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ERSTES KAPITEL
ОглавлениеDie allgemeinen Weisungen, welche ich von den Direktoren der Londoner Missions-Gesellschaft erhielt, veranlassten mich, sobald ich Kuruman und Lattakoo erreichte, welches damals wie noch heutzutage ihre am weitesten vom Kap landeinwärts gelegene Station war, meine Aufmerksamkeit nordwärts zu richten. Ich hielt mich daher nicht länger in Kuruman auf, als für die Rast meiner Zugochsen notwendig war, die von der langen Reise von der Algoa-Bucht her ziemlich abgetrieben waren, brach dann in Begleitung eines anderen Missionars nach dem Bakuena- oder Bakwain-Land auf, und fand Setschele mit seinem Stamm in Schokuane angesiedelt. Kurz darauf kehrten wir wieder nach Kuruman zurück; da jedoch unsere Zwecke durch eine zeitweise Exkursion dieser Art durchaus nicht zu erreichen waren, so nahm ich mir vor, so bald wie möglich einen neuen Streifzug ins Innere anzutreten. Nach einem etwa dreimonatigen Aufenthalt in Kuruman, welches eine Art Hauptstation in diesem Land ist, kehrte ich nach einem Ort zurück, welcher ungefähr fünfzehn englische Meilen südlich von Schokuane liegt und Lepelole (jetzt Litubaruba) hieß. Um mir eine möglichst genaue Kenntnis der Landessprache zu verschaffen, schloss ich mich hier ungefähr ein halbes Jahr lang von allem Umgang mit Europäern ab und verschaffte mir durch diese mir auferlegte schwere Probe eine Einsicht in die Lebens- und Denkweise, die Gesetze und die Sprache jenes Teils der Betschuanas, die man Bakuena nennt – Kenntnisse, welche mir in meinem Verkehr mit denselben von unberechenbarem Vorteile waren.
Auf dieser zweiten Reise nach Lepelole – welches beiläufig gesagt von einer Höhle dieses Namens so heißt – begann ich Vorbereitungen zu einer Niederlassung und leitete einen Graben zur Bewässerung von Gärten aus einem Strom ab, welcher damals reichlich floss, jetzt aber ganz trocken ist. Als diese Vorbereitungen schon ziemlich weit gediehen waren, wandte ich mich nordwärts, um die Bakaa und Bamangwato sowie die Makalaka zu besuchen, welche zwischen dem 22. und 23. Grad südlicher Breite wohnen. Das Bakaa-Gebirge war vorher von einem Handelsmann besucht worden, der mit allen seinen Leuten dem Fieber erlag. Als ich den nördlichen Teil dieser Basalthügel in der Nähe von Letlotsche umging, war ich nur zehn Tage von dem unteren Teil des Zouga entfernt, welcher auch unter dem Namen Ngami-See bekannt ist; wäre ich also nur auf Entdeckungsreisen ausgegangen, so hätte ich schon damals (1842) jenen See entdecken können. Der größte Teil dieser Reise über Schokuane hinaus wurde zu Fuß gemacht, weil die Zugochsen krank geworden waren. Einige unserer Begleiter, welche erst neuerdings zu uns gestoßen waren und nicht wussten, dass ich einigermaßen mit ihrer Sprache bekannt war, unterhielten sich so, dass ich es hören konnte, über mein Aussehen und meine Kräfte folgendermaßen: »Er ist nicht stark, er ist ganz hager und erscheint nur stämmig, weil er sich in diese Säcke (die Beinkleider) gesteckt hat; es wird ihn bald aufreiben.« Da wallte in mir das hochländische Blut auf und machte mich gleichgültig gegen die Strapazen, sie allesamt mehrere Tage nacheinander in ihrem geschwindesten Schritt zu erhalten, bis ich sie andere und entsprechendere Ansichten über meine Leistungsfähigkeit als Fußwanderer unter sich austauschen hörte.
Auf dem Rückweg nach Kuruman, als ich mein Gepäck nach der beabsichtigten Niederlassung bringen wollte, traf mich die Nachricht, dass jener Stamm der Bakuena, der sich mir so freundlich erwiesen hatte, durch die Barolongs aus Lelepole vertrieben worden sei, sodass vorerst meine Aussichten auf die Gründung einer Ansiedelei daselbst vereitelt waren. Es war eine jener periodischen Fehden um den Besitz von Hornvieh ausgebrochen, welche seit unvordenklichen Zeiten hier landesüblich zu sein scheinen, und hatte die Beziehungen der Stämme untereinander so sehr umgewandelt, dass ich mich von Neuem aufmachen musste, um mich nach einer passenden Örtlichkeit zu einer Missionsstation umzusehen.
Da mehrere Leute vom Stamm der Bamangwato mich nach Kuruman begleitet hatten, musste ich sie und ihr Eigentum wieder an ihren Häuptling Sekomi zurückgeben. Dies machte abermals eine Reise zu dem Wohnort dieses Häuptlings nötig, wobei ich zum ersten Mal eine Entfernung von mehreren Hundert englischen Meilen auf Ochsen reitend zurücklegte.
Zum Rückweg nach Kuruman wählte ich mir das schöne Tal von Mabotsa (25° 14′ südlicher Breite, 26° 30′ östlicher Länge?), weil es der Sitz einer Missionsstation war, und dorthin siedelte ich im Jahr 1843 über. Hier trug sich ein Ereignis zu, bezüglich dessen ich in England häufig befragt worden bin und das ich, ohne die lästigen Fragen von Freunden, lieber für mich behalten hätte, um es einst in meinen alten Tagen meinen Kindern zu erzählen. Die Bakatla des Dorfes Mabotsa wurden sehr von Löwen beunruhigt, welche bei Nacht in die Viehhürden einbrachen und ihnen die Kühe zerrissen, ja sogar am hellen Tag die Herden angriffen. Letzteres war eine solch ungewöhnliche Begebenheit, dass die Leute sich behext wähnten; sie glaubten, wie sie zu sagen pflegten, von einem benachbarten Stamm in die Gewalt der Löwen übergeben worden zu sein. Einmal zogen sie aus, um die Tiere anzugreifen; da sie aber im Vergleich zu den Betschuanas im Allgemeinen bei derartigen Anlässen ein ziemlich feiger Menschenschlag sind, so kehrten sie wieder nach Hause zurück, ohne einen Einzigen erlegt zu haben.
Nun ist es wohl bekannt, dass, wenn aus einem Rudel Löwen auch nur ein Einziger getötet wird, die übrigen sich den Wink zunutze machen und diesen Teil des Landes meiden. Das nächste Mal nun, als die Herden wieder angegriffen wurden, zog ich mit den Leuten aus, um ihnen Mut einzuflößen, damit sie durch Erlegung eines dieser Räuber sich die übrigen vom Hals schaffen sollten. Wir fanden die Löwen auf einem kleinen Hügel, der etwa eine Viertelmeile lang und mit Bäumen bedeckt war. Wir bildeten einen Kreis von Männern um den Hügel, und die Leute rückten nach und nach dicht zusammen, während sie miteinander den Hügel hinaufstiegen. Ich war noch unten auf der Ebene mit einem eingeborenen Schulmeister namens Mebalwe, einem ausgezeichneten Mann; da sah ich einen der Löwen auf einem Felsstück innerhalb des nun geschlossenen Kreises von Männern sitzen. Mebalwe feuerte auf ihn, noch ehe ich es konnte, und die Kugel traf auf den Felsen, auf welchem das Tier saß. Der Löwe biss nach der getroffenen Stelle, wie ein Hund nach einem Stecken oder Stein schnappt, der nach ihm geschleudert worden ist; dann sprang er davon, brach durch den sich öffnenden Kreis und entwischte unbelästigt. Die Männer scheuten sich, ihn anzugreifen – vermutlich, weil sie an Hexerei glaubten. Als der Kreis wieder geschlossen worden war, gewahrte ich zwei andere Löwen in demselben; allein wir scheuten uns zu feuern, um nicht die Menschen zu treffen, und sie ließen auch diese Tiere ausbrechen. Hätten die Bakatla nach dem dortigen landesüblichen Brauch gehandelt, so wären die Löwen bei ihrem Versuch, die Kette zu durchbrechen, mit Speeren erlegt worden. Wir sahen wohl, dass wir die Leute nicht dazu bringen konnten, einen der Löwen zu töten, und machten uns daher wieder auf den Heimweg nach dem Dorf; als wir aber um das Ende des Hügels herumgingen, sah ich eines dieser Raubtiere wie zuvor auf einem Felsstück sitzen, nur hatte es diesmal einen kleinen Busch vor sich. Da es nur etwa dreißig Schritt von mir entfernt war, zielte ich durch das Gebüsch hindurch auf seinen Leib und feuerte beide Teile auf ihn ab. Da schrien die Männer: »Er ist getroffen! Er ist getroffen!« Andere riefen: »Er hat auch von einem anderen Schützen eine Kugel bekommen! Lasst uns zu ihm hingehen!« Ich hatte niemanden außer mir auf den Löwen feuern sehen, bemerkte jedoch, wie der Löwe hinter dem Busch seinen Schweif voll Grimm ganz steil in die Höhe richtete, wandte mich daher zu den Leuten und sagte: »Wartet ein wenig, bis ich wieder geladen habe.« Während ich aber die Kugeln in den Lauf stieß, hörte ich einen Schrei. Ich schrak zusammen, blickte mich halb um und sah den Löwen gerade im Begriff, auf mich loszuspringen. Ich stand auf einer kleinen Anhöhe, er packte mich im Sprung an der Schulter und wir beide stürzten miteinander auf den Boden nieder. Er brüllte dicht an meinem Ohr entsetzlich und schüttelte mich dann, wie ein Dachshund eine Ratte schüttelt. Diese Erschütterung verursachte eine Betäubung, etwa wie diejenige, welche eine Maus fühlen muss, nachdem sie zum ersten Mal von einer Katze geschüttelt worden ist. Sie versetzte mich in einen träumerischen Zustand, worin ich keine Empfindung von Schrecken und kein Gefühl von Schmerz verspürte, obschon ich mir vollkommen dessen bewusst war, was mit mir vorging. Dieser Zustand glich demjenigen, den Patienten unter dem Einfluss einer nur teilweisen Narkose durch Chloroform beschreiben, sie sehen die ganze Operation, aber fühlen das Messer nicht. Diese eigentümliche Lage war nicht das Ergebnis irgendeines geistigen Vorgangs. Das Schütteln hob die Furcht auf und ließ keine Regung von Entsetzen beim Umblick nach dem Tier aufkommen. Es mögen wohl alle Tiere, welche von den großen Fleischfressern getötet werden, diesen eigentümlichen Zustand empfinden; und ist dies der Fall, so erkennen wir darin eine gnädige Vorkehrung unseres allgütigen Schöpfers zur Verminderung der Todesqual. Als ich mich umdrehte, um das Gewicht abzuschütteln, denn der Löwe hatte mir eine Tatze auf den Hinterkopf gesetzt, sah ich seine Augen auf Mebalwe geheftet, welcher aus einer Entfernung von zehn bis fünfzehn Schritten auf ihn zu feuern versuchte. Sein Gewehr mit Feuerschloss versagte aber auf beiden Läufen. Der Löwe verließ mich nun augenblicklich und griff Mebalwe an, den er in den Schenkel biss. Ein anderer Mann, dem ich früher einmal das Leben gerettet hatte, als er von einem Büffel in die Luft geschleudert worden war, versuchte nun, den Löwen mit dem Speer niederzustoßen, während er Mebalwe biss. Jetzt verließ das Tier Mebalwe und packte den anderen an der Schulter, allein in diesem Augenblick wirkten die beiden Kugeln, die er erhalten hatte, und er brach verendend zusammen. Das Ganze war eine Sache von wenigen Augenblicken und wohl eine Wirkung des Todeskampfes. Um nun den Zauberbann an ihm aufzuheben, machten die Bakatla am folgenden Tag ein großes Freudenfeuer über dem Körper des erlegten Löwen, der nach ihrer Aussage der größte gewesen sein sollte, welchen sie je gesehen hatten. Das Tier hatte mir nicht nur den Knochen zu Splittern zermalmt, sondern am Oberarm auch noch elf Zahnwunden hinterlassen.
