Читать книгу Der Erste Weltkrieg - Daniel Marc Segesser - Страница 10
2.3. Kriegspläne
ОглавлениеWie bereits im vorangegangenen Kapitel betont, führte die Aufstellung von Millionenheeren in Europa im Verlauf des späten 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dazu, dass die jeweilige militärische Führung sich gezwungen sah, konkrete Planungen an die Hand zu nehmen, um Fragen der Ausrüstung, des Transports und der Ernährung von solchen Verbänden zu klären. Zudem musste sich die militärische Führung klar werden, welche Ziele mit diesen Verbänden mit welchen Mitteln in jeweils unterschiedlichen Situationen erreicht werden sollten. Neben der Planung für kleinere regionale Konflikte bildete für die Militärführung der meisten Staaten ein Konflikt zwischen dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten einerseits sowie Frankreich und seinen Verbündeten andererseits weiterhin die grundsätzliche Ausgangsdisposition.
Unter diesen Voraussetzungen trat im Jahre 1891 der neue preußische Generalstabchef Alfred Graf Schlieffen sein Amt als Nachfolger des glücklosen Grafen Waldersee an. Die politische Situation hatte sich dabei grundlegend verändert. 1890 war der Rückversicherungsvertrag des Deutschen Reiches mit Russland ausgelaufen und 1892 hatte letzteres ein Militärbündnis mit Frankreich geschlossen. Schlieffen machte deshalb deutlich, dass die militärtechnischen und bündnispolitischen Veränderungen es für das Deutsche Reich unmöglich machten, eine «Ermattungsstrategie» zu verfolgen. Dieser Erkenntnis versuchte Schlieffen in seinen Planungen so weit als ihm möglich schien Rechnung zu tragen. Obwohl der Generalstab sehr wohl wusste, dass die Chance für einen kurzen und rasch erfolgreichen Krieg nicht groß war, blieb ihm angesichts der fehlenden Bereitschaft zur langfristigen und umfassenden Vorbereitung eines totalen Krieges und der Unmöglichkeit, das eigene Scheitern einzugestehen (Förster 1995) nur der Entscheid, die Planung eines möglichst kurzen Feldzuges weiterzuverfolgen. Das Ziel bestand darin, aus einem Krieg an zwei Fronten, zwei Kriege an je einer Front zu machen, wobei an der einen Front (im Westen) ein Vernichtungssieg nach dem Vorbild der Schlacht von Cannae angestrebt werden sollte. Dies hätte dann dazu geführt, dass der Krieg an der anderen Front erheblich einfacher geworden oder gar hätte vermieden werden können. Die grundsätzliche Stoßrichtung war für Schlieffen klar, in der konkreten Umsetzung gab es allerdings Unsicherheiten. Auf einer großen Zahl von Generalstabsreisen und Kriegsspielen wurden einzelne Aspekte der operativen Idee immer wieder thematisiert und angepasst, ohne dass an der grundsätzlichen Stoßrichtung etwas geändert wurde (Ehlert et al. 2007, 9-10). Gerade diese Tatsache führte vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg immer wieder dazu, dass Schlieffens ›Plan‹ heftig diskutiert wurde und ihm, respektive seinem Nachfolger Helmuth von Moltke dem Jüngeren, die Schuld für das Scheitern der deutschen Operationen zu Beginn des Ersten Weltkrieges zugeschoben wurde. Die Tatsache, dass der Große Generalstab gemäß den Planungen Schlieffens, die von dessen Nachfolger Moltke mit einigen kleinen Änderungen übernommen wurden, den Einsatz der deutschen Streitkräfte primär im Westen vorsah, führte dazu, dass Russland in den militärischen Planungen Österreich-Ungarns eine größere Bedeutung eingeräumt werden musste. Hatte der dortige Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf in den Jahren vor 1909 Pläne für Kriege gegen Italien und auf dem Balkan geschmiedet, so kam es 1909 zu einer Absprache, gemäß welcher die K.u.K. Armee primär an der Grenze zu Russland in Galizien aufmarschieren sollte. Dieser grundsätzlichen Vereinbarung folgten allerdings danach keine weiteren Absprachen hinsichtlich der Operationsräume, was dazu führte, dass auf beiden Seiten Erwartungen an die jeweils andere bestanden, die nicht explizit ausgesprochen wurden und auf welche die Planung der Partner daher nicht in ausreichendem Maß Bezug nahm. Dies sollte sich im Herbst 1914 noch bitter rächen.
