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Doch auch ich musste zahlen, nicht nur bei Geilfinger Muggenthaler.

Das war mir schon in der Nacht vorher klargeworden, als ich die leider viel zu dünne Akte über Marie Rechenberg studierte. Die junge Sekretärin war schon ein recht munterer Vogel gewesen, und wer ihre Rolle weiterspielen wollte, durfte nicht zimperlich sein.

Denn neben Paul Schöneck geisterten noch andere Namen durch ihr buntes Sexualleben!

Da war zunächst Julian Falkenhayn, der mich an meinem ersten Arbeitstag unverzüglich ansprach.

„Ach, die arme Marie. Wenn Sie wüssten!“, meinte er.

„Was sollte ich wissen?“, erkundigte ich mich neugierig.

„Na, ho. Klassefrau, die Arme. Aber Sie sind eigentlich noch besser, äh, wenn man Sie so ansieht.“

„Danke, Herr Falkenhayn.“

Er war der persönliche Sekretär und Laufbursche von Vincent von Muggenthaler, und hatte die weltbewegende Aufgabe übernommen, mich in mein künftiges Arbeitsgebiet einzuführen. Doch wenn ich ihn mir so ansah, knapp Dreißig, schlank und vital, bestand eigentlich kein Zweifel daran, dass er viel lieber etwas anderes bei mir „eingeführt“ hätte. Aber er gab sich redlich Mühe, schleppte mich durch endlose Flure, durch klimatisierte Büros und wahre Labyrinthe voll hemdsärmeliger Angestellter und gut duftende Sekretärinnen. Nach vier Stunden waren wir beinahe Freunde geworden.

„Werden Sie auch sonst in Maries Fußstapfen treten?“

„Abwarten, Kollege.“

Wir standen im Computerraum, allein, nur er und ich. Auf den Armaturen der chromblitzenden Automaten spielten selbsttätig farbige Lichter. Das viele Herumwandern, die neuen Eindrücke und jetzt die schnurrende Stille erfüllten mich mit müdem Wohlsein.

„Nennen Sie mich doch Julian. Darf ich Amelie sagen?“

Er lächelte verteufelt charmant.

„Okay, Julian.“

Seine schmalen Hände packten mich, und zogen mich näher. Unsere Lippen trafen sich, er stieß die Zunge in meinen Mund. Ich roch sein Eau de Toilette, und für einen Moment war mir, als wollte er es mit mir treiben, gleich hier, auf einem Schreibtisch im Computerraum. Als er meinen Rock energisch hochschob, seinen Finger unter meinen Slip schob, durch mein naturblondes Schamhaar strich, meine feuchte Lustgrotte suchte, riss ich mich von ihm los.

„So schnell eine andere?“, fragte ich.

„Ach so“, sagte er. „Marie? Sie war ein Biest. Jeder hier kannte sie. Alle ließ sie mal ran, einmal, zweimal. Aber dann nicht mehr.“

„Außer Paul Schöneck, der durfte regelmäßig, richtig?“

„Woher wissen Sie das?“

„Eine gute Chefsekretärin weiß alles.“

Er stand dicht vor mir, seine Finger zuckten. In seinen Augen war der Blick des Rammlers, dem man gerade das letzte Zuchthäschen geschlachtet hat. Doch er war ein guter Verlierer.

„Dann also ein andermal“, sagte er.

„Oh ja, Julian.“

Wir marschierten zum nächsten Computerraum.

„Dieser Computer, Amelie...“

Seine Hand, die mal dorthin und mal dorthin wies, war ruhig. Und doch schlummerte Feuer in diesen Fingern. Sein kurzer Griff hatte es mir bewiesen.

Die Hand eines Mörders?


Der zweite Name auf Marie Rechenbergs Liste war Dr. Felix Ostrau, Leiter der Forschungsabteilung.

„Die neue Chefsekretärin? Aha...“

Breit und gedrungen stand er hinter seinem Ahornschreibtisch, weißer Kittel, Hände flach aufgestützt, lange Arme und dicke Finger.