»Sein Gewehr mit Feuerschloss versagte aber auf beiden Läufen«
Eine Wunde von den Zähnen dieses Tieres gleicht einer Schusswunde, hat gewöhnlich eine sehr starke Eiterung und Schorfbildung zur Folge und verursacht Schmerzen, welche man noch lange nachher periodisch in dem verletzten Körperteil fühlt. Ich trug bei jener Gelegenheit eine Jacke von gewürfeltem schottischem Wollzeug (Tartan), welche nach meinem Dafürhalten das ganze Gift von den Zähnen aufsaugte, die mir das Fleisch durchbohrten; denn meine beiden Kampfgenossen hatten die eigentümlichsten Schmerzen auszustehen, während ich nur mit der Unbequemlichkeit eines steifen Gelenkes im Oberarm davonkam. Der Mann, den der Löwe an der Schulter gepackt hatte, zeigte mir seine Wunde, die in demselben Monat des darauffolgenden Jahres in der Tat von Neuem aufgebrochen war – ein merkwürdiger Punkt, welcher die Aufmerksamkeit der Forscher gewiss verdient.
Ich schloss mich an den Stamm an, welcher Bakuena heißt, und dessen Häuptling, ein gewisser Setschele, damals mit seinen Leuten an einem Ort namens Schokuane wohnte. Mich überraschten schon von Anbeginn die Intelligenz dieses Mannes und die auffallende Art und Weise, wie wir beide uns gegenseitig voneinander angezogen fühlten. Da dieser merkwürdige Mann nicht allein das Christentum angenommen hat, sondern auch dessen Lehren seinem Volk auslegt, so will ich hier einen kurzen Abriss seiner Lebensgeschichte geben.
Sein Urgroßvater Motschoasele war ein großer Reisender und der Erste, von welchem die Bakuena je die Kunde von dem Dasein weißer Männer erhielten. Zu seines Vaters Lebzeiten passierten zwei weiße Reisende, die nach meinem Dafürhalten Dr. Cowan und Kapitän Donovan gewesen sein müssen (im Jahr 1808) das Land und fuhren den Limpopo-Fluss hinab, wo sie mit ihrer ganzen Reisegesellschaft vom Fieber aufgerieben wurden. Die Regenmacher jener Gegend fürchteten, ihre Wagen möchten den Regen vertreiben und ließen dieselben daher in den Fluss werfen. Dies ist die wahrheitsgetreue Schilderung des Ausgangs jener Expedition, wie sie mir von dem Sohn des Häuptlings erzählt wurde, in dessen Dorf sie umkamen. Er erinnerte sich, noch als Knabe von einem ihrer Pferde gegessen zu haben, und sagte, es schmecke wie Zebrafleisch.
Als Setschele noch ein Knabe war, wurde sein Vater, der ebenfalls Motschoasele hieß, von seinem eigenen Volk ermordet, weil er sich die Weiber seiner reichen Unterhäuptlinge angeeignet hatte. Die Kinder blieben verschont, und ihre Freunde luden Sebituane, den Häuptling der Makololo, welcher sich damals in dieser Gegend befand, ein, sie wieder in ihre Stelle als Häuptlinge einzusetzen. Sebituane umzingelte bei Nacht die Stadt der Bakuena, und morgens bei Tagesgrauen verkündigte sein Herold mit lauter Stimme, er sei gekommen, den Tod des Motschoasele zu rächen. Darauf schlugen alsbald Sebituanes Leute um die ganze Stadt herum laut auf ihre Schilde, was einen panischen Schrecken unter den Einwohnern verursachte. Diese stürzten wie aus einem brennenden Theater aus der Stadt hinaus, während die Makololo sich ihrer Wurfspeere gegen die erschrockenen Bakuena mit jener Geschicklichkeit bedienten, durch die sie berühmt sind. Sebituane hatte seinen Leuten die Weisung gegeben, die Söhne des Häuptlings zu schonen; und einer derselben traf den Setschele und brachte ihn dadurch in Gewahrsam, dass er ihn durch einen wuchtigen Schlag auf den Kopf mit einem Knüppel bewusstlos niederwarf. Der Usurpator wurde hingerichtet und Setschele, in seine Häuptlingswürde wieder eingesetzt, fühlte sich sehr zu Sebituane hingezogen. Die hier erwähnten Umstände führten mich endlich, wie späterhin allmählich sich zeigen wird, nach dem neuen wohlbewässerten Land, wohin eben dieser Sebituane mir vor vielen Jahren vorangezogen war.
Setschele heiratete die Töchter von dreien seiner Unterhäuptlinge, welche aus Anlass ihrer Blutsverwandtschaft ihm in seinem Unglück beigestanden hatten. Dies ist eine der üblichen Weisen, um sich der Lehnspflicht eines Stammes zu versichern. Die Regierungsform ist patriarchalisch, und jeder Mann ist kraft der Vaterschaft Häuptling über seine eigenen Kinder. Sie erbauen ihre Hütten um die seinige herum, und je höher die Zahl seiner Kinder steigt, desto mehr wächst auch sein Ansehen. Daher gelten Kinder als eine der größten Segnungen und werden immer liebevoll behandelt. Beinahe im Mittelpunkt eines jeden Hüttenkreises befindet sich ein Ort, eine sogenannte Kotla mit einer Feuerstelle; hier arbeiten, essen oder sitzen sie beisammen und plaudern über die Tagesneuigkeiten. Ein armer Mann schließt sich an die Kotla eines Reichen an und gilt als ein Kind des Letzteren. Ein Unterhäuptling hat eine Anzahl solcher Kreise um sich her, und die Ansammlung von Kotlas um die große, die sich im Mittelpunkt des Ganzen befindet und die des bedeutendsten Häuptlings ist, bildet die Stadt. Der Hüttenkreis unmittelbar um die Kotla des Häuptlings besteht aus den Hütten seiner Weiber und denjenigen seiner Blutsverwandten. Er fesselt die Unterhäuptlinge an sich und seine Regierung dadurch, dass er, wie wir es bei Setschele gesehen haben, ihre Töchter heiratet oder ihre Verheiratung mit seinen Brüdern veranlasst. Die Verwandtschaften mit angesehenen Familien sind unter ihnen sehr beliebt. Trifft man auf eine Gesellschaft von Fremden und wird die Verwandtschaft des Vornehmsten unter ihnen mit irgendeinem Oheim eines gewissen Häuptlings nicht von seinen Begleitern sogleich gebührend laut kundgegeben, so hört man ihn sicher denselben zuflüstern: »Sagt dem Fremden, wer ich bin.« Dies führt gewöhnlich dazu, dass man einem einen Teil seines Stammbaumes an den Fingern herzählt, und endet mit der wichtigen Ankündigung, dass der Anführer des Trupps ein entfernter Vetter irgendeines wohlbekannten Herrschers ist.
Setschele war auf diese Weise in seine Häuptlingswürde eingesetzt worden, als ich seine Bekanntschaft machte. Bei der ersten Gelegenheit, wo ich den Versuch machte, einen öffentlichen Gottesdienst zu halten, bemerkte er mir, es sei unter seinem Volk üblich, wenn demselben irgendein neuer Gegenstand vorgetragen werde, Fragen darüber zu stellen, und daher bat er mich um die Erlaubnis, mir in diesem Fall ebenfalls Fragen vorlegen zu dürfen. Als ich mich vollkommen bereit erklärte, ihm auf alle seine Fragen zu antworten, erkundigte er sich, ob meine Vorfahren auch schon etwas von einem künftigen Gericht gewusst hätten. Ich bejahte diese Frage und begann ihm das Schauspiel »des großen weißen Thrones und den Anblick dessen zu schildern, der darauf sitzen soll und vor dessen Antlitz Himmel und Erde vergehen werden usw.« Er sagte: »Du erschreckst mich – diese Worte machen alle meine Gebeine erbeben – ich habe gar keine Kraft mehr in mir; aber meine Vorfahren lebten ja zu derselben Zeit wie die deinigen, und wie kommt es, dass sie uns nicht früher Kunde von diesen entsetzlichen Dingen gebracht haben? Sie wanderten alle dahin in der Finsternis, ohne zu wissen, wohin sie gingen.« Ich zog mich aus der Verlegenheit, indem ich ihm die geografischen Schranken im Norden und die nur allmähliche Ausbreitung unserer Kunde vom Süden schilderte, zu dem wir erst durch Schiffe Zugang erhalten mussten; und ich drückte ihm meinen festen Glauben aus, dass, wie Christus verheißen habe, die ganze Welt noch einmal durch das Evangelium werde erleuchtet werden. Er deutete nach der großen Wüste Kalahari und sagte: »Du kannst nie durch dieses Land hindurch zu den Stämmen kommen, welche jenseits desselben wohnen; es ist dies – gewisse Jahreszeiten ausgenommen, wo eine ungewöhnliche Menge Regen fällt und Wassermelonen deshalb besonders gut gedeihen – sogar für uns Schwarze unmöglich. Selbst wir, die wir doch die Gegend kennen, würden ohne jene umkommen.« Ich versicherte ihn nochmals meines festen Glaubens an die Worte Christi, und so schieden wir.
Sobald Setschele eine Gelegenheit zum Lernen hatte, machte er sich mit einem solchen Fleiß ans Lesen, dass er, der wegen seiner Vorliebe für die Jagd zuvor verhältnismäßig hager gewesen war, nun aus Mangel an Leibesbewegung ganz korpulent wurde. Oswell erteilte ihm den ersten Unterricht in den Buchstaben, und er erlernte das Alphabet am ersten Tag meines Aufenthalts in Tschonuane. Er war in jeder Hinsicht ein ungewöhnlicher Mann unter seinem Volk, denn ich kam nie in die Stadt, ohne dass er mich bat, mir einige Kapitel aus der Bibel vorlesen zu dürfen.
Setschele fuhr drei Jahre lang fort, sich beharrlich zu unserem Glauben zu bekennen; und da ich endlich mehrere der Schwierigkeiten dieser eigentümlichen Lage begriff und zugleich Mitleid mit den armen Weibern fühlte, die bei Weitem die besten unserer Schüler waren, so drängte es mich gar nicht, von ihm so rasch zu verlangen, dass er durch die Taufe ein volles Bekenntnis ablege und sich aller seiner Weiber bis auf ein einziges entledige. Zudem war sein hauptsächlichstes Weib gerade diejenige Person des ganzen Stammes, von welcher am wenigsten zu erwarten war, dass sie je etwas anderes werden würde, als eine von Grund auf unsaubere Jüngerin der alten Schule. Seither hat sie sich, wie ich höre, in mancher Hinsicht sehr gebessert; allein ich habe sehr häufig mit angesehen, wie Setschele sie aus der Kirche fortschickte, damit sie wenigstens einen Rock anziehe, und wie sie jedes Mal mit herunterhängender Unterlippe davonging, das leibhaftige Bild unaussprechlichen Ekels über seine neuen Ansichten.
