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FÜNFTES KAPITEL ANATOLIKÓ - TRIGARDON - MOOR VON LEZINI - SCHWIMMEN NACH EINEM KLOSTER - SENKUNG DER KÜSTE VON AKARNANIEN UND EPIRUS

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In Anatolikó schliefen wir im Haus des Erzbischofs, wo wir wieder den ganzen Abend und den folgenden Morgen mit der Grenzlinie gepeinigt wurden, dem einzigen Gegenstand, über den zu sprechen das Volk Lust hat. Einigermaßen bekam die Angelegenheit immer eine neue Gestalt, und die Darstellung und Ansicht des kriegerischen Prälaten Porphyrios gewährte uns Unterhaltung. Er war früher Erzbischof von Arta gewesen, aber während der Revolution hatte er sich gegürtet, trug Pistolen im Gürtel und hatte bei mancher Gelegenheit einen Reiterzug angeführt, das Kreuz in der einen Hand, das Schwert in der anderen. Wir besahen in der Kirche die Stelle, wo glücklicherweise eine Granate einen Brunnen öffnete, während der Pascha von Skodra die Stadt belagerte und nahe daran war, sie zu erobern, weil es ihr an Wasser fehlte.

Gegen regelmäßige militärische Operationen muß Anatolikó viel leichter zu verteidigen sein als Messolonghi, das in der Tat durchaus nicht leicht zu verteidigen ist, obgleich es, wie der Erfolg bewiesen hat, für eine griechische Verteidigung und einen türkischen Angriff viel besser paßt. Die Griechen fürchten sich nämlich wenig vor Breschen und Sturmlaufen, aber sie haben Angst vor dem gewaltigen und unaufhörlichen Granatenregen, den die große Ausdehnung und der weiche Boden von Messolonghi weniger zerstörend machte als er es in dem beengten Raum und auf dem Felsenboden von Anatolikó gewesen sein würde.

Von Anatolikó nach Niochóri ist eine Stunde; von da nach Katóchi, wo man über den Aspropotamos kommt, wieder eine Stunde. Wir wandten uns nach links, gingen den Fluß hinab und kamen in einer halben Stunde zu den Ruinen von Trigardon, die in einem weiten Kreis von zyklopischen und hellenischen Mauern drei Hügel einschließen, die in früheren Zeiten eine der Inseln von der Gruppe der Echinaden gewesen sein müssen. Fast die Hälfte des Umkreises stößt an das große Moor von Lezini. An der Nordseite im Moor scheinen Überbleibsel eines Hafens zu liegen. Ein tiefer Kanal führt durch das Moor von der See bis zu diesem Punkt, und auf seinem Lauf sieht man nichts von dem Schilf, womit der übrige Teil des Moors, vom nördlichen Hügel zehn oder zwölf Meilen weit, gleich einer Ebene mit grünen Gesträuchen bedeckt ist.

Wir waren sehr erstaunt über die Ausdehnung und Pracht der Trümmer von Alt-Pleurona im Vergleich mit dem beschränkten Umfang der Gegend. Neu-Pleurona setzte uns noch mehr in Erstaunen. Aber Trigardon und die Menge der hellenischen Überreste, die wir jetzt nach allen Seiten hin erblickten, erfüllten uns mit Bewunderung. In dem Raum einer Tagesreise waren in diesem fast unbekannten Winkel Denkmäler des Reichtums und der Macht zusammengedrängt, die alles übertrafen, was von der Glorie des Peloponnes übrig geblieben ist. Wir müssen aber nicht vergessen, daß dies die Gefilde waren, denen des Augias Ställe den Dünger lieferten, wo Herakles’ Arm die Mistgabel führte, wo die in dieser mythologischen Sprache aufbewahrte Kunst des Ackerbaus und der Gewerbefleiß mit der Güte der Erde und dem Tribut der See gesegnet wurden. Kein Wunder daher, daß es hier gewesen sein soll, wo „der Überfluß mit seinem Füllhorn in das lachende Leben sprang.“ Deshalb waren solche Bauwerke errichtet, um die Güter zu schützen, welche die Götter verliehen, und nach dreieinhalbtausend Jahren Zeugnis zu geben von der Verfeinerung, die mit solcher Tatkraft verbunden war, von der Wissenschaft, die sich mit solchem Wohlstand vereinte.

