Читать книгу Eine liberale Versuchung - Delilah Jay - Страница 4
EDWINA
Оглавление"Miranda, wie schön dich zu hören! Wann kommt ihr an, du und Daisy? Wir freuen uns alle auf euch! Ich hole euch dann vom Bahnhof ab", freue ich mich, als meine beste Freundin mich anruft. Sie sind bereits auf dem Weg hierher und werden uns in unserem Herrenhaus in Schottland besuchen kommen, wie schon so oft zuvor.
Sie ist eine echte Lady um die Mitte 60, war Lehrerin an einer der renommiertesten Privatschulen für Mädchen in England. Nicht lange, denn dann ging sie auf große Reise mit ihrem Mann George, Gott hab ihn selig. Er verstarb bereits vor 20 Jahren im diplomatischen Auftrag, wie sie stolz erzählt. "Ich kenne das Leben im großen Stil", pflegt Miranda mir immer zu berichten. "Haushälterinnen, Butler, Gärtner … ach, weißt du, Edwina, ich kann noch immer nicht verstehen, wie ich es jetzt ohne diese Annehmlichkeiten in meinem kleinen Puppenhaus in Holland Park aushalte. Es ist einfach schrecklich! Und eine viel zu kleine Pension hat mir der gute George auch hinterlassen. Weißt du, wir hatten ja immer alles. Die fürstliche Bezahlung auf dem Konto in England und — nicht zu vergessen — für bestimmte Aufträge bekam George alles extra bezahlt … auf das Konto auf den Cayman Islands. Ja, es war ein spannendes Leben mit George, der stets von einem Frühstücksmeeting mit dem amerikanischen Botschafter zu einem Mittagessen mit der Royal Family eilte. Ich war dann stets zu Hause mit Sophie, nun ja, ich war Diplomatengattin. Und das verlernt man nie, liebe Edwina."
Sie stand immer an meiner Seite und ich sah die mütterliche Figur meines Lebens in ihr. Sie ist eine kleine zierliche Person, stets akkurat gekleidet, Understatement — versteht sich. Der Umgang mit der königlichen Familie färbte auf sie ab, obwohl sie ihn nur aus zweiter Hand erleben durfte. Auch George war eher jemand, der in der hintersten Reihe der Geschehnisse stand. Verwunderlich dennoch, dass er sich zum Schluss dem Dienst des MI5, dem britischen Geheimdienst verschreiben durfte. Nicht lange, denn dann wurde er in geheimer Mission entlarvt und vor Sophies Augen beim Fünfuhrtee im Salon ihres Landhauses in Oxfordshire erschossen. Nur Sophie und der Hirsch an der Wand, den George selbst erlegt hatte, waren Augenzeugen der Tat. Und da der Hirsch ausgestopft war und Sophie unter Schock stand, konnte niemand den Tathergang wirklich rekonstruieren. Sie waren beide nicht vernehmungsfähig, Sophie nicht und auch nicht der Hirsch. Sophie litt schon damals an starken Depressionen. Sie konnte es nicht verkraften, dass die Familie den luxuriösen Lebensstandard in China und Indien aufgeben musste. Heute arbeitet sie im Büro der Liberalen in London. Sie locht, legt ab, locht, legt ab … Urkunden, Dokumente — ein neuer Ordner bitte; für 1.400 Pfund pro Monat.
Sie hat es nicht leicht allein mit ihrer Daisy. Den Job hat ihr mein Ex-Mann Victor besorgt. Seine Verbindungen sind endlos und oft sehr nützlich.
"Jungs, los jetzt! Die Pancakes sind fertig!", rufe ich durch das Treppenhaus nach oben in den zweiten Stock. Anscheinend hört mich niemand.
"Boys!"
Keine Antwort. Das Haus ist groß, die Wände hoch und dick und die Jungs haben sicher Kopfhörer auf.
Jock steht in der Tür: "Ist das Frühstück für mich fertig, my Love?" fragt er mich.
Ich erstarre. Er fuhr gestern Abend nach Hause, schon allein der Jungs wegen. Sein Auto stand die ganze Nacht nicht auf dem Anwesen. Hatten sie es überhaupt bemerkt? "Jock! Wie schön … du holst die Jungs zum Fischen ab? Edward freut sich so sehr darauf", strahle ich ihn an.
"Guten Morgen Mum." Die Jungs stehen in der Tür.
"Guten Morgen. Die Pancakes sind fertig. Jock ist hier, um euch zum Fischen abzuholen. Das ist doch toll, nicht wahr, Eddie?"
"Ja, ja … ", antwortet er. Er stottert und stammelt langsam vor sich hin. Auf den Boden schauend sucht er nach Worten.
Oh Gott, wie froh bin ich, wenn er erst einmal im Internat ist! Zwei Stunden Autofahrt von London entfernt. Nur alle drei Wochen wird er dann nach Hause kommen. Viel Sport, viel frische Luft. Das wird ihm gut tun.
Der Morgennebel zieht weiter hinter den Fluss. Wir blicken auf das Panorama der Unendlichkeit. Der Fluss, die Wiesen, der Nebel auf der anderen Seite des Ufers. Hier sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht, hier habe ich mit meinen Kindern und Victor die besten Jahre meines Lebens verbracht. Allein, während er umherreiste, um seine Politiker zu vermarkten. Allein, während die Jungs im Internat waren. Die meisten Herrenhäuser hier werden nur in den Ferien genutzt und manchmal, wenn ein Bankholiday das Wochenende mit einem Montag verlängert, an dem keiner arbeitet und die Kinder keine Schule haben. Seltene Dinnerpartys, seltene Gäste wegen der weiten Entfernung von London. Es sind um die 450 Meilen bis hierher, fast sieben Stunden mit dem Auto. Ich war jedoch allein hier in Schottland, statt am Sloane Square zu bummeln, ins Theater zu gehen, im Party-Kommite einer Brustkrebs-Charity zu sein und im Queen's Club Tennis zu spielen.
"Auf geht's!", höre ich Jock die Jungs herbeirufen.
"Muss ich wirklich … ", fragt mich Eddie. Ich unterbreche ihn.
"Ja, es tut dir gut. Dein Vater will das so. Nun mach, beeil dich."
Er geht mir schrecklich auf die Nerven. Sein Gestotter, seine Lernschwierigkeiten in der Schule, diese Unlust, woran auch immer. Bald fliege ich zu Eddies Vater, Edward IV, nach San Francisco. Dann sind alle wieder in der Schule und ich kann meine Zeit mit meinem zukünftigen Mann verbringen: Edward D. Wilton IV!
Like a jester dressed, in a silly gown,
something evil came to town,
at the darkest hour, in the dead of night,
all who'd listen gathered round.
From the uninspired from the tortured sounds …
LADY MACBETH, written by John Lees, Barclay James Harvest