Als er endlich die Taufe von mir begehrte, fragte ich ihn einfach, wie er, der doch die Bibel in seiner Hand habe und sie zu lesen imstande sei, glaube, dass er handeln müsse. Er ging nach Hause, gab jedem seiner überflüssigen Weiber eine neue Kleidung und alle seine eigenen Habseligkeiten, die sie für ihn in ihren Hütten zu verwahren pflegten, schickte sie damit zu ihren Eltern zurück und ließ diesen sagen, er habe den Weggeschickten keinerlei Vergehen vorzuwerfen, sondern entäußere sich ihrer nur, weil er den Willen Gottes zu befolgen wünsche. An dem Tag, wo er und seine Kinder getauft wurden, kam eine Menge Volk, um dieser Feierlichkeit beizuwohnen. Etliche glaubten, infolge einer törichten Verleumdung, welche die Feinde des Christentums im Süden ausgestreut hatten, die Bekehrten würden nun einen Absud vom »Gehirn toter Menschen« trinken müssen, und waren sehr erstaunt, dass man zur Taufe nur Wasser anwandte. Da ich mehrere von den alten Männern während des Gottesdienstes wirklich Tränen vergießen sah, so befragte ich sie nachher um die Ursache ihres Weinens. Sie weinten darüber, dass es mit ihrem Vater ein solches Ende genommen habe.
Sie schienen zu glauben, ich habe einen bösen Bann über ihn geworfen und er sei mir nun ganz verfallen. Hier begann nun ein Widerstand, wie wir ihn zuvor nicht gefunden hatten. Alle die Freunde der weggeschickten Weiber wurden die Widersacher unserer Religion. Der Besuch der Schule und Kirche verminderte sich bis auf sehr wenige außer der eigenen Familie des Häuptlings. Sie alle behandelten uns zwar noch mit achtungsvollem Wohlwollen, aber dem Setschele selbst sagten sie Dinge, derentwegen er nach seiner eigenen Aussage, wenn sie ihm früher gesagt worden wären, an den Tollkühnen unversöhnliche Rache genommen haben würde. Er war eine schmerzliche Erfahrung, nach alldem, was wir getan hatten, unsere Arbeiten so wenig gewürdigt und anerkannt zu sehen; allein wir hatten den guten Samen ausgesät und hegen keinen Zweifel, dass derselbe noch einmal aufgehen wird, obwohl wir es vielleicht nicht erleben werden, ihn Früchte tragen zu sehen.
Ich breche diese Schilderung des Häuptlings ab und fahre damit fort, eine ebenso flüchtige von unserem Verkehr mit seinem Volk, den Bakuena, zu geben. Als wir uns zuerst unter ihnen niederließen, hatten wir ihnen ein kleines Stück, soviel wie zu einem Garten hinreichte, abgekauft, obschon dies in einem Land kaum notwendig war, wo der Gedanke, Land zu kaufen, ein ganz neuer war. Sie hatten erwartet, dass wir um Überlassung eines passenden Platzes nachsuchen und von demselben sodann sogleich Besitz ergreifen würden, wie es von jedem anderen Mitglied des Stammes geschah. Allein wir erklärten ihnen, wir sollten jedem Anlass zu künftigen Streitigkeiten vorbeugen, wenn das Land einmal im Wert gestiegen sein oder wenn ein törichter Häuptling zur Regierung gelangt sein würde, der, wenn wir große oder kostbare Gebäude darauf errichtet hätten, etwa auf das Ganze Ansprüche zu erheben versucht wäre. Diese Gründe wurden für stichhaltig angesehen. Wir bezahlten daher einen Wert von ungefähr fünf Pfund Sterling an Waren für ein Stück Grund und Boden, und es wurde ein Übereinkommen getroffen, dass ein ähnliches Grundstück jedem anderen Missionar und an jedem anderen Platz, wohin der Stamm übersiedeln möge, zugeteilt werde. Die einzelnen Bedingungen dieses Kaufes klangen dem Ohr dieser Leute zwar seltsam, wurden aber trotzdem vom Stamm bereitwillig angenommen.
Der Ort, wo wir uns zuerst unter den Bakuena niederließen, heißt Tschonuane, und er wurde zufällig während des ersten Jahres unseres dortigen Aufenthalts von einer jener langen Dürren heimgesucht, welche von Zeit zu Zeit sogar in den allerbegünstigsten Bezirken von Afrika vorkommen.
In unserem zweiten Jahr fiel aber wiederum kein Regen. Im dritten folgte dieselbe außerordentliche Dürre. Während dieser beiden Jahre fielen buchstäblich keine zehn Zoll Regen, und der Kolobeng trocknete ganz aus; es kamen so viele Fische um, dass die Hyänen aus der ganzen Gegend sich zu diesem Labsal versammelten und doch nicht imstande waren, die faulenden Massen aufzuräumen. Ein großer alter Alligator, der unseres Wissens niemals Unheil angerichtet hatte, wurde hoch auf dem Trockenen unter anderen Opfern im Schlamm gefunden. Das vierte Jahr war gleich ungünstig, da nicht einmal genügend Regen fiel, um das Getreide zur Reife zu bringen. Es war eine schwere Heimsuchung. Als das Wasser sich verzog, gruben wir im Bett des Flusses immer tiefer und gaben uns Mühe, nur so viel Wasser zu bekommen, um die Obstbäume für bessere Zeiten am Leben zu erhalten, allein es war vergeblich.
Es wollte also kein Regen fallen; die Bakuena glaubten, ich habe Setschele mit irgendeinem zauberhaften Bann gefeit, und schickten mir abends häufig Deputationen, aus den ältesten, ratgebenden Männern des Stammes bestehend, welche mich dringend anflehten, ich möchte ihm erlauben, doch nur einige wenige Regenschauer zu machen. »Das Getreide wird hinsterben, wenn du es verweigerst, und wir werden zerstreut werden. Lass ihn nur dieses eine Mal Regen machen, und wir wollen alle, Männer, Weiber und Kinder, in die Schule kommen und singen und beten, solange du willst!« baten sie. Vergebens stellte ich ihnen vor, ich lasse Setschele ganz nach seinen eigenen Begriffen von Recht handeln, da er das Gesetz hierfür in der Bibel niedergelegt finde; und es war mir betrübend, in ihren Augen hartherzig zu erscheinen. Die Wolken sammelten sich oft verheißungsvoll über uns, und rollender Donner schien uns erfrischende Regengüsse bringen zu wollen; allein am folgenden Morgen stieg die Sonne wieder an einem klaren wolkenlosen Himmel auf; und selbst diese Anzeichen von trübem Wetter waren weit weniger häufig, als Tage voll Sonnenschein in London sind.
Das Betragen der Leute während dieser lange andauernden Trockenheit war ein auffallend gutes. Die Weiber entledigten sich der Mehrzahl ihrer Zierrate, um Getreide von begünstigteren Stämmen zu kaufen. Die Kinder durchstreiften das Land nach allen Richtungen hin und suchten mancherlei Knollen und Wurzeln, die zum Lebensunterhalt dienen können, und die Männer gingen auf die Jagd. Sehr bedeutende Mengen von großem Wild: Büffel, Zebras, Giraffen, Tsessebes, Kamas oder Hartebeests, Kokongs oder Gnus, Pallahs, Nashörner u. a. m. fanden sich an einigen Quellen in der Nähe von Kolobeng zusammen, und es wurde daher in deren Nachbarschaft zu ihrer Erlegung eine große Fanggrube erbaut, welche hierzulande Hopo genannt wird. Der Hopo besteht aus zwei Verhauen oder Hecken in Gestalt des Buchstabens V, welche in der Nähe des Winkels sehr hoch und dicht sind. Anstatt dass aber beide Hecken im Winkel zusammenstoßen, sind sie so angelegt, dass sie eine schmale Gasse von etwa fünfzig Armlängen bilden, an deren Ende eine Grube von sechs bis acht Fuß Tiefe und zwölf bis fünfzehn Fuß Breite und Länge angebracht ist. Über die Ränder der Grube sind Baumstämme gelegt, besonders über den Rand zunächst der Stelle, wo die Tiere in das Loch hinunterspringen sollen, und auf der gegenüberliegenden Seite, über welche sie, wie man voraussetzt, versuchen werden zu entkommen, wenn sie hinuntergefallen sind. Die Stämme hängen so lose über den Rand, dass sie das Entkommen beinahe unmöglich machen. Das Ganze ist sorgfältig mit kurzen grünen Binsen bedeckt, wodurch die Vertiefung einer versteckten Fallgrube ähnlich wird. Da die Hecken gewöhnlich ungefähr eine englische Meile lang sind und an ihren Enden etwa ebenso weit voneinander abstehen, so kann ein Stamm, der um die Grube herum einen Kreis von drei bis vier Meilen bildet und nach und nach näher zusammenrückt, darauf rechnen, eine große Menge Wild einzuschließen. Dieses wird dann unter Geschrei nach dem engen Teil des Hopo getrieben, die dort versteckten Männer schleudern ihre Wurfspeere unter die bestürzten Rudel, die erschreckten Tiere rennen immer weiter bis zu der Öffnung, die sich am Ende der zusammenlaufenden Hecken befindet, und stürzen in die Grube, die sich bis zum Rand füllt und einem lebenden Knäuel ähnlich zu sein scheint. Manche entkommen, indem sie über die anderen hinwegspringen. Es ist ein grässlicher Anblick: die Männer, vor Aufregung ganz wild, stoßen mit wahnwitzigem Vergnügen die lieblichen Tiere nieder, andere von diesen armen Geschöpfen, vom Gewicht ihrer toten und sterbenden Leidensgefährten zu Boden gedrückt, müssen ersticken, und oft gewahrt man, wie bei ihren letzten Versuchen, sich aufzuraffen, die ganze Masse auf- und niederwogt.
Der Hopo oder die große Falle zum Fangen des Wildes
Die Bakuena erlegten häufig in einer Woche sechzig bis siebzig Stück großes Wild in ihren verschiedenen Hopos; und da jedermann, Arme wie Reiche, an der Jagdbeute seinen Anteil hatte, so beseitigte das Fleisch die schlimmen Folgen einer ausschließlichen Pflanzenkost. Wenn die Armen, die kein Salz hatten, nur von Wurzeln leben mussten, so wurden sie oft von schlechter Verdauung geplagt. Wir hatten häufig Gelegenheit, auch zu anderen Zeiten derartige Krankheitsfälle zu beobachten, denn die ganze Gegend hatte kein Salz, und daher konnten nur die Reichen sich solches kaufen. Die eingeborenen Ärzte kannten die Ursache der Krankheit sehr gut und verordneten daher unter ihren Heilmitteln immer auch Salz. Da aber die Doktoren selber kein Salz hatten, so wandten sich die Armen an uns um Hilfe in derartigen Fällen. Wir machten uns den Wink zunutze und heilten fortan die Krankheit dadurch, dass wir nur einen Teelöffel voll Kochsalz ohne alle anderen Arzneien reichten.