Ein hübscher junger Mensch, den wir in Katóchi um den Weg nach Trigardon fragten, erbot sich, uns zu begleiten. Er bestieg sein Pferd und zeigte uns die interessantesten Punkte, die allein aufzufinden uns vielleicht Tage weggenommen hätten. Wir bedauerten, daß wir unser Zelt vorausgeschickt hatten und so also nur wenige Stunden zum Umherwandern hatten. Die Dichtheit des Unterholzes und besonders des Schwarzdorns, der überall unser Erzfeind gewesen war, machte den Besuch jedes einzelnen Teiles schwierig und verhinderte uns geradezu, die Stelle zu untersuchen, wo der alte Hafen gelegen haben mußte. Ein großer Turm hellenischer Bauart, noch jetzt fast fünfzig Fuß hoch, verteidigt den Hafen, wie er früher war, gegen die Stadt, und vieleckige Mauern, die sich von der Stadt her strecken und den Hafen umkreisen, sind mit den Stadtmauern durch Erdaufwürfe verbunden, die sich ersichtlich aus anderer Zeit herschreiben. Unter diesen Ruinen herrschte die vieleckige Bauart vor, entbehrte aber gänzlich des charakteristischen Altertums, das man in den zyklopischen Überresten von Tiryns oder selbst von Mykenai findet. Die Steine sind fast von gleichen Größen, schön verbunden und an den Ecken ziseliert. Während wir über die den Hafen umgebende Mauer kletterten, kamen wir zu unserem größten Erstaunen zu einem Torweg in der vieleckigen Mauer mit einem Bogen darüber. Der Bogen war sehr flach, fast halbzirkelförmig; die ihn bildenden Steine bewahrten den Charakter des Vielecks.

Obgleich dieser Bogen in einer Mauer sich befindet, von dem Baustil, der dem entferntesten Altertum angehört, so möchte ich ihn nicht gleichstellen mit den Ruinen von Pleurona und Chalkis, nicht einmal mit denen aus dem Zeitalter des Perikles. Doch möchte ich ihn in eine Zeit vor der Ankunft der Römer in Griechenland setzen, und wäre das richtig, so würde es beweisen, daß, obgleich die Bögen gewöhnlich nicht angewendet wurden, sie doch wenigstens in Griechenland bekannt waren vor der römischen Eroberung. Die Ruinen von „Kyria Iríni“ bestätigen diese Vermutung. Die Ausfalltore in den Mauern sind gewölbt, wenn auch der Bogen zuweilen nur aus zwei Steinen besteht, die von jeder Mauerseite zusammenstoßen und in einen Halbzirkel ausgehöhlt sind; zuweilen ist der Bogen aber auch aus drei Steinen gebildet, wovon der mittlere dann einen regelmäßigen Schlußstein abgibt. In demselben Ort befindet sich eine geräumige Zisterne im Felsen, die von drei Mauern durchschnitten wird und in jedem derselben sind verschiedene Bogen; aber obgleich ihre Form gotisch ist, sind sie doch nach indischem Grundsatz gebaut. Das Gewölbe im Gebäude zu Mykenai, das man gewöhnlich Agamemnons Grab nennt, ist aus einer Reihenfolge von Kreisen gebildet, die je höher je enger werden, so daß jeder Kreis ein waagerechter Bogen ist.

