Читать книгу Perry Rhodan 3054: Die letzte Welt der Vecuia - Dennis Mathiak - Страница 6
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Shukkner
Shukkner stoppte den Wagen. Die Kolben hielten in ihrer Bewegung inne, die Blockbremsen auf den Reifen quietschten. Dampf zischte links und rechts des Gefährts aus den Ventilen.
Der Dovoin drehte die Luftzufuhr zum Kessel ab. Die Dampfproduktion versiegte, das Bollern verstummte nach und nach.
Vor Shukkner lagen die Hügel der Morgennebel. Die Schwaden hatten sich unter den Mittagsstrahlen Suznys aufgelöst, so wie der spätherbstliche Wind die Dampfwolken des Wagens verwehte. Gräser schimmerten blaugrün im Sonnenlicht.
Doch immer noch glänzten die Wiesen vom Tau. Tropfen perlten von den langen dunkelblauen Zitterhalmen. Da und dort schoss eine Maulblüte aus den Pflanzen und schnappte sich einen umherschwirrenden Silberkäfer.
Shukkners Luftmund entwich ein bellender Seufzer. Er kramte frisches Halmkraut aus einer Kitteltasche und stopfte sich die weiche, sauerwürzige Masse in den Nährmund. Nach einigen Kaubewegungen nahm sein Speichel Geschmack an. Der Dovoin sammelte die piksenden Blattadern mit der Zunge und spie sie aus.
»Klurn!«, rief er. »Komm raus!«
Sie mussten die Räder wechseln. Die Straße, die durch die Niederungen zwischen den Hügeln führte, war nicht gepflastert, denn der ewig feuchte Morast erschwerte die Bauarbeiten derart, dass sie nicht lohnten.
Die meisten Dovoin umfuhren die Hügellandschaft. Sie fürchteten stecken zu bleiben und dadurch mehr Zeit zu verlieren, als der Umweg sie kostete. Und die Fremden aus den Himmelssplittern blieben überwiegend in den Siedlungen, die sie rings um die Trümmer erbaut hatten.
»Klurn! Bei den stinkenden Gedärmen meiner verstorbenen Ahnen, wo bleibst du?«
»Ich bezweifle«, erklang es dumpf aus dem Wohnraum Klurns, der direkt hinter der höher gelegenen Fahrerkabine lag, »dass noch irgendetwas an deinen Ahnen stinken könnte.«
Shukkner schnaubte. Ohne Zweifel hatte der Sklave recht. Das letzte Mitglied seiner Familie hatte er vor dreizehn Sonnenumläufen in den Sümpfen der Heimat versenkt. Ein Jahr mehr, als er an den Fingern abzählen konnte. Es hatte ihn lukrative Aufenthalte in einer Handvoll Städten gekostet, die Reise zur Totenversenkung auf sich zu nehmen.
Aber hätte er dies nicht getan, hätte es seinen Ruin bedeutet. Ein Henker, der die Toten nicht ehrte, war untragbar. Seine Konzession, Leib- und Todesstrafen zu vollstrecken, wäre ihm von den Oberen seiner Geburtsstadt entzogen worden. Die Kunde hätte sich in Windeseile in alle Städte Baans verbreitet. Shukkner wäre nur die gefährliche Überfahrt nach Duuns, den Landen hinter dem Meer, geblieben, um sich eine neue Existenz aufzubauen.
Und das, obwohl es kaum noch Henker wie ihn gab. Alte Traditionen schwanden dahin, leider.
Er spie erneut aus, bevor der Sud des Halmkrauts so stark wurde, dass er die Schleimhäute des Nährmunds auflöste.
Im Wohn- und Geschäftsbereich des Laderaums war ein Rumpeln zu hören, ein Krachen und Scheppern. Endlich machte sich Klurn daran, die Räder auszuladen. Quietschend öffnete sich die Seitentür. Der Sklave fuhr die Rampe aus.
Shukkner drückte die Fahrertür auf und verließ die Kabine über den zweistufigen Tritt. Er umrundete den Anhänger, um nach den Blyuden zu sehen, die ihnen an Seilen angebunden hinterherliefen. Die ausdauernden Tiere mussten den Wagen antreiben, denn die Leistung der Dampfmaschine würde die Schlammräder nur tiefer in den Morast graben. Die Blyuden vereinten Kraft und Feinfühligkeit, um das schwere Gefährt sicher durch die Niederungen der Hügel zu ziehen.