Ein anderer ungünstiger Einfluss, mit welchem die Mission zu kämpfen hatte, war die Nachbarschaft der Boers von den Caschan-Bergen, die auch unter dem Namen »Magaliesberg« bekannt sind. Man darf diese durchaus nicht mit den Kapkolonisten verwechseln, welche man zuweilen ebenfalls mit diesem Namen bezeichnet. Das Wort Boer bedeutet einfach das deutsche »Bauer«, jedoch in seiner weitesten Bedeutung als einer, der den Boden bebaut, ein Landwirt. Die Boers aber sind nicht mit dem nüchternen, fleißigen und höchst gastlichen Bauernstand des Kaplandes zu verwechseln. Die freien Boers, welche hier gemeint sind, bilden leider einen hiervon ganz verschiedenen Menschenschlag. Sie bestehen aus Leuten, welche sich aus allerhand Gründen dem Bereich der englischen Gesetze entzogen, und denen sich englische Deserteure und allerhand schlechtes Gesindel in ihren fernen Wohnplätzen beigesellt haben. Der große Vorwurf, welchen viele Boers gegen das englische Gesetz erhoben haben und noch erheben, ist der, dass es keinen Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen mache. Sie fühlten sich beeinträchtigt durch die angeblich schweren Verluste, welche sie bei der Emanzipation ihrer hottentottischen Sklaven erlitten haben, und beschlossen für sich selber die Gründung eines Freistaats, worin sie ohne Belästigung die »geeignete Behandlung der Schwarzen« forttreiben könnten. Ich brauche wohl kaum hinzuzusetzen, dass die »geeignete Behandlung« immer das wesentlichste Element der Sklaverei, nämlich die gezwungene unbezahlte Arbeit in sich begriff.
Die Grube am Ende des Hopo
Eine Abteilung dieses Menschenschlages war unter der Anführung des verstorbenen Hendrik Potgeiter bis zu den Caschan-Bergen in das Innere eingedrungen und hatte sich in einer Landschaft niedergelassen, aus welcher ein Häuptling der Zulu-Kaffern, namens Mosilikatze, durch den bekannten Kaffer Dingaan vertrieben worden war; und die Stämme der Betschuanen, die soeben dem harten Druck der Herrschaft dieses grausamen Häuptlings entronnen waren, begrüßten die Weißen mit fröhlichem Willkommen. Sie kamen zwar, wie sie sagten, als Weiße und Befreier; allein die Betschuanen fanden bald, »dass Mosilikatze grausam war gegen seine Feinde und freundlich gegen diejenigen, welche er sich unterwarf; dass aber die Boers ihre Feinde erschlugen und ihre Freunde zu Sklaven machten«. Die Stämme behalten nämlich zwar den Schein von Unabhängigkeit, müssen aber alle Feldarbeiten für die Boers zwangsweise verrichten, sie müssen düngen, jäten, ernten, Häuser, Dämme und Kanäle bauen und gleichzeitig noch für ihren eigenen Unterhalt Sorge tragen. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, wie Boers in ein Dorf kamen und nach ihrer gewohnten Weise zwanzig bis dreißig Weiber verlangten, die ihre Gärten jäten sollten; ich habe es gesehen, wie diese Weiber sich mit ihren Nahrungsmitteln auf dem Kopf, ihren Kindern auf dem Rücken und den Feldbau-Gerätschaften auf der Schulter, nach dem Schauplatz der unvergüteten harten Arbeit begaben. Es fällt den Boers gar nicht ein, ein Hehl aus der Gemeinheit zu machen, mit welcher sie sich auf diese Art unbezahlter Arbeit bedienen; im Gegenteil lobt jeder von ihnen, vor allen Potgeiter und Gert Krieger, die Anführer, selbst seine eigene Menschlichkeit und Gerechtigkeit, womit er eine solch unparteiische und billige Anordnung trifft: »Wir lassen die Leute für uns arbeiten, zum Ersatz dafür, dass wir ihnen erlauben, in unserem Land zu wohnen.«
Jene neue Art von Sklaverei haben sie aber nur deshalb eingeführt, um auf diese Weise die Feldarbeiten besorgen zu lassen. Der Bedarf an Dienstboten für das Hauswesen muss durch Raubzüge gegen Stämme, welche reichlich mit Viehherden versehen sind, aufgebracht werden. Die Portugiesen können zwar Beispiele anführen, dass Schwarze durch den Hang zu starken Getränken so tief entartet sind, dass sie sich buchstäblich selber verkaufen; allein seit Menschengedenken hat in keinem einzigen Fall ein Betschuanenhäuptling irgendeinen seiner Leute oder ein Betschuane sein Kind verkauft. Daher die Notwendigkeit der Raubzüge, um Kinder aufzugreifen. Und selbst jene vereinzelten Boers, welche um der Gewinnung von Sklaven willen an solchen Zügen nicht teilnehmen, vermögen nur selten zu widerstehen, wenn man ihnen von einer beabsichtigten Empörung des zum Opfer ausersehenen Stammes erzählt, und bei der Verteilung des geraubten Viehs einen schönen Anteil in Aussicht stellt.
Ein Mensch in einem zivilisierten Land kann es nur mit Mühe begreifen, dass ein Verein von Menschen, welche die gewöhnlichen Attribute der Menschlichkeit besitzen (und diese Boers entbehren keineswegs der besseren Regungen und Gefühle unserer Natur), nach einem zärtlichen Abschied von Weib und Kind verabredetermaßen aufbrechen sollen, um hernach mit kaltem Blut Männer und Weiber niederzuschießen, welche zwar allerdings von anderer Farbe sind, allein doch dieselben Neigungen und Gefühle besitzen wie sie selber. Ich sah und sprach Kinder in Boershäusern, welche nach ihrer eigenen Schilderung und dem Geständnis ihrer Herren gefangen genommen worden waren, und in mehreren Fällen vermochte ich die Eltern dieser Unglücklichen zu erfragen, obschon es unter den Boers ein durch lange Erfahrung erprobter Grundsatz der Vorsicht ist, die Kinder wo möglich so jung zu nehmen, dass sie bald ihre Eltern und auch ihre Muttersprache vergessen. Sie leben inmitten einer eingeborenen Bevölkerung, welche ihnen an Kopfzahl weit überlegen ist, und wohnen an Quellen, welche viele Meilen weit voneinander entfernt liegen; daher fühlen sie sich gewissermaßen in derselben unsicheren Lage wie die Amerikaner in den südlichen Staaten. Die erste Frage, welche sie dem Fremden vorlegen, betrifft den Frieden; und wenn sie hören, dass irgendein Stamm der Eingeborenen gegen den anderen missvergnügt oder neidisch sei, so machen sie sogleich einen regelrechten Aufstand daraus. Selbst den Sanftesten und Nachsichtigsten unter ihnen erscheinen dann strenge Maßregeln mit unvermeidlicher Notwendigkeit geboten, sodass auch dem blutigsten Gemetzel, welches daraus entsteht, keinerlei Gewissensbisse folgen, weil es ein unabänderliches Gebot zur Aufrechthaltung des Friedens ist. Der verstorbene Hendrik Potgeiter hielt sich im eigentlichen Sinn des Worts für den Friedensstifter des Landes.
Allein wie kommt es, dass die Eingeborenen, die doch den Boers an Kopfzahl so ungemein überlegen sind, sich nicht gegen diese erheben und sie vernichten? Der Volksstamm, unter welchem die Boers leben, sind Betschuanen, keine Kaffern, obschon niemand diesen Unterschied jemals von einem Boer erfährt. Die Geschichte kennt nicht ein einziges Beispiel, wo die Betschuanen, nicht einmal diejenigen unter ihnen, welche Feuergewehre besitzen, die Boers oder die Engländer angegriffen hätten. Wenn es ja einmal vorgekommen ist, so ist es nach meiner Überzeugung weder in der Kapkolonie selber, noch über diese hinaus, allgemein bekannt geworden. Die Betschuanen haben sich verteidigt, wenn sie angegriffen wurden, wie wir es bei Setschele gesehen haben; allein auf einen Angriffskrieg gegen die Europäer haben sie sich niemals eingelassen. Mit den Kaffern allerdings verhält es sich anders, und der Unterschied ist den Grenzboers stets so augenfällig gewesen, dass seit dem Zeitpunkt, da sie mit dem Gebrauch der Schießgewehre vertraut sind, auch nicht ein einziger Boer je versucht hat, sich im Kaffernland niederzulassen oder als Feind ihnen im Feld gegenüberzutreten. Die Boers haben allgemein eine sehr entschiedene Abneigung gegen jede Kriegführung mit weittragenden Feuerwaffen an den Tag gelegt; daher gehen sie ihnen lieber aus dem Weg und machen sich an die sanfteren, mehr verweichlichten Betschuanen und haben es den Engländern überlassen, ihre Händel mit den Kaffern auszumachen und die Kriegskosten mit englischem Gold zu bezahlen.
Die Bakuena zu Kolobeng hatten den Anblick verschiedener, in Sklaverei geknechteter Stämme unmittelbar vor ihren Augen – die Bakatla, die Batlokua, die Bahukeng, die Bamosetla und zwei andere Bakuenastämme seufzten alle unter dem Druck unvergüteter Zwangsarbeit. Dieses Übel hätte sich aber nicht als ein so großes erwiesen, wenn nicht die jungen Männer dieser Stämme – um Vieh zu erhalten, das für sie das einzige Mittel ist, um unter ihrem Volk zu Ansehen und Einfluss zu gelangen – die Gewohnheit gehabt hätten, ihre Heimat zu verlassen, um, wie die Schnitter aus Irland und dem schottischen Hochland, sich Arbeit in der Kapkolonie zu verschaffen. Wenn sie nämlich hier drei bis vier Jahre gearbeitet hatten, wo man sie meist zum Bau von steinernen Deichen und Dämmen für die holländischen Landwirte verwendet, so waren sie herzlich froh, wenn sie nach Ablauf dieser Zeit mit ebenso vielen Kühen in ihre Heimat zurückkehren konnten. Stellten sie sich dann einem ihrer Häuptlinge vor, so galten sie fortan in ihrem Stamm als ganz angesehene Männer. Diese freiwilligen Arbeiter standen bei den Holländern unter dem Namen Mantatees in großem Ansehen. Man bezahlte sie durchschnittlich mit einem Schilling pro Tag und einem großen Laib Brot für je sechs Mann. Eine Menge solcher Arbeiter, die mich früher etwa 1200 Meilen landeinwärts vom Kap gesehen hatten, erkannten mich mit einem lauten Freudengelächter, als ich bei Roggefelt und Bokkefelt, wenige Tagereisen von Kapstadt entfernt, wo sie im Freien arbeiteten, bei ihnen vorüberkam. Ich unterhielt mich mit ihnen und den Ältesten der holländischen Kirche, für welche sie arbeiteten, und fand, dass dieses System für beide Teile vollständig befriedigend war. Ich glaube nicht, dass es in der ganzen Gegend des Caschan- oder Magaliesberges auch nur einen einzigen Boer gibt, welcher in Abrede stellt, dass, weil diese Arbeit der Kolonie zunutze kommt, man sich ein Gesetz daraus machte, diese Arbeiter ihres sauer verdienten Viehs zu berauben, wofür sie den einleuchtenden Grund aufstellen: »Wenn diese Burschen arbeiten wollen, so sollen sie für uns arbeiten«, obschon sie sich prahlend rühmen, dass dieselben in diesem Fall keinen Lohn erhalten würden.
