetzen würden, über die sie urteilen ...

Während meines Studiums hatte ich einige Beziehungen. Flüchtige Affären, nichts Ernstes. Wir machten uns keinen Kopf darüber, ob wir unser Leben zusammen verbringen wollten. Wir wussten ganz genau, dass es nicht so weit kommen würde. Man gefiel sich, man verstand sich. Das Leben genießen, mit Freunden Spaß haben und Sex haben, wenn wir Lust darauf hatten, das war alles, was zählte. Irgendwann war dann ganz entspannt Schluss, und wir blieben gute Freunde. Bei alldem war nicht ein Funken Liebe im Spiel! Nur Spaß.

Ein paar Jahre später glaubte dann auch ich, die große Liebe gefunden zu haben, von der alle Teenager schwärmen. Ich war 26. Gerade war ich von der Redaktion einer Klatschzeitschrift als Praktikantin eingestellt worden. Eines Tages bat mich mein Redaktionsleiter, Bertrand S. zu interviewen, einen berühmten Rechtsanwalt, der fast mehr Zeit in TV- und Radiostudios verbrachte als im Gerichtssaal! Von sich reden zu machen, war das Einzige, was ihm wirklich wichtig war. Selbstverständlich, um danach die Kohle einzufahren!

Damals war er noch nicht ganz so bekannt. Er war in den Dreißigern, sah gut aus, hatte unglaublichen Charme und eine tiefe, samtweiche Stimme, bei der einem köstliche Schauer den Rücken hinunterliefen. Zumindest ging es mir so bei unserem Interview. Als angehende Journalistin kam ich mir vor wie eine verpickelte Studentin vor Brad Pitt höchstpersönlich. Worüber sprachen wir? Ich weiß es nicht mehr. Um ehrlich zu sein, war es mir völlig egal, sogar schon während des Gesprächs. Ich hatte nur noch Augen für ihn.

Nach dem Interview lud er mich in ein Restaurant im Bois de Boulogne ein, mit tollem Geschirr und Seeblick. Aber ich sah nichts davon: Ich schwebte förmlich. Und in den Wochen darauf schwebte ich dermaßen hoch, dass wir drei Monate später verheiratet waren. Ein Schnellschuss! Ich war glücklich. Und hielt mich für unsterblich verliebt.

Es dauerte nicht lange, bis ich von meiner kleinen Wolke wieder herunterkam und mich mit einer Realität konfrontiert sah, die ich so überhaupt nicht erwartet hatte!

Von den Flitterwochen an ging es abwärts. Mein Mann wollte unbedingt nach Kenia. „Ein kompletter Umgebungswechsel, leidenschaftlicher Sex vor exotischer Kulisse, traumhafte Fotosafaris, nur wir zwei“, hatte er versprochen. Von wegen!

Leidenschaftlicher Sex? Da kannte ich aus meinen ersten Beziehungen aber wesentlich Besseres. Auch das ein Schnellschuss! Kaum hatten wir angefangen, war es auch schon wieder zu Ende.

Exotische Kulisse? Stimmt, allerdings nur, wenn wir mal aus den Hilton-Lounges herauskamen. Bertrand schwadronierte lieber vor den anderen Gästen über seine Heldentaten am Zeugenstand. Pausenlos. Nach ein paar Tagen drehten sie sich auf dem Absatz um, sobald sie ihn aus der Ferne erblickten.

Traumhafte Fotosafaris mitten im Buschland? Mein Mann ließ sich in sämtlichen Outfits ablichten und filmen, als Haudegen hinterm Steuer eines Range Rover, der allerdings ständig vor dem Hoteleingang geparkt war, an der Seite eines dressierten Löwen - ein geruhsamer Opi, der frei im Park lebte, um dem Ganzen ein bisschen Lokalkolorit zu verleihen ... Ein altes Tier, das völlig ungefährlich war und keinen einzigen Zahn mehr hatte. Der ideale Handlanger für einen Pariser Rechtsanwalt, der sich für Tarzan persönlich hielt!

Nur wir zwei, ganz allein? Wo und wann? Bertrand erinnerte sich nur beim Essen und beim abendlichen Express-Kuschelsex an mich.

Am Ende der Flitterwochen trat bei mir dann langsam Ernüchterung ein, wobei ich mir aber trotzdem weiter noch ein paar Illusionen bewahrte. Naiv, wie ich damals war, fand ich für meinen Mann Entschuldigungen: Er war jung und nahm sich aufgrund seiner ersten beruflichen Erfolge selbst ein bisschen zu ernst. Aber das würde sich geben, da war ich mir sicher.

Einige Wochen nach unserer Rückkehr nach Paris wurden mir dann wirklich die Augen geöffnet. Ich hatte einen Mann geheiratet, der sich als jemand völlig anderes entpuppte. Man hätte meinen können, er hätte eine gespaltene Persönlichkeit. Bei unseren Freunden und Bekannten, bei seinen Klienten war er ein charmanter Mann, zuvorkommend, immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Bei mir, wenn wir alleine waren, wurde er schlichtweg scheußlich. Egoistisch und narzisstisch. Ein Rachegott, der auf die Erde herabgestiegen war. Absolut unausstehlich! Und bei alldem auch noch abwertend! Bei jeder Gelegenheit kritisierte er mich, hatte an allem und egal woran etwas auszusetzen, vor allem egal woran. Und da er dabei nicht zimperlich mit mir umging, fühlte ich, wie ich von Tag zu Tag immer mehr verblödete. Noch schlimmer aber war, dass ich mich tatsächlich am Ende selbst für völlig uninteressant hielt.

