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Ritter Cuno war schon lange tot. Etwa achthundert Jahre lang. So genau wusste das der letzte Ritter von Hoch-Rialt auch nicht mehr. Im Moment schwebte er dicht über einem der Wanderwege, der durch die Viamala-Schlucht führte und dachte über all die Schandtaten nach, die er in seinem vergangenen Leben begangen hatte.

«Wüstling!», sprach ihn eine andere Verstorbene an, die erst seit dem Jahre 1705 hier unten weilte und nun eine kurze Strecke herangeschwirrt war. «Sieh mal, dort oben, neben den Ruinen deiner Burg, ein Pfarrer und noch so ein Saukerl.»

«Der andere ist ein Mönch. Wahrscheinlich Wanderer.»

«Saukerle!»

«Nicht jeder Pfarrer ersticht seine schwangere Geliebte und schmeißt sie dann in eine Schlucht, so wie es dein Pfarrer seinerzeit mit dir getan hat, Pfaffenliebchen.»

«Trotzdem: Saukerle!»

Pfarrer Jacques und Prior Hans-Peter machten Ferien. Wanderferien, um genau zu sein. Sie hatten vor Wochen beschlossen, den Splügenpass zu begehen. Von Thusis nach Chiavenna. Diesen Morgen war Pfarrer Jacques ganz früh in den Zug von Zürich nach Chur und dann von Chur bis Thusis gestiegen und hatte sich mit Prior Hans-Peter, der von einem Mitbruder mit dem Auto von Sankt Gallen herkutschiert worden war, am Bahnhofskiosk getroffen. Ausgerüstet mit Wanderschuhen und Rucksack hatten sie sich vorgenommen, als Erstes die schaurig-schöne Viamala-Schlucht zu durchqueren.

«Ich bin es gar nicht mehr gewohnt zu wandern», hatte Prior Hans-Peter einen wackeligen Fuß vor den anderen gesetzt.

«Das fängt ja gut an», hatte Pfarrer Jacques geschmunzelt. «Keine Sorge, Hans-Peter, wir haben es nicht eilig.»

Die beiden waren also von Thusis aus auf der Via Spluga über eine Hängebrücke, die über den Hinterrhein führte, nach Sils gelaufen, ein hübsches Dorf mit barockem Palazzo, dann den Saumpfad hinauf, an der Burg Ehrenfels vorbei und zur Ruine Hohenrätien, wo sie nun ins Domleschg hinunterschauten und das erste Picknick abhielten.

Ritter Cuno und des Pfarrers Geliebte verließen Cunos Stammplatz in der Schlucht unten und schwebten hinauf auf das imposante Felsplateau bis zu den beiden Klerikalen, die sich ihren Sandwiches und Feldflaschen widmeten.

«Wir sollten denen hinterhersausen», meinte des Pfarrers Geliebte.

«Du meinst, wir sollen etwas mehr loslassen, Pfaffenliebchen? Nicht mehr so ganz erdverbunden in unserer Schlucht unten hocken? Einfach gehen?»

«Genau, Wüstling, wir sollten uns mal bewegen, nicht mehr über der Vergangenheit brüten, reisen, was Neues sehen. Die wollen nach Italien, da war ich noch nie. Was meinst du?»

«Ich fühl mich hier aber sicher.»

«Na komm schon. Für unsereins ist es überall sicher.»

«Italien. Da könnten wir wirklich hin. Doch. Ja. Nach Italien also.»

Die vertauschten Bronzebecher

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