Wo nur immer ein Missionar wohnt, dahin kommen sicherlich auch Händler. Sie hängen gegenseitig voneinander ab, und der eine unterstützt den anderen in seiner Arbeit; allein die Erfahrung zeigt, dass die beiden Beschäftigungen nicht gut in derselben Person vereinigt werden können. Eine derartige Vereinigung würde zwar moralisch kein Unrecht sein, denn nichts wäre billiger und apostolischer zugleich, als dass derjenige Mann, welcher seine Zeit der geistlichen Wohlfahrt eines Volkes widmet, auch einige weltliche Vorteile aus einem redlichen Handelsverkehr ziehen könnte, welchen die ausschließlich auf ihre eigene Bereicherung abzielenden Händler in ihrer Bescheidenheit als nur ihnen allein zukommend betrachten. Allein wenn es auch recht und billig ist, dass Missionare Handel treiben, so macht es doch das gegenwärtige System der Missionen ganz untunlich, dass sie ihre Zeit auf diese Beschäftigung verwenden. Keiner von all den Missionaren, mit welchen ich jemals in Berührung kam, trieb Handel; und während die Händler, die wir in das Land einführten und daselbst in sicheren Schutz nahmen, reich wurden, sind die Missionare ohne Ausnahme arm geblieben und auch arm gestorben. Die Jesuiten – in Afrika wenigstens – waren zu ihrer Zeit klüger als wir; sie bildeten große einflussreiche Gemeinschaften und legten es darauf an, die Fähigkeiten eines jeden Bruders auf diejenige Bahn zu lenken, welche für ihn die passendste zu sein schien. So durfte der eine, der sich mit Vorliebe der Naturgeschichte widmete, dieser Neigung folgen; ein anderer, welcher sich zur Literatur hingezogen fühlte, fand Muße zur Fortsetzung seiner Studien; und wer eine besondere Anlage für den Tauschhandel hatte, den ließ man zur Aufsuchung von Elfenbein und Goldstaub reisen, sodass er zu gleicher Zeit unter fernen Stämmen die Ausübung der religiösen Handlungen seiner Mission besorgte und dennoch die Mittel fand, den Brüdern, welche er in der Zentral-Ansiedlung zurückgelassen hatte, eine wirksame Unterstützung zukommen zu lassen. Wir Protestanten haben in der bequemen Überzeugung von unserer Überlegenheit Missionare ausgesandt, für deren nackten Lebensunterhalt kaum genügend gesorgt ist, und sind nur freigebig mit unseren Lobsprüchen für diejenigen, welche nicht weltlich gesinnt sind, selbst wenn unsere Knauserei sie zwingt, beinahe wie der verlorene Sohn zu leben.
Englische Händler verkauften diejenigen Artikel, welche die Boers am meisten fürchten, nämlich Waffen und Schießbedarf; und wenn die Zahl der Schießgewehre in einem Stamm sich auf fünf belief, so erregte es eine solche Bestürzung unter unseren Nachbarn, dass sogleich in allem Ernst eine Expedition von mehreren Hundert Boers beratschlagt wurde, um die Bakuena ihrer Gewehre zu berauben. Da ich wusste, dass die Letzteren eher in die Wüste Kalahari geflohen wären, als ihre Waffen ausgeliefert hätten und Sklaven geworden wären, so begab ich mich zu dem Kommandanten, Gert Krieger, machte ihm Vorstellungen über das Unrecht und die Nachteile jeder solchen Expedition und verlangte von ihm den Aufschub derselben. Aber als ich meinen Zweck erreicht hatte, verlangte Krieger andererseits von mir, ich solle als Spion unter den Bakuena tätig sein.
Ich erklärte mich außerstande, seinem Wunsch zu willfahren, selbst wenn meine Grundsätze als Engländer sich diesem Anmuten nicht widersetzt hätten, und führte ihm ein Beispiel an, wo Setschele ohne mein Vorwissen mit seiner ganzen Streitmacht ausgezogen war, um einen Unteranführer zu bestrafen. Dieser Mann, Kake mit Namen, rebellierte und wurde hierbei von seinem Schwiegervater unterstützt, welcher schon anlässlich des Todes von Setscheles Vater einer von den Königsmördern gewesen war. Mehrere von denen, welche Setscheles Vater treu geblieben waren, wurden von Kake misshandelt, als sie, um sich in der Wüste Häute zu holen, sein Gebiet passierten. Als dies vorfiel, hatten wir uns kaum erst unter den Bakuena niedergelassen, und Setschele holte sich bei mir Rat. Ich riet ihm zu milden Maßregeln, allein die Boten, welche er an Kake sandte, wurden mit den Worten verhöhnt: »Es ist ein bloßer Vorwand, dass er behauptet, dem Wunsch des Lehrers zu folgen; Setschele ist eine feige Memme; er mag kommen und fechten, wenn er es wagt.« – Als die Kränkung beim nächsten Mal sich wiederholte, sagte mir Setschele, er wolle auf die Elefantenjagd ausziehen; da ich nun das System der Spionage kannte, welches unter allen Stämmen gang und gäbe ist, so enthielt ich mich stets aller Nachfragen, aus welchen man hätte vermuten können, dass ich ihnen misstraue. Ich schenkte also seinem Ausrede Glauben. Er bat mich, ihm einen gusseisernen Topf zum Kochen zu leihen, da ihre irdenen sehr zerbrechlich sind; ich gab ihm einen solchen und eine Handvoll Salz, mit der Bitte, mir die beiden leckersten Bissen am Elefanten, den Rüssel und den Vorderfuß, heimzusenden. Er brach auf, und ich hörte nichts mehr von ihm, bis wir die Bakuena ihre Verwundeten nach Hause bringen sahen und einige der Weiber das laute Jammergeschrei um die Toten anstimmen und andere den gellenden Jubel des Siegesgeschreis ausstoßen hörten. Nun erst wurde uns klar, dass Setschele den Rebellen angegriffen und verjagt hatte.
Manche Boers besuchten uns später zu Kolobeng, die einen, um sich ärztlichen Rat zu holen, die anderen, um gerade mit denjenigen Artikeln Handel zu treiben, welche ihre eigenen Gesetze und ihre Politik ihnen verbieten. Wenn ich zufällig einem von ihnen in der Stadt begegnete, der seine Musketen und Pulver zum Verkauf anbot, so begann er gewöhnlich eine Entschuldigung zu stammeln, er sei ein armer Mann und dergleichen; ich unterbrach ihn aber stets und sagte ohne Umstände, ich hätte mit den Boers und ihren Gesetzen nichts zu schaffen. Bei solchen Besuchen wurde alles aufgeboten, etwas Genaues über die Gewehre und Kanonen zu ermitteln, und die Boers, die keine Ahnung von dem vorherrschenden Spioniersystem haben mochten, richteten immer emsige und angelegentliche Fragen deshalb an diejenigen Betschuanen, welche etwas Holländisch radebrechen konnten. Es ist besonders bemerkenswert, dass das System des Aushorchens und Spionierens unter diesen wilden Stämmen ebenso gut entwickelt ist wie in Österreich und Russland. Es ist ein Beweis von Barbarei. Jeder Angehörige eines Stammes glaubt sich verpflichtet, dem Häuptling alles zu berichten, was zu seiner Kenntnis kommt; und wird er von einem Fremden ausgefragt, so gibt er entweder Antworten, in denen sich die äußerste Verstandesbeschränktheit verrät, oder solche, die nach seiner Ansicht seinem Häuptling angenehm sein werden.
Mir scheint, dass daraus die Märchen entstanden sind, als könnten sie nicht über zehn zählen, wie man von den Betschuanen ungefähr um dieselbe Zeit behauptete, wo Setscheles Vater eintausend Stück Hornvieh abzählte, als einen Anfang für den künftigen Viehreichtum seines jungen Sohnes.
Im vorliegenden Fall also erfuhr Setschele alle Fragen, welche an seine Leute gerichtet wurden, und fragte mich, wie man darauf antworten müsse. Mein Bescheid war: »Sprich die Wahrheit.« Jeder erklärte also nunmehr, es sei keine Kanone vorhanden; allein unsere Freunde beurteilten die Antwort nach dem, was sie selber unter solchen Umständen gesagt haben würden, und wurden in der Ansicht bestärkt, dass die Bakuena wirklich großes Geschütz besäßen. Das war in gewisser Hinsicht wohltätig für uns, insofern die Furcht acht Jahre lang sie abhielt, einen Raubzug nach unserer Richtung hin zu machen. Während der acht Jahre meines Aufenthalts verging kein Winter, ohne dass nicht einige Stämme im Osten des Landes von den Boers um Vieh und Kinder gebrandschatzt wurden. Sie verfahren dabei folgendermaßen: Befreundete Stämme werden gezwungen, eine Abteilung berittener Boers zu begleiten, und da man sich der Pferde nur im Winter ohne Gefahr, sie durch Krankheit einzubüßen, bedienen kann, so finden solche Expeditionen auch nur in dieser Jahreszeit statt. Erreichen die Boers das Lager des zu überfallenden Stammes, so werden die befreundeten Eingeborenen in Front aufgestellt, um, wie sie sagen, einen »Schild« zu bilden; die Boers feuern alsdann kaltblütig über ihre Köpfe hinweg, bis die zum Opfer ausersehenen Männer fliehen und Vieh, Weiber und Kinder den Bedrängern überlassen. Dies geschah während meines Aufenthalts im Inneren neunmal, und bei keiner Gelegenheit wurde auch nur ein Tropfen Boersblut vergossen. Die Kunde von diesen Taten verbreitete sich rasch unter den Bakuena, und Setschele erhielt mehrmals Briefe von den Boers mit der Weisung, zu ihnen zu kommen, sich ihnen als ihr Vasall zu unterwerfen und den englischen Händlern, die um Feuerwaffen zu verkaufen ins Land kämen, den Heimweg zu weisen. Allein die Entdeckung des Ngami-Sees, welche wir weiter unten schildern werden, lockte die Tauschhändler in fünffach größerer Anzahl ins Land, und Setschele erwiderte: »Gott hat mich zum unabhängigen Häuptling gemacht und hierher gesetzt, aber nicht ihr. Ich wurde niemals von Mosilikatze bezwungen wie diejenigen Stämme, welche ihr jetzt beherrscht; und die Engländer sind meine Freunde. Ich erhalte von ihnen alles, was ich wünsche. Ich kann sie nicht hindern, zu gehen, wohin sie wollen.« – Wer sich aus seinen früheren Jahren noch der angedrohten französischen Invasion in England erinnert, der kann sich den Eindruck vorstellen, welchen die beständige Gefahr eines Einfalls der Boers auf die Gemüter der Bakuena ausübte; wer Ähnliches nicht erlebt hat, kann sich gar nicht denken, welche Plage die ewigen Botschaften und Drohungen der eigenmächtigen Behörden der Boers vom Magaliesberg waren. Und als zu all diesen höchst unangenehmen Belästigungen in Folge der Dürre auch noch Mangel an Nahrungsmitteln kam, so können wir uns, so sehr uns dies auch leidtat, über die geringe Neigung der Bakuena, sich im Christentum unterrichten zu lassen, doch nicht wundern.