Ich war in die Falle getappt, die schon sehr viele Frauen ins Unglück gestürzt hat. Ich hatte festgestellt, dass mein Mann untragbare Fehler hatte, war mir aber sicher, dass ich es mit viel Geduld und Überzeugung schaffen würde, ihn zu ändern. Welche verliebte Frau hat genau das nicht auch schon einmal gedacht? Aber das ist eine Illusion, für die man immer extrem teuer bezahlt! Man kann einen Menschen nicht ändern, niemals! Ich brauchte einige Zeit, bis mir das auf meine eigenen Kosten klar wurde.

Mehr als drei Jahre lang lebte ich, was ich heute meine „düstere Zeit“ nenne. Obwohl „leben“ ein großes Wort ist, „überleben“ wäre wohl der bessere Ausdruck. Ich fühlte mich wie eine Kerze, deren Flamme ganz langsam erstickt.

Am seelischen Tiefpunkt angelangt, hatte ich jegliches Selbstvertrauen verloren, schleppte mich mühsam dahin, ohne Spaß oder Freude, auf etwas wartend, das nie kam. Ich hatte auf nichts mehr Lust, und am Ende kündigte ich bei der Klatschzeitschrift, bei der ich meine erste Arbeitsstelle gefunden hatte. „Du warst weniger als ein Schatten deiner selbst!“, sagen mir heute die Freunde, die mich damals kannten.

Das hinderte mich aber nicht daran, mich an Bertrand zu klammern. Weil ich ihn ja immer noch liebte. Schon lange hatte seine Stimme keine Wirkung mehr auf mich. Und auch der Rest nicht! Aber es gab für mich einen Beweggrund, den ich jetzt absurd finde: Ich hatte Angst, mich ohne ihn komplett verloren zu fühlen. Ich war abhängig von unseren Gewohnheiten, von meinem Status als verheiratete Frau.

Es war eine schallende Ohrfeige, die mir sozusagen den Todesstoß gab und aus dieser düsteren Zeit herauskatapultierte. Gutmeinende Freundinnen hatten sich organisiert, um mir zu offenbaren, was bereits alle wussten. Mein Mann betrog mich mit allem, was ihm unter die Finger kam: Praktikantinnen, Klientinnen, Kolleginnen, Bekannte ... Für mich ein heilsamer Elektroschock! Noch am selben Tag reichte ich die Scheidung ein und zog in ein Hotel.

Ein Jahr später wurde das Urteil gefällt, ich war ihn endgültig los. Inzwischen hat er eine Bankierstochter geheiratet. Immer noch genauso clever, wenn es ums Geld geht! Seine neue Frau betrügt er genauso wie mich damals. Aber sie macht sich nichts draus: Sie steht mehr auf Frauen. Was mich betrifft, war ich 31, und mein Leben fing noch einmal ganz von vorne an.

Ich weiß nicht, ob es Kompensation war oder es daran lag, dass ich wieder Freude an allem fand, aber in den folgenden Monaten hatte ich ein äußerst reges Sexleben. Immerhin gab es ja auch einiges nachzuholen. Meine Ehejahre ließen sich zu einer langen Wüstendurchquerung zusammenfassen. Kein Verlangen, keine Lust, sogar alleine nicht, keine Fantasien. Annäherungen meines Mannes ertrug ich nicht mehr. Schon der Gedanke daran machte mich ganz krank. Es stieß mich förmlich ab. Am Ende fragte ich mich, ob ich eigentlich anormal geworden war, vielleicht ja sogar eine Lesbe, oder irgendein frigides Monster, was meine Verfassung nur noch weiter Richtung Nullpunkt zog.

Was dann folgte, beruhigte mich letztendlich aber schnell. Die Kerle gaben sich bei mir und auch an anderen Orten die Klinke in die Hand. Eine Ecke im Büro, ein einsames Wohnzimmer, ein Treppenhaus, ein Autorücksitz waren genug. Spaß war zur einzig wichtigen Sache geworden. Das körperliche Vergnügen, das Glück, mich endlich wieder als verführerische, begehrte Frau zu fühlen, die imstande war, ihren aktuellen Partner zu befriedigen. In all dem gab es keinen Platz für so einen Quatsch wie die Liebe, von dem die jungen Mädels sich so blenden lassen ...

Sobald ich ein bisschen Zärtlichkeit und Spaß bekommen hatte, sagte ich meinen One-Night-Stands auch schon wieder goodbye. Meistens fiel es ihnen schwer, das so hinzunehmen, es kam ihnen komisch vor, so schnell von einer Frau wieder fallen gelassen zu werden. Ich muss zugeben, dass es mir eine Genugtuung war, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Alle der Reihe nach! Es geschah ihnen recht!

Wir versprachen uns, uns bald wieder für eine neue Runde Bettgymnastik zu verabreden. „Verlass dich drauf, mein Freund!“ Ich hatte keine Absicht, mein Versprechen zu halten. „Der eine kommt, der andere geht“, wie die Männer es so elegant ausdrücken! Rückblickend finde ich es ziemlich erbärmlich, wie ich mich unbewusst an ihnen rächte. Stolz kann ich darauf sicherlich nicht sein! Ein weiterer Fehlschlag also, den ich meiner Reihe von Enttäuschungen hinzufügen konnte.

Mein freies Single- oder Lotterleben, wie man eben will, führte ich weiter bis zu dem Tag vor vier Jahren, als ich Serge begegnete. Er gefiel mir sofort. Groß, kräftig, gediegen. Nicht wirklich schön, aber solide.

Solide, genau das ist das Wort. Das genaue Gegenteil meines Exmannes.

