Читать книгу Der Kuss des Mörders - David Poppen - Страница 4
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ОглавлениеDas Bild der nackten, toten Marie Rechenberg sah ich drei Tage später zum ersten Mal, und auch dann nicht sofort. Und was in jener Nacht in ihrer Wohnung in München-Harlaching geschah, erfuhr ich noch nicht.
Aber ich würde es herausfinden, denn dies war mein Job: Dinge zu erfahren, für die sich unsere Auftraggeber interessieren, wenn etwas zum Himmel stinkt.
Und im Fall Marie Rechenberg, Vorstandssekretärin bei der Muggenthalter Chemie AG, stank allerhand zum Himmel.
Das merkte selbst ich, Amelie Freifrau von Abensberg, auf den ersten Blick. Ich war selbständige Ermittlerin, mit einer eigenen Privatdetektei. Mein kleines Unternehmen bestand aus der Sekretärin Anna Thun, und meinem Assistenten Leon Hagenau. Unser Dreierteam leistete seit über fünf Jahre erfolgreiche Arbeit, sodass wir einen sehr guten Ruf genossen.
„Amelie?“
„Ja?“, meinte ich, und hob den Kopf.
„Woran denkst du?“, fragte Leon, und blickte mir in die Augen.
Mein Assistent sah eher gut als klug aus. Er war über einsneunzig groß, hatte kräftige Hände, und einen ungeheuer breiten Brustkorb unter der maßgeschneiderten schwarzen Lederjacke.
„An unseren neuen Fall“, antwortete ich. „Die tote Marie Rechenberg.“
„Okay, haben wir bereits die Akten bekommen?“
Wir saßen an unseren Schreibtischen in meinem Münchner Büro am Gärtnerplatz. Aus dem Vorzimmer konnten wir die laute Stimme von Anna hören, die ein Telefonat führte. Außer diesen beiden Räumen gab es noch ein Besprechungszimmer, einer Teeküche und den Nasszellen. Mein Hauptklient war die Munich Life AG, der drittgrößten Versicherung in Bayern.
„Ja.“
„Hä?“
„Ich habe die Akten, Leon“, sagte ich, und hielt einen reichlich dünnen Schnellhefter hoch. „Marie Rechenberg wurde mit einem Zyankalipräparat ermordet. Das Gift war auf sofort wirksam. Kriminalhauptkommissar Albrecht Schubert und Kriminalmeister Peter Bach vom Kommissariat K 11 bearbeiten die Sache.“
„Aus dem Dezernat 1 in der Hansastraße?“
„Ja.“
„Kennst du die Männer?“
„Ich hatte bereits mit Schubert zu tun, ein sehr guter und gewissenhafter Ermittler.“
„Was bleibt da für uns zu tun?“, wollte Leon wissen.
„Wir sollen für die Munich Life die Löcher im Schweizer Käse finden.“
„Also hinter der Kripo herlaufen?“
„Kluges Köpfchen“, erwiderte ich, und blätterte durch den dünnen Schnellhefter. „Klein Maries Leben war für die Winzigkeit von einer Million Euro bei der Munich Life versichert.“
„Wer soll die Million bekommen?“
„Doktor Paul Schöneck, Vorstandsmitglied der Muggenthaler Chemie AG.“
Er hatte mit ihr geschlafen, in der Nacht ihres Todes. Ziemlich gründlich, wie der Obduktionsbefund dem Zustand ihres Afters entnahm. Außerdem ließen gewisse andere Details darauf schließen, dass Paul Schöneck recht potent sein musste.
Ob mir der Mann mal über den Weg laufen würde?
Wissen Sie, ich mag Sex. Und ich mag potente Männer. Weiß der Himmel, mit macht es eigentlich immer erst nach dem zweiten Orgasmus so richtig Spaß. Zuerst will man den Druck weghaben, dann beginnt man sich zu erforschen. Beim dritten Mal schließlich klappt es meistens mit der Zärtlichkeit.
Tja, also Paul Schöneck, Vorstandsmitglied der Muggenthaler Chemie AG, seit zwei Jahre der heimliche Geliebte von Marie Rechenberg. Was wohl die Ehefrau dazu sagte?
Die Ärzte hatten festgestellt, dass sie ihm unter den Händen – sprich Penis – gestorben sein musste. Und das war, so schlimm es klang, sein Glück. Denn wie verabreicht man einer Frau ein sofort tödlich wirkendes Gift während der Ejakulation?
Gegen Abend kehrte Leon ins Büro zurück. Als ich ihn hereinschlendern sah, schwante mir nichts Gutes. Und als er sich über meinen Schreibtisch beugte, lässig grinsend, wusste ich Bescheid.
„Du musst wieder ran“, meinte er lächelnd.
„Was meinst du?“, fragte ich.
„Du wirst morgen als Marie Rechenbergs Nachfolgerin bei der Muggenthaler AG vorsprechen.“
Na bravo!
„Wie ging das denn?“
„Haben die Bosse von der Munich Life gedeichselt.“ Leon zuckte die Achseln. „Sie empfahlen das unschlagbare Organisationstalent Amelie Wagner über drei Ecken dem Oberboss Vincent von Muggenthaler. Und da Vincent ein geiler Zausel ist, wird er dich garantiert nehmen. Er liebt Frauen, die sexy sind, und sein Gegrabsche als Pforte zur Seligkeit betrachten.“
Ich verstand, und nickte mit dem Kopf. Verdeckte Ermittlungen waren ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit.
Am besten, ich zog einen schmalen String unter meinem Rock, morgen, beim Vorstellungsgespräch in Vincent von Muggenthalers Büro.