Die Sage von dem schwarzen Topf nahm bald einen ernsthaften Charakter an. Ich versuchte unter den von den Boers vom Magaliesberg unterworfenen Stämmen dadurch Nutzen zu stiften, dass ich auf verschiedenen Punkten eingeborene Lehrer anstellte. »Ihr müsst die Schwarzen lehren, dass sie uns nicht gleich seien«, sagte Hendrik Potgeiter, der Oberbefehlshaber, zu mir. – Andere Boers meinten, ich könnte ebenso gut die Paviane auf den Felsen wie die Afrikaner unterrichten, traten aber zurück, als ich ihnen vorschlug, zu untersuchen, ob sie oder meine eingeborenen Schüler besser lesen könnten. Zwei von ihren Geistlichen kamen, um die Kinder der Boers zu taufen; da ich mich nun mit der Hoffnung tröstete, mit der Unterstützung dieser guten Männer den Widerwillen ihrer Gemeinde gegen die Unterweisung der Schwarzen überwinden zu können, so besuchte ich sie. Allein mein Besuch endete mit einem tückischen Streich, welchen mir der Befehlshaber der Boers spielte, indem er mich unter Versicherungen der größten Freundschaft veranlasste, nach Kolobeng zurückzukehren, während er auf einem anderen Weg einen Brief an die übrigen Missionare im Süden sandte und von denselben meine unverzügliche Abberufung verlangte, »weil ich ihren Feinden eine Kanone geliehen habe.« An die Kolonialregierung wurde ebenfalls ernstlich berichtet, dass die Geschichte wahr sei, und so kam es, dass ich in Folge davon für einen Mann von sehr verdächtigem Charakter angesehen wurde.
Ich verzeichne diese Einzelheiten in Betreff der Boers nicht in der Absicht, um spöttisches Lächeln über ihre Unwissenheit hervorzurufen, sondern um das Mitleid ihrer Freunde anzuregen. Sie führen beständig ihre Gesetze im Munde, allein in der Anwendung ist ihr Gesetz nur das Recht des Stärkeren. Die Betschuanen konnten nicht begreifen, warum unter ihren Befehlshabern immerwährender Wechsel stattfand. »Wahrlich«, meinten sie, »man weiß nie, wer bei diesen Boers der Häuptling ist. Wie die Buschmänner haben auch sie keinen König – sie müssen also die Buschmänner der Engländer sein.« – Die Vorstellung, dass ein Menschenstamm so unverständig sein könne, keinen erblichen Häuptling zu haben, deuchte diesen Leuten so absurd, dass ich – um nicht ebenso töricht zu erscheinen – mich genötigt sah, ihnen zu sagen, die Engländer seien so ängstlich bemüht, den königlichen Namen zu erhalten, dass sie sogar eine junge Dame zu ihrem Häuptling gemacht haben. Dies erschien ihnen als ein höchst schlagender Beweis von unserem gesunden Menschenverstand, und wir werden noch weiter unten sehen, was für ein Vertrauen ihnen meine Schilderung von unserer Königin einflößte.
Als Pretorius den Oberbefehl über die Boers übernommen hatte, fühlten sich diese so ermutigt, dass sie den Entschluss fassten, fortan keinen englischen Tauschhändler mehr über Kolobeng hinausgehen zu lassen, indem sie den Stamm der Bakuena zerstreuten und alle Missionare vertrieben. Sir George Cathcart proklamierte die Unabhängigkeit der Boers – das Beste, was er hätte tun können, wenn sie zwischen uns und den Kaffern gewesen wären. Man schloss einen Vertrag mit den Boers, in welchem ein Artikel betreffs des freien Durchzugs der Engländer durch ihr Gebiet nach dem jenseits desselben liegenden Land und ein anderer aufgenommen wurde, infolgedessen keine Sklaverei auf dem unabhängigen Gebiet geduldet werden sollte. Hierdurch sollten die Wünsche der Regierung Ihrer Majestät im Mutterland ausgedrückt werden. – »Was soll aber mit den Missionaren geschehen?«, fragten die Boers. – »Mit denen könnt ihr es halten, wie ihr wollt!«, soll die Antwort des Bevollmächtigten gewesen sein. Diese Bemerkung, wenn sie überhaupt gemacht wurde, war vermutlich nur im Scherz getan worden: Arglistige Männer setzten sie jedoch in Umlauf, sodass man ganz allgemein an ihre Richtigkeit glaubte; diese Ansicht ist noch immer die herrschende im Land und führte wahrscheinlich bald darauf zur Zerstörung von drei Missionsstationen. Der verstorbene Pretorius sandte im Jahr 1852 die Boers in einer Stärke von vierhundert Mann aus, um die Bakuena anzugreifen. Die Boers rühmten sich, die Engländer hätten alle Schwarzen in ihre Gewalt gegeben und ihnen versprochen, sie in der Unterjochung derselben dadurch zu unterstützen, dass sie gar keine Vorräte an Schießbedarf mehr in das Land der Betschuanen gelangen lassen wollten: Hierauf überfielen sie die Bakuena, erschlugen ihnen eine beträchtliche Anzahl von Erwachsenen und schleppten Zweihundert von unseren Schulkindern in die Sklaverei. Die Eingeborenen verteidigten sich unter Setscheles Anführung, bis der Einbruch der Nacht ihnen erlaubte, in die Berge zu flüchten, und da bei dieser Verteidigung eine Anzahl Feinde getötet wurden – die Ersten, die jemals in diesem Land durch die Betschuanen fielen –, so wurde mir das Verdienst beigemessen, den Stamm im Erschlagen der Boers unterwiesen zu haben. Zur Rache dafür wurde mein Haus geplündert, das jahrelang unter dem Schutz der Eingeborenen vollkommen sicher gestanden hatte. Englische Männer von Ansehen und Bildung, welche Cummings Fußstapfen folgten, um im Inneren des Landes zu jagen, und den Bakuena bedeutende Vorräte zur Aufbewahrung gegeben, auch mehr als achtzig Stück Hornvieh als Vorspann für die Heimreise zurückgelassen hatten, wurden ihres ganzen Eigentums beraubt und fanden bei der Rückkehr nach Kolobeng nur die Gebeine der Wächter über den ganzen Platz zerstreut. Die Bücher einer guten Bibliothek – mein einziger Trost in der Einsamkeit – wurden zwar nicht fortgeschleppt, aber die Blätter herausgerissen und überall umhergestreut. Mein Vorrat von Arzneien wurde zerstört und alle unsere Möbel und Kleidung fortgeschleppt und öffentlich versteigert, um die Kosten des Raubzuges zu decken.
Ich erwähnte diese Vorfälle nicht, um ein klägliches Wehgeschrei über meine Verluste zu erheben oder um Mitleid für mich zu erregen; denn obschon es mir leidtat um den Verlust von Wörterbüchern usw., welche die Gefährten meiner Knabenzeit geworden waren, so gewährte mir die Plünderung im Grunde genommen doch erst vollständige Freiheit für meine Expedition nach dem Norden, und ich habe seither auch nie nur einen Augenblick lang Kummer um irgendetwas von dem gehabt, was ich damals einbüßte. Die Boers beschlossen, das Innere zu verschließen, und ich war entschlossen, das Land zu öffnen; wir werden noch sehen, wer von uns beiden in seinem Vorhaben am glücklichsten war – sie oder ich.
Eine kurze Schilderung der afrikanischen Hauswirtschaft dürfte für den Leser nicht uninteressant sein. Der gänzliche Mangel an Läden und Werkstätten zwang uns, alle unsere Bedürfnisse selber aus dem Rohmaterial herzustellen. Braucht man Backsteine zum Bau eines Hauses, so muss man zunächst aufs Feld hinausgehen, einen Baum fällen und in Bretter sägen, um daraus die Backsteinformen zu machen; das Material für Türen und Fenster steht ebenfalls noch draußen im Wald; und will man bei den Eingeborenen geachtet sein, so muss man sich ein Haus von anständigem Umfang bauen, das eine Unmasse Handarbeit kostet. Die Leute können nicht viel helfen, denn so gern die Bakuena auch um Lohn arbeiten, so haben sie doch eine seltsame Ungeschicklichkeit, etwas viereckig zu machen, denn ihre Hütten sind, wie bei allen Betschuanen, rund. Bei drei großen Häusern, die ich mir zu verschiedenen Zeiten erbaute, musste ich jeden Backstein und jedes Stück Holz mit eigener Hand viereckig machen.
Hat man das Mehl gemahlen, so schickt sich die Frau an, es in Brot zu verwandeln; man baut sich gewöhnlich einen improvisierten Ofen dadurch, dass man in einem Ameisenhaufen ein großes Loch aushöhlt und eine rohe Steinplatte statt der Tür benützt. Eine andere Methode, welche die Australier anwenden könnten, um etwas Besseres als ihre »dampers« herzustellen, besteht darin, dass man ein tüchtiges Feuer auf ebenem Boden macht, alsdann, wenn die Erde hinreichend erhitzt ist, den Teig in eine kleine Bratpfanne mit kurzem Stiel tut oder einfach auf die heiße Asche legt, hierauf einen metallenen Topf darüber stürzt, die heiße Asche um denselben herumlegt und dann ein kleines Feuer darüber macht. Hat man den Teig mit Sauerteig, der vom vorigen Backen noch übrig ist, angemacht und eine bis zwei Stunden in der Sonne stehen lassen, so bekommt man ein treffliches Brot.
Wir bereiteten uns die Butter selbst in einem steinernen Krug, der als Butterfass diente; ebenso auch die Kerzen; Seife fabrizierten wir aus der Asche der Halsola-Pflanze oder aus Holzasche, welche aber in Afrika so wenig Alkalien enthält, dass man vier bis sechs Wochen lang unausgesetzt Lauge anwenden muss, ehe man Seife bekommt. Das Gefühl, ganz auf sich selbst angewiesen zu sein, ist aber kein erdrückendes; man freut sich vielmehr, wenn man wie Alexander Selkirk mit eigenem Scharfsinn sich alle Bequemlichkeiten verschafft; und das eheliche Leben ist ein um so süßeres, wenn so viel Angenehmes unmittelbar aus den Händen der rührigen und strebsamen Hausfrau hervorgeht.
