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BELANGLOSER SPASS ODER KULTURGUT?

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Spaß ist vielleicht die einzige Sache mit der man nicht spaßen darf. Und geht es beim LARP nicht eigentlich nur um Spaß? Jeder, der LARP ernst nimmt und Möglichkeiten sieht, die Rolle des Hobbys als Kulturgut zu hinterfragen oder hervorzustellen, dürfte den harschen Wind der Kritik und die Worte der Zweifler kennen: Was soll denn das Ganze mit dieser Rumforscherei und Experimentiererei? Lasst unser LARP wie es ist – ist doch alles prima. Vielleicht ist alles prima, vielleicht geht da aber auch mehr.

Während in Deutschland viele LARPer ihr Hobby als etwas kindische Spielerei sehen und es gegenüber Arbeitskollegen und Vorgesetzten verschämt verschweigen, steht der norwegische Minister für Internationale Entwicklung Heikki Holmås nicht nur sehr offen zu seinen LARP-Erfahrungen, sondern sieht in diesem Medium handfeste Möglichkeiten für den Einsatz in der Entwicklungsarbeit.

In Grönland gab es bereits 2011 ein Projekt des Kulturinstituts NAPA (Nordisches Institut in Grönland) und der Kopenhagener Rollespilsakademiet (Rollenspielakademie), bei dem mehr als 1.000 grönländische Kinder und Jugendliche sowie deren Lehrer in das Hobby LARP eingeführt wurden. In einer Region mit großen sozialen Problemen wie hoher Arbeitslosigkeit, stark verbreiteter Alkoholismus und einer der höchsten Selbstmordraten unter Jugendlichen weltweit, sollte LARP Abwechslung in den Alltag bringen und den Kindern und Jugendlichen einen Weg aufzeigen, wie sie sich auf neue Weise mit ihrer eigenen Kultur auseinandersetzen können.

Und auch in der Kunst- und Medienwelt findet LARP Anklang. Wie weit das gehen kann zeigte eindrucksvoll The Spiral, eine fünfteilige Dramaserie rund um einen spektakulären Kunstraub, die zwischen dem 3. September und dem 1. Oktober 2012 auf Arte und sechs andere europäische Fernsehsender ausgestrahlt wurde. Ideengeber und treibende Kraft des Projekts waren LARPer aus Schweden, die ihre Erfahrungen aus dem Live-Rollenspielbereich in das transmediale Erzählen von Geschichten umgesetzt haben. Die Jagd auf die Kunstdiebe fand daher nicht nur im Fernsehen statt, sondern die Geschichte wurde auch zwischen den Folgen online und in der „realen Welt“ weitergeführt.

Diese Serie mag selbst im internationalen Vergleich eine Ausnahme darstellen, aber auch ganz unabhängig von der großen glitzernden Welt der Fernsehbudgets entstehen immer mehr ambitionierte Projekte von Künstlern unterschiedlichster Prägung, insbesondere aus dem skandinavischen Raum, die LARP-Elemente in ihre Kunstwerke und Performances einbauen.

Erste ähnliche Ansätze gibt es auch in Deutschland, trotzdem scheint es im angeblichen „Land der Dichter und Denker“ manchmal so viel schwerer LARP-Innovation voranzutreiben, als in Ländern wie Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen.

LARP: Nur ein Spiel? lädt daher ein, sich mit neuen Perspektiven, Konzepten und Vorstellungen von LARP als Hobby, aber auch als Medium, auseinanderzusetzen. Das Motto dieses Bandes Nur ein Spiel? sollte durch die Beiträge hindurch zu erkennen sein. Manchmal hilft ein wenig Schummeln und „interpretieren“, aber wir befinden uns ja im Kontext eines nicht ernstgenommenen Erwachsenenspiels …

In Live-Rollenspiel in der Erwachsenenbildung – Hintergründe – Konzeption – Chancen und Risiken beschreibt Dr. Heinrich Dickerhoff, warum er als Christ und Theologe Live-Rollenspiel schätzt und worin aus seiner Sicht die pädagogischen Chancen des Mediums bestehen.

Mit dem schwierigen Thema der deutsch-deutschen Teilung und der Frage, ob und wie man diese im LARP thematisieren kann, beschäftigt sich der Beitrag Die Mauer muss weg – Live-Rollenspiele und Alternate Reality Games vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Teilung von Daniel Steinbach.

In Cross-Gender im LARP – Ein blinder Fleck? geht Gerke Schlickmann der Frage nach, warum in einem Medium, in dem Verkleiden und das Spielen einer anderen Rolle so zentrale Elemente sind wie im LARP, die Mitspielenden trotzdem so selten Charaktere mit einem anderen Geschlecht spielen.

Eine Einführung in die soziologische Rahmentheorie und ihren Bezug zum Live-Rollenspiel gibt Dennis Wienert-Risse. Aus dem Rahmen gefallen – Warum LARP von Klischees lebt soll einen theoretischen Unterbau bieten, um besser zu verstehen warum große Zwerge auf Gegenwind stoßen und wie LARPer es überhaupt schaffen, miteinander zu spielen.

Viele Fragen über (gutes) LARP lehnen sich aus Sicht von Carl David Habbe an Diskurse in der Theaterwissenschaft an. Die Chancen und Grenzen dieses Ansatzes versucht er in seinem Beitrag Spieler sind auch nur Zuschauer – Was LARP von der Theaterwissenschaft lernen kann zu beleuchten.

Bodo Jentzsch argumentiert in Theater vs. LARP dagegen, dass LARP zwar manche Gemeinsamkeiten mit dem Theater aufweise, sich letztlich aber so sehr unterscheide, dass die Ansätze der Theaterwissenschaft bei der Untersuchung zentraler Aspekte des Mediums an ihre Grenzen stoßen.

Man muss im LARP nicht die DDR-BRD-Geschichte thematisieren oder sich mit Themen wie Gender-Rollen und Gruppendynamik in der Gesellschaft auseinandersetzen. Aber man kann – und das ist eine der Stärken von Rollenspiel allgemein. Schließlich bleibt vielleicht nicht die Frage, zu was LARP gut sein soll, sondern welche Möglichkeiten bisher nicht ausprobiert wurden. Diese Aufsatzsammlung ist daher nicht nur eine Präsentation von Ideen, sondern auch eine Einladung an andere, die Möglichkeiten und Grenzen dieses Spiels weiter ausgiebig zu testen, zu hinterfragen, zu ähnlichen oder ganz anderen Schlüssen zu kommen und darüber zu berichten!

Viel Spaß und viele neue Erkenntnisse wünschen die Herausgeber

Rafael Bienia und Karsten Dombrowski

LARP: Nur ein Spiel?

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