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LIVE-ROLLENSPIEL IN DER ERWACHSENENBILDUNG HINTERGRÜNDE – KONZEPTION – CHANCEN UND RISIKEN

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Ich war bereits über 50, als ich zum ersten Mal bei einem Live-Rollenspiel dabei war – und war gleich fasziniert. Das ist mir einige Male in meinem Leben so gegangen: als ich die erste richtige Märchenerzählerin gehört habe, als ich zum ersten Mal einen Langbogen in der Hand hielt, als ich zum ersten Mal ein Schwert führte. Lauter Erfahrungen, die man nicht braucht, so wenig wie Wein oder Musik. Und doch machen diese Erfahrungen ganz viel von meiner Lebensqualität aus.

All diese Erfahrungen haben auch meine Weltsicht beeinflusst, bestärkt und korrigiert. Und diese Sicht auf das Leben ist für mich geprägt vom Christentum in seiner katholischen, das heißt für mich vor allem sehr sinnlich erfahrbaren Tradition. Dabei bin ich als Theologe, Historiker und psychologisch sensibilisierter Begleiter nicht unkritisch gegenüber den alten und heutigen Grenzen der institutionalisierten Kirche, wie der einzelnen Christenmenschen, den – für mich vor allem befreienden und ermutigenden – Impuls Jesu glaubwürdig zu leben; auch ich bleibe immer dahinter zurück. Aber, und darum geht es in diesem kleinen Beitrag, das Live-Rollenspiel habe ich auch als Chance zur Bildung erlebt, zur Herausbildung der eigenen Lebens-Berufung, und um diese Herausforderung geht es nach meinem Verständnis ganz wesentlich auch im Christsein.

Seit 1978 arbeite ich in der Erwachsenenbildung, in einem großen Bildungshaus in Trägerschaft der katholischen Kirche, mittlerweile als pädagogischer Leiter. Von Anfang an setzte ich in Seminaren auch spielerische Elemente ein: Planspiele, um das Gruppenverhalten zu verdeutlichen, Rollenspiele als Training für Patienten- oder Konfliktgespräche. In religiösen Kursen arbeitete ich auch mit der Form des Bibliodrama, bei dem man sich in einen biblischen Text hineinspielt, und entwickelte in Familienseminaren Vergegenwärtigungen biblischer Erfahrungen, die sich am mittelalterlichen Mysterienspiel orientierten. Zu Beginn der 90er Jahre lernte ich erst eine Märchenerzählerin kennen und dann auch selbst das Erzählen von traditionellen Märchen und Sagen, die in traumhafter Bildersprache Lebenserfahrungen verdichten. Seither geht es in den meisten meiner Kurse um die uns ein-gebildeten inneren Bilder, die die Märchen ins Licht des Bewusstseins holen: Kopfkino und Ermutigung, auf die Kraft der eigenen Phantasie zu achten! Und ich lernte das Langbogen-Schießen kennen und schätzen, als eine großartige Möglichkeit, der eigenen Haltung und Ausrichtung nachzuspüren und das Loslassen auch körperlich zu lernen. Im Jahr 2000 nahm mein damals 12jähriger Ältester ein Tischrollenspiel mit in den Urlaub, und ein paar Jahre lang war das für mich und meine vier Kinder eine wunderbare Möglichkeit, gemeinsam auf Abenteuersuche zu gehen. Später musste ich als Chauffeur meine jüngeren Söhne an den Niederrhein fahren, zu einem Live-Rollenspiel, und aus dem milde lächelnden Fahrer-Vater wurde innerhalb von Stunden ein begeisterter Mitspieler.

Wie beim Märchen und Bogenschießen konnte ich gar nicht anders, als eine mir lieb gewordene Lebenschance in meine Arbeit einzubinden. So gibt es nun – von Kollegen eher skeptisch beobachtet – seit drei Jahren jeweils im Juli ein Rollenspiel-Wochenende in der Katholischen Akademie Stapelfeld, und zudem Rollenspiel-Elemente in etlichen Seminaren mit Familien, mit Teams und Unternehmen.

Ich möchte nun kurz skizzieren, wie ich das Live-Rollenspiel sehe und warum ich ihm – neben dem für mich unverzichtbaren Spaß-Faktor – auch eine durchaus sinn-volle Bedeutung abgewinnen kann.

Live-Rollenspiel hat, so empfinde ich es, eine gewisse Nähe zum ursprünglichen Karneval, der ebenfalls auch ein äußerlich durch Kleidung sichtbar gemachter Ausbruch aus normalen Rollen und Mustern war. Doch während der Karneval in repressiven Zeiten Ausgelassenheit feierte, geht es im Live-Rollenspiel vor allem um das, was meiner Überzeugung nach vielen Menschen in den postmodernen Wohlstandsgesellschaften fehlt: Abenteuer und Geheimnis.

LARP: Nur ein Spiel?

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