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Das Abenteuer beginnt

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Nachdem Marvin seinen neuen Freund bei sich einquartiert hatte, rückte das Weihnachtsfest, das er sehnlichst herbeigewünscht hatte, plötzlich in den Hintergrund – samt den Geschenken, die er sich erhoffte. Denn einen Regenbogen zu finden war ungleich spannender als ein Fest, das man auch im nächsten Jahr wieder feierte.

Wenn er sonst immer gerne im Schnee gespielt hatte, so wunderten sich seine Eltern, dass der Sohn nunmehr kaum aus seinem Zimmer zu bewegen war. Und für Marvin war die ganze Angelegenheit wahnsinnig aufregend, denn er musste ständig auf der Hut sein, damit niemand ihn mit Pit sprechen sah oder ihn aus Versehen auf dem Fenstersims in seiner kleinen Badewanne entdecken würde. Doch Marvin hatte Glück, niemand bemerkte etwas!

Am Tag vor Weihnachten träumte er ziemlich unruhig und war schon so früh wach, als ob er zur Schule hätte gehen müssen. Gähnend rieb er sich die Augen und überlegte noch im Halbschlaf, ob er schon aufstehen oder sich noch eine Weile im Bett rekeln sollte. Er wollte unbedingt seinen Karl-May-Roman noch zu Ende lesen. Doch das Lesen war etwas in den Hintergrund gerückt, seit er einen Regenbogen zu Gast hatte. Also würde es wohl heute nichts werden mit langem Faulenzen im Bett.

Ob Pit wohl schon wach war? Müde drehte er sich um, um einen Blick auf den Fenstersims zu werfen. Damit Pit genügend Sonne abbekam, hatte er heimlich den Rollladen offen gelassen, sodass die frühe Morgensonne mit ihren ersten, zaghaften und blassen Strahlen bereits in sein Zimmer schien. Und da sah er es! Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen starrte er zum Fenster. Der kleine Pit war plötzlich gewachsen und ragte aus der kleinen Schale heraus durch das Fenster bis weit in den Himmel hinein und dabei blitzte und glitzerte er glücklich.

Marvin sprang, nun gar nicht mehr müde, aus dem Bett und rannte ans Fenster. Tatsächlich: Er konnte gar nicht bis zum Ende des Regenbogens sehen. »Pit! Du bist ja über Nacht gewachsen!«, rief er aufgeregt.

»Ja, ich bin endlich ein richtiger Regenbogen und kann jetzt nach Hause gehen!«, antwortete Pit überglücklich. Mit einem Mal war Marvin sehr niedergeschlagen. Natürlich freute er sich für seinen Freund, aber er wollte ihn doch nicht verlieren!

»Wie sieht es denn bei dir da oben aus?«, fragte er, um sich von dem traurigen Gedanken an die bevorstehende Trennung abzulenken.

»Es ist wunderschön dort oben. Da gibt es Dinge, die du bestimmt nie zuvor gesehen hast.«

»Das glaube ich gerne«, meinte Marvin, »aber was sind das für Dinge?«

»Willst du nicht einfach mitkommen und sie dir anschauen?«, fragte Pit.

»Das wäre toll, aber wie soll ich das denn machen? Ich kann schließlich nicht fliegen und ich bin auch kein Regenbogen!«, empörte sich Marvin, der sich bei diesem Vorschlag ganz schön blöd vorkam.

»Aber das ist kein Problem«, gab Pit zurück. »Du kannst auf mir entlanglaufen bis ganz nach oben!«

Marvin war skeptisch. Er hatte noch nie davon gehört, dass jemand auf einem Regenbogen entlanggelaufen wäre. Aber andererseits hatte auch bisher noch nie jemand einen Regenbogen einfach so im Schnee gefunden und ihn mit nach Hause genommen. Nachdenklich blickte er in den dunklen Morgenhimmel und die bunten Bahnen seines Freundes entlang.

»Also gut, dann versuchen wir es einfach«, entschied er dann nach kurzer Bedenkzeit. »Ich ziehe mir nur schnell etwas anderes an, ich möchte nicht im Schlafanzug in die Kälte hinaus gehen.«

Marvin wandte sich vom Fenster ab und suchte seine Jeans, dicke Socken und einen warmen Pullover. Er war aber immer noch misstrauisch, ob das Experiment auch glücken würde. Er hätte ja die ersten Schritte auch durchaus im Pyjama versuchen können. Insgeheim war er davon überzeugt, dass er gleich vom Fensterbrett fallen und keinesfalls als Pionier auf dem Regenbogen in den Himmel entschwinden würde. Aber er glaubte noch an Wunder, und wenn nur die geringste Chance bestand, dass der Versuch gelingen könnte, dann wollte er ausgerüstet sein. Minuten später stand er fix und fertig und abenteuerbereit wieder neben Pit und öffnete das Fenster.