Im Gegensatz zum deutschen Schlieffen-Plan stießen andere Kriegspläne von größeren und kleineren Mächten vor 1914 in der Forschung wie der Öffentlichkeit nur auf mäßiges Interesse. Die größte Aufmerksamkeit erweckte sicherlich der Plan XVII der französischen Streitkräfte, welche am direktesten vom Vorhaben Schlieffens betroffen waren. Ein Blick auf die damit verbundene Planung macht rasch klar, dass der französische Generalstab zwar vor 1914 durchaus damit rechnete, dass sein Land zum ersten Ziel eines deutschen Angriffs werden würde, dass er aber über keine detaillierten Kenntnisse über die genaue Kriegsplanung des Gegners verfügte. Die eigene Planung basierte daher auf einer Untersuchung des Ausbaus des deutschen Eisenbaunetzes und der Festungswerke in Lothringen. Im Rahmen seiner Analysen kam der französische Generalstab dabei zum Schluss, dass die militärische Infrastruktur vor allem im Raum Aachen-Trier und Metz-Thionville ausgebaut wurde, was nur vor dem Hintergrund einer Planung Sinn machte, die eine Invasion belgischen Territoriums miteinbezog. Der aus dem Jahr 1907/08 stammende Plan XVI wurde daher in Form von Plan XVII insofern modifiziert, als die französischen Truppen schwergewichtig stärker im Norden konzentriert und der linke Flügel gestärkt wurden. Der französische Generalstab rechnete allerdings nicht damit, dass die deutschen Truppen in Belgien die Maas überschreiten würde, da die dazu notwendigen Einheiten nicht zur Verfügung stünden. Diese Fehleinschätzung sollte eine nicht unwichtige Rolle bei der weiteren Neukonzeption der strategischen Planung des französischen Generalstabes spielen. Er begünstigte nämlich die vom neuen Generalstabchef Joseph Joffre forcierte Umstellung der französischen Kriegsplanung von einer primär defensiv ausgerichteten auf eine von der Überzeugung getragenen Auffassung, wonach Frankreich in Fragen der Offensive nicht allein auf seine Bündnispartner (vor allem Russland) setzen dürfe, sondern selber in dieser Richtung aktiv werden müsse. Sich nur defensiv zu verhalten, wurde von vielen französischen Offizieren in den höheren Rängen mit dem Eingeständnis der eigenen Schwäche gleichgesetzt. Angesichts der Tatsache, dass Frankreich aber alleine trotz der Ausweitung der allgemeinen Wehrpflicht nicht über eine zahlenmäßig bedeutsame Überlegenheit gegenüber dem Deutschen Reich verfügte, musste der französische Generalstab in seinen Planungen auf diejenigen seiner Bündnispartner Rücksicht nehmen. Von zentraler Bedeutung war dabei die Weigerung der britischen Regierung, sich in jedem Kriegsfall zu einer Entsendung britischer Truppen zu verpflichten. Der französische Generalstab konnte so nur auf die Entsendung britischer Soldaten hoffen, falls die britische Öffentlichkeit von der Rechtmäßigkeit eines Krieges überzeugt werden konnte. Das aber war unmöglich, falls Frankreich gleich bei Kriegsbeginn die Neutralität Belgiens oder Luxemburgs verletzen würde. Diese innerhalb der französischen Militärführung in internen Studien durchaus als Erfolg versprechend betrachtete Option musste deshalb fallengelassen werden. Der französische Generalstab musste jedoch nicht nur auf Großbritannien Rücksicht nehmen. Auch die militärischen Planungen Russlands beeinflussten das französische Vorgehen erheblich. Auch hier zeigte sich, dass der Bündnispartner keineswegs die gleichen Ziele verfolgte und seine Stoßkraft primär nicht gegen das Deutsche Reich, sondern gegen die Habsburgermonarchie zu richten gedachte. Frankreichs Kriegsplanung war daher im Jahre 1914 nicht im gleichen Ausmaß detailliert wie diejenige seines Kriegsgegners. Es bestand sowohl die allerdings mit politischen Vorbehalten versehene Option einer Offensive via Belgien und Luxemburg als auch diejenige eines Vorstoßes nach Lothringen oder eine Kombination dieser beiden Pläne. Klar waren dabei nur zwei Dinge: Die französische Militärführung unter Joseph Joffe war nicht bereit, die eigenen Truppen in der Defensive zu belassen und sie rechnete auch im Gegensatz zu maßgeblichen deutschen und britischen Militärs nicht mit einem langem Krieg (Ehlert et al. 2007, 221-256).