Trigardon (ein verdorbenes slawisches Wort, das so viel bedeutet wie „Dreistadt“) muß das alte Oiniadai sein. Jeder Zweifel daran müßte schwinden, wenn man meine Beschreibung des Hafens mit der folgenden Stelle im Polybius vergleicht, aus den Kriegen Philipps des Zweiten mit den Ätoliern. Nach dem siegreichen Einfall in Ätolien und der Bestürmung von Thermus ging Philipp zurück nach Oiniadai, wohin er seine Flotte geschickt hatte, um die Rückkehr des Heeres nach der Küste zu erwarten. Die Ätolier rüsteten sich, diesen stark befestigten Platz zu verteidigen, aber Philipps Nahen erfüllte sie mit panischem Schrecken und sie räumten die Stadt. Philipp nahm sie in Besitz, verheerte von dort aus das kalydonische Gebiet und brachte die gesammelte Beute in die Stadtmauern. Der Geschichtsschreiber sagt: „Er bemerkte die bewundernswerte Lage der Stadt, die an den Grenzen Akarnaniens und Ätoliens liegt, an der Mündung des Achelous, an dem Eingang des korinthischen Meerbusens, nur hundert Stadien von der peloponnesischen Küste, und da die Stadt durch ihre Festungswerke und das sie umgebende Moor stark ist, so beschloß er, sie noch mehr zu befestigen. Er umgab daher den Hafen und die Schiffsstation mit einer Mauer und verband sie mit der Zitadelle.1

Unser Führer erzählte uns, daß an einigen Stellen sich unterirdische Klüfte oder Altäre2 befinden, zu denen man ihn als Kind mitgenommen habe; die Seiten seien mit Gemälden3 bedeckt, aber das seien keine Heiligenbilder. Er konnte sich aber auf den Platz nicht wieder besinnen. In den Felsen ist ein Theater eingehauen, dessen rechtes und nördliches Ende durch einen Aufwurf gestützt wird, und mit vieleckigem Mauerwerk versehen ist, so wie das südliche Ende mit hellenischem und einer Treppenflucht neben den Sitzen. Die Area hält etwa fünf und dreißig Schritte; zwanzig Reihen Sitze, dreieinhalb Fuß tief, laufen rund umher, und vielleicht doppelt so viele erheben sich hinter diesen. Die Stadt ist eben so vollständig untergegangen wie ihre Zeitgenossen, aber sie ist so mit Wald angefüllt und so weitläufig, daß sie nur mit Schwierigkeiten untersucht werden kann, und noch manche unerforschte archäologische Schätze enthalten mag.

