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DAS ICH – MEIN DASEIN ALS GESCHENK

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Meine Orientierung in der Welt beginnt notwendigerweise dort, wo ich bin. Ein Stern mit der Aufschrift „Sie sind hier!“ bezeichnet oft unsren Platz auf dem großen Orientierungsschild mit Landkarte beim Eingang zu einer Wanderregion. Ebenso ist der Umstand, dass ich „hier bin“ in dieser Welt, die grundlegende Tatsache, mit der meine Orientierung beginnen muss. Ich kann keinen andren Ausgangspunkt finden als diesen sehr persönlichen, weil es keinen andren gibt. Aber es hat weitreichende Folgen, dass ich diese grundlegende Einsicht auf zwei verschiedene Weisen ausdrücken kann: „Ich bin da“ oder „Es gibt mich“. Die Unterscheidung zwischen „Ich bin da“ und „Es gibt mich“ kann viel dazu beitragen, unsren Platz im Gesamtbild zu finden.

Mit dem Satz „Ich bin da“ bestätige ich natürlich, dass meine Existenz eine gegebene Tatsache ist, aber ich drücke dies in der 1. Person Einzahl als meine unbestreitbare Erfahrung aus. Diese Erfahrung abzustreiten, hieße sie zu bestätigen, denn wenn ich nicht existierte, könnte ich meine Existenz nicht leugnen. So wird meine Existenz also notwendigerweise zum zentralen Ausgangspunkt, um mich in der Welt* zu orientieren. Ich bin freilich nur für mich selber Mittelpunkt der Welt.

Aber dies kann leicht dazu verleiten, den Mittelpunkt meiner Welt für den absoluten Mittelpunkt der Welt schlechthin zu halten. Wenn das passiert, fange ich an, mir alles andre so vorzustellen, als würde es sich um mein kleines Ich drehen. Meine ganze Mitwelt, der ich angehöre, wird dann zu meiner bloßen Umgebung: Wenn aber ein „Ich“ alles auf sich selbst bezieht, bleibt es in sich selbst stecken.

Die zweite Ausdrucksweise für die Einsicht, dass ich existiere – „Es gibt mich“ – wird in der 3. Person Einzahl formuliert. Dieser grammatische Unterschied ist tiefgreifend: Die Betonung dieser neuen Formulierung liegt nicht mehr auf meinem Ich, sondern auf dem Es, das mich mir selber und der Welt gibt – schenkt. Mit dem Satz „Es gibt mich“ stelle ich diesen Sachverhalt fest, als ob ich ein außenstehender Betrachter wäre. Das vermindert die Gefahr, mich zum Mittelpunkt zu machen und in mir selber steckenzubleiben. Außer mir gibt es noch unzählig viel andres. Und am Gegebensein erkenne ich mein Dasein als Geschenk, als Geschenk des Universums. Ich sehe mich eingebettet in ein Geben und Nehmen, und meine Umwelt“ wird dadurch zur Mitwelt* – zu einem Netzwerk* von Beziehungen, das alles mit allem verbindet. Diese Art, mich selbst zu verstehen, ermöglicht die gesunde Entwicklung des „Ich-Selbst“.

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