Ich liebte ihn nicht - an dieses Gefühl glaubte ich schon lange nicht mehr, ich sage es nochmals. Aber ich empfand echte Sympathie und nicht wenig Bewunderung für ihn, was mir wesentlich wichtiger erschien als dieser sentimentale Quatsch, der so schnell verfliegt und von dem man sich ewig nicht erholt.

Ich hatte ihn auf einem Presseempfang bei einem Cocktail kennengelernt, anlässlich eines Filmstarts, an den ich mich nicht mehr erinnere. Er war Auslandskorrespondent für einen TV-Sender, ich war gerade von der Frauenzeitschrift eingestellt worden, für die ich seitdem arbeite. Wir mochten uns direkt, und eine halbe Stunde später ergriffen wir gemeinsam die Flucht vor den Langweilern, von denen es auf solchen Empfängen nur so wimmelt.

Müsste ich einen Jungmädchenroman schreiben, dann würde ich jetzt sagen, dass wir von diesem Augenblick bis an unser Lebensende zusammenblieben. Aber so war es nicht. Wir verbrachten ein tolles Wochenende in Deauville, das stimmt. Aber am Montag darauf reiste Serge für eine Reportage nach Südamerika, wo gerade Arbeiterdemonstrationen begonnen hatten, und ich nach England, um Prinz Charles zu interviewen.

Unsere Beziehung entwickelte sich analog zu dieser kurzen, ungewissen ersten Begegnung. Zwischen zwei Reportagen liefen wir uns über den Weg und hatten nur Zeit, um uns kurz zu treffen und ein paar schöne Momente miteinander zu teilen, bevor dann jeder wieder seine Koffer packte oder er zum Beispiel ans andere Ende der Welt reiste und ich allein in Paris zurückblieb.

So merkwürdig das klingt, aber damals litt ich an der Einsamkeit noch mehr, als wenn ich niemanden in meinem Leben gehabt hätte. Abwesenheit ist ganz schön schmerzhaft, wenn sie öfter vorkommt. Und eine Telefon- oder E-Mail-Beziehung ist auf Dauer frustrierend. Alles in allem verstanden wir uns gut, Serge und ich, aber das alle Jubeljahre mal.

Ich weiß nicht, was wir hätten anders machen können. Er liebte seinen Job, ich meinen. Es konnte nur so weitergehen, bis wir Rentner waren. In unserem letzten Beziehungsjahr sprachen wir, wieder einmal am Telefon, gemeinsam darüber und beschlossen, uns zu trennen. Wir sind gute Freunde geblieben. Manchmal treffen wir uns zufällig in Paris oder anderswo. Wir nutzen die Gelegenheit, indem wir zusammen essen und uns alles Schöne vorstellen, was wir gemeinsam so gemacht hätten ...

Seit fast zwei Jahren habe ich niemanden in meinem Leben und beklage mich nicht darüber. An Gelegenheiten mangelt es mir nicht. Wie es diese Schnepfe von Moderatorin ausdrückte, sehe ich ganz gut aus und gefalle auch. Aber in meinen Beziehungen mit Männern habe ich so viel gelitten, dass ich lieber vernünftig bleibe und sie auf Abstand halte. Je weiter sie von mir weg sind, umso besser geht es mir. Wenn ich ganz ehrlich mit mir selbst bin, muss ich zugeben, dass ich Angst habe, mich wieder in eine Beziehung zu stürzen.

Angst, wieder zu leiden und einem neuen Fehlschlag entgegenzusteuern, der das Fass zum Überlaufen bringen würde. Ich habe genug eingesteckt und fühle mich nicht mehr stark genug, um vorhersehbare Enttäuschungen zu ertragen.

Und genau, als mir diese Angst wirklich bewusst wurde, kam mir die Idee, die Artikelserie über Liebe und Gefühlsegoismus zu schreiben, mit der ich dann bekannt wurde. Ich bin die Erste, die von diesem Erfolg überrascht ist.

Es ist wirklich eigenartig, der neue Medienliebling zu sein.

Mein Ziel war das nicht. Ich - die „Meisterin der Manipulation in der Liebe“? Von wegen! Um das zu behaupten, müsste man schon bösgläubig oder verdammt eifersüchtig sein. Als ich mit meinen Recherchen anfing, wollte ich herausfinden, ob ich zu desillusioniert war, um überhaupt noch Liebe zu sehen, wenn sie vorhanden war, oder ob ich guten Grund hatte zu glauben, dass es sich nur um eine Illusion handelte. Die Antwort bekam ich. Und seitdem versuche ich, meinen Leserinnen und Lesern schmerzhafte Enttäuschungen zu ersparen. Übrigens bereite ich gerade eine neue Artikelserie über dasselbe Thema vor und habe mein Manuskript von Die Liebe: eine einzige Katastrophe! fast fertig!

Ein Klingeln riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Die Brasserie war jetzt brechend voll, draußen goss es in Strömen. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich begriff, dass mein Handy klingelte. Es war meine Chefredakteurin: „Ich habe dein Interview heute Morgen gehört.“ (Sie macht sich nie die Mühe, sich erst mal vorzustellen.) „Du warst großartig, groß-artig! Wie immer ...“

So ist sie eben, enthusiastisch, exzessiv, hyperdynamisch, anstrengend. Im selben Ton fügte sie hinzu: „Und deine Idee, das Gefühl von Liebe mit der Angst vor Einsamkeit zu verbinden: Klasse! Du musst einen Artikel darüber schreiben. Das wird super ankommen.“

„Wann du willst, Christine ...“

„Sofort. Ich reserviere dir vier Seiten in der Novemberausgabe ...“

Sie hielt inne.

„Aber ich rufe wegen etwas anderem an. Du musst mir einen großen Gefallen tun ...“

Na das klang ja zu schön ...