Die Sonne war nicht mehr weit vom Horizont, als wir mit Widerstreben die Trümmer verließen. Wir mußten nach Katuna zurückkehren; von da waren es noch zwei Stunden nach dem Kloster Lezini und eben so weit nach Guria, dem Dorf, wohin wir unser Zelt zum Aufschlagen geschickt hatten. Wir beschlossen, den Weg nach dem Kloster einzuschlagen. Gleich jedem Fußweg in Griechenland war der Weg nach Lezini kaum von den Schafwegen zu unterscheiden; überdies führte er über einen dichtbewachsenen Hügel, und nicht ohne uns von Herzen Glück zu wünschen (obgleich uns niemand erwartete), befanden wir uns eine halbe Stunde nach Dunkelwerden am Rande des Moors, aber - das Kloster lag mitten drinnen! Wir waren nun wirklich in Verlegenheit; eine halbe Stunde riefen und schrieen wir, aber nur Schakale antworteten uns. Was sollten wir tun? Wir waren über die Maßen müde, ebenso hungrig und besonders unlustig, eine der Alternativen zu wählen, umzukehren oder ohne Abendbrot uns niederzulegen auf die kalten Felsen zwischen dem Gequake von Myriaden Fröschen, deren unzählbare Stimmen aus dem zwanzig bis dreißig Quadratmeilen weiten Moor erschollen, und zwar so taktmäßig, daß man sie mit Pulsschlägen der Erde hätte vergleichen können. Ich entkleidete mich also, band mein Hemd rund um meinen breitrandigen Strohhut und vertraute mich den Najaden des Moors. Ich hatte mich aber in meiner Schätzung der Entfernung arg verrechnet. Die Nacht war rabenschwarz; durch das Moor führte ein Kanal nach dem Kloster; die Seiten schienen fest, aber wenn ich versuchte, mich daran zu hängen, oder hinauf zu klettern, so versank ich in dem Schlamm oder verstrickte und ritzte mich in die Dornen und das gebrochene Schilf. So wurde ich gezwungen, mich im offenen Kanal zu halten, und das Wasser, das mein Hemd und Hut erreicht hatte, drückte mir nun den Kopf nieder und drang mir in die Ohren. In dieser wahrhaftig nicht beneidenswerten Lage schwamm ich langsam fort, als ich plötzlich sah, denn hören konnte ich gar nichts, daß ein Boot dicht bei mir im Begriff war, mich zu überfahren. Ich schrie auf mit all dem Ausdruck, den ein plötzlicher Schrecken und ein Mundvoll Wasser verleihen. Der Schiffer war nicht um ein Haar weniger erschreckt von dem unmenschlichen Schrei aus dem Wasser und dem Anblick einer weißen, schwimmenden Substanz, gleich einer ungeheuren Wasserlilie, unter welcher Gestalt sich die Leute den Nix oder Moorgeist denken. Er schrie und brüllte, fuhr mit aller Macht davon, stieß gegen das Ufer, taumelte Hals über Kopf und verlor seine Stange. Dann plätscherte er zurück zum Kloster mit der Bank aus dem Boot. Ich konnte nichts tun als ihm nachschwimmen, als ich glücklicherweise auf ein Schilfbündel stieß, mich daran hing, um auszuruhen und so einen Augenblick lang mein Haupt mit der nassen Last aus dem Wasser heben konnte. Da traf mein Ohr der nicht weit entfernte Ruf: „Wer da? Zurück! Sprich, oder ich schieße!“ und erst nach viertelstundenlangen Versicherungen und Erklärungen wurde es mir gestattet, dem Ufer mich zu nähern, wobei ich die oft wiederholte tröstliche Versicherung bekam, daß zwanzig Musketen und ein Neunpfünder voll Kartätschen auf mich gerichtet wären, wovon als Beweis die brennende Lunte diente, die mir gezeigt und geschwungen wurde. So zähneklappernd und zerfetzt ich auch war, konnte ich mich doch nicht enthalten, über diese kriegerische Zurüstung mich lustig zu machen. Endlich hatte ich die Leute überzeugt, daß ich kein Moorgeist wäre, denn sonst hätte ich nicht um ihre Erlaubnis gebeten; daß ich kein Räuber wäre, weil ich sonst nicht so laut geschrieen hätte; und daß ich nur ein nacktes Menschenkind wäre. Da erlaubten sie mir ans Land zu kommen, und nun wurde ich so herzlich aufgenommen, wie niemals sonst in meinem ganzen Leben. Der eine zog seine Schuhe von den Füßen ab und mir an; der zweite seinen Schurz, um mich damit zu gürten; der dritte hüllte mich in seine warme Jacke, und meine Toilette wurde zum unendlichen Vergnügen der ganzen Gesellschaft von den Domherren des ehrwürdigen Abtes besorgt. In diesem Zustand kam ich oder wurde vielmehr getragen nach dem nahen Kloster, während ein Boot abgeschickt wurde, meinen Reisegefährten zu holen. Er und ich haben uns nie über die Entfernung einigen können; er machte nur eine halbe Meile daraus, ich wenigstens anderthalb, und nach meiner Schwimmpartie sollte ich es doch am besten wissen. Die Griechen waren über diese Heldentat sehr erstaunt, die erst einmal vorgekommen war, obgleich Hunderte bei dem Versuch, auf diese Weise den Türken zu entfliehen, umgekommen waren.

Des Abtes bester Anzug wurde mir gebracht. Eine alte Kalogria oder Nonne, die in schwesterlicher Liebe bei dem Abt lebte, badete mich in warmem Wasser und rieb mich mit Öl ein, da nicht ein Geviertzoll meiner Haut ungeschunden war. Sie krönte ihre sorgsame Aufmerksamkeit durch eine erquickende Schale griechischen Athol Aroge - will heißen Arrak und Honig.