Großbritanniens Kriegsplanung vor 1914 spielte für Frankreich also eine große Rolle. Sie beschränkte sich allerdings in dieser Zeit keineswegs allein auf die Frage der Entsendung britischer Truppen auf den Kontinent für den Fall eines Krieges zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich. Anders als für Frankreich, bei welchem Fragen der Verteidigung seines Imperiums außerhalb Europas im Generalstab nur eine untergeordnete Rolle spielten und außereuropäische Aspekte nur hinsichtlich der Mobilisierbarkeit kolonialer Einheiten für einen Krieg in Europa beachtet wurden (Michel 2003), war die Sicherung der Seewege und der Besitzungen sowie des Einflusses des Empires in allen Teilen der Welt für Großbritannien von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt zu diesem Zweck waren 1905 das Committee of Imperial Defence gegründet und 1907 die Umwandlung des britischen Generalstabes des Heeres in einen Imperial General Staff beschlossen worden. Ziel dieser Veränderungen war es keineswegs, das britische Militär zu einem Gefangenen seines Empires zu machen, doch sollten die Interessen außer- und innerhalb Europas in den neugeschaffenen Gremien nicht zu letzt vor dem Hintergrund der sich verändernden politischen, strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung Großbritanniens in der Welt gegeneinander abgewogen werden. Tendenziell legten die in Großbritannien stationierten Vertreter des Heeres dabei mehr Gewicht auf die Situation in Europa, während die Vertreter der Marine – vor allem während der Amtszeit von Sir John Fisher als First Sea Lord von 1905 bis 1910 – den britischen Interessen außerhalb Europas mehr Gewicht einräumten. Dies bedeutete jedoch nicht, dass die britische Marine glaubte, keinen Beitrag in einem europäischen Krieg leisten zu können. Vielmehr versprach sie, durch eine Blockade der Seewege den deutschen Außenhandel zu lähmen – was im französischen Generalstab für sehr realistisch gehalten wurde (Ehlert et al. 2007, 245) – um damit rasch eine Kapitulation des Deutschen Reiches herbeizuführen, falls sich dieses dazu entscheiden sollte, Frankreich anzugreifen. Sollte dies nicht ausreichen, könne die Marine auch den Schutz von Landungsoperationen an der deutschen Küste sicherstellen (Offer 1989). Zentrale Aufgabe der britischen Marine blieb es allerdings immer, die Hoheit über das Meer gegen jede Macht, welche sie herauszufordern gedachte, zu verteidigen. In den Jahren vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurde das mit einem großen Propagandaaufwand betriebene Flottenprogramm des deutschen Admirals von Tirpitz als die größte Gefahr für die Royal Navy gesehen. Deshalb konzentrierte das als Admiralität bezeichnete britische Marineministerium einen Großteil der eigenen Großkampfschiffe in der Nordsee, während andere Flottenbasen auf der Welt mit Schlachtkreuzern oder älteren Schlachtschiffen vorlieb nehmen mussten. Die einzige Ausnahme bildete dabei Australien, doch darauf wird später noch eingegangen.
Innerhalb des britischen Heeres kam es in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zu großen Diskussionen über den Sinn oder Unsinn eines Engagements auf dem europäischen Kontinent. Zu den Befürwortern eines solchen Vorgehens gehörten mit James M. Grierson und Henry Wilson zwei Offiziere, die zwischen 1904 und 1914 in der wichtigen Funktion des Directors of Military Operations dienten, sowie mit George Roberston und Douglas Haig zwei weitere Offiziere, die im Verlauf des Ersten Weltkrieges eine wichtige Rolle spielten. Zu den vehementesten Gegnern eines Continental Comitment gehörten hingegen Offiziere, die längere Zeit in der Indian Army gedient hatten, so Herbert Horatio Kitchener, der von 1902 bis 1909 Oberkommandierender der Indian Army gewesen war, oder Ian Hamilton, lange Jahre Generaladjutant und später Inspector-General of Overseas Forces. Auch der indischen Regierung lag viel daran, primär die Kompatibilität von Indian Army und British Regular Army zu erhalten und die dazugehörige innere Struktur nicht dem Einsatz britischer Einheiten auf dem europäischen Kontinent zu opfern. Zudem galt die Indian Army als wichtiger Garant für die innere Ordnung und Stabilität des eigenen Landes und namhafte Exponenten der britischen Kolonialverwaltung trauten der Ruhe an der Nordwestgrenze nach dem Kolonialausgleich zwischen Russland und Großbritannien im Jahre 1907 nicht wirklich. Auch unter Offizieren der in Großbritannien befindlichen Regular Army gab es aber Gegner eines Continental Comitment, so Sir William Nicholson, von 1908 bis 1912 Chief of the Imperial General Staff. Bis 1914 wurde keine endgültige Entscheidung für oder wider einen Einsatz britischer Soldaten auf dem europäischen Kontinent getroffen, auch wenn Wilson später das Jahr 1911 als entscheidend für die kurz nach Kriegsbeginn erfolgte Entsendung der British Expeditionary Force bezeichnete.