„... wie war doch der Name?“

„Amelie Wagner“, sagte Julian Falkenhayn.

„Hm. Und Sie wollen etwas über unsere Produktion wissen?“

„Nur soweit es meine Aufgaben betrifft.“

„Okay. Hoffentlich kümmern Sie sich auch sonst nur um Ihre eigenen Angelegenheiten. Und um Vincent von Muggenthaler.“

Er wusste Bescheid, und verachtete mich. Verklemmt bis hinter die edle Denkerstirn.

„Nur nicht so kratzbürstig, Doktor Ostrau“, sagte Julian.

Felix Ostrau wischte sich die Handflächen am Kittel ab und knurrte.

„Wenn sie wie Marie ist, dann...“

Würde ich am Ende auch nicht lange zu leben haben?

Dieser Job begann mich zu faszinieren.

„Sie sind ungerecht, Doktor Ostrau. Zu Frau Wagner und zu Marie“, meinte Julian.

Das engstirnige Eierköpfchen runzelte die Augenbrauen.

„Für einen Kerl wie Sie, war Marie Rechenberg genau richtig“, sagte er giftig.

„Und für Sie?“, fragte ich dazwischen.

Felix Ostrau, verhinderter Liebeskünstler in Permanent, zeigte seine quadratischen Zähne, Marke verächtliches Lächeln. Aber es waren feste weiße, im Zubeißen an Hüfte oder Oberschenkel sicher reichlich aufregende Zähne. Und dazu sein dicker Mittelfinger?

„Betrifft diese Frage auch Ihre Aufgaben, Frau Wagner?“

Das saß! Hier musste das Töchterchen meiner Mutter verteufelt aufpassen.

„Nein, Doktorchen“, erwiderte ich mit viel Sirup in der Stimme. „Reines Privatinteresse an Ihnen, Herr Ostrau.“

Er vergaß das verächtliche Lächeln aus dem Gesicht zu nehmen. Erst allmählich dämmerte ihm, dass ich vielleicht ebenso zugänglich, nur nicht so nymphoman wie Marie Rechenberg sein könnte. Er schaltete die Gebissschau ab.

„Wir könnten möglicherweise... hm, einmal zusammen essen gehen? Ich bin unverheiratet.“

Schau, schau. Jedes Böcklein springt aus dem Stall, wenn auf der Wiese die Jungfrau grast. Und dann werden Böcklein zu wilden Böcken mit starkem Dingsda. Und ein starkes Dingsda trieb schon oft zu Mord.


Natürlich trafen wir auch Dr. Paul Schöneck in seinem Büro, muskelbepackt und sehr schmal in der Taille, grauer Bürstenhaarschnitt und ausgeprägt männliche Züge. Doch der Mann war unterwegs zu einer Konferenz, so dass mich sein Assistent Sven Ingelheim in die Welt der Werbeabteilung einführte.

Paul Schöneck musste ohnedies gesondert verarztet werden.

Und dann wurde mir Sarah Dannenberg vorgestellt. Als sie sich hinter dem Pult der Direktionsanmeldung erhob, und mir die Hand entgegenstreckte, blieb mir für einen kurzen Moment die Luft weg. Sie war schlank mit sehr langen, blauschwarz glänzenden Haaren. Ihre grünen Augen lächelten mich freundlich an. Unter dem engen Kostüm zeigten sich perfekt geformte Brüste, und ein strammer Po. Ihre langen Beine standen in lackroten High-Heels.

„Hallo, Frau Dannenberg“, begrüßte ich sie freundlich, denn sie war mir auf den ersten Blick sympathisch.

„Sarah“, verbesserte sie mich.

„Dann sagen Sie bitte Amelie zu mir.“

Aus den Akten wusste ich, dass sie die zweite Herzdame von Dr. Paul Schöneck war. Und da es in jedem Spiel immer nur eine Herzdame geben darf, gehörte sie eindeutig auch zu den Tatverdächtigen.

Der Kuss des Mörders

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