Lezini ist ein kleines, niedriges Felseneiland im Moor gleichen Namens, das sich von Pétala bis nach Trigardon erstreckt. An einigen Stellen ist es nur durch eine schmale Bucht von der See getrennt und bei Katuna tritt es an die Ufer des Aspropotamos. Es hat das Ansehen einer fruchtbaren Ebene und ist mit schlankem und grünem Schilf bedeckt, dessen Wurzeln sich verbreiten und eine beständig zunehmende Kruste verfaulter Pflanzen zusammenhalten. Diese bilden einen zweiten Boden, der keinen Menschen trägt, aber bei einer Dicke von zwei oder drei Fuß für Boote völlig unbefahrbar ist. Er hängt wenigstens vier oder fünf Fuß über dem eigentlichen Boden, ohne jedoch zu schwimmen, denn die Winterfluten steigen über seine Oberfläche. Kanäle durchschneiden das Moor von der Küste nach Lezini und von dort nach Trigardon, von Trigardon nach der Mündung im Nordwesten. Von da windet sich ein anderer Kanal längs dem nördlichen Ufer und biegt sich nach Lezini zurück. Die Mündung ist unweit Pétala und das Gefälle des Stroms reicht hin, eine Mühle in Bewegung zu setzen, so daß es nach der Bauart der dortigen Mühlen nicht geringer sein kann als acht oder zehn Fuß. Das läßt mich vermuten, ein Durchstich vom Moor nach der See würde wahrscheinlich den größten Teil dieses ungeheuren und schädlichen Morastes in fruchtbare Felder verwandeln. Nebenbei möchte die Senkung des Wassers in diesem Bassin es möglich machen, das Wasser des Achelous hindurchzuführen, wo dieser, wie in einem Teich, die große Erdladung absetzen könnte, die er jetzt in die See hineinschwemmt.4

Man hat angenommen, das Moor von Lezini sei einer, oder seien die beiden Seen, denen Strabo eine Länge von zwölf Meilen gibt. Zur Bestätigung dieser Annahme wird die Ähnlichkeit des Wortlautes zwischen Kynia und Lezini angeführt, und den Unterschied der Weite schiebt man auf den allmählichen Anwuchs der Küste von der See. Ich bin indes geneigt zu glauben, daß diese Seen weiter gegen Süden lagen und jetzt ein Teil des Festlandes von den Paracheloïtis geworden sind. Strabo zählt nach Süden rechnend so: Hinter Oiniadai kommt Kynia, dann Mylete und Uria und dann die Fischmoore, so daß sie zwischen der nördlichen Mündung bei Oiniadai und der ehemaligen südlichen oder Anatolikón Stoma, jetzt Anatolikó, gelegen haben müssen. Ich bin deshalb der Meinung, daß Lezini ein neu entstandenes Moor ist.

Soweit ich von der Beschaffenheit des Bodens habe urteilen können, besteht er aus Ton. Die angeschwemmten Niederschläge haben natürlich mehr oder weniger zugenommen, aber ich habe an diesen Küsten unveränderlich bemerkt, daß Tonboden, der an und für sich weder dem Zunehmen noch dem Abnehmen unterworfen ist, jedesmal auf eine Senkung der Küste hindeutet. Nach der klaren Wortfügung Strabos lagen die Moore von Kynia u.s.w. im Süden des Achelous. Dort liegen jetzt keine erheblichen Moore; der Boden ist angeschwemmt und durch natürliches Wachstum höher geworden. Im Norden des Achelous waren keine Moore5, jetzt aber liegt dort ein sehr großes, dessen Boden Ton ist. Leukadia hing früher mit dem Festland zusammen, mittels einer Landenge trockener Erde, über welche die lakedämonischen Galeeren geschleppt wurden. Diese Halbinsel besteht aus Ton und ist jetzt mit Wasser bedeckt. Die römische Pflasterstraße längs der nördlichen Küste des Golfs von Arta läuft über Ton; der Weg wurde damals ganz gewiß nicht unter Wasser erbaut, jetzt steht vier Fuß hoch Wasser darüber. Das alte Ablyzia, dessen Ruinen Phido Kastro genannt werden, ist ganz gewiß nicht im Wasser gebaut, jetzt kann man nur zu Schiff dorthin kommen. Der Eingang in den Meerbusen von Korinth wird bei Strabo auf sieben Stadien angegeben, er ist jetzt zweimal so breit; das Land an beiden Seiten ist niedrig und der Boden ist Ton. Natürlich kann solche Senkung nicht überall sichtbar sein, wo die Küste angeschwemmt ist, und im Gegenteil sind solche Stellen im Vergleich zur Meeresfläche höher geworden.