Manchem mag es eine ganz romantische Lebensweise erscheinen; es ist ein Leben voll werktätiger Nächstenliebe, wie es der gute Mensch auch zu Hause genießen kann. Man nehme einen einzelnen Tag als Beispiel für das Ganze. Wir standen sehr früh auf, weil, wie heiß auch der Tag gewesen sein mochte, Abend, Nacht und Morgen in Kolobeng immer köstlich erfrischend waren; kühl ist nicht das geeignete Wort in einem Land, wo man sich weder eine größere Kälte noch eine Zunahme der Hitze wünschen darf und wo man bis Mitternacht im Freien sitzen kann, ohne Husten oder Rheumatismus befürchten zu müssen. Nachdem wir zwischen sechs und sieben Uhr Familienandacht und Frühstück abgehalten hatten, gingen wir aus, um Schule zu halten für alle, die sich einstellten – Männer, Weiber und Kinder waren allesamt eingeladen. War um elf Uhr die Schule vorüber, so war die Missionarsfrau von häuslichen Geschäften in Anspruch genommen, während der Missionar selbst irgendeine Handarbeit als Schmied, Zimmermann oder Gärtner zu besorgen hatte, je nachdem gerade dieses oder jenes für uns selbst oder für die Leute notwendig war. Half er den Letzteren, so arbeiteten sie wieder für uns im Garten oder halfen bei einer anderen Beschäftigung, und geschickte Arbeit wurde so gegen ungeschickte eingetauscht. Nach dem Mittagsbrot und einer Stunde Mittagsrast besorgte die Frau ihre Kleinkinderschule, welche den Zöglingen, die von ihren Eltern ganz sich selber überlassen wurden, ungemein lieb war, sodass sie sich gewöhnlich bis zu hundert Köpfen stark einfanden; oder sie hielt dafür Nähschule, welche verschiedene Klassen hatte, um den Mädchen diese Kunst beizubringen; auch diese fand großen Beifall. Den ganzen Tag hindurch musste jede Handleistung beaufsichtigt werden, und Mann und Frau arbeiteten, bis die Sonne unterging. Nach Sonnenuntergang begab sich der Mann in die Stadt, um dort mit jedem sich zu unterhalten, der dazu aufgelegt war – bald über allgemeine Gegenstände, bald über Religion. An drei Abenden in der Woche hielten wir, sobald das Melken der Kühe vorüber und es dunkel geworden war, einen öffentlichen Gottesdienst und eine Art Anschauungsunterricht über profane Gegenstände, der durch Bilder und Muster unterstützt wurde. Mit diesen Andachtsübungen wechselten der Besuch der Kranken und die Verabreichung von Arzneien an dieselben sowie die Austeilung von Nahrungsmitteln an Arme und Elende und sonstige Hilfsleistungen. Wir bemühten uns, die Zuneigung der Leute dadurch zu gewinnen, dass wir für ihre körperlichen Bedürfnisse sorgten. Die kleinsten Freundschaftsdienste, ein verbindliches Wort und ein höflicher Blick sind nach der Ansicht des heiligen Xaver ein nicht zu verschmähender Teil der Waffenrüstung eines Missionars. Auch soll man sich ja bemühen, selbst der Niedrigsten gute Meinung sich zu erwerben, wenn man sie mit Höflichkeit gewinnen kann. Ihre freundliche Gesinnung im Großen und Ganzen bedingt den guten Ruf, den man zur Förderung und Popularisierung des Evangeliums sehr gut anwenden kann. Betätigt man gegen die leichtsinnigen oder ruchlosen Widersacher des Christentums wohlwollende Aufmerksamkeit auf ihrem Kranken- und Schmerzenslager, dann können sie niemals unsere persönlichen Feinde werden. Hier, wenn irgendwo, erzeugt Liebe wiederum Liebe.
Während unseres Aufenthalts zu Kolobeng waren wir, solange die Dürre anhielt, für unseren Getreidebedarf gänzlich von Kuruman abhängig. Einmal waren wir sogar so heruntergekommen, dass wir von Kleien leben und diese dreimal nacheinander mahlen mussten, um sie in feines Mehl zu verwandeln. Wir entbehrten schmerzlich die Fleischkost, welche hier ein weit dringenderes Lebensbedürfnis zu sein scheint, als sich die Anhänger der reinen Pflanzennahrung denken können. Da wir allein waren, konnten wir das frische Fleisch eines geschlachteten Tieres nicht mit anderen teilen in der Absicht, es regelmäßig wieder ersetzt zu bekommen. Setschele bekam als Häuptling die Brust von jedem Tier, das zu Hause oder auswärts geschlachtet wurde, und er sandte uns auf das Verbindlichste während unseres ganzen Aufenthalts einen reichlichen Anteil von dieser Fleischabgabe; allein diese Geschenke kamen natürlicherweise so unregelmäßig, dass wir gar oft froh waren, wenn wir nur ein Gericht Heuschrecken bekamen. Diese Insekten sind in jenem Land ein wahrer Segen, sodass selbst die Regendoktoren sie manchmal durch ihre Beschwörungen herbeizubringen versprachen. Die Heuschrecken haben einen entschieden vegetabilischen Geschmack, welcher je nach den Gewächsen wechselt, von denen sie sich nähren. Es gibt einen physiologischen Grund, warum Heuschrecken und Honig zusammen gegessen werden sollten. Viele werden geröstet und zu Mehl gestoßen, das sehr schmackhaft ist, wenn es mit Salz gegessen wird, und auf diese Weise auch monatelang aufbewahrt werden kann. Gekocht schmecken sie unangenehm; allein wenn sie geröstet sind, würde ich Heuschrecken bei Weitem den Seekrebsen vorziehen, obschon ich beide wo möglich missen möchte.
Auf unseren Reisen fehlte es uns oft gar sehr an Kochfleisch, wenn auch nicht überhaupt an Nahrung. Meine Kinder verspürten dies ganz besonders, und die Eingeborenen gaben ihnen, um ihr Mitleid an den Tag zu legen, eine Art große Raupen zu essen, welche ihnen sehr zu munden schienen. Sie konnten nicht ungesund sein, da die Eingeborenen selber sie in großen Mengen verzehrten.
Ein anderes Nahrungsmittel, welches unsere Kinder mit Begierde verzehrten, war ein großer Frosch, der bei den Eingeborenen Matlametlo hieß.
Diese gewaltigen Frösche, welche in gekochtem Zustand wie junge Hühner aussehen, fallen nach der Ansicht der Eingeborenen aus Gewitterwolken herab, weil nach einem schweren Gewitterregen die Tümpel, welche mit Wasser gefüllt sind und dasselbe mehrere Tage lang zurückhalten, plötzlich von diesen laut quakenden streitsüchtigen Tieren wimmeln. Diese Naturerscheinung kommt selbst in den trockensten Teilen der Wüste vor und an Stellen, wo ein gewöhnlicher Beobachter gar keine Spur von Leben bemerkt. Wir wurden einst in einem Teil der Wüste Kalahari, wo wir auf einer Strecke von einer Tagesreise oder mehr gar keine Aussicht hatten, Wasser für unsere Zugtiere zu bekommen, von der Nacht überfallen, als ich zu meiner Überraschung an dem schönen stillen Abend das Quaken von Fröschen vernahm. Ich ging so weit hinaus, bis ich bemerkte, dass die Musiker sich zwischen mir und unserem Feuer befanden, und erkannte, dass sie über nichts anderes so vergnügt sein konnten als über die Aussicht auf baldigen Regen. Von den Buschmännern erfuhr ich später, dass der Matlametlo sich ein Loch an der Wurzel gewisser Büsche aushöhlt und sich während der Monate der Trockenheit darin versteckt. Da er selten aus demselben herauskommt, so macht sich eine große Spinnenart dieses Loch zunutze und bringt ihr Gewebe vor seiner Öffnung an; der Frosch bekommt auf diese Weise ein Fenster und einen Vorhang unentgeltlich, und niemand als ein Buschmann würde auf den Einfall kommen, unter einem Spinnengewebe nach einem Frosch zu suchen. Bei dem vorerwähnten Anlass war alle unsere Mühe, sie aufzusuchen, vergeblich, und da sie erst dann die Höhlen verlassen und die von Gewitterschauern angefüllten Löcher und Tümpel aufsuchen, wenn der Regen wirklich fällt, und die Betschuanen sich unter ihren Kleidern aus Fellen verbergen, so scheint der plötzliche und auf allen Seiten gleichzeitig angestimmte Chor den Glauben zu begünstigen, als ob sie aus den Wolken heruntergefallen wären.
Um auf die unter den Boers in den Caschan-Bergen wohnenden Stämme wohltätig einzuwirken, machte ich zweimal eine Reise von je dreihundert englischen Meilen in die Gegenden ostwärts von Kolobeng. Setschele war bei den Boers so verrufen, dass er sich nicht unter sie wagte, obschon er mich gar zu gern auf meinen Reisen begleitet hätte. Diese Gehässigkeit gegen ihn rührte nicht von Viehdiebstahl her, den er etwa begangen hätte, denn in der Tat gab nie irgendein Stamm der Betschuanen Veranlassung, dass man ihn dieses unter den Kaffern so gewöhnlichen Verbrechens beschuldigen konnte. Der Viehdiebstahl ist tatsächlich in dieser Gegend unbekannt, außer im wirklichen Krieg. Sein Unabhängigkeitssinn und seine Liebe zu den Engländern waren die einzigen Vergehen, die sie ihm zum Vorwurf machen konnten. Auf meiner letzten Reise zu den Boers gab er mir das Geleit bis an den Fluss Marikwe, schenkte mir hier zur Abreise noch zwei Diener, die nach seinen eigenen Worten »seine Arme sein sollten, um mir zu dienen«, und drückte sein Bedauern aus, dass er nicht selbst mit mir gehen könne. – »Gesetzt den Fall, wir zögen nordwärts«, sagte ich, »würdest du mit mir gehen?« Er erzählte mir nun die Geschichte, wie Sebituane ihm das Leben gerettet hatte, und erging sich in Lobsprüchen über den weit und breit gerühmten Edelmut dieses wirklich großen Mannes. Bei dieser Gelegenheit fasste ich zuerst den Plan, durch die Wüste nach dem Ngami-See zu reisen.
Bei diesem Anlass enthüllte sich noch weit mehr als bisher das hinterlistige Betragen der Boers, welche, durch einen abgeschickten Brief meine Entfernung aus dem Land hatten bezwecken wollen, sowie ihre wohlbekannte Politik, welche ich bereits geschildert habe. Als ich mit Hendrik Potgeiter von der Gefahr sprach, welche damit verbunden sei, wenn man diesen armen Wilden das Evangelium Jesu Christi vorenthalte, geriet er in einen großen Zorn und rief einen seiner Begleiter herbei, der mir antworten sollte. Er drohte jeden Stamm zu überfallen, der einen eingeborenen Lehrer aufnehmen würde, und doch versprach er seinen ganzen Einfluss aufzubieten, damit die seiner Herrschaft unterworfenen Stämme mir keine Hindernisse in den Weg legen könnten. Ich musste deutlich einsehen, dass in dieser Richtung nichts weiter mehr geschehen konnte; darum begann ich alle mögliche Auskunft über die Wüste einzuziehen, mit dem festen Vorsatz, falls es irgend tunlich wäre, durch dieselbe hindurchzureisen. Sekomi, der Häuptling der Bamangwato, kannte einen Weg dahin, den er aber sorgfältig geheim hielt, weil die Gegend am See ungemein reich an Elfenbein war und er große Massen davon auf sehr billige Weise bezog.
Setschele, welcher alles europäische Wesen sehr hoch schätzte und auf seine eigenen Interessen stets ein sehr scharfes Auge hatte, wünschte natürlich ebenfalls einen Teil an jenem einladenden und ergiebigen Feld zu bekommen. Auch wollte er gerne Sebituane besuchen, teils vielleicht in dem Wunsch, vor demselben mit seinen neuen Kenntnissen zu prunken, hauptsächlich aber, wie ich glaube, weil er sich sehr übertriebene Vorstellungen von den Wohltaten machte, die er von der Freigebigkeit dieses berühmten Häuptlings empfangen würde. Dem Alter und der Familie nach ist Setschele dem Sekomi überlegen, denn als der ursprüngliche Stamm sich in die Bamangwato, Bangwaketse und Bakuena teilte, behielten die Bakuena sich die erbliche Häuptlingswürde vor; ihr Häuptling Setschele besitzt daher gewisse Vorrechte vor Sekomi, dem Häuptling der Bamangwato. Wenn die beiden miteinander reisten oder jagten, so konnte Setschele von Rechts wegen die Köpfe des von Sekomi erlegten Wildes beanspruchen.