Die militärischen Vorbereitungen und Kriegspläne des russischen Zarenreiches gehören nicht zu den besterforschten Aspekten der Geschichte des Ersten Weltkrieges, dies nicht zuletzt deshalb, weil sie lange von sowjetischen Bewertung des Weltkrieges als einer Auseinandersetzung unter Imperialisten, in welcher sich die russischen Soldaten und Offiziere tapfer und ehrenvoll geschlagen hätten, bestimmt wurde. Erst in jüngster Zeit wurde auch wieder die Frage gestellt, mit welchen Strategien das Zarenreich in einen europäischen Großkrieg einzutreten gedachte. Dabei zeigte sich, dass sowohl die beteiligten Politiker als auch die russische Militärführung gravierende Kommunikations- und Entscheidungsfindungsprobleme hatten. Diese lagen einerseits in der Struktur der obersten Führung der russischen Streitkräfte begründet, andererseits aber auch in den denkbar ungünstigen Umständen, unter welchen Russland sich nach 1905 auf einen europäischen Großkrieg vorbereiten musste. Im Russisch-Japanischen Krieg hatte Russland nämlich nicht nur eine empfindliche Niederlage erlitten, es hatte auch den größten Teil seiner baltischen wie seiner fernöstlichen Flotte verloren. Zudem hatte die 1905 niedergeschlagene Revolution besonders bei den russischen Großfürsten, die einen Großteil der Führungsränge in den russischen Streitkräften besetzten, dazu geführt, dass sich ihre Reformbereitschaft in engen Grenzen bewegte. Der reformorientierte Verteidigungsminister Aleksandr Rödiger (1905-1909) scheiterte deshalb in seinen Bemühungen, eine Reorganisation der Generalität und des Offizierskorps zu erreichen und dauerhaft einen Reichsvertreidigungsrat zur Diskussion über strategische Fragen einzurichten. Rödigers Nachfolger Suchomlinov konzentrierte sich deshalb in der Folge weitgehend auf die Verbesserung der Ausrüstung und die Steigerung der Effizienz im Bereich der Mobilisierung der Streitkräfte. Bei seinen Bemühungen standen Suchomlinow allerdings wesentlich weniger Mittel zur Verfügung als der Marine, die die großen Verluste des Russisch-Japanischen Krieges wettmachen musste und daher über Ressourcen verfügte, die 1913 und 1914 sogar diejenigen der deutschen Flottenrüstung übertrafen. Innerhalb der russischen Generalität war trotz warnender anders lautender Stimmen die Überzeugung ähnlich wie in Frankreich weit verbreitet, dass auch ein moderner europäischer Großkrieg nicht lange dauern könne und dass die Mittelmächte rasch eine Entscheidung suchen würden. Die noch in den letzten Jahren vor dem Krieg mit neuer Artillerie ausgerüsteten Festungswerke in Polen und Weissrussland sollten daher dazu dienen, einen feindlichen Vormarsch zu stoppen und damit die Mobilisierung der restlichen Teile des russischen Heeres zu ermöglichen. Demzufolge blieben bis 1910 die russischen Operationspläne auf die Defensive ausgerichtet. Auf Grund von Forderungen der eigenen politischen Führung im Gefolge der Annexionskrise in Bosnien 1908 und von solchen des französischen Allianzpartners wurden die russischen Operationspläne im Jahre 1910 angepasst. Nun sollte auch die russische Armee früher als bisher geplant zur Offensive übergehen. Ermöglicht werden sollte dies durch eine neue Form der Mobilisierung, in welcher weniger Wert auf die ethnische Durchmischung der einzelnen Verbände gelegt werden sollte. Widerstand seitens wichtiger Offiziere führte jedoch dazu, dass dieser Plan nicht vollständig umgesetzt werden konnte. Dies hatte im Juli 1914 zur Folge, dass die russische Militärführung nicht nur eine Teilmobilmachung im Westen des Landes anordnen konnte, sondern die Generalmobilmachung beschließen musste, um über ausreichend Truppen zu verfügen. Die Frage gegen wen die schließlich im Westen des Reiches mobilisierten Einheiten eingesetzt werden sollten, wurde von der russischen Militärführung vor 1914 nicht entschieden. Der 1912 modifizierte Plan 19 beinhaltete sowohl eine gegen die Habsburgermonarchie gerichtete Variante A (Avstrija) wie auch eine gegen das Deutsche Reich gerichtete Variante G (Germanija). In Manövern und Kriegsspielen wurde dieser Plan zwar 1913 und 1914 noch erprobt. Ob die vorgesehene Dauer für eine Mobilisierung realistisch sei und inwiefern die Armee über die notwendigen Kommunikationsmittel verfüge, um planmäßig die Operationen durchzuführen, wurde dabei allerdings weder getestet noch überprüft. Die russische Militärführung verfügte zwar 1914 über Mobilisierungs- und Aufmarschpläne sowie über Vorstellungen zu möglichen Operationsräumen, die Frage, welcher Gegner zuerst angegriffen werden sollte und ob die dazu notwendigen Ressourcen auch wirklich zur Verfügung stehen würden, war allerdings nicht geklärt worden. Zudem war der Informationsstand über die Pläne des Gegners dürftig.