Shukkner legte den Kopf in den Nacken, reckte den Hals und streckte den runden Rücken. Er nahm die Schmerzen der unnatürlichen Bewegung in Kauf, um in den wolkenlosen Himmel zu sehen, und blickte zum Horizont. Oft trieben Meereswinde aus Nordwesten überraschend Wolken ins Landesinnere. Über den Hügeln der Morgennebel gingen sie zum ersten Mal nieder.
Suzny verließ bereits den Zenit. Sie könnten es mit Glück schaffen, die Hügellandschaft vor Anbruch der Dunkelheit hinter sich zu lassen, falls es nicht regnete. Die Stadt Bossonu wartete auf sie. Dort galten Traditionen noch etwas, dort hatte Shukkner bisher immer Klienten gefunden.
Doch dies war nicht die einzige Verheißung, der er entgegenfieberte.
*
Shukkner strich den Blyuden über die oberen Gelenke ihrer sechs Beine. Das ungestüme Jungtier bebte, denn der frische Winterflaum ließ den Blyuden jede Berührung doppelt intensiv erleben. Das zweite Tier hatte sich vor drei Tagen bei einem Steinsturz in der Glasschlucht verletzt. Unter den Federresten sah man den Gelenkpanzer, der an einigen Stellen gebrochen war.
Shukkner spie Schachtelhalmsud in die Hand, vermischte ihn mit Tau, den er vom Grasboden aufnahm, und rieb die Mixtur auf die Verletzung. Er schwor auf die entzündungshemmende Wirkung des Hausmittels.
Der Blyude zischte dankbar. Shukkner klopfte ihm auf die sensible Stelle zwischen den sechs Facettenaugen. Das Tier war alt. Die Vorderläufe mussten nicht zusammengebunden werden, weil sie längst verkümmert waren. Trotzdem leistete das Tier ihm gute Dienste.
Ganz anders verhielt es sich mit Klurn. Der mürrische Kerl war altersschwach und als Sklave kaum mehr zu gebrauchen.
Shukkner stapfte am Dampfwagen vorbei und lehnte sich gegen die abgerundete Strebe der rechten Hecksäule. Nachdenklich rieb er sich über die Kopfrinne. Er benetzte die Riechschwämmchen mit den Überresten des Schachtelhalmsuds, um nicht die modrig-säuerlichen Ausdünstungen ertragen zu müssen. Selbst der alte Blyude roch angenehmer als der Sklave.
»Beeile mich ja schon, Herr«, murmelte Klurn, als er ihn bemerkte. Shukkner kannte keinen zweiten Dovoin, der so lethargisch war.
Der Gruzz mochte wissen, warum Klurn bei ihm blieb. Shukkner schonte ihn niemals. Dabei hätte der Sklave die Wege freier Dovoin gehen können, seitdem er vor zehn Sonnenumläufen oder mehr zu den Feuerbekämpfern der Stadt Zakulkis gehört hatte.
In Zakulkis hatten Shukkner und Klurn die besten Jahre ihres Lebens verbracht. Die Gesetze waren so strikt und die Bewohner so verdorben gewesen, dass ein Henker kaum mit der Vollstreckung der Urteile hinterherkam. Doch im zweiten Jahr ihres Aufenthalts war eine Feuersbrunst ausgebrochen. Klurn hatte zehn freie Dovoin vor dem sicheren Tod gerettet und dafür die Freiheit erhalten.
Shukkner hatte die Stadt verlassen. Der Blutzoll der Flammen war so hoch ausgefallen, dass die Stadtoberen kaum ein Verbrechen mehr mit dem Tod oder der Verstümmelung bestrafen konnten.
Seltsamerweise hatte Klurn sich ihm wie selbstverständlich angeschlossen, statt seiner eigenen Wege zu gehen. Er hatte auf Shukkners Fragen nach dem Grund nie geantwortet.
»Bin bald fertig mit den Rädern, Herr«, versicherte Klurn, als Shukkner keine Anstalten machte sich wieder in die Fahrerkabine zu setzen. »Dann lege ich den Blyuden das Geschirr an und spanne sie vor den Wagen.«
Der freie Sklave griff unter die hölzerne Halskrause und kratzte sich. Shukkner hatte in das Sklavenzeichen zumindest Symbole eingeritzt, die erklärten, dass Klurn frei war und weshalb. Vielleicht erbarmte sich irgendwann einmal eine alte Witwe und nahm ihn zu sich.
Dann konnte Shukkner sich endlich einen neuen Sklaven anschaffen, denn zwei schickten sich nicht für einen Henker wie ihn.