Außerdem sind noch mehrere Spuren von sehr alten Übereinkommen und Hoheitsrechten unter den Stämmen vorhanden. Der ältere Bruder von Setscheles Vater wurde blind und übergab die Häuptlingswürde Setscheles Vater. Die Nachkommen dieses Mannes bezahlen dem Setschele keinen Tribut, obschon er der eigentliche Herrscher ist und über dem Haupt dieser Familie steht, und Setschele, der doch in allen anderen Beziehungen unumschränkt und der Oberste ist, nennt ihn Kosi oder Häuptling. Die übrigen Stämme werden die ersten Kürbisse einer neuen Ernte niemals essen, bevor sie hören, dass die Bahurutse sie »angebissen« haben, und es findet bei dieser Gelegenheit eine öffentliche Zeremonie statt, bei der der Sohn des Häuptlings zuerst von der neuen Ernte kostet.
Setschele sandte auf meinen Rat Boten an Sekomi, um mir die Erlaubnis zu erbitten, dass ich den Weg durch sein Land einschlagen dürfe, und begleitete dieses Gesuch mit dem Geschenk eines Ochsen. Sekomis Mutter jedoch, welche einen großen Einfluss auf ihren Sohn ausübt, verweigerte die Genehmigung, weil ihre Geneigtheit nicht durch ein Geschenk erkauft worden war. Dies veranlasste eine neue Gesandtschaft, und der angesehenste Mann im ganzen Stamm der Bakuena nächst Setschele wurde mit einem Ochsen für Sekomi und seine Mutter abgeschickt. Allein auch dieser erhielt einen abschlägigen Bescheid. Es hieß: »Die Matebele, die Todfeinde der Betschuanen, wohnen in der Richtung des Sees, und sollten sie den weißen Mann erschlagen, so wird ein großer Hass von seiner Nation auf uns fallen.«
Die genaue Lage des Ngami-Sees war mindestens ein halbes Jahrhundert lang ganz richtig von denjenigen Eingeborenen nachgewiesen und bezeichnet worden, die ihn besucht hatten, als der Regen in der Wüste noch häufiger und reichlicher war als in neueren Zeiten. Man hatte auch viele Versuche gemacht, ihn auf dem Weg durch die Wüste in der bezeichneten Richtung zu erreichen; allein diese Versuche hatten sich als unmöglich ergeben, sogar für Griquas, denen man, da sie von Buschmännern abstammen, eine größere Fähigkeit, den Durst zu ertragen, zutrauen sollte. Es wurde uns daher klar, dass wir einen Erfolg nur dann erwarten könnten, wenn wir die Wüste umgingen, anstatt sie der Mitte nach zu durchschneiden. Die geeignetste Zeit zu einem derartigen Versuch wäre etwa um das Ende der Regenzeit, im März oder April, gewesen, wo wir wahrscheinlich Tümpel von Regenwasser angetroffen hätten, welche während des regenlosen Winters immer austrocknen. Ich teilte meine Ansicht einem afrikanischen Reisenden, dem Oberst Steele mit, welcher damals Adjutant des Marquis von Tweedale in Madras war, und er setzte davon zwei andere Herren in Kenntnis, deren Freundschaft wir uns während ihrer Reisen in Afrika erworben hatten, nämlich den Major Vardon und Oswell. Alle diese Herren waren so entzückt von der Jagd und den Entdeckungsreisen in Afrika, dass die beiden Erstgenannten den Letzteren sehr um das Glück beneidet haben mögen, welches ihm vergönnte, Indien zu verlassen, um von Neuem die Vergnügungen und Strapazen des Wüstenlebens anzutreten. Ich glaube, Oswell entsagte seiner hohen Stellung und kam unter sehr bedeutenden pekuniären Opfern in keiner anderen Absicht herüber, als um die Grenzen des geografischen Wissens auszudehnen. Bevor ich noch etwas von seiner Ankunft wusste, war ich mit den von Setschele gestellten Führern dahin übereingekommen, ihnen als Vergütung ihrer Dienste meinen Wagen zu borgen, um darin so viel Elfenbein mit nach Hause zu nehmen, wie sie sich von dem Häuptling am See verschaffen könnten. Als aber Oswell endlich anlangte und Murray mitbrachte, übernahm er es, sämtliche Kosten für die Führer zu tragen, und hat auch diese freigebige Absicht vollkommen durchgeführt.
Setschele selbst wäre gern mit uns gegangen; allein ich fürchtete, der so viel besprochene und angedrohte Überfall der Boers könnte während unserer Abwesenheit stattfinden und alsdann mich ein Vorwurf treffen, weil ich ihn mitgenommen hätte. Ich redete ihm daher diesen Einfall aus und stellte ihm vor, er wisse wohl, dass Oswell ebenso entschlossen sein würde wie er, durch die Wüste hindurchzudringen.
Ehe ich jedoch die Begebenheiten dieser Reise schildere, will ich eine kurze Beschreibung der großen Wüste Kalahari geben, damit der Leser sich einen Begriff von den Strapazen machen kann, welche wir zu bestehen hatten.
Die ganze Strecke von dem Orange-Fluss im Süden, unter 29° südlicher Breite, bis zum Ngami-See im Norden, und ungefähr von 24° östlicher Länge bis in die Nähe der Westküste, ist eine Wüste genannt worden, weil sie kein fließendes Wasser und nur sehr wenig Brunnen enthält. Dieser Landstrich entbehrt aber keineswegs des Pflanzenwuchses und der Bewohner, denn er ist mit Gras und einer großen Menge Schlingpflanzen bedeckt und weist überdies auch weite Strecken von Gebüsch und sogar von Bäumen auf. Er ist außerordentlich flach, aber an verschiedenen Teilen von den Betten früherer Flüsse durchschnitten; ungeheure Herden Antilopen, welche wenig oder gar kein Wasser benötigen, schweifen über diese pfadlosen Ebenen hin. Die Bewohner, Buschmänner und Bakalahari, stellen dem Wild und den zahllosen Nagetieren und kleineren Arten des Katzengeschlechts nach, welche sich von den Letzteren nähren. Der Boden ist im Allgemeinen hell gefärbter weicher Sand, beinahe reine Kieselerde. Die Betten der alten Flüsse enthalten viel Alluvialboden, und da dieser durch die glühende Sonnenhitze ganz ausgetrocknet wird, so bleibt das Regenwasser in einigen Tümpeln mehrere Monate des Jahres hindurch stehen.
Die Menge Gras, welche in dieser merkwürdigen Wüste wächst, ist überraschend sogar für diejenigen, welche Afrika genauer kennen. Das Gras sprosst gewöhnlich in Büscheln, mit kahlen Stellen dazwischen, oder die Zwischenräume werden von Schlingpflanzen eingenommen, deren Wurzeln tief unter dem Boden liegen und daher wenig von den Wirkungen der sengenden Sonnenhitze verspüren. Die Zahl der Pflanzen mit Wurzelknollen ist sehr groß, und sie sind so eingerichtet, dass sie Nahrung und Feuchtigkeit zugeführt bekommen, selbst wenn während der anhaltenden monatelangen Trockenheit dies anderswo unmöglich wäre.
Die menschlichen Einwohner dieses Landstrichs bestehen aus Buschmännern und Bakalahari. Erstere sind wahrscheinlich die Ureinwohner des südlichen Teils des Kontinents; Letztere die Überbleibsel von der ersten Auswanderung der Betschuanen. Die Buschmänner leben aus freier Wahl, die Bakalahari gezwungen in der Wüste, aber beide sind große Freunde der Freiheit. Die Buschmänner unterscheiden sich durch Sprache, Rasse, Sitten und Aussehen. Sie sind die einzigen wirklichen Nomaden in diesem Land, bebauen niemals den Boden und halten auch keinerlei Haustiere außer armseligen Hunden. Mit der Lebensweise des Wildes sind sie so genau vertraut, dass sie demselben auf seinen Wanderungen nachziehen und ihm von einem Ort zum anderen nachstellen; sie tun auf diese Weise der übermäßigen und außerordentlichen Vermehrung des Wildes ebenso wirksam Einhalt wie die übrigen größeren fleischfressenden Tiere. Die Hauptnahrung der Buschmänner besteht in Wild; außerdem sammeln die Weiber noch Wurzeln und Bohnen und Früchte der Wüste ein.
Diejenigen von ihnen, welche die heißen sandigen Ebenen der Wüste bewohnen, zeigen gewöhnlich jene hageren ausgetrockneten Gestalten, welche große Anstrengungen und harte Entbehrungen ertragen können. Manche sind von niedriger Statur, obschon keine Zwerge. Diejenigen Individuen, welche man nach Europa gebracht hat, sind ihrer außerordentlichen Hässlichkeit wegen dazu ausersehen worden, und so haben sich die Begriffe der Engländer von dem ganzen Stamm auf gleiche Weise gebildet, als ob man die hässlichsten Engländer als die Repräsentanten der ganzen britischen Nation in Afrika zur Schau ausstellen wollte. Dass sie viel Ähnlichkeit mit Pavianen haben, ist gewissermaßen wahr, geradeso wie diese und andere Affen in manchen Stücken erschreckend menschenartig aussehen.
Die Furcht vor den Besuchen von Betschuanen fremder Stämme veranlasst die Bakalahari, ihre Wohnsitze fern von Wassersammlungen zu wählen, und sie verbergen ihre Vorräte zuweilen dadurch, dass sie die Gruben mit Sand füllen und ein Feuer über der Stelle anmachen. Wenn sie Wasser zu ihrem Gebrauch holen wollen, so kommen die Weiber mit zwanzig bis dreißig Wassergefäßen in einem Sack oder Netz auf dem Rücken. Diese Wassergefäße bestehen aus den Schalen von Straußeneiern, deren jede ein Loch an dem einen Ende hat, gerade groß genug, dass man mit dem Finger hinein kann. Die Weiber binden ein Büschel Gras an das Ende eines ungefähr 2 Fuß langen Schilfrohrs und stecken dieses in ein Loch, das sie so tief gegraben haben, wie ihr Arm reicht; dann stampfen sie den feuchten Sand um das Schilfrohr wieder fest. Bringen sie nun den Mund an das offene Ende des Rohrs und saugen daran, so bildet sich unten in dem Gras ein leerer Raum, in welchem sich das Wasser sammelt und in kurzer Zeit bis zum Mund emporsteigt. Eine Eierschale wird nun neben das Schilfrohr auf den Boden gesetzt, einige Zoll unter dem Mund der Saugenden. Ein Strohhalm leitet das Wasser in die Höhlung des Gefäßes, während sie es einen Mundvoll um den anderen heraufziehen. Das Wasser lässt man an der Außenseite des Strohhalms, nicht durch denselben hinablaufen. Wenn man es versucht, Wasser in eine Flasche zu spritzen, welche in einiger Entfernung unter dem Mund steht, so wird man sogleich einsehen, wie zweckmäßig diese Vorkehrung der Buschweiber ist, dem Strom die nötige Richtung mittels eines Strohhalmes zu geben. Der ganze Wasservorrat muss auf diese Weise durch den Mund des Weibes wie durch eine Pumpe gehen und wird, sobald er nach Hause gebracht worden ist, sorgfältig vergraben. Ich bin in Dörfer gekommen, wo wir, wenn wir trotzig und gebieterisch aufgetreten wären und jede Hütte durchstöbert hätten, doch nichts gefunden haben würden; allein wenn wir uns ruhig niederließen und geduldig warteten, bis die Dorfbewohner zu einer günstigen Meinung über uns gekommen waren, so brachte bald ein Weib eine Eierschale voll von dem köstlichen Nass aus irgendeinem unbekannten Versteck herbei.
Bakalahari-Frauen an einem Tümpel der Wüste