Außerhalb Europas war das konkrete Interesse für die Kriegspläne der Mittelmächte wie der Entente nicht besonders groß. Die Pläne der amerikanischen Militärführung waren nicht auf eine Beteiligung an einem europäischen Krieg ausgerichtet, sondern konzentrierten sich vor 1914 weitgehend auf Einsätze in Lateinamerika und der Karibik sowie auf die Philippinen und den Pazifik. Im Jahre 1905 hatte der damalige Präsident Roosevelt seine Ambitionen im letztgenannten Raum durch die Entsendung der Great White Fleet demonstriert, deren Reise durch den Pazifik von den Regierungen Australiens und Neuseelands explizit begrüßt worden war. In Japan war die Heeresführung primär damit beschäftigt, die eigenen Positionen in Korea und China zu konsolidieren und eine mögliche Ausweitung des eigenen Einflusses in der Mandschurei ins Auge zu fassen. Die japanische Marineführung verfolgte ihr eigenes Konzept einer Expansion nach Süden (Nan’yo), ohne dabei allerdings konkretere Vorstellungen zu haben, wie dies geschehen sollte. Gerade die relative Unbestimmtheit dieser Pläne löste in den beiden pazifischen Dominions Australien und Neuseeland große Befürchtungen aus und führte dazu, dass vor allem in Australien, in geringerem Ausmaß aber auch in Neuseeland, Anstrengungen unternommen wurden, um die eigene militärische Sicherheit zu verbessern. Dazu gehörten die Schaffung der Royal Australian Navy – an deren Spitze mit der HMAS Australia auch ein Großkampfschiff der neuesten Generation stand – die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für den Dienst in Australien respektive in Neuseeland, der Aufbau von ersten einfachen Rüstungsbetrieben und ganz generell eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben. In Australien kam es – nicht zuletzt angesichts der Herausforderung durch Japan – schon relativ früh zu Diskussionen unter den wenigen höheren Offizieren des Landes, wie die vorhandenen militärischen Ressourcen in einem Kriegsfall eingesetzt werden sollten. Dabei standen die Beteiligten vor dem Problem, dass es einerseits der Loyalität eines großen Teils der Bevölkerung zum Empire, aber auch den eigenen Sicherheitsbedürfnissen Rechnung zu tragen galt. Den australischen und neuseeländischen Politikern und Offizieren war bekannt, dass das Mutterland Großbritannien mit der Entsendung von Soldaten rechnete, falls es darum bat. Gleichzeitig bestand aber auch die Befürchtung, dass in London den Sicherheitsbedürfnissen der pazifischen Dominions nicht ausreichend Rechnung getragen wurde. Während die neuseeländischen Politiker und Offiziere dabei tendenziell der Hilfestellung für das Mutterland den Vorrang einräumten und daher auch der Stationierung der HMS New Zealand in Europa zustimmten, waren ihre australischen Gegenüber eher darauf bedacht, die eigenen Bedürfnisse stärker zu gewichten. Ähnlich wie Großbritannien gegenüber Frankreich versprachen die beiden pazifischen Dominions daher dem Mutterland für den Fall eines Krieges in Europa oder anderswo in der Welt ihre militärische Unterstützung, ohne allerdings im Detail festzulegen, in welcher Form diese Unterstützung konkret erfolgen sollte.