Ich bedauerte sehr, daß ich keine Zeit hatte, durch gründlichere Beobachtung diesen Punkt genügend festzuhalten, doch möchte ich, zur Unterstützung der Annahme einer Küstensenkung, noch anführen, wie verhältnismäßig wenig die Deltas des Evenus und Achelous in neuerer Zeit zugenommen haben gegen die entfernteren Perioden; ein Umstand, der schon zu Pausanias’ Zeiten bemerkt wurde, da er versuchte, ihn zu erklären.

In der höchsten Gegend von Lezini stehen die Trümmer einer venezianischen Festung von ansehnlicher Ausdehnung mit sehr dicken Mauern. Die Insel ist während der Revolution immer ein Zufluchtsort gewesen und ist der einzige jungfräuliche, uneroberte Platz Griechenlands. Als der Pascha von Skodra Akarnanien verheerte, war die Insel mit neunhundert flüchtigen Familien angefüllt. Der junge Pascha und seine Ghegs (Nordalbanesen) brannten vor Rachedurst wegen des Einfalls in ihr Lager und der Niederlage, die Markos Botzaris6 und seine Handvoll Helden ihnen beigebracht hatten. Sie kamen an den Rand des Moors und jubelten schon im voraus, wie sie ihren gefallenen Kameraden die auf der Insel befindlichen Flüchtlinge zum Opfer schlachten wollten. Sie versuchten, über die trügerische Kruste des Sees einen Weg zu bahnen; ihre Fußsoldaten verstrickten sich, die Reiter sanken ein und „Roß und Reiter sah man niemals wieder.“ Zurückgewiesen und verdrießlich zerstreute sich nun die Horde über die Hügel, hieb die Zweige von den Bäumen und begann Faschinen zu binden, um einen Weg zu errichten. Ihre ungeregelten Bemühungen nützten aber nichts; sobald sie etwas weiter gekommen waren, durchbrach ihr dem unsicheren Fußpfad unangemessenes Gewicht die schwankende Kruste; ganze Massen versanken, noch mehrere blieben im Schilfrohr stecken oder wurden im Schlamm halb begraben. Die schlauen Albanesen, welche die Türken aufgemuntert hatten, hohnlachten nun über den jämmerlichen Ausgang, und die Griechen vom Eiland riefen Hohn und Spott, und sicher hinter ihren Felsen ruhten sie auf ihrem Neunpfünder und ihren Flinten. Nun beschlossen die Türken, Bäume zu fällen und Flöße zu bauen, aber woher sollte man Beile nehmen? Das kostete Zeit. Die Gegend umher war gänzlich verwüstet und der Mundvorrat knapp. Die wenigen herbeigeschafften Geräte wurden bald unbrauchbar und man kam nicht weiter. Der Zorn des Paschas hatte inzwischen Zeit gehabt, sich abzukühlen; er begriff, daß „le jeu ne valait pas la chandelle“ (das Spiel nicht des Lichtes wert sei) und zog endlich ab. Durch die Intrigen des Südalbanesen Omeros Vryonis wurde dieses Heer, das an Muskelkraft, Wuchs, tierischem Mut und Ergebenheit für seinen Führer eines der schönsten gewesen, das in den letzten Jahren einer türkischen Fahne gefolgt war, dem Schicksal ausgesetzt, einzeln niedergehauen zu werden und seine Kraft an Moor und Felsen zu verschwenden. Ein jämmerlicher Überrest nur kam Im Winter 1823 nach Skodra zurück. Die aufkeimende Neigung der Ghegs, sich in die Angelegenheiten ihrer Nachbarn zu mischen, war zurückgewiesen und der Krieg in Griechenland blieb wie zuvor eine Quelle der Plünderung, der Bezahlung und des Einflusses für die kriegerischen muselmanischen7 Völkerschaften von Mittelalbanien.

