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4. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Personen- und Familienrechts
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Zivilrechtlicher Erwachsenenschutzrecht ist formal Privatrecht.[30] Es findet sich im zweiten Titel des Zivilgesetzbuches im Familienrecht, und zwar in der dritten Abteilung mit dem Titel Erwachsenenschutz respektive ehemals Vormundschaft. Privatrechtlich geprägt sind im revidierten Recht insbesondere die Bestimmungen über die eigene Vorsorge, also die Patientenverfügung gemäss Art. 370 ff. ZGB, der Vorsorgeauftrag gemäss Art. 360 ff. ZGB sowie die gesetzlichen Vertretungsrechte gemäss Art. 374 ff. ZGB. Sie sind allesamt nicht von Amtes wegen durchsetzbare Regeln für Rechtsbeziehungen unter Privatpersonen, bei denen im Konfliktfall die Erwachsenenschutzbehörde entscheidet.[31] Ebenso unterliegen die schutzbedürftigen Personen nicht dem direkten staatlichen Zugriff.
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Der vom Staat eingesetzte, mit einer gewissen Unabhängigkeit ausgestattete Beistand handelt Dritten gegenüber privatrechtlich für die schutzbedürftige Person.[32] Auch die Bestimmungen, welche die Handlungsfähigkeit respektive die Einschränkung der Handlungsfähigkeit konkretisieren, gehören dem Privatrecht an. Sie ergänzen das Handlungsfähigkeitsrecht des Personenrechts.[33] Hiervon ausgeschlossen sind einzig behördliche Massnahmen, welche die Handlungsfähigkeit nicht berühren, wie die fürsorgerische Unterbringung und die Begleitbeistandschaft,[34] aber auch die Vertretungsbeistandschaft ohne Beschränkung der Handlungsfähigkeit.[35] Deshalb ist der Verweis auf den Zusammenhang von Handlungsfähigkeitsrecht und Erwachsenenschutz nicht in jedem Fall ausreichend. Erwachsenenschutz hat entsprechend eine weitergehende Aufgabe, als lediglich Mankos im Handlungsfähigkeitsrecht zu überbrücken.
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Erwachsenenschutzrecht ergänzt zwar in Bezug auf die Beschränkung der Handlungsfähigkeit das Personenrecht; Anknüpfungspunkt ist jedoch ein anderer: Beim Erwachsenenschutzrecht wird die Anordnung behördlicher Massnahmen in jedem Fall auf eine Schutzbedürftigkeit zurückgeführt, die auf einem Schwächezustand basiert.[36] Dabei kann die (teilweise) fehlende Urteilsfähigkeit durchaus einen Schwächezustand begründen. Dies ist aber nicht zwingend, da selbst unter umfassender Beistandschaft stehende Personen urteilsfähig sein können.[37] Damit zeigt sich, dass Erwachsenenschutz auch gegenüber urteilsfähigen Menschen möglich ist. Diese Perspektive deutet demnach eher auf einen öffentlich-rechtlichen Bezug hin.[38] Trotzdem gehen Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass das Verhältnis der Beistandsperson zur verbeiständeten Person überwiegend privatrechtlich geprägt ist.[39]
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Die inhaltliche Begründung, weshalb Erwachsenenschutzrecht dem Familienrecht zugeordnet wird, findet sich in seiner historischen Nähe zum Familienrecht. Die Massnahmen des Erwachsenenschutzes wurden massgeblich von denjenigen über Minderjährige und gegenüber den damals nicht selbstständigen Frauen abgeleitet.[40] Dies zeigt sich insbesondere bei der Vermögens- und der Personensorge, bei denen die Bestimmungen über die Erziehung Minderjähriger Vorbild für die Normen im Erwachsenenschutz waren.[41]