„Ja?“

„Stell dir vor, Bruce Willis ist am Wochenende in Cannes. Ich habe es gedeichselt, dass er uns ein Exklusivinterview gibt. Ex-klu-siv ...“

Ich wusste nur allzu gut, worauf sie hinauswollte, aber ich gab die Ahnungslose: „Hut ab! Du bist wirklich genial!“

Sie begriff, dass sie sich etwas mehr Mühe geben musste, um mich zu überzeugen.

„Stell dir vor, ich hatte letzten Monat die Top-Journalistin Cécile darauf angesetzt. Und pass auf, du wirst nicht erraten, was sie sich jetzt erlaubt hat!“

„Nein!“

„Sie liegt im Krankenhaus. Akute Nierenkolik. Da hat sie sich wirklich genau den passenden Moment ausgesucht ...!“

Ich verkniff mir die Bemerkung, dass Cécile ganz sicher lieber das Wochenende in Cannes verbracht hätte, als sich im Krankenhaus unter Schmerzen zu winden. Ohne Umschweife fragte ich, um Zeit zu gewinnen: „Und du hättest gerne, dass ich sie aus dem Stegreif ersetze?“

„Ja sicher. Ich habe sonst niemanden. Wenn du mir diesen Gefallen tust, werde ich dir dafür bis in alle Ewigkeit dankbar sein ...“

Während sie weiter schwadronierte, schweifte mein Blick nach draußen. Es regnete immer noch wie aus Kübeln, das Licht war düster, und wenn man sich die eingemummelten Leute auf dem Bürgersteig ansah, musste es draußen sibirisch kalt sein. Alles, was es brauchte, um mir die Laune zu verderben. Es war Donnerstag, ich hatte nichts Dringendes in Paris zu tun. Ich fiel Christine ins Wort.

„Okay! Ich nehme den schönen Bruce, Cannes und die Sonne. Ich muss ein bisschen relaxen.“

„Ganz lieben Dank! Ich war mir sicher, dass du ja sagen würdest. Ich lasse dir noch heute Nachmittag dein Flugticket und deine Hotelreservierung zukommen. Du wirst im Martinez wohnen! Du siehst also, dass ich dich nicht zum Narren halte! Viel Spaß, Sandrine! Küsschen!“

Am nächsten Morgen flog ich los in Richtung Nizza.

Am Montag zurück in Paris fiel eisiger Nieselregen, fast, als würde es jeden Moment anfangen zu schneien. Das hatte es im September noch nie gegeben! Das Interview mit Bruce Willis, das von seinem Agenten organisiert worden war, war ohne Probleme abgelaufen, mit einem so niedlichen, charmanten Dolmetscher, dass ich ihn zum Mittagessen einlud und vielleicht noch einigem mehr ... Wir verbrachten das Wochenende am Strand und in meinem Zimmer. Als er dann am Sonntagmorgen ging, war ich jedoch zugegebenermaßen froh, wieder allein zu sein. Ich blieb auf der von Touristenhorden bevölkerten Terrasse des Martinez sitzen und machte mir Notizen für mein Buch. Ein süßer Italiener flirtete mich an, aber ich jagte ihn zum Teufel. Ich wollte meine Ruhe!

Bevor ich die Redaktion aufsuchte, ging ich noch kurz zu mir nach Hause. Ich nutzte die Gelegenheit, um meine persönlichen Nachrichten abzurufen. Freunde, die mir Neues von sich berichteten, Einladungen zu Cocktails oder Diskussionsabenden, fünf Interview-Angebote, ein paar Werbemails, die es irgendwie durch meinen Spamfilter geschafft hatten ... Also offenbar nichts Dringendes.

Eine E-Mail allerdings sprang mir mit ihrem Betreff ins Auge: „Düstere Liebesorakel“. Was sollte das denn heißen? Wieder mal eine dieser Viagra-Werbungen, von denen es im Netz nur so wimmelt? Ein schlechter Scherz? Und wenn nicht, was dann? Der Titel war in jedem Fall zugkräftig. Ich öffnete die Nachricht und las sie zweimal, um sicherzugehen, dass ich sie auch wirklich verstanden hatte ...

„Sehr geehrte Frau Rochas,

in Ihren Artikeln und Interviews äußern Sie eklatante Unwahrheiten. Es ist überraschend, so etwas von jemandem zu hören, der vorgibt, alles über Liebe und Beziehungen zu wissen. In Wirklichkeit ist alles, was Sie über Liebe, Sex und Beziehungen zu wissen glauben, absolut falsch.

Falsch und pures Gift für Ihre Leser!

Zunächst erlaube ich mir, ein paar Beispiele für die kategorischen Behauptungen zu nennen, die Sie ständig wiederholen:

 Für ein Leben zu zweit ist es unerlässlich, sich gegenseitig Zugeständnisse zu machen.

 Damit die Beziehung hält, müssen beide Partner füreinander gemacht sein

 Man liebt im Leben nur einmal wirklich.

 Um sich gut zu verstehen, muss man viele Gemeinsamkeiten haben.

 Einige Menschen sind von Natur aus begabt im Bett, andere nicht.

 Männer haben mehr Lust auf Sex als Frauen.

 Männer sind Egoisten, vor allem beim Sex.

 In der Liebe wie auch beim Flirten spielt das Aussehen eine wesentliche Rolle.

 Wenn wir es vermeiden, viele Erfahrungen in Liebe und Sex zu machen, und auf unseren Seelenverwandten warten, steigern wir unsere Chancen, den idealen Partner zu finden.

 Wenn der andere uns wirklich liebt, versteht er in jedem Fall, was in uns vorgeht, ohne dass wir es erst zum Ausdruck bringen müssen ...