Am nächsten Morgen sagten wir den Ausdünstungen von Lezini Lebewohl und gingen bei Ouria über den Aspropotamos zurück, wo wir unser Ziel wieder sahen. Ein bei der Überfahrt des Flusses stationierter suliotischer Kapitano hatte, als er hörte, daß wir erwartet würden, eine Mahlzeit bereitet, wobei natürlich das geröstete Lamm nicht fehlte und ebenso wenig ein offenes und herzliches suliotisches Willkommen!

Wir gingen am Nachmittag längs dem linken Ufer des Achelous durch eine zauberisch schöne, parkähnliche Gegend und schlugen unser Zelt dicht bei dem zerstörten kleinen Dorf Angelókastro auf, das an einem spitzen Hügel klebte, auf dem noch ein Teil eines mächtigen venezianischen Turmes stand und eine kleine zerstörte Kapelle. Von hier aus hatten wir eine weite Aussicht über den See Ozero, über den Fluß und die streitige Ebene bis zu den Enden der Seen von Brachóri und Angelókastro an der äußersten Rechten. Unmittelbar unter uns floß ein klarer und schneller Strom, über den eine Brücke führt und rund um welchen eine der schönsten Ansichten ist, die nur Wald und Wasser bieten können.

Die vom Protokoll vorgeschriebene Grenzlinie trifft gerade auf die fruchtbare Ebene, welche die Bewohner aller umgebenden Berge ernährt, wendet sich dann gegen Osten und läßt die Ebene außerhalb des griechischen Staates. Sie ist gut mit Holz versehen, hauptsächlich mit Eichen, aber vermischt mit riesigen, aber gekrümmten italienischen Pappeln und Ulmen. Man übersieht überall die beinahe verwischten Spuren von Tausenden von Bewässerungsgräben, die sich rechtwinklig durchschneiden, ein System, das zu einer Zeit hier auf die höchste Vollkommenheit gebracht war. Der üppige Wuchs der Bäume, des Unterholzes, des wilden Hafers, der Gerste und des Grases, womit das Land bedeckt ist, während es zugleich den schönsten und malerischsten Ausblick darbietet, erregt bei jedem Schritt Bedauern, daß solch ein Land, nach den Kämpfen, um Unabhängigkeit zu erringen, wiederum den Verheerungen albanesischer Einfälle überlassen werden soll. Wir begegneten verschiedenen Maultiertreibern, die aus der Nähe von Jannena entkommen waren, und ihre Besitzungen nicht ohne unendliche Gefahr und Schwierigkeiten verlassen hatten. Sie rechneten freilich auf einen ganz anderen Empfang, als den, den sie im ‚freien’ Griechenland zu erwarten hatten!

1Griechisch: ϰαὶ τῷ λιμένι ϰαὶ τοῖς νεωϱίοις <ὁμοῦ> τεῖχος πεϱιβαλὼν ἐνεχείϱει συνάψαι πϱòς τὴν ἄϰϱαν (Polyb. IV. 65, 11).

2Griechisch: βῶμοι.

3Griechisch: ζωγϱαφία.

4Sein neuerer Name: Aspropotamos oder weißer Fluß ist von der Farbe des trüben Wassers entlehnt, das die See rund um die Curzolere-Inseln weiß färbt und täglich seichter macht.

5Polybios erwähnt ein Moor rund um Oieniadai, das bezog sich aber lediglich auf die Verteidigung der Stadt; hätte damals dort ein Moor existiert, nur einigermaßen dem jetzigen ähnlich, so wäre der Ort unbewohnbar gewesen.

6Die Geschichte, er sei dabei sogar in das Zelt des Paschas eingedrungen, ist eine Erfindung. Markos Botzaris (1788-1823) war einer der Anführer des griechischen Aufstands und fiel in der Schlacht von Karpenisi (Red.).

7In Mustafa Paschas Heer war nur der sechste Teil muselmanisch, die übrigen waren Christen.

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