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Kapitel 2

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Mittlerweile sitze ich im Bus von Baar nach Zug, den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt. Ich lasse meine Gedanken schweifen. Mal wieder. Gedanken, die Wurzel aller Übels. Würde ich doch nur nicht so viel denken. Aber ich kann mich nun mal nicht ändern, auch wenn das viele versuchen. Leute, die mich nicht kennen. Die mein Leben nicht kennen.

Es beginnt zu regnen, die Tropfen ziehen lange Bahnen die Fensterscheiben entlang. Sie begeben sich auf eine endliche Reise, um dann mit einem unhörbaren Platsch auf dem Asphalt zu enden. Fast wie ich das will. Nur wäre mein Platsch lauter. Würde mir das helfen? Ja. Mir vielleicht.

Aber meinem Umfeld würde solch eine Aktion nur Kummer bedeuten. Dieser Satz hat mich meinen ersten Suizidversuch vor einigen Jahren abbrechen lassen. Heute bin ich einen Schritt weiter gegangen. Doch habe ich den Mut und den Egoismus, auch den entscheidenden Schritt gen Abgrund zu machen?

Möglichkeiten hätte ich genug: Die vorhin von mir besuchte Neue Lorzentobelbrücke, die nebenstehende Alte Lorzentobelbrücke, der Balkon meiner Wohnung, die rechts an mir vorbeiziehenden Schienenstränge der Eisenbahn. Wobei letzteres das Primitivste wäre. Ich kann doch niemanden in den Schlamassel hineinziehen. Viele können das, zum Letzten entschlossen. Alles ausblenden und sich auf das Wesentliche fokussieren: Sich selbst.

Vielleicht ist das der Unterschied.

Mit einer gedanklichen Wischbewegung zerschlage ich diese Gedankengänge. Wenn ihr denkt, ich sei verrückt, dann denkt ihr das zu Recht.

Der Busfahrer lenkt sein Gefährt in die Haltestellenbucht zur rechten Seite. Ich muss aussteigen. Überraschend lebendig richte ich mich auf und hüpfe wie eine Gazelle aus dem Bus. Für Aussenstehende sähe es etwa so aus, als würde ein einbeiniger Elefant aus dem Bus aussteigen. Ich halte mich Richtung Bahnhof.

Ganz Zug scheint auf den Beinen zu sein.

Zeit nach Hause zu gehen. Mich durch den einsetzenden, durch die Bise aufgepeitschten Regen kämpfen.

Freundlich schaue ich den entgegenkommenden Menschen ins Gesicht. Viele haben mürrische Gesichtszüge aufgesetzt. Würde ich denen noch ein „Grüezi“ entgegen schmettern, würde ich wohl Schimpftiraden, Gegrummel und vielleicht sogar eine Faust ernten.

Jedermann in Eile. Warum? Angst, was zu verpassen? Angst, etwas falsch zu machen? Stress bestimmt unser Leben. Was ist mit unserer Gesellschaft los? Fragen über Fragen, die niemand so recht beantworten kann.

Ich betrete den Bahnhof und laufe durch die Unterführung. Vorne stehen zwei junge Damen, die wieder irgendwelche kostenlosen Sachen verteilen. Hat wieder ein Schweizer Getränkehersteller eine neue Sorte ins Sortiment aufgenommen? Sicher so eine Avocado-Sellerie-Rettich-Erdbeermilch. Natürlich vegan, um absolut im Trend zu stehen.

Geschickt weiche ich ihnen und den Trauben aus Gratissachenjägern und sonstigen Pendlern aus und schreite die Treppe zum Bahnsteig empor. Die S-Bahn lässt nicht lange auf sich warten. Die Türen gleiten zur Seite und der Zug verschluckt mich.

Ich habe Glück, ausnahmsweise ist genügend Platz in der S-Bahn, ich finde ein Abteil für mich alleine.

Wie im Bus lehne ich mich ans Fenster. Der Regen ist stärker geworden, das Reiseverhalten der Tropfen auf der Fensterscheibe hat zugenommen.

Ja was ist eigentlich mein Problem?

Ich bin weder Scheidungskind, habe abgesehen meines simplen Asthmas keine chronische, unheilbare oder tödliche Krankheit.

Trotzdem trage ich einen Rucksack mit mir, der mir langsam zu schwer wird. Aus meiner Sicht war ich immer der Trottel der Gesellschaft. Schüchtern, unsicher, wusste nie was er wollte.

Gegenüber meiner Berufslaufbahn ist der Chuenisbärgli-Slalom in Adelboden die reinste Abfahrtstrecke. Aber jetzt, als ich eigentlich wissen würde, was ich will, kommt mir wieder meine Ungeschicktheit und vielleicht auch ein wenig Pech in den Weg. Und schon ist ein weiteres schwarzes Schaf geboren.

Es fühlt sich übrigens sehr erfreulich an, wen man vom Chef durch die Blume gesagt bekommt, dass man als unfähig für den Job erachtet wird. Ja danke auch!

Ich habe die Szenerie noch vor mir, als er mit seiner gewohnt ausdruckslosen Miene den Zettel mit ebenso emotionslos gehaltenen Worten vorlegt und mir die ganzen Ermahnungen vorliest.

Noch besser, er hat das Gefühl, dass ich dumm sei und das Geschriebene nicht verstehe. Wie ich solche Leute liebe.

Bei der Haltestelle Schutzengel gesellt sich jemand in mein Abteil. Ich habe jedoch keine Lust herauszufinden, welchen Geschlechts.

Ich habe keine Lust, mich mit Menschen zu unterhalten. Seit einiger Zeit verspüre ich Verachtung für diese Spezies. Sie halten sich für die Grössten, sind aber Taugenichtse, die alles zerstören.

Menschensgedanken

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