Ich sage Ihnen ohne Umschweife: Diese Behauptungen sind nicht nur irgendwelche Prinzipien, sondern düstere Liebesorakel. Wundern Sie sich nicht, wenn Menschen, die sich daran halten, in ihrem Liebes- und Gefühlsleben zu leiden haben.

Außerdem sind Sie - wie so viele andere Frauen auch - Opfer der ‚romantischen Liebe‘ und gehören zu denjenigen, die sich noch nie die Zeit genommen oder die Mühe gemacht haben, das wahre Gesicht der Liebe zu entdecken. Das imstande ist, uns zur Verwirklichung unserer innigsten Wünsche zu beflügeln.

Es ist diese wahre Liebe, die ich Sie einlade zu entdecken, wenn Sie die Aufgabe akzeptieren, die ich Ihnen gerne anvertrauen würde. Denn ich weiß, dass es mit Ihren düsteren Predigten bald vorbei sein wird. In den kommenden zwei Wochen werden Sie erfahren, warum ... und inwiefern.

Mit freundlichen Grüßen Professor Mauro.“

Was für eine seltsame E-Mail! Und dann dieser Satz: „Denn ich weiß, dass es mit Ihren düsteren Predigten bald vorbei sein wird.“ Was war damit gemeint? Und von welcher Aufgabe war da die Rede?

Ich fing an nachzudenken, ich konnte nicht anders. Die Nachricht verbarg etwas, und dieses Etwas interessierte mich. Ein Erleuchteter oder Wahnsinniger hätte nicht in diesem Ton und Stil geschrieben. Seit ich zum Gesprächsthema in den Medien geworden war, hatte ich einen Blick für solche Leute bekommen. Berühmte Menschen, auch wenn sie wie ich erst in den Anfängen steckten, finden sie aufregend. Aber man lernt schnell, sie zu erkennen und dann wie die Pest zu meiden.

Nein, diese E-Mail war von einer ausgeglichenen, ruhigen, gebildeten Person geschrieben worden. Genau das faszinierte mich ja so. Umso erstaunlicher, ja skurril, war deshalb die Formulierung „düstere Liebesorakel“.

Was bedeutete diese Nachricht? War sie ernst gemeint oder nicht? Und wenn ja, musste ich sie als Drohung betrachten? Welche Form konnte sie dann annehmen? Verschwendete ich nicht meine Zeit damit, einen verborgenen Sinn in etwas zu suchen, was nur ein schlechter Scherz war?

Ich konnte noch so sehr nachgrübeln, letztendlich sah ich nur zwei Lösungen. Die E-Mail war ein schlechter Scherz einer meiner Kolleginnen, die eifersüchtig auf meinen Erfolg waren. Möglich. Frauen schenken sich nichts. Ein Herz und eine Seele, wenn es darum geht, Männer in den Dreck zu ziehen, aber untereinander wie reißende Tiere!

Oder aber die Nachricht sagte die Wahrheit ... für diesen Fall jedoch öffnete sich ein Abgrund an Fragen zu meinen Füßen.

Zuerst einmal: Wer war dieser mysteriöse Professor? Ich hatte noch nie von ihm gehört. Natürlich kannte ich nicht alles und jeden, aber trotzdem! Und dieser Name: Mauro?

Mir kam eine merkwürdige Idee: Mit den Buchstaben des Namens ließ sich das französische Wort für Liebe (Amour) schreiben ... Reiner Zufall? Oder ein Wink mit dem Zaunpfahl, der für mich persönlich bestimmt war, für mich, die sich dadurch bekannt gemacht hatte, dass sie nur Schlechtes über die Liebe verbreitet hatte?

Stopp! Wenn ich so weitermachte und in jeder Kleinigkeit einen geheimnisvollen Sinn suchte, würde ich unter Garantie paranoid werden.

Aber mich quälte noch ein anderer Gedanke. Ich musste der Realität ins Auge blicken ... Vielleicht sagte die E-Mail ja die Wahrheit, und ich war von Anfang an geblendet durch meine persönlichen Erfahrungen und lag auf der ganzen Linie falsch, was Liebe und Beziehungen anging. Andererseits hatte ich all die Behauptungen, die dieser Professor Mauro für absolut falsch hielt, tausendmal geschrieben, gesagt und wiederholt. Und ich war ehrlich und zutiefst davon überzeugt. Ja, ich war davon überzeugt, dass man sich für ein Leben zu zweit gegenseitig Zugeständnisse machen musste! Ja, ich war mir sicher, dass man eine Menge Gemeinsamkeiten haben muss! Ja, ich glaubte zu 100 Prozent, dass Männer Egoisten in Sachen Gefühle und Sex sind! Ja, ich glaubte felsenfest, dass einige Menschen von Natur aus gut im Bett sind und andere nicht! All dessen war ich mir absolut sicher. Und ich hatte es freiheraus und ehrlich niedergeschrieben.

Und selbst wenn ich akzeptieren konnte, dass ich vielleicht von Anfang an komplett falschgelegen hatte, dann doch sicher nicht auch Hunderte von Männern und Frauen, mit denen ich mich vorbereitend zu meinen Artikeln stundenlang unterhalten hatte. Und auch nicht die zahlreichen Zuhörer und Zuschauer, die meine Äußerungen in Radio- oder TV-Interviews bestätigt hatten. Ein Ding der Unmöglichkeit!

Sicherlich hatte ich meine persönlichen Erfahrungen mit hineingebracht, aber auch die von Tausenden anderer Menschen, die genau wie ich unter diesem Unsinn gelitten hatten, den man zu oft und viel zu leichthin „Liebe“ nennt. Andererseits ...