Marvin war jetzt doch ein wenig nervös und atmete erst einmal tief durch. Ob er noch einmal aufs Klo gehen sollte? Er wusste ja nicht, wie lange er dort oben unterwegs sein würde. Und man konnte doch nicht einfach von den Wolken herunterpinkeln, oder? Marvin kicherte, als er sich das vorstellte, wurde aber gleich wieder ernst. Nein, er wollte es jetzt unbedingt wissen.

Vorsichtig stellte er seinen Schreibtischstuhl unter den Fenstersims, etwa an der Stelle, an der die Badewanne von Pit platziert war, und stieg dann erst mit einem großen Schritt auf den Stuhl und dann von dort aus auf den Fenstersims. Ängstlich hielt er sich am Fensterrahmen des geöffneten Fensters fest und blickte prüfend nach unten. Er durfte auf keinen Fall nach unten fallen. Er war zwar nur im ersten Stock, aber er konnte sich durchaus etwas brechen und das musste ja nun wirklich nicht sein.

Vorsichtig stieg er auf den Stuhl und legte eine Pause ein. Dann sprang er wieder auf den Boden zurück und dachte erneut nach. Dazu legte er den Finger an die Nase wie bei »Wicki und die starken Männer«. Wenn der erste Schritt misslang, dann fiele er aus dem Fenster. Wie aber könnte er es sonst ausprobieren?

»Worauf wartest du denn?«, fragte Pit nun ungeduldig. »Komm endlich!«

»Ja, einen Moment noch«, murmelte Marvin und hatte dann endlich eine Idee. Vorsichtig nahm er Pits Miniaturbadewanne und hob sie ganz langsam hoch. Pits Licht wackelte.

»Was tust du denn da?«, fragte Pit verwundert.

»Moment, ich hab’s gleich«, gab Marvin konzentriert zurück und fixierte das schwappende Wassergefäß. Dann nahm er es ganz behutsam vom Fenstersims weg und stellte es auf den Stuhl unter das Fenster. Anschließend zog er ganz langsam den Stuhl ein wenig zurück, wobei er etwas Wasser auf dem Sitz verspritzte, aber das trocknete ja bald. Pit wackelte ein wenig, blieb aber stabil.

»So!«, rief Marvin und war ganz stolz auf sich selbst. Der Regenbogen spannte sich jetzt nicht direkt aus dem Fenster hinaus, sondern vom Stuhl aus und das bedeutete, dass er auf den Stuhl steigen und den ersten Schritt dort versuchen konnte. Wenn es nicht klappte, fiele er zwischen dem Stuhl und dem Fensterbrett auf den Boden. Das wäre zwar nicht so toll, aber wohl auch nicht tödlich. Jedenfalls viel besser, als hinaus in den Garten auf die Steinplatten zu stürzen, die sich direkt unter seinem Fenster befanden.

Marvin holte noch einmal tief Luft und stieg dann langsam auf den Stuhl, ohne die Glasschale umzuwerfen. Dann setzte er vorsichtig den rechten Fuß auf Pits bunte Lichter und wollte sich schon beschweren, dass es nicht funktionierte, da sein Fuß einsank. Aber Pit bestand ja aus Licht und war nicht fest, sondern eher weich und wattig oder auch gummiartig und deshalb war es nur normal, dass Marvin ein wenig in den Lichtbahnen versank.

Dann jedoch spürte er plötzlich den Widerstand und es fühlte sich an, als hätte er richtig festen Grund unter seinem Fuß. Jetzt konnte problemlos das andere Bein nachziehen und sich tatsächlich auf Pit stellen. Ungläubig und unbeweglich stand er auf seinem Freund und starrte nach unten auf den Boden seines Zimmers.

»Das glaube ich ja gar nicht!«, rief er. Probeweise machte er noch einen weiteren Schritt. Und auch wenn er es jetzt immer noch nicht glauben konnte, stand er tatsächlich auf dem Regenbogen zwischen Stuhl und Fenster mit nichts unter sich als dem Teppich. Und er war nicht abgestürzt!

»Siehst du, es funktioniert doch!«, rief Pit begeistert und feuerte Marvin an, schneller aus dem Haus zu klettern, damit keiner der Nachbarn ihn dabei sähe. Marvin war nun überzeugt davon, dass es klappte, und war daher auch mutiger geworden. Deshalb machte er schnell die ersten Schritte zum Fenster hinaus, wobei er sich ein wenig ducken musste, denn aufrecht konnte er natürlich nicht hindurchgehen.

Einmal draußen spürte er die Kälte, die ihn sofort umhüllte, was ihm zusätzlich klarmachte, dass alles wirklich geschah. Was für ein Abenteuer! Er blickte noch einmal kurz in sein Zimmer zurück, dann lief er geradewegs auf Pit entlang in den morgendlichen Winterhimmel hinein.

Marvin und die Wibbels

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