Was, wenn wir uns einfach alle geirrt hatten? Es war nur eine Hypothese, doch ich konnte sie auch nicht einfach so vom Tisch fegen. Meine Berufsehre verbot es mir, und es war nicht meine Art, nur aus Spaß und um von mir reden zu machen, Lügenmärchen zu erzählen.

Angenommen also, ich hatte mich geirrt ... Das bedeutete ja, dass der Verfasser der E-Mail wusste, wovon er sprach, und Informationen über Liebe, Sex und Beziehungen hatte, die mein ganzes Wissen über den Haufen werfen konnten. Der Knüller des Jahrhunderts! Die Möglichkeit faszinierte und ärgerte mich zugleich. Eines war jedenfalls sicher: Die Sache ging mir nicht mehr aus dem Kopf.

Und dann immer dieser seltsame Ausdruck „düstere Liebesorakel“ ... Was genau bedeutete er? Worte, die man gerne den Mitgliedern einer esoterischen Geheimgesellschaft in den Mund gelegt hätte, die sich in Mysterien hüllen. Eingeweihte vielleicht? Aber eingeweiht worin? Von wem? Mit welchem Ziel ...? Vielleicht ja auch eine Sekte? Warum nicht? Aber welche, und was mauschelte sie da ...?

Zum Glück wurden meine überhandnehmenden Gedanken vom Klingeln meines Telefons unterbrochen. Es war Solange, meine Sekretärin, die mich aus der Redaktion anrief: „Hallo Sandrine! Wie geht es Ihnen? Ist in Cannes alles gut gelaufen ...?“

Ich gestand ihr nicht, dass mir gerade Unmengen von Fragen im Kopf herumschwirrten, die begannen, mich ernsthaft verrückt zu machen: „Sehr gut! Ich habe ein tolles Interview mit Bruce Willis in der Tasche. Christine wird be-geis-tert sein ...!“

Gerade wollte ich gemächlich fortfahren, als Solange sich räusperte: „Bitte entschuldigen Sie, aber ich wollte Sie noch daran erinnern, dass in einer halben Stunde die Redaktionskonferenz anfängt ...“

Um Himmels willen, gut, dass sie mich angerufen hatte! Diese verflixte Redaktionskonferenz, ich hatte sie komplett vergessen! Es war die einzige jeden Monat, die wir auf keinen Fall verpassen durften, da wir dort das Inhaltsverzeichnis und das Seitenlayout der nächsten Ausgabe besprachen. Ich dankte Solange und legte auf.

Es gab nicht allzu viele Staus, 25 Minuten später war ich in der Redaktion. Gerade rechtzeitig! Doch bevor ich den Konferenzsaal betrat, nahm ich mir noch schnell die Zeit, unser EDV-Genie Bertrand zu bitten, im Internet alles über einen gewissen „Professor Mauro“ herauszubekommen und den genauen Ursprung der mysteriösen E-Mail herauszufinden, die ich erhalten hatte.

Nach der Konferenz meldete er mir, dass er keine Spur von einem Professor Mauro gefunden hatte und dass die E-Mail von einem Internetcafé in Lugano im Süden der Schweiz aus gesendet worden war. Mit anderen Worten war es unmöglich herauszufinden, wer der Absender war, und damit, der Spur von Professor Mauro oder der Person zu folgen, die mit diesem Namen unterschrieben hatte. Warum hatte der Verfasser der E-Mail solche Vorkehrungen getroffen? Sehr merkwürdig das alles!

Und warum Lugano? Ich kannte niemanden dort: keine Freunde, keine beruflichen Beziehungen, keine Kontakte jeglicher Art. Und so weit ging meine Berühmtheit ja dann auch nicht, sie beschränkte sich auf die französischsprachigen Länder, und in Lugano wird Italienisch gesprochen.

So viel Brimborium nur zum Spaß - mir kam das seltsam und eher unwahrscheinlich vor. Und wenn es kein schlechter Scherz war, was verbarg diese mysteriöse E-Mail dann? Nur zu gern hätte ich das gewusst.

All das machte die Frage nur noch quälender, die mir immer und immer wieder in den Sinn kam: Was, wenn Professor Mauro recht hatte? Wenn das, was wir alle über die Liebe zu wissen glaubten, falsch war? Diese Mutmaßung machte mich fast schwindelig, wenn ich an die Folgen dachte.

Wir müssten zugeben, dass jahrhunderte-, wenn nicht gar jahrtausendelang unsere Gefühls-, Sex- und Paarbeziehungen durch eine komplett irrige Auffassung von Liebe fehlgeleitet, verfälscht und durcheinandergebracht wurden ... „E-norm!“, würde Christine sagen. Und welche Aussichten sich damit eröffnen würden! Harmonische, glückliche Paarbeziehungen würden endlich jedem offenstehen, eine wahre Revolution der Denk- und Verhaltensweisen in Sachen Liebe!

Meine Fantasie ging mit mir durch. Und welche Aussichten sich auch mir damit eröffnen würden: die außergewöhnliche Gelegenheit, eine neue Artikel- und Bücherserie über die endlich entschleierte Wirklichkeit der Liebe zu schreiben. Natürlich würde ich öffentlich gestehen müssen, dass ich mich geirrt hatte. Aber welchen Einfluss das auf die öffentliche Meinung hätte! Der Erfolg wäre mir sicher. Und nicht nur in Frankreich, sondern diesmal in der ganzen Welt ...

Ich riss mich zusammen. Jetzt war ich aber gerade komplett abgehoben. Liebe ist Humbug, ich wusste das, ich war mir absolut sicher. Ich hatte so viele Beweise dafür ... Also war es unnütz und dumm, mich in komplett absurde Hirngespinste verwickeln zu lassen. Mich in meine Arbeit zu stürzen würde der beste Weg sein, um den Sinn für die Realität wiederzufinden. Und das tat ich dann auch.

Ich blieb in der Redaktion und schrieb in einem Rutsch meinen Artikel über die Liebe im Zusammenhang mit der Angst vor Einsamkeit. Nachdem ich ihn nochmals durchgelesen und ein paar Details korrigiert hatte, gab ich ihn Solange, damit sie ihn an meine Chefredakteurin weiterleitete. Ich hatte keine Lust darauf, dass Christine mich stundenlang mit dem neuesten Pariser Tratsch aufhielt, untermalt von Ausrufen wie „groß-ar-tig“, „un-glaub-lich“ und „fan-tas-tisch“, die mir furchtbar schnell auf die Nerven gingen.

Dann verbrachte ich zwei Stunden damit, postalisch die persönlichen Fragen einiger Leserinnen zu beantworten. Normalerweise kümmert sich Solange darum. Sie ist sehr gut darin. Aber ich beschloss, es selbst zu tun, um meinen Kopf zu beschäftigen und mich daran zu hindern, wieder in Fantastereien über die E-Mail des vermeintlichen Professor Mauro abzuschweifen.


Wenig später stellte ich allerdings fest, dass das nicht funktionierte. Regelmäßig wie ein Leitmotiv kam mir immer wieder ein Gedanke: Wenn die E-Mail die Wahrheit sagte ... Ich versuchte wirklich, ihn aus meinem Kopf zu vertreiben. Aber er nistete sich ein und bohrte eigensinnig und störrisch immer weiter: Wenn die E-Mail die Wahrheit sagte ...

Ich konnte nicht anders und ließ meine Antworten an die Leserinnen für heute sein. Ich klickte mich in meine Mailbox und sendete eine Antwort an Professor Mauro: „Geben Sie mir einen einzigen Beweis für Ihre Behauptungen, dann will ich vielleicht mehr über diese famose Aufgabe wissen, die Sie mir anvertrauen wollen. Ich wiederhole: vielleicht! Sandrine Rochas.“

Ich wusste, dass meine Reaktion völlig bescheuert war, wie wenn man sich in seinem Gefühlsleben nach den Ratschlägen einer Wahrsagerin richtet. Genauso wirkungsvoll wie die Flasche, die ein Schiffbrüchiger ins Meer wirft. Es gab nicht mal eine Chance zu einer Million, dass ich eine Antwort erhielt. Aber es war die einzige Lösung, die ich gefunden hatte, um mich zu beruhigen und zu versuchen, den Kopf wieder frei zu bekommen ...

Die zwei Wochen, die dann folgten, waren ziemlich merkwürdig. Mein Tagesablauf war die Hölle: Ich nahm an fünf Radio-Interviews und TV-Sendungen teil und arbeitete gleichzeitig wie verrückt an Die Liebe: eine einzige Katastrophe! Ich schrieb Artikel für die Zeitschrift, nahm an Gesprächen und Konferenzen teil. Ganz zu schweigen von den unvermeidlichen Pariser Premieren, „wo jeder, der wichtig ist, sich sehen lassen muss“: Cocktails, Einladungen zu Mittag- oder Abendessen ... Ich hatte nicht eine Sekunde für mich!

Aber trotzdem fand ich irgendwie Zeit, zwei- oder dreimal täglich meine E-Mails zu checken. Nichts, keine Antwort vom angeblichen Professor Mauro. Je mehr Tage verstrichen, umso mehr frustrierte mich dieses Schweigen. Ich ärgerte mich über meine Reaktion, die einfach nur albern war, aber ich konnte nun mal nicht anders. Bei diesem Tempo würde ich irgendwann meine gesamte Zeit mit der Nase am Bildschirm meines PCs verbringen!

In der zweiten Woche begann ich dann langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Meine Besessenheit - wenn die E-Mail recht hatte ... - nahm ab. Meine Fragen zur Identität von Professor Mauro wurden weniger dringlich. Und ich konnte leichter zugeben, dass diese blöde E-Mail wirklich nur ein Scherz war, und zwar noch nicht mal ein besonders witziger. Langsam begann ich wieder an anderes zu denken. Es wurde ja auch Zeit!

Und dann flog die Affäre von Prinz Louis de Brückenberg auf. Eine Bombe! Die gesamte Presse sprach davon. „Ein Rie-sen-skan-dal!“, kommentierte Christine. Und sie bat mich, mich der Sache für die nächste Ausgabe anzunehmen.

Prinz Louis de Brückenberg gehörte zu den prominenten oberen Zehntausend, er war Erbe einer Familie, deren Name bis zu den Kreuzzügen zurückreichte. Ein Liebling der Klatschpresse, Vorstandsmitglied in mehreren Großbanken, UNO-Repräsentant in den Entwicklungsländern. Eine Persönlichkeit also, die unbescholtener nicht sein könnte.

Aber ein Paparazzo hatte nun entdeckt, dass er ein geheimes Verhältnis mit einem Callgirl hatte, das kürzlich in mehrere große Skandale verwickelt gewesen war. Zwielichtige Geschichten vor dem Hintergrund von Sex und Geld, wie üblich. Diese Affäre für die Zeitschrift zu verfolgen brachte mich wieder in Schwung und machte meinen Kopf frei. Kein Professor Mauro mehr, kein „wenn die E-Mail recht hatte“ mehr, keine unablässigen, völlig verdrehten Fragen mehr.

Und genau an dieser Stelle traf die Antwort ein, an die ich praktisch nicht mehr gedacht hatte. Eine E-Mail in meiner Mailbox, die ich aus einem ganz anderen Grund geöffnet hatte: „Ich fordere Sie auf, die Wahrheit über die Liebe zu veröffentlichen, anstelle der Vorurteile, vorgefassten Meinungen und eklatanten Unwahrheiten, die Sie so hartnäckig vertreten. Professor Mauro.“

Er provozierte mich und hielt mich für bescheuert, dieser Langweiler! Ich gab ihm Kontra, um zu sehen, bis wohin er seinen Spaß noch treiben würde: „Ich will Beweise! Sandrine Rochas.“

Als ich auf „Senden“ klickte, bemerkte ich zu meiner großen Überraschung, dass die E-Mail des Verfassers diesmal aus der Kongressbibliothek von Washington abgeschickt worden war. Neben den Angestellten und Besuchern gehen dort jeden Tag Hunderte von Menschen ein und aus. Absolut unmöglich, den Absender zu identifizieren!

Lugano bei der ersten E-Mail, jetzt Washington. Was bedeutete das? Reiste der mysteriöse Absender etwa in der ganzen Weltgeschichte herum? Es sei denn, dass es mehrere Absender gab ... Ein Netzwerk, eine Gruppe, eine Bruderschaft? Warum nicht? Aber ein Netzwerk, eine Gruppe oder eine Bruderschaft wofür? Es war zum Verrücktwerden! Kaum zu glauben!

Von einem Moment auf den anderen verlor der schöne Louis de B. mein ganzes Interesse, und alle meine Fragen über Professor Mauro fielen mir jäh wieder ein und begannen erneut mich zu quälen. Wenn die E-Mail die Wahrheit sagte! Wieder war ich völlig in diese geheimnisvolle Sache verwickelt, von der ich mich so mühevoll freigestrampelt hatte.

Etwa zehn Minuten später erschien eine neue E-Mail auf meinem Bildschirm und riss mich aus meinen Gedanken. Sie kam aus einem Postamt in London. Die Sache wurde immer merkwürdiger. „Unfass-bar“, hätte Christine gesagt. Die Scherz-Hypothese war nicht mehr haltbar. Es war etwas anderes. Aber was genau?

Der Text der E-Mail war klar und deutlich:

„Ich sage es Ihnen nochmals: Alles, was Sie über Liebe, Sex und Beziehungen zu wissen glauben, ist falsch!

Und zwar so falsch, dass Sie sich damit das Leben selbst unvorstellbar schwer machen.

Ihre Überzeugungen über Liebe und Beziehungen passen genau in die üblichen Schemata. Natürlich ist es bequem, ins Schema zu passen. Aber es ist wesentlich befriedigender, authentisch zu sein.

Wahrscheinlich sind Sie sich dessen nicht bewusst, aber Sie leben in einer Illusion, Sandrine. In der Illusion, den richtigen Weg zu verfolgen. Aber dem ist nicht so, Sie führen sich selbst hinters Licht.

Sie wollen einen Beweis?

Setzen Sie um, was Sie in der Anlage finden. Beginnen Sie, indem Sie den Test machen, der Ihnen Ihren Liebeserfolgsquotienten zeigen und Ihnen Aufschluss über Ihr Liebesschicksal geben wird. Sie werden überrascht sein ...

Professor Mauro“

Es war also wirklich kein Scherz! Dessen war ich mir jetzt intuitiv sicher. Und mein ganzes Leben lang hatte ich gelernt, meiner Intuition zu vertrauen.

Ich öffnete die Anlage. Sie enthielt ein erstaunliches Manuskript. Seine Lektüre und das, was folgte, haben mein Liebes- und Sexleben auf eine Art und Weise verändert, wie ich es nie gewagt hätte, mir vorzustellen. Ich glaubte, wahre Liebe gebe es nur im Märchen - und sollte feststellen, dass ich mich irrte! - Ich glaubte, Fantasien müssten fiktiv bleiben - und auch da sollte ich feststellen, dass ich mich irrte! - Ich glaubte, Paare, die zusammenbleiben, bestünden aus zwei Personen, die sich gegenseitig ergänzen - ein weiterer Irrtum!

Heute kann ich glücklich sagen, dass ich glaubte zu wissen, aber auf der ganzen Linie falsch lag.

Tatsächlich sollte ich feststellen, dass meine Vorstellung von Liebe, Sex und Beziehungen der ideale Nährboden für meine bisherigen Fehlschläge in der Liebe gewesen war. Meine unbewussten Muster, die sich aus meiner Erziehung, aus den Traditionen und wahrscheinlich auch aus den Äußerungen bekannter, angeblicher Experten gebildet hatten, waren es, die mich so lange von der wahren Erfüllung in Sachen Liebe und Sex abgehalten hatten! Und ich weiß heute, dass das Gleiche auf die meisten Frauen und Männer zutrifft.

Aber das ist heute. Bevor ich das Manuskript von Professor Mauro las und mich in seiner konkreten Umsetzung übte, war ich noch die skeptische Journalistin, die Beweise und noch mehr Beweise wollte. In dieser geistigen Verfassung begann ich meine Lektüre.

Hier ist das Manuskript, wie es mir zuging. Sein Inhalt ist das Gegenmittel gegen Unstimmigkeiten in Beziehungen und das Scheitern der Liebe. Machen Sie es wie ich: Setzen Sie es in Ihrem Liebes- und Sexleben um. Sie werden es nicht fassen können! Es wird alles von Grund auf ändern, zu Ihrer größten Freude und auch zur größten Freude Ihres Partners bzw. Ihrer Partnerin.

Ich habe kein einziges Wort oder Komma geändert: Es ist perfekt, so wie es ist! Nur ab und zu habe ich Kommentare über den Stand meiner Erfahrungen eingefügt.

Was GOTT ADAM und EVA nicht sagte

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